ADB:Rasser, Johannes
Rudolf II. von seinen Erben spricht. In der Vorrede zu seiner Postille von 1590, datirt vom 16. October 1589, sagt R., daß er 31 Jahre lang das Pfarramt bekleidet habe: dies führt auf 1558 als den Anfang dieser Wirksamkeit und läßt annehmen, daß er in den dreißiger Jahren geboren war. Zuerst hatte er in Colmar die Pfarrei versehen, und hierher sandte er noch 1577 ein abmahnendes Schreiben an Michael Buob, welcher als Obristmeister von Colmar wesentlich die Duldung des protestantischen Bekenntnisses in dieser Stadt durchgesetzt hatte: Lerse, Geschichte der Einführung der Reformation in Colmar, Colmar 1856 S. 125 f. Auch in Rappoltsweiler war R. für die „Wiederherzubringung zu dem allgemeinen seligmachenden katholischen Glauben“ thätig, wofür Erzherzog Ferdinand 1588 ihm eine Dankspende zukommen ließ (Colm. Arch.). Die eigentliche Wirkungsstätte Rasser’s war Ensisheim, der Hauptstützpunkt der Gegenreformation am Oberrhein. R. sorgte für die Ausschmückung der Pfarrkirche, indem er 1586 aus eigenen Mitteln den hinteren Chor herstellen ließ, wodurch er zugleich den Rath bewog, den Thurm höher auszubauen. Noch mehr that er für die Schule zu Ensisheim, welche 1551 als Seminar eingerichtet, zu seiner Zeit einen neuen Aufschwung nahm und auch von dem katholischen Adel des Oberrheins vielfach beschickt wurde. 1577 drang er in die Regierung, den Prior des Gotteshauses S. Valentin zu Rufach zu Beisteuern für die Ensisheimer Schule anzuhalten; 1583 erwirkte er für diese eine ansehnliche Geldunterstützung von Bischof Andreas von Constanz, dem Sohne des Erzherzogs Ferdinand; auch aus der Bürgerschaft wußte er Legate für die Schule zu gewinnen. Um 1586 ordnete er deren gesammtes Stipendienwesen. Für seine eigenen Beiträge war ihm von Erzherzog Ferdinand eine Entschädigung von 800 Fl. ausgesetzt worden, die dann, um 200 Fl. vermehrt, seinen Erben überwiesen wurde. Es war nur ein weiterer Schritt in der von R. selbst verfolgten Richtung, daß die Schule 1614 in die Hände der Jesuiten überging.
Rasser: Johannes R., elsässischer Dichter. Seine Lebensgeschichte ist nur lückenhaft herzustellen. Ensisheim, wo er lange Jahre als Pfarrer thätig war und wo Verwandte von ihm lebten, war wohl auch sein Geburtsort. Das Geburtsjahr ist ebenso unbekannt wie sein Todestag, der jedoch sicher vor den 13. November 1597 fällt, da unter diesem Datum eine jetzt im Colmarer Archiv befindliche Correspondenz zwischen der niederösterreichischen Regierung und KaiserDieselben Züge wie seine sonstige Thätigkeit trägt nun auch die schriftstellerische Arbeit Rasser’s. Es sind hauptsächlich zwei Komödien, von denen die eine nach dem Willer’schen Herbstkatalog von 1574 folgenden Titel hatte: „Ein christlich Spiel von der Kinderzucht, darinn angezeigt wirdt, wie die Kinder, so wol erzogen, zu großen Ehren, die aber so ubel erzogen, vielmal verderben vnd schendlich sterben. Gespielet durch junge Knaben zu Bern im J. 1573. Gemacht durch J. Rassern.“ 1574. 4° (s. Weller, Das alte Volkstheater der Schweiz, Frauenfeld 1863 S. 103). Hier ist die Angabe, daß das Stück in Bern aufgeführt worden sei, höchst auffallend. Nach Merklen, Hist. d’Ensisheim 2, 193, der leider nur über Nebenumstände, nicht über Inhalt und Gang des verschollenen Stückes Auskunft gibt, ward es am 9. und 10. August 1573 zu Ensisheim von 97 Schülern gespielt und im Druck dem Erzherzog Ferdinand gewidmet. Das andere Stück ist in je einem Exemplar zu Wolfenbüttel und zu Dresden erhalten. Es hat den Titel „Comoedia Vom König der seinem Sohn Hochzeit machte / auß dem XXI. und XXII. Capitel Matthei gezogen / darinn der Juden und dieser Welt / grosse vndanckbarkeit / gegen der vilfeltigen angebottenen Gottesgnad fürgebildet wirt. Welche in der Oesterreichischen Statt Ensisheim / im Obern Elsaß / im Herbstmonat / des 1574. Jars / durch junge Knaben sehr lustig gehalten / nachmals in Truck verfertigt / durch Johann Rassern [333] Pfarherrn daselbst / mit schönen Figuren geziret / dergleich vormals nie gesehen noch gespilt worden.