Zum Inhalt springen

ADB:Redslob, Gustav Moritz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Redslob, Gustav Moritz“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 537–540, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Redslob,_Gustav_Moritz&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 13:24 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Redn, Justus
Band 27 (1888), S. 537–540 (Quelle).
Gustav Moritz Redslob bei Wikisource
Gustav Moritz Redslob in der Wikipedia
Gustav Moritz Redslob in Wikidata
GND-Nummer 100546420
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|27|537|540|Redslob, Gustav Moritz|Carl Gustav Adolf Siegfried|ADB:Redslob, Gustav Moritz}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100546420}}    

Redslob: Gustav Moritz R., geboren am 21. Mai 1804 zu Querfurt, wo sein Vater Lehrer an der Stadtschule und Küster an der Stadtkirche war. In der Schule seiner Vaterstadt und sonst durch Privatunterricht vorgebildet, kam er auf das Domgymnasium zu Merseburg und von da auf die lateinische Hauptschule des Waisenhauses zu Halle. Von hier aus bezog er die Universität Leipzig, woselbst er im J. 1830 zum Dr. phil. promovirt ward. 1831 habilitirte er sich dort in der philosophischen Facultät und ward 1834 außerordentlicher Professor. 1841 ward er als Professor der Philosophie und der biblischen Philologie an das akademische Gymnasium zu Hamburg berufen – ein Ruf, welchen äußere Verhältnisse den sich schwer von der akademischen Wirksamkeit trennenden anzunehmen nötigten. Daß man ihn auch in Leipzig zu schätzen wußte, beweist die Verleihung der theologischen Doctorwürde, welche ihm 1846 bei der dreihundertjährigen Gedächtnißfeier des Todes Luther’s von dort zu theil wurde. – Er verheirathete sich mit Auguste Pauline geb. Schimmel. Aus dieser Ehe entsprossen zwei Söhne und drei Töchter. Er starb am 28. Februar (früh gegen 4 Uhr) des Jahres 1882 zu Hamburg. (Schroeder-Klose, Lexikon der Hamburgischen Schriftsteller, Heft 22, S. 179, Nr. 3113.) –

R. muß als Lehrer etwas ungemein Anregendes und Fesselndes gehabt haben. Seine Schüler sprechen alle mit warmer Anhänglichkeit, manche mit Begeisterung von ihm. Ebenso muß er als Mensch liebenswürdige und treffliche Charaktereigenschaften besessen haben. Das bezeugt der warme Nachruf, welchen [538] ihm das Vorlesungsverzeichniß „des Hamburgischen Akademischen und Realgymnasiums vom Jahre 1882 p. IV u. V“ widmet. – Als Gelehrter hatte er außerordentlich vielseitige Interessen und sich infolge dessen reiche Kenntnisse auf verschiedenen Gebieten erworben. Sein Forschen und Streben hatte einen originellen Zug, der nur leicht einen gewissen Beischmack des Absonderlichen erhielt und ihn dann sich im Mystischen und Ungenießbaren verlieren ließ. Wenn sich eine derartige Grille in seinem Kopfe festgesetzt hatte, so schossen rasch um diesen Krystallisationspunkt die verschiedengestaltigsten Materialien zusammen, wie sich ihm dieselben aus seinem reichen Wissensschatz darboten. Alle wurden sie dann dazu verwendet, die seltsame Hypothese zu stützen, und was an sich höchst interessant und belehrend war, wurde wie durch eine Art Ansteckung dann ungenießbar. Da er sich außerdem vorgesetzt hatte, den Leser durchaus seines Sinnes zu machen, so konnte es nicht ausbleiben, daß er denselben oft durch die Weitläufigkeit seiner Auseinandersetzungen ermüdete und ihm durch das Andringende seiner Ueberredungsversuche lästig fiel. Besonders tritt dies hervor in seinen theologischen Arbeiten. So hat er es sich z. B. in den Kopf gesetzt, daß in der Bibel „eine gewisse Geheimgeschichte“ „ein gewisses geheimes politisches System der hebräischen Nation angedeutet sei“; aber diese kabbalistische Geheimweisheit sei mit einer gewissen Geflissentlichkeit verhüllt worden. Darum stelle der Pentateuch diese philosophischen Sätze in Mythen dar und es gehe durch das ganze Alte Testament eine „Hüllsprache“ hindurch, die bis in das Neue Testament hineinreiche, auch an Jesus überliefert sei und deren Chiffern Judas Ischarioth in seinem γλωσσόκομον (Joh. 12, 6; 13, 29) aufbewahrt habe. Die Aufgabe der Wissenschaft sei es nun „dieses doppelte religiöse Begriffsgebiet“, das durch die ganze Bibel hindurchlaufe, ans Licht zu stellen. Für die gewöhnliche Ausdrucksweise der Bibel sei die wörtliche Auslegung ausreichend, der Geheimsinn aber erfordere die Allegoristik. Dieser methodische Wahnsinn ist von R. in seiner „Apokalypsis. Blätter für pneumatisches Christenthum und mystische Schrifterklärung“, B. I, 1859 niedergelegt worden. Er suchte dies dann weiter durchzuführen in den Schriften: „Das Mysterium oder der geheime Sinn der Stelle 2. Cor. 12, 1–10“ 1860; „Die kanonischen Evangelien als geheime kanonische Gesetzgebung“ 1869; „Das Mysterium der evangelischen Perikope Matth. 