ADB:Röpe, Heinrich
lutherischen Kirche Hamburgs in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, wurde am 2. December 1836 zu Hamburg geboren. Sein Vater, Georg Reinhard Röpe (vgl. den vorigen Artikel), war auch Theologe; die Mutter, Sophie, geborne v. Ahsen, stammte aus Walsrode im Hannöverschen. Sie starb, als er wenig über fünf Jahre alt war; die Erziehung des Sohnes und zweier jüngern Schwestern leitete neben dem Vater eine Schwester desselben, die wie eine rechte Mutter für sie sorgte. Zwischen dem Sohne und dem Vater entstand schon früher als es sonst üblich ist, ein sehr vertrautes Verhältniß; der Vater ließ ihn an Allem, was ihn bewegte, theilnehmen, nicht nur an seinen Arbeiten und seinen Studien, sondern auch an seinen persönlichen Erlebnissen, die der Art waren, daß er oft schwer an ihnen trug. War dies auch gewiß nicht unbedenklich, so hat es doch auf die Dauer dem Sohne nicht geschadet. Die bedeutende und geistesfrische Persönlichkeit des Vaters, die in einer festen und tiefgegründeten christlichen Ueberzeugung wurzelte, konnte es ertragen, daß der begabte Sohn sich neben ihm doch selbständig entwickelte; und er ließ es sich angelegen sein, den Kindern eine fröhliche Jugend zu bereiten. Von Michaelis 1843 an bis Ostern 1855 besuchte R. die Schulen des Johanneums in Hamburg; zuerst die Sexta der Gelehrtenschule, dann die Realschule, die damals unter der Leitung des Freundes seines Vaters, des Directors Dr. Carl Bertheau (s. A. D. B. XLVI, 437), stand und an der sein Vater viele Jahre der älteste Lehrer war, und die er ganz durchmachte und schließlich von Ostern 1851 an wieder die Secunda und Prima der Gelehrtenschule. Reich ausgerüstet mit einer umfassenden allgemeinen Bildung, namentlich auch auf dem Gebiete der deutschen Litteratur, und mit soliden Kenntnissen im Lateinischen, Griechischen und Hebräischen, bezog er Ostern 1855 zunächst die Universität Göttingen; daß er etwas anderes erwählen könnte, als das Studium der Theologie, hat wohl nie zur Frage gestanden. Er blieb ein Jahr in Göttingen. In Göttingen waren Ehrenfeuchter und Dorner, diese vor allem auch in seinem letzten Studienjahr, ferner Ernst Bertheau und Ludwig Duncker seine Lehrer; in Erlangen hatte vor Allen v. Hofmann großen Einfluß auf ihn, doch ward er nicht eigentlich dessen Schüler. Er wahrte sich seine persönliche Freiheit und hat durch umfassendes Studium, namentlich auch auf dem Gebiete der Dogmatik, für seine positiven Ueberzeugungen immer mehr eine [463] feste wissenschaftliche Grundlage gewonnen, wobei es für ihn wesentlich war, die Ergebnisse auch anderer Wissensgebiete, wie besonders der Philosophie, in Einklang mit dem, was ihm sonst feststand, zu wissen. Nachdem er im August 1858 nach Hamburg zurückgekehrt war, machte er zuerst im November das Schulamtsexamen und sodann im Juni 1859 das theologische Examen. Während seiner Candidatenzeit war er, wie es damals in Hamburg ganz allgemeine Sitte war, als Lehrer thätig; er unterrichtete an beiden Schulen des Johanneums und in einer großen Anzahl privater Mädchenschulen; im Johanneum so ziemlich in allen Fächern, in den Privatschulen wurden vor allem Religionsstunden von den Candidaten begehrt, aber dazu geeignete mußten auch in der Geschichte, der Litteraturgeschichte und im Deutschen unterrichten. R. hat dies mit besonderer Freude gethan und diesen Privatunterricht auch noch als Pastor fortgeführt. Am 20. December 1863 wurde er zum Pastor zu St. Jacobi gewählt und an dieser Kirche ist er bis an sein Ende im Amte geblieben, vom 20. Mai 1883 an als Hauptpastor. Schon am 17. Januar 1870 ward er vom Ministerium (dem Collegium der Stadtgeistlichen) in die Oberschulbehörde deputirt, und fortan ist er bis zu seinem Tode (fast 27 Jahre) auch Mitglied dieser