ADB:Pustkuchen-Glanzow, Johann Friedrich Wilhelm

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Artikel „Pustkuchen-Glanzow, Johann Friedrich Wilhelm“ von Binder. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 736–738, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pustkuchen-Glanzow,_Johann_Friedrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 05:52 Uhr UTC)
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Pustkuchen: Dr. Johann Friedrich Wilhelm P.-Glanzow, evangel. Geistlicher und Schriftsteller, geb. am 4. Februar 1793 zu Detmold, † am 2. Januar 1834 zu Wiebelskirchen bei Ottweiler. Sein Vater war zu Detmold Elementarlehrer und Cantor sowie Hilfslehrer am dortigen Gymnasium; derselbe war ein tüchtiger Musiker und unterrichtete auch als solcher die fürstlichen Kinder daselbst; P. selbst erhielt von seinem Vater ebenfalls eine gediegene musikalische Bildung. Nach früher Absolvirung des Gymnasiums seiner Vaterstadt bezog P. die Universität Göttingen, wo er mit Eifer den theologischen Studien oblag. Nach wohlbestandenem theologischen Examen entschloß er sich, auch noch medicinische Collegien zu hören, um einer künftigen Pfarrgemeinde nöthigenfalls auch in dieser Hinsicht nützlich sein zu können. Nach seinem Weggange von der Universität nahm P. vorerst eine Hauslehrerstelle in Pempelfort an, die ihm jedoch bald wenig zusagte und ihn auch in seinen sonstigen geistigen Bestrebungen hemmte, weshalb er sie gegen Ende des Jahres 1815 niederlegte. Nach kurzem Aufenthalt zu Elberfeld, wo er als Lehrer wirksam war, begab er sich 1816 nach Leipzig, wo er bei Buchhändler Härtel[WS 1] wiederum eine Hauslehrerstelle übernahm; hier gestalteten sich seine Beziehungen zur Härtel’schen Familie auf’s Angenehmste, die sich auch für die Folgezeit erhielten. Den Leipziger Aufenthalt benützte P. außerdem theils zu seiner weiteren Ausbildung für seinen zukünftigen Beruf, theils zu schriftstellerischen Arbeiten. 1819 wurde er substit. Prediger zu Haminckeln bei Wesel und im nächsten Jahre folgte er einem Rufe als Pfarrer zu Lieme bei Lemgo, wo er in demselben Jahre seine Braut Sophie Gerhardine van den Bruck als Gattin heimführte, aus welcher Ehe neun Kinder entsprossen. Sieben Jahre dauerte Pustkuchen’s pfarramtliche Wirksamkeit daselbst, bis ihm [737] bezüglich der Art des von ihm ertheilten Religionsunterrichtes von seiner vorgesetzten Stelle Schwierigkeiten bereitet wurden. Entschlossen, seinem Gewissen zu folgen, verzichtete P. 1827 mit Zustimmung seiner Freunde auf sein Amt in Lieme und siedelte sich in Herfort an, wo er den Unterhalt seiner Familie durch schriftstellerische Arbeit zu gewinnen suchte, indem er die Redaction des dortigen Wochenblattes übernahm und die pädagogische Zeitschrift „Levana“ und sonstige Schriften herausgab. Nach ungefähr dreijährigem Aufenthalt daselbst erhielt P. durch die Gunst des damaligen preußischen Kronprinzen und nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm IV. wiederum eine Anstellung als Pfarrer in Wiebelskirchen bei Ottweiler, wo er pflichtgetreu und eifrig seinem geistlichen Berufe oblag bis zu seinem an oben genanntem Tage infolge einer Erkältung herbeigeführten Tode. – Neben seiner pfarramtlichen Wirksamkeit entfaltete P. aber auch zugleich eine außerordentliche regsame litterarische Thätigkeit, die sich auf den verschiedenen Gebieten der Theologie, der Pädagogik, der Belletristik u. s. w. bewegte. Schon in seinem siebenten Lebensjahre machte der Knabe dichterische Versuche, und die Lese- und Schreiblust war in ihm so mächtig, daß die Eltern ihm Schreibzeug, Bücher und Licht am Abend entziehen mußten, damit er nicht den größten Theil der Nacht zum Schreiben und zur Lectüre verwandte. Sein erstes zur Ausgabe gelangtes Erzeugniß, „Die Schlacht bei Belle-Alliance“, erschien schon 1816; diesem folgte 1817 „Die Poesie der Jugend. Erzählungen, Gedanken und Lieder“; sodann 1818 „Die Natur des Menschen und seines Erkenntnißvermögens als Fundament der Erziehung, psychologisch entwickelt“. Von seinen weiteren Schriften mögen hier nur die bedeutenderen noch angeführt werden wie „Die Perlenschnur“, 1820, 2 Theile; „Die Urgeschichte der Menschheit in ihrem vollen Umfange“, 1. oder histor. Theil, 1821; dann „Wilhelm Meister’s Wanderjahre“, 1821 u. 1822, 3 Theile, sowie „Wilhelm Meister’s Tagebuch. Vom Verfasser der Wanderjahre“, 1821; ferner „Gedanken einer frommen Gräfin“ (auch unter dem Titel: „Wilhelm Meister’s Wanderjahre“, 2. Beilage), 1822; weiter „Das Ideal der Staatsökonomie“, 1822. Im J. 1823 folgte „Historisch kritische Untersuchung der biblischen Urgeschichte nebst Untersuchung über Alter, Verfasser und Einheit der übrigen Theile des Pentateuchs“ und 1824 „Wilhelm Meister’s Meisterjahre“, 2 Theile; in demselben Jahre erschien auch seine „Kritik der Schulen und der pädagogischen Ultra’s“; dann „Grundzüge des Christenthums“, 3. Aufl. 1826. Im J. 1829 gab P. die oben erwähnte pädagogische Zeitschrift „Levana“ betitelt heraus, von der aber nur sieben Hefte erschienen; die darin enthaltenen Aufsätze von allgemeinem Interesse veröffentlichte er sodann in einer besonderen Sammlung unter dem Titel: „Abhandlungen aus dem Gebiete der Jugenderziehung“; schließlich ist noch anzuführen seine „Kurzgefaßte Geschichte der Pädagogik“, 1830; sodann „Der Beruf des evangelischen Pfarrers nach seinem Zweck und Wesen“, und „Kirche, Schule und Haus“, welche beiden letzten Schriften 1832 erschienen sind; außerdem lieferte P. vielfache Beiträge in verschiedene Zeitschriften. In dieser umfänglichen Reihe litterarischer Erzeugnisse sind besonders die beiden Schriften „Wilhelm Meister’s Wanderjahre“ und „Wilhelm Meister’s Meisterjahre“ bemerkenswerth, die durch ihre eigenthümliche Tendenz und die gegen Goethe hervortretende polemische Haltung Aufsehen erregten und eigentlich erst den Namen des Verfassers weiteren Kreisen bekannt machten, jedoch zugleich vielfach eine berechtigte abfällige Beurtheilung erfuhren. Eine gegen Goethe durchaus feindselige Stimmung, die sich in einer bitteren, absprechenden und einer selten gerechten Kritik über die Persönlichkeit und die Werke dieses Dichters äußerte, durchzieht den Inhalt der beiden parodistischen Bücher. Die von P. erhobenen Anschuldigungen gegen Goethe [738] als „Geistesleugner“ und seine noch sonstigen Angriffe der Goethe’schen Schöpfungen gaben übrigens ähnlich Gesinnten Stoff und Anlaß zu weiteren derartigen Richtungen. Es sind sodann unter Pustkuchen’s angeführten Arbeiten noch dessen pädagogische anderweitigen Schriften fachmännischer Beachtung werth, die bei oft richtigen, geistreichen und den damaligen Schulverhältnissen entgegenstehenden Ansichten doch wieder jeder Art von Schulverbesserung, wenn solche über das ihm gefällige Maß hinauszuschreiten schien, mit herber Abweisung entgegentreten. Schon seine erste hierher zu rechnende 1824 erschienene Schrift, „Kritik der Schulen und pädagogischen Ultra’s“, kennzeichnet seine Stellung und verwickelte ihn in eine fachmännische Polemik. Als Geistlicher war P. ein gewissenhafter Seelsorger, wie dies verschiedene amtliche Zeugnisse ersehen lassen, und ganz besonders ein beliebter Kanzelredner, der großen Einfluß auf seine Gemeinde übte, mit deren Gliedern er einen regen persönlichen Verkehr pflegte. Als eine seiner Hauptpflichten betrachtete er die von ihm mit Vorliebe und Sorgfalt geübte Ertheilung des Religionsunterrichts bei der Jugend. Einer unthätigen Frömmigkeit war er Feind, aber ein Freund und Förderer wahrer und werkthätiger Gottesfurcht. Von persönlicher Gemüthstiefe zeigt unter anderem die Aufnahme einer armen Waise in seine ohnedies schon wol an Gliedern, doch durchaus nicht an irdischen Gütern reiche Familie und seine hingebende Thätigkeit in der Krankenpflege, die sich besonders in seiner letzten Pfarrstelle in Wiebelskirchen beim Ausbruch einer Epidemie bewährte, wo er seine früher gewonnenen medicinischen Kenntnisse mit solchem Erfolg verwerthete, daß ihm die Ausübung der ärztlichen Praxis in seiner Gemeinde weiterhin verstattet wurde. – P. war eine geistig reich veranlagte Natur, die sich mit Leichtigkeit und Geschick in die von ihm gewählten Stoffe vertiefte und dieselben in gewandter Schreibweise behandelte; daß es ihm auch nicht an poetischer Begabung fehlte, haben seine Schriften ebenfalls zu Tage gelegt. Dabei ist aber nicht zu verkennen ein von lebhaftem Selbstbewußtsein getragenes Bestreben, seiner Persönlichkeit und seinen wol oft richtigen, oft aber auch seltsamen Ideen Geltung zu verschaffen, was Widerspruch und litterarische Kämpfe zur Folge hatte. Seine Schriften sind ziemlich rasch in Vergessenheit gerathen; einige derselben hatte P. unter dem Namen Glanzow veröffentlicht, den er dann seinem Familiennamen beifügte.

K. G. Hergang, Pädag. Real-Encyklopädie. II. Bd., S. 452. – Biographien der berühmtesten und verdienstvollsten Pädagogen v. J. B. Heindl. – Privatmittheilungen der Familie und aus dem schriftlichen Nachlasse Pustkuchen’s.
Binder.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gottfried Christoph Härtel, siehe unter Breitkopf und Härtel