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ADB:Rötger, Gotthilf Sebastian

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Artikel „Rötger, Gotthilf Sebastian“ von Karl Janicke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 303–305, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%B6tger,_Gotthilf_Sebastian&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:18 Uhr UTC)
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Rötger: Gotthilf Sebastian R., verdienter Pädagog, war als der Sohn eines Pastors am 5. April 1749 zu Klein-Germersleben geboren. Vorgebildet auf der seit etwa 1700 mit dem Kloster U. L. Frauen zu Magdeburg verbundenen Gelehrtenschule (Pädagogium) bezog er October 1767 die Universität Halle, um sich dem Studium der Theologie zu widmen. Im April 1771 begann er seine Lehrthätigkeit an der Schule, deren Zögling er gewesen [304] war. Bereits am 15. December 1780 wurde er zum Propst des Klosters gewählt, welche Wahl Friedrich der Große am 23. December bestätigte, worauf seine Einführung am 31. Januar 1781 erfolgte. In dieser Stellung wurde er erst in den weiteren und bald darauf in den engeren Ausschuß der Landstände des Herzogthums Magdeburg berufen und hier erwarb er sich durch sein scharfes Urtheil und seine geschäftliche Gewandtheit ein solches Ansehen, daß er bald der Schriftführer des Ausschusses wurde. Diese Verhältnisse gaben dann auch die Veranlassung, daß er 1786 als Deputirter zur Monirung eines Entwurfs zu einem allgemeinen Gesetzbuche für die preußischen Staaten ernannt wurde. Die Gesetzkenntniß, welche er sich bei dieser Gelegenheit erworben hat, ist ihm sein ganzes Leben hindurch von großem Vortheil gewesen.

Als Leiter einer angesehenen gelehrten Schule hat sich R. große Verdienste erworben. Die von ihm ins Leben gerufenen und fast aus schließlich von ihm verfaßten, zuerst im J. 1793 erschienenen „Jahrbücher des Pädagogiums zu U. L. Frauen in Magdeburg“ gaben Rechenschaft von den durch ihn eingeführten Reformen. Zur Aufmunterung fleißiger und begabter Schüler setzte er Prämien aus, ferner beschränkte er die Ferien auf eine bestimmte Zeit, führte die Censuren ein und sorgte nicht nur für die geistige, sondern auch für die körperliche Ausbildung seine Zöglinge. Da die Lehrer am Pädagogium sämmtlich Theologen waren, die ihre Lehrthätigkeit nur als einen Uebergang zum Eintritt ins Pfarramt ansahen, aber das Kloster nicht Patronatstellen genug hatte, um alle Lehrer zu versorgen, so suchte er diese Patronatsstellen zu vermehren. König Friedrich Wilhelm III. überließ auf Rötger’s Ansuchen dem Kloster die bisher dem Kloster Ammensleben zustehenden Patronate Jersleben und Nieder-Dodeleben. Zu den Lehrern der Anstalt gehörte auch Delbrück, der 1800 Erzieher des damaligen Kronprinzen, späteren König Friedrich Wilhelm’s IV. wurde. Als R. am 31. Januar 1805 sein 25jähriges Lehrerjubiläum feierte, richtete Delbrück an die Alumnen des Pädagogiums ein Schreiben, in welchem er sich über die Verdienste Rötger’s aussprach, dieser habe erst in die Verwaltung der klösterlichen Güter Ordnung und Licht gebracht, sowie in die Einrichtung des Pädagogiums Plan, Regelmäßigkeit und zweckmäßiges Fortschreiten. Bei Gelegenheit dieser Feier wurde R. durch ein königliches Cabinetsschreiben zum Mitgllede des Provinzialschulcollegiums ernannt. Bald traten für die seiner Leitung anvertraute Lehranstalt sehr trübe Zeiten ein. Die Folgen der Schlacht bei Jena und das Aussaugesystem der westfälischen Regierung, der jetzt Magdeburg unterstellt wurde, lastete auch schwer auf dem Kloster U. L. Frauen. Aber der Klugheit und Geschäftskenntniß Rötger’s gelang es, wenn auch nicht ohne große Opfer, die Selbständigkeit des Klosters zu retten, während die übrigen Klöster im Magdeburgischen sämmtlich aufgehoben wurden. Die westfälische Regierung übertrug R. die schwierige Stellung eines Arrondissements-Liquidators, ein Amt, das er unter großen persönlichen Opfern verwaltete. Das Jahr 1813 machte der Fremdherrschaft freilich ein Ende, aber Magdeburg, das noch in den Händen der Franzosen verblieben war, hatte eine langwierige Belagerung zu bestehen, unter der das Kloster schwer leiden mußte. Die Zahl der Schüler war sehr zusammengeschmolzen, und die Räumlichkeiten der Schule wurden zu einer Kaserne eingerichtet. Es dauerte noch einige Jahre, ehe die Schule wieder zu geordneten Verhältnissen gelangte, denn während der Kriegsjahre hatte ein Theil der Lehrer und Schüler, es sei nur an den damals sechszehnjährigen Karl Immermann, den bekannten Dichter, und Rötger’s eigenen Sohn erinnert, die Waffen ergriffen.

In den darauf folgenden Friedensjahren hob sich der Besuch der Schule wieder. Die günstige Finanzlage des Klosters gestattete bedeutende Bauten auszuführen, die Bibliothek zu erweitern und für bessere Lehrmittel zu sorgen. [305] Welche Liebe und Verehrung R. nicht nur bei seinen Schülern und Lehrern, sondern auch bei den königlichen und städtischen Behörden genoß, zeigte sich bei der Feier seines 50jährigen Lehrerjubiläums am 4. Mai 1821. Der König ehrte ihn durch Verleihung des Rothen Adlerordens 2. Classe mit Eichenlaub, die Universität Halle durch Ertheilung der theologischen Doctorwürde. Nach einem reichgesegneten Leben starb R. am 16. Mai 1831. Rötger’s Verdienste liegen hauptsächlich auf pädagogischem und administrativem Gebiete, aber auch als Schriftsteller ist er thätig gewesen. Seit dem Jahre 1793 gab er, wie schon bemerkt, ein „Jahrbuch des Pädagogiums zu U. L. Frauen in Magdeburg“ heraus, dessen einzelne Bände verschiedene Aufsätze zur älteren Geschichte des Klosters enthalten; außerdem ist er der Verfasser einer Geschichte der Reformation in Magdeburg.

Bormann und Hertel, Geschichte des Klosters U. L. Frauen. S. 301 f.