13, 1–23, Marc. 4, 1–20, Luc. 8, 1–25“ 1870, „Die Verurtheilung der Simonie in mystischer Redeform“ 1874, deren genauere Inhaltsangabe der Leser nach dem Vorigen uns gewiß gern erlassen wird. Derselben Gattung gehört die bereits 1856 erschienene Abhandlung an: „Die biblische Angabe über Stiftung und Grund der Passafeier vom allegorisch-kabbalistischen Standpunkte aus betrachtet“, in welcher er von der ganz unhistorischen Annahme ausgeht, das Passah sei ein im Frühjahr abgehaltener Hirtenschmauß gewesen, welchen die Herren der Heerden beim Ausziehen der Letzteren ins Freie hätten geben müssen. – Ebenso geschraubt und unatürlich und ohne Verständniß für den poetischen Gehalt des alttestamentlichen Stückes, das sie behandelt, ist die Schrift „Der Schöpfungsapolog 1. Mose 2, 4 – 3, 24 ausführlich erläutert etc.“ 1846. Man lese S. 89, welch eine lahme altkluge Tendenz der Verfasser in die herrliche naturkräftige Dichtung hineinlegt. – Glücklicher war R. in der Schrift über „den Begriff des Nabi“ 1839 gewesen, welche manche richtige und werthvolle Gedanken über den hebräischen Prophetismus und seinen zugleich religiösen und nationalen Charakter damals zuerst aussprach, wenn auch die Deutung des Wortes Nabi als „des Angesprudelten (S. 5), des vom Fluidum des Jahvegeistes physisch Durchdrungnen“ wol kaum als haltbar wird gelten können. – Mit diesem Gegenstand hing die Abhandlung zusammen über „Das Zeichen … bei den Propheten“ 1840. – Anregend war, wenn auch in manchen Combinationen bedenklich, die Abhandlung [539] über „Die alttestamentlichen Namen der Bevölkerung des wirklichen und idealen Israelitenstaates“ 1846, worin er eine Frage behandelte, welche später durch Nestle (Die israelitischen Eigennamen nach ihrer religionsgeschichtlichen Bedeutung, 1876) einer besseren Lösung im historischen Sinne entgegengeführt wurde. Auch hier fehlt es bei R. nicht an seltsamen Einfällen. So sollen die Namen der Kainiten- und Sethitentafel auf die Einströmung des Bythos in die Welt deuten u. dgl. m. – Neben diesen gelehrten Arbeiten ging her ein „Allgemeines Volks-Bibellexikon, ein praktisches populäres Realwörterbuch“, … begründet von A. G. Hoffmann, fortgesetzt von R. 1849, 1850 (2te Aufl. 1853), welches übriges auch für den Gelehrten manches werthvolle enthielt (vgl. darüber Hamburger Nachrichten 1849 Nr. 294. Zeitschrift der deutschen morgenl. Gesellschaft, Bd. 4 (1850), S. 277. Diestel, Geschichte des Alten Testaments, S. 579). Jetzt ist es durch Riehm’s Handwörterbuch des biblischen Alterthums für gebildete Bibelleser 1884 überholt worden. – Wir werden hierdurch auf Redslob’s philologische und archäologische Studien geführt, bei denen man mit reinerem Wohlgefallen verweilt, weil man hier seltener durch den oben berührten Hang zu seltsamen Vorurtheilen gestört wird. Auf dem sprachlichen Gebiete führte R. sich ein durch eine in Jahn’s Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik 1833 erschienene Recension der grammatischen Arbeiten von Ewald und Maurer, welcher 1835 eine „Commentatio de particulae hebraicae כּיִ (ki) origine et indole“ folgte. Den letzteren Gegenstand griff er noch einmal auf in der Abhandlung: „Ueber die angeblich relative Grundbedeutung der hebräischen Partikel כּיִ (ki)“ 1839. Daran schlossen sich 1840 sprachliche Abhandlungen zur Theologie (in ihnen auch die oben berührte Arbeit über das Zeichen, S. 794). – Ebenso gab er sprachliche Untersuchungen über einzelne hebräische Worte in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft, die freilich von einer gewissen Künstelei des Etymologisirens nicht freizusprechen sind. Wir meinen z. B. die Aufstellung der Grundbedeutung von jada (wissen) Bd. 25, 506–508 auf Grund des arabischen wada als „in den Boden stecken, feststellen“, woraus dann „eine Richtung geben, dem Geiste eine Richtung geben“ = „wahrnehmen, erkennen“ hergeleitet wird. – Oder die Deutung von schem (Name) aus Wurzel schama „sich weithin