ADB:Perneder, Andreas

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Artikel „Perneder, Andreas“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 384–387, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Perneder,_Andreas&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 12:35 Uhr UTC)
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Perneder: Andreas P. (Pernoeder), bairischer Jurist und fruchtbarer Schriftsteller aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, über dessen Lebensumstände nur die Vorreden zu seinen hinterlassenen Werken einige zerstreute Aufschlüsse geben. – P., gegen Schluß des 15. Jahrhunderts zu Ried in Altbaiern geboren, wurde am 3. März 1518 an der Universität Ingolstadt immatriculirt, dann zum Unterrichter in München ernannt, und etwa drei Jahre später zum lateinischen und deutschen Secretarius, auch zum Hofrath bei Herzog Wilhelm V. von Baiern befördert, welche Stelle er bis zu seinem Tode über 16 Jahre bekleidete. Nach einer alten Aufzeichnung im cod. germ. N. 1594 Fol. der Münchner Hof- und Staats-Bibliothek starb „Pernöder den 19. Decembris Anno 1543 zur München und wurde in der Parfüsser-Kirchen begraben.“ P. war verheirathet und dessen Ehe mit Kindern gesegnet. Seine Tochter Anna (mit Georg Reitmor aus Deutenhofen, des Innern Rathes zu München verheirathet) scheint höhere Bildung genossen zu haben. Ihr verdankt man die Rettung und Erhaltung von Jürg Kazmair’s Münchner Gedenkbuch, einem der wenigen historiographischen Ueberbleibsel dieser Art, – „welche alte unlesliche geschrifft Anna Reitmorin (laut ihrer Meldung) an einem unzimlichen verworfen orth funden und mit grosser muhe abgeschriben.“ Außerdem besaß sie neben vielen alten Drucken, die sie an die „fürstliche Liberey abgeben“, auch die von ihrem Vater überarbeiteten Handschriften seiner verschiedenen Werke. Sie behändigte letztere ihrem Schwiegersohne, Octavianus Schrenk, churbairischem Regimentsrath zu Straubing, später fürstbischöflichem zu Würzburg, welcher 1573 eine neue Auflage der Werke Perneder’s veranstaltete. – P. war ein tüchtiger, gelehrter Praktiker, der sich mit dem Gedanken trug, das gesammte Recht (Privatrecht, (Institutionen) Civilproceß, Lehen- und Strafrecht sammt Notariat) nach Art des Laienspiegels und an dessen Stelle für seine Fachgenossen unter besonderer Berücksichtigung der in Baiern geltenden Rechte und Gewohnheiten in Form von Compendien zu bearbeiten, jedoch durch einen vorzeitigen Tod abgehalten wurde, die einzelnen Theile zu einem systematischen Ganzen zu vereinen und druckfertig zu machen; denn Schrenk bemerkt in der Vorrede zur Malefizordnung [385] ausdrücklich: „und hat sie vom Autore selbst / als der mit dem zeitlichen Todt zu früh kommen / nit können in ein recht Richtigkeit gebracht werden.“ Der Ingolstädter Professor und nachmalige Kanzler von Freising Wolfgang Hunger (s. A. D. B. XIII, S. 414) gab theilweise nach ungenauen Abschriften und handschriftlichen Fragmenten 1544 Perneder’s gesammten litterarischen Nachlaß heraus und versah die einzelnen Theile mit Widmungen und längeren Vorreden. Perneder’s drei Hauptwerke (Institutionen, Proceß und Malefiz-Ordnung) gehören zu den vielgebrauchtesten und besten Schriften popularisirender Richtung; sie sind trotz sklavischen Anschlusses an die fremden Rechtsquellen der erste Versuch eines in der Praxis wohlbewanderten Mannes, einheimisches und ausländisches Recht in einem der Legalordnung verwandten System zu verbinden. Zuerst erschienen: „Justiniani Institutiones, das ist ein Auszug und Anzaigung etlicher geschriebener keyserlicher u. des heyligen Reichs Rechten, wie die gegenwertige Zeit in Übung gehalten werden“ etc. etc., theils Uebersetzung theils Bearbeitung und Ergänzung der Institutionen durch Hinweis auf „gemeinen Gebrauch“, das bairische Landrecht, die Wormser, Nürnberger und Freiburger Reformation. Hunger widmet in der Vorrede (geben zu Ingolstatt Sambstag nach Richardi den 9. Febr. 1544) das Werk „so viel mehr dem Herzog Albrecht, als ihm nicht zweifelte, wo P. länger im Leben blieben / er würde ihm selbs keinen andern Patron gesucht haben.