Zum Inhalt springen

ADB:Puchta, Georg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Puchta, Georg Friedrich“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 685–687, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Puchta,_Georg&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 03:43 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Puchsbaum, Hans
Nächster>>>
Puchta, Heinrich
Band 26 (1888), S. 685–687 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Georg Friedrich Puchta in der Wikipedia
Georg Friedrich Puchta in Wikidata
GND-Nummer 118596969
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|26|685|687|Puchta, Georg Friedrich|Johann August Ritter von Eisenhart|ADB:Puchta, Georg}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118596969}}    

Puchta: Georg Friedrich P., Professor der Rechte, Mitglied des preußischen Staatsrathes und der Gesetz-Commission; geboren am 31. August 1798 zu Kadolzburg, † am 8. Januar 1846 zu Berlin. – Bei Darstellung des Lebensweges Puchta’s folgen wir wohl am füglichsten den Angaben, welche er selbst auf besonderen Wunsch des italienischen Uebersetzers seines Pandekten-Handbuches kurz vor seinem Tode aufzeichnete.

Georg Friedrich P. ist der erstgeborene Sohn des als Musterbild eines deutschen Praktikers hochgeschätzten Landrichters Wolfgang Heinrich P., und wurde durch seinen Vater schon als Kind mannigfaltig mit rechtlichen Verhältnissen und Anschauungen vertraut. Von 1811 bis 1816 besuchte er das Gymnasium zu Nürnberg unter Umständen, die eine Hinneigung zur alten Geschichte und den Classikern, zugleich aber auch eine genaue Bekanntschaft mit der neueren schönen Litteratur begünstigten; und da Hegel in jenen Jahren als Rector des Gymnasiums seinen Schülern Philosophie vortrug, lernte P. auch die Grundsätze der Hegel’schen Philosophie einigermaßen kennen, obwohl sie in den jugendlichen Zuhörer nicht sonderlich tief eindrang. 1816 bezog er als Rechtscandidat die Universität zu Erlangen, wohin sein Vater einige Jahre früher (1811) als Landrichter versetzt worden war, und hatte den besonderen Vortheil, daß er schon während des Universitätsstudiums von seinem Vater in die Praxis eingeführt wurde. Unter den Professoren machten sich bei einem im ganzen unvollkommenen Unterrichte Gros (Naturrecht) durch seine Persönlichkeit und Glück (Institutionen und Pandekten) durch gewissenthaften Fleiß bemerklich, indeß die Schriften von Niebuhr und Savigny auf den strebsamen Jüngling mächtig einwirkten. Nach vollendetem Rechtstudium erwarb er mit der Inaugural-Dissertation „de itinere, actu et via“ (Erlangen, 1820. 4°) den Doctorgrad und habilitirte sich noch in demselben Jahre an der Universität Erlangen für römisches Recht. 1821 unternahm er eine längere Reise durch Deutschland, mit besonderer Berücksichtigung der Universitäten Jena, Berlin, Göttingen, Bonn, Heidelberg. Er machte auf derselben werthvolle, persönliche Bekanntschaften mit Savigny, Hugo, Göschen, Hasse, Ribbentrop, Bethmann-Hollweg, Thibaut etc., von denen namentlich die beiden Ersteren P. stets mit fördernder Theilnahme zugethan blieben. Als Ergebniß dieser Reise hebt P. neben jenen wichtigen Bekanntschaften insonderheit ein Bewußtsein von dem Standpunkte und Berufe hervor, sowie von der Methode der Wissenschaft. 1823 erhielt er einen Ruf als Romanist nach Dorpat, den er jedoch ablehnte, weil ihm im nämlichen Jahre eine außerordentliche Professur der Rechte in Erlangen verliehen wurde. Diese behielt er bis 1828, in welchem Jahre er als ordentlicher Professor des römischen Rechtes in München angestellt wurde. Hier übten Schelling, den er bereits in Erlangen kennen gelernt hatte, und dessen Vorlesungen auf P. einen tiefen, nachhaltigen Einfluß; und wie er in Erlangen mit einem Kreise trefflicher Männer (mit Schubert, Döderlein, dem Dichter Platen, dem Prediger Pfeiffer u. A.) vorzugsweise verkehrte, so erfreute er sich in München des Umganges mit den bedeutendsten künstlerischen [686] und wissenschaftlichen Berühmtheiten, welche Baierns Hauptstadt damals vereinigte. In innige Freundschaft trat er auch mit dem hochgebildeten Präsidenten des bair. Oberconsistoriums Dr. v. Roth. 1835 erging durch den damaligen kurhessischen Minister von Hassenpflug, mit dem P. nachmals in ein näheres bis an sein Ende währendes Freundschaftsverhältniß trat, an Letzteren ein Ruf nach Marburg für römisches und Kirchenrecht, dem er auch folgte. Hier schrieb er (1837) den 2. Band seines 1828 in Erlangen begonnenen Gewohnheitsrechtes, siedelte jedoch schon im gleichen Jahre (1837) nach Leipzig über, wo er bis 1842 römisches Recht vortrug. In Leipzig erschien das „Lehrbuch der Pandekten“ (1838), welches unter seinen sämmtlichen Schriften den ersten Platz behauptet und zugleich das vollendetste Werk ist, welches bisher über diese Materie ans Licht getreten war. 1842 kam er an die Berliner Hochschule, wo ihm die ehrenvolle Aufgabe zu theil wurde, Savigny’s Lehrstuhl einzunehmen. In der ersten Hälfte des Jahres 1844 wurde er zum Hilfsarbeiter am Geheimen Obertribunal mit dem Titel eines Geh. Obertribunal-Rathes und in der ersten Hälfte des folgenden Jahres zum Mitglied des Staatsraths und der Gesetzgebungs-Commission ernannt. Leider sollte er sich des ausgedehnten, großen Wirkungskreises nicht lange erfreuen! Am 29. December 1845 wurde P. während eines Besuches von Uebelkeit befallen; das Leiden erwies sich alsbald als tödtlich und wenige Tage nach der Erkrankung (8. Januar 1846) erfolgte sein Ende. – P., einer der bedeutendsten Rechtskundigen dieses Jahrhunderts, besaß durch Schelling’s Einwirkung eine gediegene philosophische Bildung, er verband mit ausgedehnten, nicht auf das Rechtsgebiet beschränkten Kenntnissen durchdringende Schärfe und Klarheit des Gedankens, sicheres Urtheil, einen umfassenden Ueberblick und seltene Gestaltungsgabe. Daher wird er besonders in seinen späteren Schriften zu einem Meister der Form, und sind diese hierdurch wahre Kunstwerke geworden, er selbst aber hat auf Fortbildung der Rechtswissenschaft und Hebung eines gründlichen Studiums unvergänglichen Einfluß gewonnen. Als warmer Verehrer Hugo’s und Savigny’s hing P. der sogenannten „historischen Schule“ an; aber nicht einseitig, indem er sich in rechts-antiquarische Untersuchungen verlor; er erfaßte das geltende Recht mit historischem Geiste, erforschte dessen Entwicklung, und behandelte es mit Beziehung auf die Gegenwart. Er hat Savigny’s Lehre von der Entstehung des Rechtes weiterausgeführt, sodann eine philosophische Deduction des Rechts als Grundlage der geschichtlichen Auffassung zu gewinnen versucht („Einleitung zu den Institutionen“, 1841), ebenso ein Princip für wissenschaftliche Systematisirung des Rechts („Lehrbuch für Institutionenvorlesungen“, 1829). „Das Bedeutendste aber, was er geleistet, ist seine Förderung der Einsicht in das Römische Recht und seine Geschichte! Hierin gehört er zu den wissenschaftlichen Größen seiner Zeit. In seinem „Cursus der Institutionen“ gab er in meisterhafter Darstellung ein volles anschauliches Bild der ganzen organischen Entwicklung des Rechts bei diesem gerade für das Recht classischen Volke, und mit gleicher Vollendung gab er in den „Pandekten“ den dogmatischen Gehalt des römischen Rechts, aus den Quellen geschöpft und mit dem ihm eigenen Scharfsinn verarbeitet und zur praktischen Anwendung durchgebildet; dazu in einer Kürze und Eleganz der Darstellung, wie sie bisher kein Lehrbuch des römischen Rechtes erreichte.“ – Im Allgemeinen sagte die Kritik seiner Natur zu, wie die vielen Recensionen bezeugen, welche in verschiedenen Zeitschriften (namentlich in den Jahrbüchern von Richter und jenen von Schunck) erschienen. Gewandte Dialektik, glänzender Witz, Scharfblick, und die Gabe, empfindliche Schwächen aufzudecken, kamen ihm dabei zu Statten, verliehen aber seinen Kritiken bisweilen etwas Herbes und Kantiges; auch ist er vielleicht vermöge seiner Vertiefung in das römische Recht bei deutschrechtlichen Fragen nicht immer mit vollster Objectivität [687] zu Werke gegangen. – In der Politik huldigte P. monarchisch-conservativen, keineswegs jedoch absolutistischen Principien; so vertrat er die Freiheit der Presse, die Theilnahme der Gemeinde an der Kirchengewalt, eine erweiterte Unabhängigkeit der Rechtspflege, und erblickte die beste staatliche Einrichtung in wohlgeordneter „ständischer“ Gliederung. Im vollen Einklang mit diesen politischen Ansichten stand auch von Jugend an seine streng-conservative religiöse Richtung. In Erlangen war es Pfarrer Krafft, ein Mann von seltener Energie und Stärke des Willens, welcher, wie auf seine Pfarrgemeinde, so auch auf Puchta entscheidend einwirkte. P. ergriff den positiven evangelischen Glauben mit der vollen Macht und Entschiedenheit seines Wesens. Die Recension des Erbrechtes von Gans liefert hiervon bereits Zeugniß. Diesen seinen Glauben hat er bewahrt zu allen Zeiten und in allen Ländern, in denen er lehrte, und hat ihn auch in seinen letzten Momenten offen bekannt.