Behörde gewesen. Es war das für ihn von Bedeutung; er hatte dadurch Gelegenheit, gerade auf dem Gebiete, auf dem er selbst Hervorragendes leistete, leitend und fördernd thätig zu sein. Als Pastor hatte er besondere Freude am Confirmandenunterricht; aber auch als Seelsorger fand er bald sowohl bei den bessersituirten als auch bei den einfachen Leuten und bei den Armen volles Vertrauen. Seine Thätigkeit in der Gemeinde ward bald eine sehr umfangreiche; dazu kam eine umfassende ehrenamtliche Arbeit, namentlich auch in verschiedenen Vereinen; so war er im Gustav-Adolf-Verein und dann besonders im Verein für innere Mission, dessen Vorsitzender er im J. 1880 ward, in leitender Weise thätig. Das Hauptgewicht aber legte er auf die Predigt; der Kreis seiner Zuhörer wurde dann auch bald ein großer und dankbarer; und es war deshalb auch nicht zu verwundern, daß er nach Calinich’s Tode zum Hauptpastor gewählt ward. Dieser Amtswechsel brachte ihm der in Hamburg bestehenden Sitte gemäß manche Erleichterung; aber er konnte nun um so mehr allen Fleiß auf die Predigt wenden, die er als Hauptpastor immer im Hauptgottesdienst zu halten hatte. Er war nicht gerade ein Mann äußerer Beredsamkeit; aber er predigte in klarer und überzeugender Weise das Evangelium für die Menschen des 19. Jahrhunderts und nahm auf ihre Fragen und Nöthe eingehende Rücksicht; wie er selbst vorsichtig war in dem, was er als seine Ueberzeugung aussprach, zog er durch diese Wahrhaftigkeit seiner Predigten gerade auch die dem vollen Inhalt des Evangeliums noch ferner Stehenden an und wußte ihnen den Weg zu zeigen, auf dem er selbst zu seinen Glaubensüberzeugungen gelangt war. So genoß er, obschon mit Recht allgemein bekannt als Vertreter des positiven lutherischen Glaubens, doch das Vertrauen anders Gerichteter in hohem Maaße, und stand nach vielen Seiten in einer reich gesegneten Arbeit. Dabei fand er noch Zeit, sich wissenschaftlich und litterarisch zu beschäftigen und nichts von Bedeutung, was die Zeit bewegte, blieb von ihm unbeachtet. Schriftstellerisch trat er nicht häufig auf; als junger Pastor veröffentlichte er gegen einen im Protestantenverein gehaltenen Vortrag, in welchem dem geschichtlichen Leben Jesu für unsern Glauben eine „ausschlaggebende Bedeutung“ abgesprochen war, eine kleine Schrift: „Daß der ideale Christus mit dem historischen steht und fällt“ (1868), die damals auch in weitern Kreisen nicht unbeachtet blieb; und als er Hauptpastor geworden war, ließ er unter dem Titel „Konfirmationsstunden“ (Hamburg 1884) den wesentlichen Inhalt seines Confirmandenunterrichts drucken, es ist das [464] eine christliche Glaubenslehre für gebildete Laien, in der namentlich auf die Einwendungen der Gegner Rücksicht genommen wird. – R. war seit dem Jahre 1866 sehr glücklich verheirathet; da dem Ehepaare eigne Kinder versagt blieben, nahmen er und seine Frau später einen Knaben und ein Mädchen zu eigen an. Bei seinem silbernen Amtsjubiläum ward er von der theologischen Facultät in Göttingen honoris causa zum Doctor der Theologie ernannt (20. December 1888). Er starb kaum 60 Jahre am 15. December 1896 an einem sehr schmerzlichen Nierenleiden, dessen erste Spuren sich schon vor etwa drei Jahren gezeigt hatten und das seit dem Sommer 1896 zu heftigem Ausbruch gekommen war, seiner Gemeinde, seinen Arbeitsgenossen und seinen vielen Freunden viel zu früh.
Röpe: Georg Heinrich R., einer der bedeutendsten Geistlichen der- Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, Bd 6, S. 346 ff., 1873. – Blätter der Erinnerung an D. Georg Heinrich Röpe, Hauptpastor zu St. Jacobi. Als Manuscript für Freunde gedruckt. Hamburg 1897. – Zeitschrift für die evangelisch-lutherische Kirche in Hamburg. Herausgegeben von A. v. Broecker, Bd. 3, S. 197–241. Hamburg 1897.