“ Der Herausgeber bemerkt noch, er habe „auf Befelch des Durchlauchtigen Fürsten Wilhelm, Albrechts Vater, S. F. Gnaden Herzog Albrecht nächst-verschienes Jahr (1543) die Institutionen zum guten theyl inn offener Schul (zu Ingolstadt) möglichs Fleiß vorgelesen“; nun aber habe sie P. „mit fürbindig reiner, zierlicher und verständlicher Sprach verteutscht, – – – und seien die bisher erkandten Verdolmetscher diesen so wenig als der Schatten einer lebendigen Person zu vergleichen.“ Den Institutionen folgte nach einer 1532 von P. überarbeiteten Handschrift der aus sechs Theilen bestehende „Gerichtliche Proceß, in welchem die gemainen geschriebenen weltlichen und geistlichen Recht auf alle und jede Artikul allegirt werden“ etc. etc. Da der Verfasser die bairische Praxis und die Kammergerichtsordnung berücksichtigte, fand das Buch bei den Praktikern rasche und günstige Aufnahme, und diente dessen Inhalt den Gerichtshöfen bei ihren Entscheidungen zur Richtschnur. Nach der Vorrede hatte der Herausgeber das Manuscript von Magister Simon Minervius, Unterrichter zu München und Perneder’s vertrautestem Freunde, erhalten. Etwas später veröffentlichte Hunger eine „Verteutschung des Lehenrechts“, wobei die libri feudorum und die damalige Litteratur benutzt sind. Diesem Buche wurde irriger Weise „die Halsgerichtsordnung oder von Straff und Peen aller und jeder Malefizhandlungen ein kurzer Bericht –“ angereiht, während sie vom Verfasser als Anhang der Institutionen gedacht war. Diese H. G. O., welche (nach Wächter, Arch. des Crim.-Rs. Neue Folge Jahrg. 1842 S. 82 u. ff.) unter dem Titel „tractaet Crimineel muthmaßlich von Jacob Salwächter auch ins Holländische übertragen wurde, nimmt in der juristischen Litteratur- und Criminalrechts-Geschichte einen hervorragenden Platz ein. Sie ist nicht bloß das erste nach der Carolina in Deutschland erschienene System des Strafrechts, sondern blieb bis ins 17. Jahrhundert die hauptsächlichste Grundlage der juristischen Criminal-Litteratur. Gobler’s Proceß- und Rechtenspiegel, Rauchdorns Practica, ebenso die Werke von Dorneck, König und Sawr haben größtentheils unmittelbar aus Perneder geschöpft. Daneben übte diese H.G.O. einen weitreichenden, hauptsächlich über Süddeutschland sich erstreckenden Einfluß auf die Rechtsprechung und liefert somit ein treues Bild der damaligen Strafrechtspraxis. Die Perneder’sche H.G.O. umfaßt Strafrecht sammt Proceß nach [386] Maßgabe des römischen Rechtes und der italienischen Litteratur; nebenbei sind das bairische Landrecht, die goldene Bulle und die tiroler Malefizordnung benützt. Der Verfasser hinterließ von diesem Werke zwei verschiedene Manuscripte; ein älteres, etwa 1530 vollendetes, welches daher die Carolina nicht kennt; dieses legte Hunger seiner Publication zu Grunde. Später nach Verkündung der Carolina hat P. dasselbe nochmals durchgesehen, und durch Verweisungen auf die Carolina und Citate aus derselben ergänzt. Dieses spätere Exemplar benützte Schrenk bei der Ausgabe von 1573; zugleich theilte er das Buch in zehn Titel, d. h. in numerirte Artikel, und vermehrte es nahezu um das Doppelte. Es ist höchst beachtenswerth, daß die Hunger’sche Ausgabe trotz Nichtberücksichtigung der Carolina bis 1573 in zahlreichen Auflagen gedruckt wurde; ein neuer Beleg für den Umstand, daß letztere nur sehr langsam und allmählich bei den Gerichtshöfen Eingang fand. Als Anhang zu vorstehenden vier Werken gab Hunger noch heraus: „Summa Rolandina, das ist: ein kurz Bericht von allerhand Tractaten und Testamenten“ etc. etc. „Item Bartholomaei Socini U. J. D. Regulae juris, ein Tractat der Regeln – sampt den davon ausgenommenen Fällen oder Fallentien B. Socini.