ADB:Peyritsch, Johann
de Bary sich der Botanik zuzuwenden, auf welchem Gebiete er sich schon während seiner medicinischen Aera schriftstellerisch bethätigt hatte. Durch Vermittlung des Wiener Botanikers Fenzl erhielt P. bereits 1871 eine Custodenstelle am Wiener botanischen Hofcabinet, habilitirte sich im Wintersemester 1873/74 als Privatdocent an der Universität, bis er 1878 an Stelle Kerner’s von Marilaun (s. A. D. B. LI, 122), der nach Wien übersiedelte, als Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens nach Innsbruck berufen wurde. Hier wirkte er elf Jahre lang bis zu seinem Tode, der ihn unerwartet schnell im 54. Lebensjahre dahinraffte.
Peyritsch: Johann Joseph P., Arzt und Botaniker, geboren am 20. October 1835 zu Völkermarkt in Kärnten, † am 14. März 1889 in Gries bei Bozen. Nach dem Besuche der Volksschule, des akademischen Gymnasiums und später der Oberrealschule in Graz, wandte sich P. zunächst mathematischen und physikalisch-chemischen Studien auf dem steiermärkischen ständischen Joanneum zu, die er während der Jahre 1857 und 1858 auf der technischen Hochschule in Wien fortsetzte. Er wechselte jedoch seinen Studiengang, trieb Medicin und wurde 1864 zum Dr. med. promovirt. Mehrere Jahre übte er die ärztliche Praxis aus. Nach nahe 1½jähriger Thätigkeit als Aspirant des Wiener Allgemeinen Krankenhauses that er 1866 Dienste als Marinearzt in Pola und wurde 1868 an dem Krankenhause in Wien als Secundärarzt angestellt. Trotzdem P. als tüchtiger Diagnostiker sich bewährt hatte, verließ er 1870 Stellung und Beruf und ging nach Halle, um unterWelche Einflüsse P. bewogen haben, seine medicinische Laufbahn aufzugeben, ist nicht bekannt geworden; jedenfalls muß er schon während seiner Studienzeit in Wien sich auch eingehender mit Botanik beschäftigt haben und zwar zunächst auf systematischem Gebiet. Dieser Richtung gehören seine Arbeiten aus den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an. Die erste Veröffentlichung betrifft eine neue Gattung der Hippocastaneen in der Botan. Zeitung vom Jahre 1858. Ihr folgten dann mehrere umfangreichere Abhandlungen. So erschienen im 30. Bande der Linnaea vom Jahre 1859 „Beiträge zur Flora Mexikos“, enthaltend die Bestimmungen der von Karl Haller während eines 3½jährigen Aufenthaltes in diesem Lande gesammelten Pflanzen, und noch in demselben Jahre das mit Heinrich Wawra gemeinsam verfaßte „Sertum Benguelense“ in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie (Bd. 38). Nach mehrjähriger Pause trat P. als botanischer Schriftsteller wieder an die Oeffentlichkeit durch die zusammen mit Th. Kotschy 1867 besorgte Herausgabe der „Plantae Tinneanae“, eines mit 27 prächtigen Tafeln ausgestatteten Foliowerkes, in welchem die systematischen Ergebnisse der von den Damen Henriette Tinne, deren Tochter Alexandrine und deren Schwester Adrienne van Capellen im Gebiete des Bahr-el-Ghasal gefundenen Pflanzen Aufnahme fanden. In eine spätere Zeit, als P. eben seine Lehrthätigkeit in Innsbruck begonnen hatte, fällt seine Betheiligung an der Veröffentlichung der „Aroideae Maximilianae“. Dieses auf Anregung des unglücklichen Kaisers Maximilian von Mexiko entstandene Prachtwerk über brasilianische Arongewächse war von H. Schott im Manuscript nahezu fertiggestellt, von Selleny illustrirt und von namhaften österreichischen Botanikern, wie Wawra, Kotschy, Reisseck und Fenzl durchgesehen worden, als P. nach dem Tode der drei letztgenannten Forscher die Vollendung und endgültige Redaction nach den Schottschen handschriftlichen Aufzeichnungen übernahm. Es erschien, ausgestattet mit einem Titelbilde und 42 Tafeln in Farbendruck im J. 1879. Außerdem bearbeitete P. noch für die Martius’sche Flora brasiliensis die Familien der Hippocrateaceae (Fasc. 75. 1878) und „Erythroxylaceae“ (Fasc. 81. 