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ADB:Parhamer, Ignaz

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Artikel „Parhamer, Ignaz“ von Anton Victor Felgel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 170–172, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Parhamer,_Ignaz&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 16:51 Uhr UTC)
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Parhamer: Ignaz P. wurde am 15. Juni 1715 zu Schwanenstadt in Oberösterreich als Sohn wohlhabender, wegen ihrer Rechtschaffenheit und ihres regen Wohlthätigkeitssinnes geachteter und beliebter Bürgersleute geboren. Sehnlichst wünschten sie, daß ihr Sohn sich zum Priester heranbilde. Er genoß die erste Schulbildung in seinem Geburtsorte und absolvirte das Gymnasial- und philosophische Studium in Linz, wohin seine Eltern mittlerweile übersiedelt waren. Seine eigene Neigung bezüglich der Wahl seines zukünftigen Berufes stimmte mit dem Lieblingswunsche seiner Eltern überein. Die von ihm angesuchte Aufnahme in den Jesuitenorden wurde jedoch mit dem Hinweise auf seine schwächliche Gesundheit vorläufig abgelehnt. Er ging zunächst nach Wien, begann hier Theologie zu studiren und fand endlich am 17. October 1734 Aufnahme in das Jesuiten-Collegium zu Trencsin in Ober-Ungarn. Gleich nach zurückgelegten Probejahren im Lehrfache verwendet, lehrte er durch zwei Jahre die Humaniora in Belgrad, ein Jahr lang Poesie und Rhetorik in Erlau und wieder ein Jahr lang die gleichen Fächer in Neusohl. Zu Tyrnau, wo er die theologischen Studien beendete und drei Jahre als Katechet der deutschen Jugend wirkte, wurde er 1744 zum Priester geweiht. In demselben Jahre veröffentlichte er das Buch „das folgsame Kind“, dessen zweite Auflage, in Verse gebracht, 1748 erschien. Im J. 1745 hörte P. in Graz das kanonische Recht und war dort als Katechet in der Kirche des Jesuiten-Collegiums thätig. Nach Vollendung des dritten Probejahres zu Judenburg in Ober-Steiermark kam er 1746 nach Wien. Er lehrte hier Dialektik und wurde von der Wiener Universität zum Doctor der Philosophie und Magister der freien Künste promovirt. Seit dem Jahre besorgte er auch den Religionsunterricht in der akademischen Kirche und in der Kirche am Hof zu Wien. Die Kaiserin Maria Theresia übertrug ihm 1748 die Aufsicht über die Trivialschulen. Parhamer’s im J. 1750 erschienener „Katechismus für drei Schulen und mit gewöhnlichen Schulgesängen“ errang große Erfolge und eine weit über die Grenzen der Wiener Erzdiöcese hinaus reichende Verbreitung. Er wurde wiederholt aufgelegt und in die ungarische, serbische und böhmische Sprache übersetzt. An dieses für jene Zeit sehr verdienstliche Schulbuch schloß sich Parhamer’s im J. 1752 veröffentlichter „Historischer Katechismus mit historischen Fragen, Glaubens- und Sittenlehren“. Auch Parhamer’s Obere bewiesen, daß sie seine Tüchtigkeit würdigten, indem sie ihm ein weiteres Gebiet der Wirksamkeit eröffneten. Er wurde katechetischer Missionär der Wiener Erzdiöcese und bald darauf Superior der katechetischen Missionen in den Diöcesen Wien, Salzburg, Seckau, Görz, Raab und Gran. Er durchpilgerte im Auftrage der Kaiserin diese Gegenden und organisirte in den Hauptstädten der betreffenden Länder „Christenlehr-Bruderschaften“, wie sie Papst Paul V. schon 1571 bestätigt und allen Bischöfen empfohlen