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ADB:Rabus, Ludwig

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Artikel „Rabus, Ludwig“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 97–99, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rabus,_Ludwig&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 07:18 Uhr UTC)
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Rabus: Ludwig R., lutherischer Theolog des 16. Jahrhunderts, geboren 1524 zu Memmingen in Schwaben, † am 22. Juli 1592 in Ulm. – Sohn eines Memminger Bürgers, Namens Jakob Rab, Rabe, auch Günzer genannt, kam er als armer Schüler nach Straßburg, wo er in dem gastlichen Hause des Predigers Matthias Zell und unter der Pflege von dessen Hausfrau Katharina Zell mehrere Jahre verlebte. 1538 studirte er in Tübingen, dann in Wittenberg, wo er zwei Jahre blieb und 1543 Magister wurde. Nachdem er von da nach Hause zurückgekehrt, erhielt er 1544, obwohl erst 20 Jahre alt, einen Ruf nach Straßburg, als Hilfsprediger des Münsterpredigers Zell. Er fand durch seine hervorragenden Predigergaben und sein angenehmes Organ großen Beifall beim Volk, besonders bei den Frauen, die ihn „als einen Abgott hielten“. 1548 starb Zell; R. wurde sein Nachfolger, verlor aber seine Stelle bald wieder wegen des Interims, dessen Annahme er verweigerte. Er blieb aber in Straßburg, wo er in andern Kirchen predigte. Als mit dem Jahre 1552 wieder günstigere Zeiten für die Protestanten kamen, wurde R. Pfarrer und Vorsteher des Collegium Wilhelmitanum, auch Lehrer der Theologie am Straßburger Gymnasium. 1553 reiste er nach Tübingen, wo er am 19. April zugleich mit Jakob Andreä die theologische Doctorwürde erhielt. Nach dem Tode Caspar Hedio’s († am 17. Oct. 1553) [98] wäre er gern Präses des Straßburger Kirchenconvents geworden. Als ihm aber der Rath seinen schwäbischen Landsmann Johann Marbach aus Isny vorzog, fühlte sich R. beleidigt und verließ Straßburg, wo er auch aus andern Gründen sich unbehaglich fühlte, „hinterrucks“ und ohne Abschied, um einem Ruf als Pfarrer und Superintendent nach Ulm zu folgen. Vom Straßburger Rath deshalb zur Rede gestellt, daß er ohne Urlaub und Abschied die Stadt verlassen, entschuldigte er sich damit, daß die Einführung des Interims, das eingerissene Sectenwesen, auch die ungesunde Luft und die schwache Gesundheit seiner Frau ihn zu diesem Schritt bewogen haben. Später wurde sein Verhältniß zum Straßburger Rath wieder ein freundlicheres: als R. sein „Märtyrerbuch“ herausgab, widmete er den zweiten Theil dieses Werkes dem Magistrat der Stadt Straßburg und erhielt dafür ein Geschenk von 100 Rthl. Um so rücksichtsloser und undankbarer aber war sein Benehmen gegen seine frühere Wohlthäterin und Pflegemutter, Frau Katharina Zell. Als diese es wagte, ihren ehemaligen Hausfreund, den schlesischen Edelmann und Theosophen Caspar Schwenkfeld gegen die Angriffe lutherischer Eiferer zu vertheidigen, gab R. in Ulm am 30. Dec. 1557 eine Gegenschrift gegen sie heraus, worin er die 80jährige edle Frau auf’s schonungsloseste angriff. Selbst seine intimsten Freunde mißbilligten sein heftiges Auftreten; Katharina Zell vertheidigte sich und das Andenken ihres Mannes in einer neuen Schrift, die sie der Straßburger Bürgerschaft widmete. In Ulm, wo R. am 22. November 1556 sein Amt angetreten, war er aufs eifrigste bemüht, die letzten Ueberreste des katholischen Kirchenwesens, des Zwinglianismus, Wiedertäuferthums, Schwenkfeldianismus, die er in Stadt und Land noch vorfand, mit Hilfe des Raths vollends auszurotten, dagegen das orthodoxe Lutherthum in Kirche und Schule fest zu begründen. Die einzige katholische Kirche in der Stadt, in der nur noch wenige Anhänger des alten Glaubens sich versammelten, wurde geschlossen; die Schriften Zwingli’s wie die der Sectirer verboten, anrüchige Prediger entfernt, wiederholte Kirchenvisitationen in Stadt und Land abgehalten (1558, 60, 66, 73, 79, 84), das Kirchen- und Schulwesen geordnet, 1560 die Einführung von Kirchenbüchern (Verzeichnisse der Getauften, Verstorbenen, Proclamirten und Copulirten) angeordnet; 1570 ff. suchte R. die concordistischen Bestrebungen seines Freundes Jakob Andreä nach Kräften zu fördern, unterzeichnete 1571 mit seinen Collegen den sog. Zerbst’schen Abschied, 1577 die Concordienformel mit 58 unter seiner Inspection stehenden Predigern, 1584 wurde das sog. Brautexamen eingeführt d. h. eine Prüfung der Nupturienten über die Katechismuswahrheiten durch ihren Beichtvater, 1586 wurde die Privatbeichte, die seit 1531 außer Uebung gekommen, wieder hergestellt, 1590 ein Verbot erlassen gegen die Haltung von Hochzeiten an Sonn- und Festtagen etc. Besondere Verdienste erwarb er sich auch um das Schulwesen: die Stadtschule, an der bisher nur 2 oder 3 Lehrer angestellt waren, wurde von R. in Gemeinschaft mit dem damaligen Rector Peter Agricola 1558–61 neu organisirt, die Schüler in 5 Classen getheilt, regelmäßige Schulvisitationen und Prüfungen angeordnet, zum Gebrauch der Schüler in Stadt und Land ein neuer Katechismus d. h. eine Erklärung des lutherischen Katechismus herausgegeben (1559–61) usw. Nachdem er so 34 Jahre lang mit unermüdetem Eifer dem Kirchen- und Schulwesen vorgestanden, und eine Reihe von wohlthätigen Einrichtungen getroffen, durch die er im dankbaren Andenken der Nachkommen fortlebte, trat R. 1590 in den wohlverdienten Ruhestand, in welchem er noch die zwei letzten Jahre seines Lebens verbrachte bis zu seinem am 22. Februar 1592 erfolgten Tod. In seiner Familie erlebte er Glück und Unglück; er hatte 5 Söhne und 9 Töchter; einer seiner Söhne, Johann Jakob R. (s. d.), bereitete ihm schweres Herzeleid [99] dadurch daß er nach einem liederlichen Lebenswandel zur römischen Kirche übertrat.

