ADB:Röpe, Georg Reinhard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Röpe, Georg Reinhard“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 460–462, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%B6pe,_Georg_Reinhard&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 18:20 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Roos, Theodor
Nächster>>>
Röpe, Heinrich
Band 53 (1907), S. 460–462 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Dezember 2015, suchen)
Georg Reinhard Röpe in Wikidata
GND-Nummer 115431152
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|53|460|462|Röpe, Georg Reinhard|Carl Bertheau|ADB:Röpe, Georg Reinhard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=115431152}}    

Röpe: Georg Reinhard R., lutherischer Theologe und Professor am Realgymnasium, wurde am 11. April 1803 zu Hamburg geboren. Er war der zweite Sohn von Carl Reinhard R. (geboren am 10. Juli 1764 zu Iserlohn), der schon in früher Jugend mit seinem Vater, dem Kaufmann Johann Reinhard R. aus Iserlohn nach Hamburg übergesiedelt war. Johann Reinhard R. lebte hier in dem litterarischen Kreise, in welchem sich auch Lessing und seine Freunde bewegten, und so nahm auch sein Sohn Carl Reinhard R. an den poetischen Bestrebungen jener Tage Antheil; er ist auch selbst als Schriftsteller aufgetreten (vgl. Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, Bd. 6, S. 342 ff.). Die Familie wurde in der Zeit der französischen Occupation um ihren Wohlstand gebracht; sie mußte im December 1813 mit den von Davoust Ausgewiesenen Hamburg verlassen. Dadurch verlor der Vater auch seine Anstellung als Postverwalter; nach der Rückkehr nach Hamburg hatte er mit Sorgen und Krankheit zu kämpfen. Sein Sohn Georg Reinhard R. erhielt zwar vom Director Gurlitt im Juni 1815 eine Freistelle auf dem Johanneum; aber weil seine Eltern ihn nicht ernähren konnten, mußte er sich seinen Unterhalt durch Privatunterricht verdienen. Um Michaelis 1823 machte er sein Maturitätsexamen; bis Ostern 1824 besuchte er dann das akademische Gymnasium in Hamburg. Von Ostern 1824 bis Ostern 1827 studirte er in Halle Theologie und Philologie. Er erfreute sich besonders des Wohlwollens des Professors Gesenius (s. A. D. B. IX, 89), der ihn Ostern 1826 zu seinem Famulus erwählte. Mit dieser Stellung war damals eine beträchtliche Einnahme verbunden. Zugleich wurde er Mitglied des theologischen Seminars, in welchem er durch Lösung einer Preisaufgabe „De locis veteris testamenti in novo testamento allegatis“ den Preis gewann. Nun konnte er auch den philosophischen Doctor machen, für welchen seine Preisschrift als Arbeit angenommen wurde; er promovirte am 3. März 1827.