hatte. Die Kaiserin Maria Theresia, ihr Gemahl und ihre Kinder schrieben sich in das Verzeichniß dieser Bruderschaft ein und unterstützten dadurch wesentlich die Bemühungen Parhamer’s. Noch jetzt singt das katholische Volk Oesterreich’s bei der Spendung des Segens das von P. eingeführte Lied: „Heilig, heilig, heilig“. Der Ruf der ihm eigenen Beredtsamkeit, seine ebenso würdevollen als volksthümlichen Vorträge lockten Alt und Jung von Nah und Fern herbei. Die Kirchen vermochten zumeist die Zuhörerschaft nicht zu fassen. Der Gemahl Maria Theresia’s, Kaiser Franz I., wählte ihn im J. 1758 nach dem Tode des Paters Bittermann zu seinem Beichtvater. Es wird auch dem Einflusse des Kaisers zugeschrieben, daß Maria Theresia im J. 1759 P. die Leitung des Wiener Waisenhauses am Rennwege übertrug, dessen Räume sie in der Folge auf Parhamer’s Antrag durch Ankauf angrenzender Gebäude erheblich vergrößerte. Das Waisenhaus nahm unter seiner Leitung einen ungewohnten Aufschwung. Ueber seinen Lehr- und Erziehungsplan finden wir detaillirte Angaben [171] in dem Buche von G. Rieder, die zum großen Theile auf Parhamer’s Jahresberichten beruhen. Die Knaben waren in acht, die Mädchen in vier Schulclassen vertheilt. Die Kinder wurden im Lesen, Schreiben und Rechnen, in der Rechtschreibung, der Geographie, dem Zeichnen und der Musik, die Knaben im „Exerzieren und der Kriegskunst“, die Mädchen in Handarbeiten unterrichtet. Außerdem hatten sie ein Handwerk, insbesondere die Knaben das von Schneidern, Schuhmachern oder Schreinern zu erlernen, die Mädchen aber mußten die Wäsche zurichten und in Stand halten. Die Knaben waren in eine Abtheilung Kanoniere und drei Compagnien Grenadiere und Füseliere vertheilt, deren jede uniformirt und vollständig ausgerüstet war. Sie vollführten unter Leitung eines kaiserlichen Officiers als Exerciermeisters alle militärischen Uebungen mit Gewehren und Feldstücken. Diese Exercitien und Kirchenparaden, die nicht selten P. „der Kindergeneral“ selbst commandirte, übten große Anziehungskraft auf Wiener und Fremde; sie wurden allmählich eine Sehenswürdigkeit Wiens. Der ganze Lehr- und Erziehungsplan Parhamer’s fand bei Zeitgenossen und späteren Fachschriftstellern verschiedene Beurtheilung. Es zeigt von richtiger Erkenntniß, wenn P. selbst sagt, die Anstalt habe die Aufgabe, taugliche Beamte und Lehrmeister, gut gesittete Bürger, emsige Arbeiter, vortreffliche Künstler, getreue Dienstboten heran zu bilden. Friedrich Nicolai hebt die allenthalben „sehr mechanische Ordnung in diesem auf alle Weise sehr merkwürdigen Waisenhause“ hervor. Er meinte den Kindern anzusehen, daß ihre jugendliche Lebhaftigkeit unter der Last einer militärischen Subordination unterdrückt sei. „Kein Charakter war zu unterscheiden, sondern einer sah aus wie der Andere, Alle steif und wie in einem Rahmen eingespannt“. P. selbst sah in den Exercier-Uebungen seiner kleinen Armee kein bloßes Kinderspiel. Er hatte einen pädagogischen Zweck dabei im Auge. Die Kinder sollten Ernst und Höflichkeit im Verkehr, Gehorsam gegen Obere lernen, eine gute Körperhaltung annehmen, besondere Fertigkeit und Geschicklichkeit bekommen, sich an Reinlichkeit gewöhnen, ihr Ehrgefühl sollte geweckt werden. Der Aufschwung des Wiener Waisenhauses unter Parhamer’s Leitung zeigte sich auch in der Zahl der dort untergebrachten Kinder, sie stieg von 