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ADB:Pfund, Johann Daniel Christian

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Artikel „Pfund, Johann Gabriel“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 714–716, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfund,_Johann_Daniel_Christian&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 01:10 Uhr UTC)
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Pfund: Johann Gabriel[1] P., Botaniker und Afrikareisender, geboren am 8. November 1818 in Hamburg, † am 21. August 1876 zu El Fascher in Darfur. Der Vater Pfund’s war Arzt, dem ärztlichen Beruf sollte sich auch der Sohn widmen, welcher jedoch schon frühe eine so lebhafte Neigung für Botanik empfand, daß er nach Beendigung der medicinischen Studien sich ganz dieser Wissenschaft hingab. Eine Anstellung als Custos am botanischen Garten der Prager Universität führte ihn tiefer in das Studium der reichen Flora Böhmens ein und eine leider nie zur Vollendung gediehene Flora von Böhmen wird von Fachkundigen als eine vorzügliche Arbeit bezeichnet. Materielle Sorgen ließen P. der ruhigen Pflege der Wissenschaft sich nicht dauernd widmen. Wir finden ihn in den vierziger Jahren in Alexandrien, wo ihn eine ausgedehnte ärztliche Praxis ernährte, ohne daß er dabei den botanischen Neigungen zu entsagen brauchte. In den 27 Jahren seines Aufenthaltes in dieser Stadt brachte er das vollständigste Herbarium der Flora der Umgegend von Alexandrien zusammen. Nachdem er etwa zehn Jahre lang eine ergiebige Thätigkeit als Arzt in Alexandrien entfaltet hatte, wurde ein Hospital für Seeleute gegründet und P. sah die Einnahmen, welche besonders die Hafenpraxis ihm geboten hatte, zusammenschwinden. Eine Erbschaft, welche beim Ableben seiner in Hamburg lebenden Mutter ihm zugefallen war, schien ihm neuerdings die lange erstrebte Unabhängigkeit vom Erwerbe des Tages zu gewähren, aber nach einigen Jahren ging auch dieser Besitz im Bankerott eines Kaufmanngeschäftes gänzlich verloren. Mit Mühe wurde für P. eine Lehrerstelle an einer Schule ausgewirkt und auf Verwendung Brugsch Bey’s wurde er von der ägyptischen Regierung beauftragt, ein Herbarium ägyptischer Pflanzen für die Wiener Weltausstellung zu schaffen. P. hielt sich mit diesem gelungenen Werke 1873 in Wien auf und hatte die Freude, dasselbe prämiirt zu sehen. Nach der Rückkehr empfing er die Aufforderung, sich der großen Expedition anzuschließen, welche Ende 1874 nach dem Sudân abging. Wir finden P. Ende 1874, nicht eigenem Triebe folgend, sondern der Noth gehorchend, auf dem Wege nach Dongola. Auf dem Nil am 8. December 1874 schrieb er an seine Gattin: Es ist der Sinn des großen Opfers, welches ich meiner Familie noch im 61. Jahre bringe, daß ich Frau und Kind zu leben schaffe. Mit tragischem Gefühl folgt man nun den Wegen des gealterten Mannes, der, um seiner Familie einen Zehrpfennig zu hinterlassen, sich mit Bereitwilligkeit allen Strapazen unterzieht, denen Jüngere ausweichen. Seine geographischen Aufzeichnungen und botanischen Sammlungen sind von den Sachverständigen als vortrefflich anerkannt. Auch wenn sie es in geringerem Maße wären, würden sie zu den theuerst erworbenen zu rechnen sein. Sie sind die Frucht einer unter den schwierigsten Verhältnissen [715] muthig geübten Pflichterfüllung und einer mitten in den Sorgen des gemeinen Lebens nicht zu ertödtenden Liebe zur Wissenschaft. P. war als Arzt und Naturforscher dem Befehlshaber der Sudânexpedition, Oberst Colston, zugewiesen. Seine Thätigkeit wurde in beiden Richtungen stark in Anspruch genommen, als der Nil bei Wadi Halfa verlassen und der Steppenweg nach Dongola betreten war. Colston selbst erkrankte in Dongola, welches am 5. Februar 1875 erreicht wurde, so schwer, daß er nur des „bewundernswerthen braven alten Doctors“ Pflege sein Leben zu verdanken glaubte. Der zweite Chef der Expedition, Reed, mußte krank zurückkehren und an seine Stelle trat Oberstlieutenant Prout. Schon von Dongola aus sandte P. seine erste Kiste voll Naturalien und Hieroglyphenabklatsche nach Cairo. Von Debbe aus wurde das Wadi Melkh untersucht und mit der erheblich geschwächten Expedition anfangs Juni das Militärlager Burrah bei El Obeid erreicht. Von letzterem Orte aus machte P., während die Expedition ruhte, vom August an eine wissenschaftliche Untersuchungsreise, welcher Ernst Marno sich bis Dschebel Abu Harrasi anschloß und die auch Slatin eine Strecke begleitete. In Omlubie empfing P. am 24. August die Nachricht, daß seine Frau, die in Cairo geblieben war, ihm ein Söhnchen geboren habe. Da einer seiner Begleiter nach dem anderen erkrankte, verließ P. die bisher innegehaltene Nordwestrichtung und ging ostwärts nach der Hochebene von Abu Snun, traf in den Bergen von Katul unerwartet mit Prout und Marno zusammen