Zum Inhalt springen

ADB:Roscher, Albrecht

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Roscher, Albrecht“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 164–166, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roscher,_Albrecht&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 08:23 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ulrich VIII.
Nächster>>>
Röschlaub, Andreas
Band 29 (1889), S. 164–166 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Albrecht Roscher in der Wikipedia
Albrecht Roscher in Wikidata
GND-Nummer 118814192
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|29|164|166|Roscher, Albrecht|Friedrich Ratzel|ADB:Roscher, Albrecht}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118814192}}    

Roscher: Albrecht R., Entdecker des Nyassa, geboren zu Hamburg am 27. August 1836, ermordet zu Hisonguny in der Nähe des Nyassa am 20. März 1860. Früh durch Reisen in fernen Ländern lebhaft angezogen, verfolgte R. von Beginn seiner Studien auf der Universität Leipzig den Plan, sich zum Afrikareisenden auszubilden, wobei seine Landsleute Barth und Overweg ihm vorschweben mochten. Er erwarb sich tüchtige Kenntnisse, besonders in Naturwissenschaften und orientalischen Sprachen, und bewies in seiner Dissertation „Ptolemäus und die Handelsstraßen in Central-Afrika“ (1857), wie vertraut auch die Afrika-Litteratur der Alten ihm geworden. Mit einer Unterstützung des Königs von Baiern wandte er sich 1859 nach Zanzibar, um nach den Schneebergen landeinwärts von Mombas oder dem Mondgebirge der Alten vorzugehen. Auf Grund seiner gründlichen Studien in der Reiselitteratur verwarf R. sowol den Plan, von Norden als denjenigen, von Westen her in das äquatoriale Afrika einzudringen. Dort lehrten ihn die Schicksale der Tsadsee-Expeditionen bis auf diejenige von Eduard Vogel herab, die Feindseligkeit der eine breite Zone des Sudan vom atlantischen bis zum indischen Ocean einnehmenden Mohammedaner nicht zu unterschätzen, während hier die Ungesundheit der Küstenstriche und die geringen Verbindungen mit dem Innern das Eindringen zu erschweren schienen. Dagegen hat er die Vorzüge der Ostküste und besonders Zanzibars mit einem Scharfblick erkannt, welcher noch in dem Jahre, in welchem er seinen Reiseplan auseinandersetzte (Geogr. Mitth. 1857, S. 344), durch die Expedition Burton’s und Speke’s praktisch bestätigt ward. Damals galt das Festland gegenüber Zanzibar noch für unabhängig, die Karawanen aus dem Innern hielt man für selbständige Unternehmungen der Neger, denen man sich mit leichter Mühe werde anschließen können, um in das Nilquellengebiet vorzudringen, nach Krapf’s und Rebmann’s Erfahrungen erwartete man sich mit Recht werthvolle Belehrungen aus persönlicher Erkundigung, man dachte an Ergebnisse handelsgeschichtlicher Art in Erinnerung an Ophir und Rhapta Metropolis, an die Bedeutung des deutschen, speciell des hamburgischen Handels in Zanzibar, ganz besonders aber an die glückliche Annäherung des unbekannten Inneren Ostafrikas an einen von Europa her verhältnißmäßig leicht erreichbaren Platz wie Zanzibar. R. trug sich mit dem Plan, im Falle der Verzögerung seiner Reise ins Innere die Insel Zanzibar einer gründlichen Durchforschung zu unterwerfen, Naturgegenstände zu sammeln und aus deren Erlöse die Mittel zu neuen Studien an Ort und Stelle zu gewinnen, bis es ihm endlich möglich sein würde, seine auf drei Jahre bestimmte Reise ins Nilquellengebiet zu unternehmen. R. traf in Zanzibar mit dem von seiner großen Entdeckung des Ukerewe zurückkehrenden Speke zusammen, der, kurz nachdem er im Mai 1859 nach England zurückgekehrt war, in Briefen an Petermann die günstigste Meinung über Roscher’s Gesundheit und energisches Temperament äußerte und öffentlich den Plan billigte, den Weg über Kitui nach dem Kenia einzuschlagen. Unterdessen war R. ungeduldig am 6. Februar desselben Jahres aufs Festland übergegangen, um den seitdem als sehr ungesund erkannten Küstenstrich bis Kiloa zu Fuß zu bereisen und den Lufidschi bis zu seiner Deltagabelung aufwärts zu verfolgen. Er stellte astronomische Ortsbestimmungen an, maß die Wassermenge des Flusses und zog Erkundigungen über Handelswege und das Hinterland ein. Er erreichte dann, nicht ohne Conflicte mit den Eingeborenen, Somanga und kehrte im April nach Kiloa zurück, wo ihn Fieber niederwarf. In Zanzibar erwarteten ihn Enttäuschungen hinsichtlich der Reisemittel, er konnte nicht genug Träger für sein ganzes Gepäck miethen