300 auf nahezu 800, die Stiftungen von 49 446 Gulden auf 408.200 Gulden. Auch Kinder aus bemittelten Familien wurden als Kostkinder im Parhamer’schen Waisenhause untergebracht. Nach dem Tode des Kaisers Franz I. wurde P. für einige Jahre Beichtvater der Erzherzogin Elisabeth. Die Kaiserin Maria Theresia und die Erzherzoginnen besuchten wiederholt das Waisenhaus, wohnten dem von P. geleiteten Gottesdienste und den Andachtsübungen bei. Die Erzherzoge Karl Leopold, Ferdinand und Maximilian erhielten in Parhamer’s Institute ihren ersten militärischen Unterricht. Die Erzherzoginnen zeichneten ihn durch Erinnerungen und Briefe aus. Auf Parhamer’s Kosten ging der Lehrer Anton Felkel bei St. Stefan 1768 in die berühmte Schule nach Sagan, um dort eine bessere Unterrichtsmethode zu lernen, die dann auch im Wiener Waisenhause eingeführt wurde. In der 1774 erschienenen Schrift von der „Beschaffenheit des Waisenhauses Unserer Lieben Frauen am Rennweg“ stellte P. die ganze Einrichtung dieser großartigen Humanitäts-Anstalt dar und vertheidigte sie gegen manche laut gewordene Angriffe. P. blieb auch nach Aufhebung des Jesuiten-Ordens unbeirrt Director des Waisenhauses. Maria Theresia anerkannte im J. 1777 sein verdienstliches Wirken durch Verleihung der Titular-Propstei Drózó in der Erlauer Diöcese und erschien mit den Erzherzoginnen zu seiner Benediction und Infulirung am 27. September. Im Todesjahre der Kaiserin 1780 veröffentlichte P. sein Buch „Schulregel für die Eltern, Kinder und Lehrer“. Er wurde im J. 1781 zum Rector Magnificus der Universität Wien gewählt. Papst Pius VI. besuchte das Waisenhaus am 11. April 1782. P. ließ zur Erinnerung einen Denkstein [172] setzen. Bei der Reform der Humanitäts-Anstalten unter Kaiser Josef II. wurde der Propst P. „Oberdirector der sämmtlichen Waisenhäuser in den k. k. Erbstaaten“ im folgenden Jahre auch Director des k. k. Findelhauses und später Director der Stiftungs-Commission. Als P. vom Kaiser Josef II. anstatt der Propstei Drózó und der bisher bezogenen Pension als ehemaliger kaiserlicher Beichtvater die Abtei Lekér in der Diöcese Waitzen erhielt, verwendete er die Einkünfte mehrerer Jahre darauf, die Abtei zu verbessern, Schloß, Kirche und Schule zu restauriren. Als am 20. April 1783 die neue Pfarreintheilung von Wien ins Leben trat, wurde P. auf Wunsch Kaiser Josefs II. Pfarrer an der neuerrichteten Wiener Pfarre im Waisenhause zu Mariä Geburt am Rennweg. Am 2. Juni 1785 errichtete P. in seiner Vaterstadt Schwanenstadt eine Waisenstiftung. Am 14. October desselben Jahres wurde das Parhamer’sche Institut am Rennweg aufgelassen; die Kinder in das neue Waisenhaus in der Währingerstraße versetzt. P. blieb als Pfarrer am Rennwege zurück. Das Scheiden aus dem ihm lieb gewordenen Wirkungskreise inmitten der Waisenkinder scheint dem Greise sehr nahe gegangen zu sein. Er kränkelte von diesem Augenblicke an und starb am 1. April 1786.

Quellen: v. Helfert, die österreichische Volksschule. Geschichte, System, Statistik. 1. Band (Prag 1860). – v. Arneth, Geschichte Maria Theresia’s. 4. Band (Wien 1870). – v. Wurzbach, biographisches Lexicon. 21. Theil (Wien 1870). – G. Rieder, Ignaz Parhamer’s und Franz Anton Marxer’s Leben und Wirken (Wien 1872). – Topographie von Niederösterreich. Herausgegeben vom Vereine für Landeskunde von Niederösterreich. 1. Band. (Wien 1877.)