und ging dann, nachdem Prout ihn wieder verlassen, über Kaga, nach Surug im Grenzgebirge von Darfur, welches er in verschiedenen Richtungen durchzog. Mit der fast jugendlichen Unternehmungslust und der naiven Freude an der Erforschung des Neuen, welche seine Gefährten auf dieser Reise an ihm rühmten, drang P. noch über sein Ziel hinaus nach Darfur vor. Die Ermattung seiner Thiere und die Erschöpfung seiner Vorräthe zwangen ihn, von weiteren Plänen abzusehen und nach El Obeid zurückzukehren, wo häufige Erkrankungen im Expeditionscorps seine Anwesenheit nothwendig machten. Er traf am 10. October hier ein, ging aber schon am 28. an der Spitze einer neuen Expedition durch das wegen seiner räuberischen Baggarabevölkerung verrufene Gebirge Kordofans über Dschebel Aïn nach Birket Rahat und Dschebel Deir. Am 6. November nach El Obeid zurückgekehrt, begleitete P. seinen Oberst nach Chartum und trat dann am 19. März 1876 mit Prout seine letzte Reise an, welche ihn nach Darfur führte. Am 3. April traf er am Fuß der Berge von Fogeh mit Ismael Pascha, dem ersten ägyptischen Hokumdar von Darfur zusammen. Der Weg führte über Bir el Hella und El Abiad nach El Fascher, das am 24. April erreicht wurde. Von hier aus sollte nun das eben gewonnene Darfur ähnlich geographisch aufgenommen werden, wie im vergangenen Jahre Kordofan. P. und Prout theilten sich in die Aufgabe so, daß dieser zunächst den Westen, jener den Norden in Angriff nahm. Die Rast von wenigen Wochen in dem unwirthlichen, wüstenhaft gelegenen und seit den Kämpfen mit Siber halb zerstörten El Fascher hatte P. mit seinem gewohnten Fleiße, der seine Begleiter zu dringenden Rathschlägen veranlaßte, wenigstens die Nachtarbeit aufzugeben, benützt, um frühere Arbeiten abzuschließen. Selbst Plan und Ansicht der 19 Pyramiden von Meroë stellte er in El Fascher fertig, klagte aber dabei: Wären nur meine Augen nicht um vieles älter als ich! Am 2. Juni verließ P. die Hauptstadt, ging nordwärts über Melitt nach Hella Tager und Kobbe und kehrte am 16. Juli nach El Fascher zurück. Sein letzter Brief ist aus diesem Orte und vom 22. Juli datirt. Er sagt u. a.: Heute noch requirire ich neue Kameele, um ins Gebirge Marra aufzubrechen. Dieser Plan wurde nicht mehr ausgeführt. P., der seit seinem Aufenthalte in Darfur, wo er seine Reisen ohne alle europäische Begleitung machte, nicht mehr [716] ganz die alte Spannkraft in sich fühlte, trotzdem aber seinen Pflichten mit Entschlossenheit und bewundernswerthem Eifer nachkam (er schreibt am 30. Mai: ich setze mein Leben nie nutzlos oder unsinnig aufs Spiel; aber ich schrecke auch vor keiner Gefahr zurück, wenn die Pflicht oder ein wissenschaftliches Interesse mich ruft), erkrankte unterwegs, kehrte sehr geschwächt nach El Fascher zurück und erlag bald darauf dem Fieber. P. war ein Mann von starkem Körper, scharfem Verstand und glücklichem Humor. Was er auf der einzigen großen wissenschaftlichen Reise, welche durchzuführen ihm vergönnt war, ertragen und geleistet hat, läßt erkennen, daß die besten Elemente eines tüchtigen Afrikareisenden in seiner Natur vereinigt waren. Paul Ascherson rühmt dem Herbarium, das P. in Kordofan und Darfur zusammenbrachte, nach, daß es an trefflicher Conservirung der Pflanzen mit den besten Herbarien aus diesen Ländern, denen von Kotschy, Schimper, Schweinfurth zu vergleichen sei. Prout und Marno haben die Vorzüglichkeit seiner kartographischen Materialien gepriesen. Sein Reisetagebuch, das mit Sorgfalt geführt worden zu sein scheint, ist nicht zur Veröffentlichung gelangt, aber die Privatbriefe, welche L. Friederichsen in den Mittheilungen der geographischen Gesellschaft zu Hamburg für 1876/77 veröffentlicht hat, geben wenigstens einen Theil der Eindrücke wieder, welche der scharf beobachtende Arzt und Naturforscher in den ostsudânischen Ländern empfing und lassen seine rastlose und gründliche Arbeitsweise erkennen. Paul Ascherson hat in den Mittheilungen derselben Gesellschaft für 1878/79 den botanischen Werth dieser Briefe gewürdigt. Die ägyptischen Behörden, welche sich ihr Eigenthumsrecht auf die Aufzeichnungen Pfund’s streng wahrten, veröffentlichten seine täglichen meteorologischen Beobachtungen als Essai météorologique (1877) und das Verzeichniß seiner botanischen Sammlungen als Rapport fait à S. E. le Général Stone Pascha sur les specimens botaniques coll. pendant les expéditions égyptiennes au Kordofan et au Dar-Four commandées par le Col. Colston etc. par le Dr. Pfund, Naturaliste (1879).

Quellen: Mittheilungen der Geogr. Ges. zu Hamburg 1876/77 und 1878/79. Im ersten Band Bildniß.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 714. Z. 15 v. o. l.: Pfund, Johann Daniel Christian statt Johann Gabriel. Vgl. W. Sillem, Die Matrikel des Akademischen Gymnasiums in Hamburg Nr. 3504. [Bd. 33, S. 797]