Nach Puchta’s Hinscheiden (8. Januar 1846) veröffentlichten der ihm befreundete Berliner Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Stahl in der Beilage zur Augsb. Allg. Zeitg. (5. Febr. 1846 Nr. 36) und ebenso Prof. Wetzell in Richter’s Jahrbüchern, deren fleißiger Mitarbeiter P. gewesen (Bd. X, Jahrg. 1846, S. 283–85) Nekrologe, und findet sich bei Wetzell ein erschöpfendes Verzeichniß der von 1820–43 publicirten Werke und Aufsätze Puchta’s. Ferner hat Dr. Huber im 11. Hft. des Janus 1846 (S. 433 u. ff.) ein umfassendes Lebensbild des Verstorbenen geliefert. Zugleich sind diese 3 Aufsätze den von Prof. Ad. Aug. Frdr. Rudorff gesamm. „kleinen civilistischen Schriften Puchta’s“, 38 an der Zahl, (S. I–LII) vorangedruckt. – Außerdem hat Ziller (Leipz. 1853) „über die von Puchta der Darstellung des römischen Rechts zu Grunde gelegten rechtsphilosophischen Ansichten“ eine Abhandlung geschrieben. Vergl. noch: Revue de la législation XXVI, 1846. – Ein Portrait unseres Gelehrten existirt eigentlich nicht, indem die vorhandene Lithographie ganz unzureichend ist.