und mußte einen Theil desselben zurücklassen, als er Ende Juni 1859 in Begleitung eines Küpers des hamburgischen Hauses O’Swald über Kiloa den Weg nach dem Nyassa [165] einschlug. Sein großer Plan hatte sich auf das bescheidene Maaß einer 6–8monatlichen Reise an den Nyassa, von wo er direct zurückkehren wollte, zusammengezogen. Seine Gesundheit war erschüttert und er hatte noch am Tage vor seiner Abreise einen Fieberanfall. Fieberkrank wartete er in Kiloa 2 Monate, bis er, der Ersparniß halber, aber gegen seinen ursprünglichen Plan des unabhängigen Reisens mit der Karawane eines Selim ben Abdallah ins Innere gehen konnte. Sein deutscher Begleiter war indessen bereits erkrankt nach Zanzibar zurückgekehrt. Am 25. August verließ die Karawane die Küste. R. schrieb am 27. von Mnasi, hoffend, daß er von dieser Reise, welche er nur als Abschlagszahlung betrachtete, zurückgekehrt, in Zanzibar Mittel für die Verwirklichung eines größeren Planes, der sich jetzt auf den Kafembe und den Muata Jamvo richtete, erlangen werde. Es kamen später Nachrichten, daß er auf einer Kitanda getragen werde und sehr schwach sei, später sollte er am Nyassa (damals Nyandja) angekommen, aber unterwegs beraubt und der Gefahr der Aussetzung im fieberkranken Zustande knapp entgangen sein. Er selbst schrieb am 20. October aus Nusewa am Endpunkte der Kiloastraße, daß er sechs Monate am See bleiben wolle, um ihn zu erforschen, und daß er zunächst eine Reise nach dem gegenüberliegenden Malimba machen wolle. Nachschub von Waaren und Nahrungsmitteln waren ihm auf sein Verlangen im März 1860 durch das Haus O’Swald zugesandt worden und vielleicht war es, um dieser Sendung entgegenzugehen, daß R. am 17. März Nusewa verließ, um, wieder gesundet, zu Fuß an den Rovuma zu gehen. Er scheint auch auf der Hinreise Güter dort (in Likumbo?) gelassen zu haben. Am dritten Tage wurde er im Dorfe Hisonguny, als er in einer Hütte ruhte, meuchlings mit einem Pfeil durch die Brust geschossen, seine Tagebücher gingen verloren, ein minder werthvoller Theil seiner Habe kam nach Zanzibar zurück. Mit ihm starb auf gleiche Weise sein Diener Omar. Er fiel gemeiner Raubgier zum Opfer. Unter allen, die ihn kannten, war nur Eine Stimme darüber, daß ein körperlich und geistig besser vorbereiteter Forschungsreisender nie nach Afrika gekommen sei, und das unter günstigeren Verhältnissen er Bedeutendes geleistet haben würde. Im April 1860 war auf H. Barth’s Rath Freiherr v. d. Decken nach Zanzibar gegangen, um mit seinen großen Mitteln sich R. anzuschließen, dessen Pläne nun ruhiger, sicherer ausreifen konnten. Da war R. schon an dem tragischen Mißverhältnisse seiner schwachen Mittel zu der großen Aufgabe zu Grunde gegangen. Die Mörder wurden nach Zanzibar geschafft und büßten ihr Verbrechen im August 1860 mit dem Tode. Aus Roscher’s Nachlaß ist nur das kurze Tagebuch seiner Lufidschireise veröffentlicht. Ungeschmälert bleibt Roscher’s Verdienst, als der erste europäische Reisende, von dem wir Kunde besitzen, diesen Strich durchwandert und also für die Wissenschaft entdeckt zu haben. Man hat versucht, den Portugiesen Silva Porto, einen Händler, der Jahre im Innern Afrikas gelebt, ihm voranzustellen. Allein dieser von der Oberflächlichkeit oft wiederholte Anspruch hat in Wirklichkeit keine Begründung. Er beruht auch nur auf einem Mißverständniß des Engländers M’Queen, der in einem Auszug aus Silva Porto’s Reisebericht (Journ. R. Geogr. Soc. XXX, S. 136) eine Reise, die dessen eingeborner Diener Tschakahanga von Kutonga, wo Silva Porto blieb, nach Ibo am Indischen Ocean machte, auf des letzteren Rechnung schrieb. Silva Porto selbst hat diesen Anspruch nicht erhoben und übrigens könnten selbst gegen seines Dieners Reise Zweifel erhoben werden (vgl. die Besprechung dieser Frage seitens des Kenners des Nyassagebietes Rev. Chauncy Maples im Journ. Manchester Geogr. Soc. 1885, S. 70 u. 71). Die Meinung englischer Forscher, daß er nicht den Nyassa, sondern einen kleineren See im Norden von diesem entdeckt habe, wurde bald aufgegeben. Mit welchen Schwierigkeiten R. [166] zu kämpfen hatte, lehrt die Thatsache, daß noch 20 Jahre nach seinem Tode das von ihm besuchte Gebiet ein weißer Fleck auf den afrikanischen Karten geblieben war.

Die Geogr. Mittheilungen 1859–62 enthalten Briefe Roscher’s, sowie Mittheilungen über ihn von Petermann, Speke, O’Swald, v. d. Decken. Nachrichten der Eingeborenen über ihn gibt Livingstone in den Neuen Missionsreisen D. A. 1858, I.