erstrecken“, daher schum der Knoblauch von seiner Weithinriechbarkeit, schem das Weithinsichtbare, daher bisweilen = Denkmal, oder das Weithinruchbare = der Name (Bd. 26, 751–756). Hier wird doch das Etymologisiren zum geistreichen Spiel. – Der hebräischen Archäologie gehörte die Arbeit an über „die Leviratsehe bei den Hebräern“ 1836, in welcher er den Nachweis zu führen suchte, daß nur der unverheirathete nachgelassene Bruder zu dieser Zwangsehe mit der Wittwe des verstorbenen Bruders verpflichtet gewesen sei, was gewiß unrichtig ist. Interessant aber allerdings auch fragwürdig ist die exegetisch-sprachliche Untersuchung (Zeitschrift der deutschen morgenl. Gesellschaft Bd. 16, S. 733 bis 742) über Damask und Damast zu Amos 3, 12. Die Urbedeutung des Wortes Demesek sei „bunte Arbeit“, bei Säbelklingen „bunte Verzierung“, bei einer Landschaft: „bunte Fläche“ „farbenreiche Matte“; daher rühre der Name der Stadt Damask. – Aehnlich muthet den Leser die Untersuchung über „Mosaik“ an (a. a. O. Bd. 14, S. 663–678). Der Verfasser findet Mosaik bereits im Tempel Salomo’s, bei Ezech. 40, 17 f., im Hohenliede 3, 10. Das Wort Mosaik leitet er vom hebräischen maskîth Lev. 26, 1 her und meint, in dieser Schriftstelle seien Steinplatten mit eingeritzten Götteremblemen zu verstehen, vor denen man sich niederwarf und sie anbetete. – Auf dem weiteren orientalischen Gebiete hatte sich R. 1837 durch seine Korânausgabe (Corani textus recensionis Fluegelianae) bekannt gemacht. – Durch Graf’s scharfsinnige Untersuchung (Zeitschrift der deutschen morgenl. Gesellschaft, Bd. 8, S. 442–449) [540] angeregt, stellte R. über „den Zweihörnigen des Korân“ eine neue Ansicht auf. Im Gegensatz zu jenem, welcher den Ausdruck (wol mit Recht) auf Alexander den Großen bezogen hatte, wollte R. (a. a. O. Bd. 9, S. 214–223) denselben auf Cyrus deuten, denn auf diesen passe der Ausdruck: er sei ein Wall gegen Gog und Magog, da Cyrus die Scythen über den Kaukasus zurückgeworfen habe. Auch der dem Zweihorn zugeschriebene prophetenartige Charakter stimme mit der Auffassung des Cyrus bei Deuterojesaja. Der Ausdruck Zweihorn stamme aus Dan. 8, 8. 20, wo der zweihörnige Widder gleich dem Könige von Medien und Persien sei. Wie man sieht, auch hier wieder geistreiche aber gewagte Combinationen. – Ein besonderes Interesse wandte R. auch der Erforschung der phönikischen Handelswege zu. So suchte er in einem Hamburger Programm 1849 („Tartessus. Ein Beitrag zur Geschichte des phönikischen Handels“) den Nachweis zu führen, Tartessus sei eine Stadt bei den Säulen des Herkules gewesen und sei identisch mit dem unweit der Ebromündung gelegenen Dertosa, jetzt Tortosa. In einem Vortrage, über welchen in der mehrfach genannten morgenländischen Zeitschrift Bd. 7, S. 94 berichtet ist (später gedruckt Leipzig 1855), führte er aus, daß die Spuren der phönikischen Handelswege vorzugsweise den Flußläufen Spaniens und Frankreichs entlang führten und daß die Phöniker auf diese Weise allmählich ins Bernsteinland = Schleswig-Holstein gekommen seien, wobei Thule mit der schwedischen Insel Tyloe combinirt wird. Beispiele feiner und anregender Untersuchungen sind auf dem Gebiete des Neuhebräischen die Erläuterung des Ausdrucks beli hattechibôth, den er = ohne Verbindlichkeit als Geschäftsausdruck für veränderliche Preise faßte (Zeitschrift Bd. 18, 302 vgl. 16, 759. 17, 377), auf dem Gebiete der Paläographie eine Deutung des Siegels des Tempelordens (a. a. O. Bd. 16, 245–257). Er erklärte das Emblem als Bild eines Templers, der als barmherziger Samariter einen Verwundeten zu sich auf sein Pferd genommen habe, um denselben in das Ordenshospiz zu schaffen. – Man wird aus allen diesen Untersuchungen von R. etwas lernen. Der Reichthum des hereingezogenen Stoffs, die feinen Combinationen bieten stets Belehrung und Genuß und entschädigen in gewissem Maße für den Mangel an wirklich gesicherten Resultaten, der allerdings nicht zu verkennen ist. – Zu Dank hat er sich alle Freunde der orientalischen Studien durch die trefflichen Register verpflichtet, welche er zu der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft in 3 Heften zu Bd. 1–10, 11–20, 21–30 mit Sachkunde und musterhafter Sorgfalt ausgearbeitet hat. – Ein vollständiges Verzeichniß der selbständig erschienen Schriften von R. findet man im Eingangs erwähnten Hamburger Programm von 1882 auf S. VI u. VII.