Zum Inhalt springen

ADB:Ruarus, Martin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ruarus, Martin“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 96–97, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ruarus,_Martin&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 07:52 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Rösike, Karl Eduard
Band 30 (1890), S. 96–97 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Martin Ruarus in der Wikipedia
Martin Ruarus in Wikidata
GND-Nummer 11759833X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|30|96|97|Ruarus, Martin|Julius August Wagenmann|ADB:Ruarus, Martin}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11759833X}}    

Ruarus **): Martin R., socinianischer Theolog und Gelehrter, geboren 1588 oder 1589 zu Krempe in Holstein, † 1657 zu Straßzyn bei Danzig. – Er war der Sohn eines lutherischen Predigers und Schulmannes, damaligen Rectors zu Krempe, besuchte die Gelehrtenschule zu Hamburg und studirte darauf zu Rostock, seit 1611 aber zu Altorf, wo er ohne bestimmtes Fachstudium anfangs mit Philologie und Philosophie, später mit Jurisprudenz und Theologie sich beschäftigte und umfassende Kenntnisse, auch das Lob eines tadellosen Wandels sich erwarb. Von dem damaligen Altorfer Philosophen und Mediciner Ernst Soner für die socinianischen Lehren gewonnen, verbreitete er diese auch unter anderen Studirenden und ließ sich 1614 zu Rakau in Polen, wohin er insgeheim reiste, in die socinianische Gemeinde aufnehmen. Er übernahm sodann die Stelle eines Hauslehrers und Reisebegleiters bei einem Herrn v. Burgdorf, später bei den Söhnen eines polnischen Adeligen Caspar Saccus und begleitete diese nach Straßburg, wo er wegen des von Altorf her auf ihm ruhenden Verdachts socinianischer Meinungen zur Verantwortung gezogen wurde (1616), später nach Holland, England, Frankreich, Italien. Er benutzte diese Reisen zur Erweiterung seiner Kenntnisse, besonders zur Erlernung alter und neuer Sprachen: so erlernte er bei Erpenius in Leyden die arabische, bei den Maroniten in Paris die syrische Sprache. In Cambridge wurde ihm eine Professur der Geschichte mit 100 Pfund Gehalt und unter andern vortheilhaften Bedingungen angeboten: er schlug sie aber aus um seiner socinianischen Ansichten willen. Nach seiner Rückkehr aus England bekannte er sich offen zum Socinianismus und übernahm 1622 das Rectorat an dem Collegium zu Rakau in Polen, wurde aber nach kurzer Zeit der Schularbeit überdrüssig und ging mit einem polnischen Adeligen Wissowatius zum zweiten mal nach Holland, England und Frankreich. Nach seiner Rückkehr von dieser zweiten und einer dritten Reise durch verschiedene Länder Europas hielt er sich eine Zeit lang bei der Familie Saccus in Bobowitz auf, ließ sich dann 1631 in Danzig nieder und verheirathete sich hier mit einer Frau aus reicher und angesehener Familie, einer geborenen Voß. Auch hier suchte er seine Lehren durch Wort und Schrift zu verbreiten, besonders durch eine ausgebreitete Correspondenz mit polnischen Familien und auswärtigen Gelehrten, und da er in der Stadt keine öffentlichen Versammlungen mit seinen Meinungsgenossen halten durfte, so veranstaltete er solche in einem benachbarten Orte, wo er selbst theils als Prediger, theils als Uebersetzer der Vorträge eines polnischen Predigers auftrat. 1638 sollte er wegen Verbreitung socinianischer Lehren aus der Stadt Danzig ausgewiesen werden; doch wurde er auf Fürsprache einiger angesehener [97] Freunde und unter der Bedingung, daß er seine Ansichten nicht weiter verbreite, noch einige Jahre geduldet, bis 1643, wo er die Stadt wirklich verlassen mußte. Nun wurde er von König Wladislaw IV. zum königlichen Rath (servitor oder minister) ernannt, auch von König Johann Casimir 1649 in dieser Würde bestätigt, nachdem er 1645 an dem Thorner Colloquium theilgenommen, wo sein Landsmann Georg Calixt sich vergebliche Mühe gab, ihn von seinen socinianischen Ansichten zu bekehren. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er, wie es scheint, in dürftigen Vermögensverhältnissen, aber von seinen polnischen Freunden unterstützt, zu Straßzyn bei Danzig, wo er nahezu siebzigjährig starb, mit Hinterlassung mehrerer Kinder, von denen eine Tochter mit einem socinianischen Prediger Joachim Stegmann sich verheirathete, ein Sohn David seines Vaters Briefe zu Amsterdam herausgab, ein zweiter Sohn Joachim eine Vorrede dazu schrieb. Auch hatte er zwei Brüder, Joachim und Peter, von denen der erstere in Altorf Medicin studirte und später kurfürstlich brandenburgischer Leibmedicus wurde, während der andere in Altorf Theologie studirte. – Von den zahlreichen schriftstellerischen Arbeiten des Martin Ruarus blieb das meiste ungedruckt, z. B. Predigten, Abhandlungen und Erklärungen zu verschiedenen Stellen der heiligen Schrift, sowie eine historische Arbeit (historia sui temporis); im Druck erschien, aber erst nach seinem Tode, seine Erklärung des Rakauer Katechismus 1665 und 1680, sowie eine Sammlung seiner für die Kirchen- und Gelehrtengeschichte jener Zeit interessanten Briefe, die zuerst 1677–81 von seinen beiden Söhnen zu Amsterdam, dann in neuer, correcterer, mit Anmerkungen versehener Ausgabe von Zeltner, Leipzig 1729, herausgegeben wurde. Eine Lebensbeschreibung von R. wollte Mosheim liefern, der seine humanitas, seine concinni mores und literarum humaniorum notitia rühmt, aber ingenium und judicium bei ihm vermißt, während andere seine eruditionis et judicii praestantia und morum integritas anerkennen.

Vgl. über sein Leben und seine Schriften Moller, Cimbria lit. I, 570 ff. – Sand, Bibl. Antitrinit., S. 114 ff. – Bock, Historia Antitrinitarianorum 1776, I, 1, S. 713 ff. – Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie II, 17. – Bayle, Dictionnaire IV, 95; III, 2119. – Weißmann, Hist. eccl. II, 540, – besonders aber Zeltner, Historia Cryptosocinianismi Altorfini, 1729 und O. Fock, Der Socinianismus, Kiel 1847, I, 199 ff.

[96] **) Zu Bd. XXIX, S. 412.