1878). [40] In sämmtlichen systematischen Arbeiten zeigte sich P. als sorgfältiger Beobachter, der auch treffend zu beschreiben verstand. Seine vornehmste Begabung aber lag auf dem Felde exakter experimenteller Forschung zum Zwecke der Lösung von Fragen nach dem inneren Grunde der Lebenserscheinungen im Pflanzenkörper. Schon einige mykologische Arbeiten, welche die Entwicklungsgeschichte und Biologie einer wenig bekannten Familie von Pilzen, der parasitär an lebenden Thieren vorkommenden, früher für Würmer gehaltenen Laboulbeniaceen behandeln, zeugen von dieser Geistesrichtung. Es sind dies folgende drei in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie veröffentlichte Abhandlungen: „Ueber einige Pilze aus der Familie der Laboulbenien“ (1871); „Beiträge zur Kenntniß der Laboulbenien“ (1873) und: „Ueber Vorkommen und Biologie der Laboulbeniaceen“ (1875). Abgesehen von der Klarlegung der systematischen Verhältnisse innerhalb dieser schwierigen Familie, gelang P. durch Uebertragung der Laboulbenie der Stubenfliege (Stigmatomyces Baeri) auf gesunde Thiere der Nachweis, daß die Verbreitung des Pilzes nur durch den Contact mit inficirten Fliegen, nicht aber durch Sporenübertragung vermittelst der Luft stattfinden könne. Schon vorher hatte er gelegentlich seiner Beschäftigung in der Hebra’schen Klinik in Wien ebenfalls durch den Versuch bewiesen, daß der Erbgrind (Favus) durch einen Pilz, Achorion Schönleinii, hervorgerufen werde und seine Beobachtung in einem Aufsatz „Beitrag zur Kenntniß des Favus“ in den Medicin. Jahrbüchern (Band XVII. 1869) niedergelegt. Auf diesem Gebiete der experimentellen Pflanzenpathologie, für das ihm Neigung und Befähigung wohl aus seinem ärztlichen Berufe überkommen war, liegen in der That Peyritsch’s bedeutendste wissenschaftliche Leistungen. Er untersuchte eine Unzahl pflanzlicher Mißbildungen und Abnormitäten, um ihren Ursachen auf den Grund zu gehen, wobei er die gewonnenen Resultate wohl zur Beleuchtung der regulären morphologischen Erscheinungen, nicht aber zu deren unmittelbaren Erklärung angewendet wissen wollte und alles rein Speculative streng zurückwies. Die Reihe seiner Schriften, welche diese Richtung verfolgen, eröffnet die Abhandlung über „Bildungsabweichungen bei Umbelliferen“ in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie vom Jahre 1869, an welche sich zwei an derselben Stelle veröffentlichte Studien über „Pelorienbildung bei Labiaten“ (1869 u. 1870) anschließen. Durch ungewöhnliche Besonnung gelang es P. an Exemplaren von Galeobdolon luteum und Lamium maculatum künstliche Pelorienbildung zu erzeugen, auch stellte er zugleich deren Nichterblichkeit bei Anzucht der betreffenden Pflanzen aus Samen fest. Die bedeutendste Arbeit war die 1877 erschienene: „Untersuchungen über die Aetiologie pelorischer Blüthenbildungen“ (Denkschriften der Wiener Akademie, 4 Tafeln, 54 Textseiten). Sie enthält alles, was über die teratologischen Veränderungen der Blüthenkreise seiner Zeit wissenschaftlich feststand. Zur Teratologie der ovula schrieb P. in der Botan. Zeitung 1877: „In Sachen der Ovulartheorie“ und in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie 1878: „Ueber Placentarsprosse“, worin er in dem Streite über die Knospen- oder Blattnatur des pflanzlichen Eies in vermittelnder Weise Stellung nahm. Die beiden letzten Arbeiten: „Zur Aetiologie der Chloranthien einiger Arabis-Arten“ (Pringsheim’s Jahrb. 13. Bd. 1882) und „Ueber künstliche Erzeugung von gefüllten Blüthen und anderen Bildungsabweichungen“ (Sitzungsberichte der Wiener Akademie 1888), waren die einzigen Publikationen während Peyritsch’s Lehrthätigkeit in Innsbruck. Einerseits nahmen die zum Zwecke seiner Studien erforderlichen langjährigen Culturversuche, künstliche Infectionen u. s. w. und die Verwaltung seines Lehramtes, das nur durch ihn allein vertreten war und dem er sich mit peinlicher [41] Gewissenhaftigkeit hingab, seine Zeit und Kraft stark in Anspruch, andererseits aber bemühte er sich in seiner Stellung in ausgiebigster Weise um die floristische und pflanzengeographische Erforschung Tirols und hinterließ seinem Institut eine reichhaltige Sammlung getrockneter Pflanzen, sowie eine in ihrer Art einzig dastehende Collection pflanzenteratologischer Objecte als werthvolles Vermächtniß.
- Nachrufe: M. Kronfeld in „Botan. Centralblatt“, XL. Bd., 10. Jahrg. 1889, S. 133–135; 171–174; 204–206. – E. Heinricher in „Bericht d. Deutschen Botan. Gesellsch.“, Bd. VII, 1889, S. 12–20.