Nach Hamburg zurückgekehrt, machte er am 12. October 1827 das theologische Amtsexamen. Er mußte nun alsbald für seine schwer erkrankte Mutter (sie starb 1828, der Vater war schon 1821 gestorben) und zwei unversorgte jüngere Geschwister sorgen; die Möglichkeit gewährten wieder Privatstunden, deren er thunlichst viele gab; eine Zeitlang war er in den späten Abendstunden dabei auch als Corrector an einer Zeitung thätig. Am 28. Januar 1829 ward er zum Collaborator am Johanneum erwählt, und nun begann seine Thätigkeit als festangestellter Lehrer, in der er bis in sein hohes Alter hinein vielen Hunderten zu reichem Segen geworden ist. Es ging um diese Zeit eine große innere Veränderung mit ihm vor. Er und fast alle seine Freunde waren im Rationalismus erzogen; diese Auffassung des Christenthums war in ihm in Halle durch seine hochangesehenen Lehrer Gesenius und Wegscheider befestigt, und er zweifelte nicht im geringsten an ihrer Richtigkeit, wenn ihm auch die frivolen Witze über manche evangelische Lehre, die diese Professoren sich erlaubten, schon damals anstößig waren. Als er dann aber in Hamburg in den Ernst des Lebens eintrat, merkte er, daß dieser Vulgärrationalismus [461] hohl und nichtig sei; es ging ihm, wie vielen seiner Freunde, daß namentlich die ernste Beschäftigung mit der Bibel, zu der sie die vielen Religionsstunden, die sie geben mußten, veranlaßten, ihnen die göttliche Weisheit des Evangeliums in einem ganz neuen Lichte erscheinen ließ; und so wurden sie, zum großen Theil nicht ohne eine längere Zeit innerer Kämpfe, allmählich von der Wahrheit des positiven biblischen Christenthums überzeugt und traten fröhlich und muthig für dasselbe ein. Für ihr Fortkommen war ihnen das aber nicht förderlich. Ihr Wunsch war, in ein geistliches Amt gewählt zu werden; die „aufgeklärten“ Mitglieder der Kirchencollegien jedoch wählten solche Theologen, die sie nach der damals üblichen Bezeichnung für „Mystiker“ und „Pietisten“ hielten, nicht, und so kam es, daß eine Anzahl besonders tüchtiger Candidaten, die gerade auch schon in einer reichen kirchlichen Thätigkeit standen und immer volle Kirchen hatten, wenn sie predigten, niemals Pastoren geworden sind. Außer R. erfuhren das, um nur diese zu nennen, auch Carl Bertheau (s. A. D. B. XLVI, 437) und Johann Heinrich Wichern (ebd. XLII, 775[WS 1]). R. hat hieran besonders schwer getragen; es lag wie ein bleibender Druck auf ihm. In seiner Thätigkeit als Lehrer erfreute er sich, gerade auch um seines positiven biblischen Religionsunterrichtes wegen, in einer größern Anzahl angesehener Familien großer Beliebtheit. Als im J. 1834 das Johanneum in die Gelehrtenschule und die Realschule (später Realgymnasium) getheilt wurde, verblieb R. bei der Realschule; er rückte dort in die höhern Stellungen ein und war viele Jahre ältester Lehrer; Director war vom Jahre 1845 an sein Freund Carl Bertheau, beide wirkten in schönem Verein. R. gab außerdem viele, zeitweilig sehr viele Privatstunden, besonders in Mädchenprivatschulen für die höhern Stände (sog. Cursen); namentlich ertheilte er außer Religionsunterricht gern Unterricht in der deutschen Litteratur, manchmal auch einem Kreise schon erwachsener Mädchen. Außerdem predigte er viel; lange Jahre und bis zuletzt regelmäßig alle vierzehn Tage im Schröderstift, aber auch sonst. So hatte er eine große Arbeitslast, unter der er dann auch wohl einmal seufzte; aber die Stunden an der Realschule konnte er nicht aufgeben, die Privatstunden wollte er nicht einschränken, und seine liebe Kanzel nicht mehr zu betreten, wäre ihm nach seiner ganzen Art erst recht unmöglich gewesen. Aber er hatte auch eine große Frische, der Verkehr mit bedeutenden Männern und Frauen in den verschiedensten Lebensstellungen belebte ihn, und dadurch, daß er an allem Wichtigen, was die Zeit bewegte, namentlich an allem, was im Gebiete der Theologie und der deutschen Dichtung sich hervorthat, Antheil nahm, blieb er trotz des äußern Einerlei seiner Arbeit immer neu angeregt. Seine Frau hatte er nach siebenjähriger glücklicher Ehe im J. 1842 verloren; eine Schwester führte seitdem ihm und seinen drei Kindern, einem Sohne (Georg Heinrich, vgl. den folgenden Artikel) und zwei Töchtern, das Hauswesen. Man theilte im Hause die Interessen des Vaters; das Leben war ein frisches und fröhliches. – Litterarisch thätig zu sein, veranlaßte R. die Verpflichtung, mitunter die wissenschaftliche Arbeit für das Schulprogramm zu liefern. Seine hervorragendsten Arbeiten dieser Art haben es mit dem Verhältnisse bedeutender Dichtungen zum christlichen Glauben zu thun; sie bringen seine Ueberzeugung, daß in Wirklichkeit zwischen echter Poesie und dem christlichen Glauben kein Widerspruch sei, zum Ausdruck. Hierher gehören die Programme: Ueber Immermann’s Merlin 1848, Schiller’s Götter Griechenlands 1853, Ueber die dramatische Behandlung der Nibelungensage in Hebbel’s Nibelungen und Geibel’s Brunhild 1865, Ueber die epische Neudichtung der Nibelungensage in Wilhelm Jordan’s Nibelunge 1869. Die beiden letzten Arbeiten gab er erweitert heraus in der Schrift: [462] „Die moderne Nibelungendichtung, mit besonderer Rücksicht auf Geibel, Hebbel und Jordan“, Hamburg 1869. Besonderes Aufsehen erregte sein Programm: „Lessing und Goeze im Fragmentenstreit“, 1859, das er sodann als besondere Schrift: „Johann Melchior Goeze, eine Rettung“ (Hamburg 1860) in weiterer Ausarbeitung erscheinen ließ; kein Kenner kann leugnen, daß R. durch diese „Rettung“ auf die Beurtheilung Goeze’s auch bei seinen Gegnern Einfluß gewonnen und sie zu einer gerechteren hat werden lassen. Außer diesen Arbeiten hat er nur noch weniges drucken lassen, meist einzelne Predigten oder Berichte. Sein 50jähriges Doctorjubiläum und sein 50jähriges Amtsjubiläum wurden für ihn besondere Ehrentage, an denen ihn die Zeichen von Liebe und Anhänglichkeit, die ihm von allen Seiten zu Theil wurden, hoch erfreuten; bald nach dem letzteren, Ostern 1878, trat er in den Ruhestand. Er starb am 15. December 1887 nach nur zehntägigem Siechthum ohne eigentliche Krankheit.

Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, Bd. 6, S. 346 ff., 1873. – W. Bahnson in der Beilage zum Programm des Realgymnasiums des Johanneums in Hamburg (auf Ostern 1888). Hamburg 1888.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: XLII, 475