Von seinen schriftstellerischen Arbeiten sind (außer verschiedenen gedruckten Predigten und erbaulichen Schriften z. B. Katechismuspredigten 1560, Predigt wider die 9 fürnemsten Hauptlaster 1561, christliches Betbüchlein 1563, speculum poenitentiae 1577 u. a.) besonders zu nennen seine Arbeiten zur Märtyrergeschichte, nämlich 1) sein zu Straßburg erschienener „Liber de Dei confessoribus et martyribus veteris ecclesiae“, und 2) sein großes Märtyrerbuch u. d. T. „Historie der Märtyrer“. 8 Theile. Straßburg 1554. 4; 11 Theile Straßburg 1571. Fol. (freilich besonders in den älteren Zeiten ziemlich unkritisch, aber doch von Werth durch Mittheilung vieler merkwürdiger Documente). Handschriftliche Predigten von ihm befinden sich auf der Ulmer Stadtbibliothek; 25 Briefe von ihm stehen in Fecht’s Sammlung der Marbach’schen Briefe.

Preisenstein, Leichenpredigt 1592. – Rabus’ Leben in deutschen Reimen beschrieben von M. Samuel Neuhauser 1592. – Adam, Vitae theol. germ. 462. – Fecht, Hist. ecc. s. XVI Supplementum epistolis ad Marbachios consistens. 1684 S. 80. – Jöcher III, 1853. – Rotermund VI, 1188. – Weyermann, Nachr. von Gelehrten aus Ulm 1798. S. 428 ff. – Röhrich, Mittheilungen aus der Gesch. der ev. Kirche des Elsaßes. Straßburg 1855. III, S. 152, 172 ff. – Keim, Reformation der Reichsstadt Ulm. 1851, S. 353, 415. – Riederers Abhg. aus der Kirchen-, Gelehrten- und Büchergeschichte II. III. – Füßlin, Beiträge zur Reformationsgeschichte V, 191 ff.