“ Am Schluß steht: „Gedruckt zu Basel bei Samuel Apiario in Kosten J. Rassern MDLXXV.“ Die Vorrede vom 12. November 1574 widmet das Stück dem Bischof Melchior von Basel. Sie erwähnt, daß der Dichter bereits etliche Comödien mit der „allhieigen jugend“ gehalten habe und noch andre zu Teutsch und Latein zu halten gedenke. Im Abdruck der „Hochzeit“ sind die lateinischen Verse, welche den in vierhebigen Reimpaaren geschriebenen Acten vorangingen oder folgten, fast völlig weggefallen. Die Aufführung des Stückes dauerte drei Tage und scheint jedesmal zu Mittag begonnen zu haben. 162 Schüler nahmen Theil. Den Inhalt bildet die Verlobung des Königssohnes Josaphat (gemeint ist Christus) mit Ecclesia, Tochter des Mundus; die Einladung an die Juden, welche die Propheten todtschlagen und den Königssohn kreuzigen; die Zerstörung Jerusalems; die Einladung an die Heiden, welche als Lahme und Krüppel erscheinen und die Ausstoßung des nicht hochzeitlich bekleideten Gastes. Die Juden werden sehr übel behandelt; R. lobt Erzherzog Ferdinand, der sie aus seinem Lande vertrieben. Grausige Scenen spielen auf der Bühne selbst: die Enthauptung Johannes des Täufers, dessen blutendes Haupt noch spricht; die Bestrafung des jüdischen „Rädleinführers“ Simon, welchem das Herz aus dem Leibe geschnitten und um den Mund geschlagen wird, worauf man den Leichnam aufhängt. Für Komik sorgt dagegen der Narr Jogle, auch die Trabanten, die Landsknechte mit ihren Metzen. Aus Jerusalem werfen die Juden auf die Angreifer mit „äschenen Kugeln das schier keiner den anderen vor Staub sehn kundt – welches alles lecherlich und kurzweilig zu sehen war“. Manches ist culturhistorisch lehrreich, z. B. für die Kenntniß des Landknechts- und Gerichtswesens im 16. Jahrhundert. Freilich die Schüler mußte es zu falschen Vorstellungen über das römische Alterthum führen, wenn im römischen Senat neben Vespasian auch Cato, Scipio u. a. erschienen. – Geringeres Interesse als die Dramen haben die Predigtsammlungen Rasser’s. 1578 erschien zu Cöln: „Christenliche / Catholische und wolgegründete Predigen / durch die gantzen Fasten und Marterwochen, welche aus einem alten Scribenten verteutscht, darbey auch die Bedeutung aller Ceremonien vnd Kirchengebreuch“ u. s. w. In der Vorrede wendet sich R. gegen die Behauptung der Protestanten, „Die alten haben vor diesen unseren gezeiten nicht Gotteswort / sondern nur fabeln und tandtmähren geprediget / so sich doch allhie … das gegentheil befindt.“ Indessen begegnen auch hier Geschichten wie die von Evilmerodach und andern undankbaren Söhnen. R. hat seiner Vorlage noch weiterhin Polemik gegen die evangelische Theologie eingeflochten, gegen den „Glauben ohne die Werke“, gegen die Angriffe auf die Beichte u. a. Jene Sammlung von 1578 bezeichnet er selbst übrigens nur als einen der fünf Theile, in welche er seine Uebersetzung zerlegen wollte. Ein andrer ist vermuthlich seine Postilla de tempore 1589, dem Bischof Jacob Christoph von Basel gewidmet (Merklen 2, 205); ein dritter die Postilla de Sanctis unter dem Titel Postilla Christlicher Catholischer Predigen auf alle Fest- und Feyrtäg durch das gantze Jahr, Dillingen 1590. Geschrieben ist dies Werk nach der Angabe S. 45 schon 1574. In der Vorrede an Bischof Andreas von Constanz nennt der Verfasser sich dessen Caplan; auf dem Titel ist er auch als F. D. Ertzh. Ferdinandi Rath und Propst zu Enschingen bezeichnet. Die späteren Postillen von 1595 und 1614 wiederholen nur die früheren.
- Merklen, Histoire de la ville d’Ensisheim Colmar 1840 II p. 54. 191 ff. 203 ff. Dazu kamen freundliche Mittheilungen der Herren Pfannenschmied, Archivdirector in Colmar, Waltz, Stadtbibliothekar ebenda, und Haas, Gemeindeschreiber in Ensisheim.