“ Rolandinus Rodulphini Passagerii, erster Notar zu Bologna, wo er 1300 im 80. Lebensjahre starb und solches Ansehen genoß, daß ihm die Republik eine eigene Leibwache hielt, verfaßte als Hauptwerk die „Summa artis notariae“ für letzte Willen, Verträge und Gerichtsverfahren. Da kein Notar vom 14.–17. Jahrhundert dieses Büchlein entbehren zu können glaubte, besteht es in zahlreichen Handschriften und Auflagen, wurde auch wiederholt commentirt. Unser Autor gibt eine deutsche Bearbeitung einiger freigewählter Stücke, die er zugleich erläuterte. – Wesentlich umgestaltet verließ Perneder’s Summa Rolandina zuletzt die Presse noch 1725 unter dem apokryphen Titel: „Andr. Perneder’s vollständige Nachricht von Testamenten und Codicillen – nach des Autors Tod durch und durch verbessert – von W. Hunger, J. U. D. u. Professor zu Ingolstadt“ (Frankf. u. Leipzig). – Die lange Zeit sehr geschätzten Regulae juris wurden dem gefeierten Rechtslehrer Bartholomäus Socinus zugeschrieben, der 1436 in Siena geboren, 1507 als Privatmann gestorben ist. Nach Hunger soll indeß Socinus nicht nur gegen die Urheberschaft des Buches Einsprache, sondern gegen den Drucker sogar Injurienklage erhoben haben. P. übertrug diese regulae juris frei ins Deutsche und fügte ihnen praktische Erläuterungen an. – Es ist bereits hervorgehoben worden, daß Perneder’s Schriften große und rasche Verbreitung fanden, daß sie allmählich in den Händen der meisten Praktiker waren, und daß sie von den Gerichtshöfen bei deren Entscheidungen vorzugsweise zu Rath gezogen wurden. Hierdurch erklärt sich auch, daß Hunger’s Ausgabe von 1544 bis 1571 mindestens 16 mal aufgelegt wurde! Hirsch (Millenarius IV. typis exscriptorum librorum, pag. 71) erwähnt bereits aus dem dem Publicationsjahre folgenden (1545) eine dritte, bei Alex. Weißenhorn in Ingolstadt gedruckte, und hieran reihten sich jene von 1546. 1547. 1549. 1550. 1551. 1555. 1556. 1559. 1561. 1563. 1564. 1567. 1571 (Folio). 1573 veranstaltete der bereits genannte D. Octavianus Schrenk mit Hilfe der vom Verfasser selbst durchgesehenen Manuscripte (welche er von seiner gleichfalls früher erwähnten Schwiegermutter, Anna Reitmorin, erhalten) eine revidirte Ausgabe der Perneder’schen Schriften, wovon drei Auflagen bekannt sind (1573. 1578. 1581). Eine weitere dritte Ausgabe besorgte die Eder’sche Officin zu Ingolstadt 1592, wovon 1600 und 1614 neue Abdrucke erschienen. Auf dem Titel der Institutionen-Ausgabe ist der fürstlich baierische Rath Dr. Rochus Freymann v. Obernhausen genannt; allein dieser war schon 1583 mit Tod abgegangen, und wurde von dem Verleger nur deshalb auf den Titel gesetzt, um durch einen bekannten und gefeierten [387] Gelehrten-Namen seinem Unternehmen höheren Glanz und einen größeren Absatz zu sichern. – Es ist in der That staunenswerth, daß P., welcher im besten Mannesalter vom Tode ereilt wurde, Zeit fand, neben dem laufenden Dienste und den hier aufgezählten juristischen Arbeiten als vertrauter Diener Herzog Albrechts wiederholt auch noch wichtige Sendungen und auswärtige Geschäfte zu übernehmen und außerdem geschichtliche Annalen über die Jahre 1506 bis 1529 zu schreiben. Letztere behandeln auf 48 Blättern hauptsächlich „was sich im Bauernkrieg in Bayern, dem türkischen Zug und den Wiedertauffern begeben“, greifen aber auch auf den Landshuter Erbfolgekrieg u. dergl. zurück. Das Manuscript kam vom Kloster Benedictbeuren auf die Münchner Hof- und Staatsbibliothek, wo es als Theil des eingangs erwähnten cod. germ. 1594 aufbewahrt wird.

W. Hungers Vorreden v. 1544 und jene des Octav. Schrenk v. 1573. – Beiträge z. kritischen Historie der deutschen Sprache etc. 9. St. S. 151–156. – Kobolt, Baier. Gel.-Lex. I. S. 507. – Wächter im Arch. f. Crim.-Recht. N. F. 1836. S.120–126. – Hälschner, das preuß. Strafr. 1. Thl. 119 u. 120. – Stintzing, Gesch. d. deutsch. Rechtswissenschaft. 1. Abth., 573–579. – Stobbe, deutsche R.-Quellen. I. 2. S.173 N. 3. – Geib, Lehrbuch des deutschen Straf-R’s. I. S. 286 u. 287.
(Ueber Anna Reitmor) Chroniken d. deutschen Städte. Bd. 15. S. 456–61.