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ADB:Rudhart, Ignaz von

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Artikel „Rudhart, Ignaz von“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 459–465, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rudhart,_Ignaz_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 03:34 Uhr UTC)
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Rudhart: Ignaz v. R., bairischer Staatsmann, Bruder des obengenannten Georg, ist zu Weismain am 11. März 1790 geboren. Den ersten Unterricht empfing er in Bamberg. Als ein für des Knaben Sinnesart charakteristischer Vorfall mag erwähnt werden, daß von den Schülern des Lyceums in Bamberg im J. 1804, als die Republik Frankreich in Napoleon Bonaparte einen Kaiser erhielt, die Bearbeitung einer Rede zu Gunsten der neuen monarchischen Gewalt in [460] Frankreich verlangt wurde, der 13jährige R. aber, der dem Sohne der Revolution die Knechtung der Republik nicht verzeihen konnte, eine leidenschaftliche Philippika gegen den Helden des blinden Erfolgs vom Stapel ließ, – ein Wagniß, das, wie R. in seiner Autobiographie erzählt, sogar die Aufmerksamkeit des damaligen Chefs der Regierung, Freiherrn v. Stengel, erregte. Nach Vollendung der philosophischen Studien am Lyceum zu Bamberg bezog R. die Universität Landshut, wo er sich nicht nur des Unterrichts, sondern auch der Freundschaft der bedeutendsten Juristen der Hochschule, Savigny’s und Gönner’s, erfreute; während jener ihn in das historische Studium der Gesetzgebungen und besonders der römisch-classischen Gesetzgebung einführte, gab dieser dem Studium des Freundes eine mehr praktische Richtung und gebrauchte ihn als Hilfsarbeiter bei seinen gesetzgeberischen Aufgaben. 1810 erwarb sich R. mit einer gekrönten Preisschrift, „Untersuchung über systematische Stellung und Eintheilung der Verträge“, den Doctorhut; seine aus verschiedenartigen Gebieten der Rechtswissenschaft entnommenen 38 Thesen zeigen schon den ganzen R., den bei glühendem Freiheitsdrang besonnenen, nach Wahrheit und Klarheit strebenden Politiker und Gelehrten. Im folgenden Jahre wurde der kaum Zwanzigjährige als ordentlicher Professor für Rechtsgeschichte und Völkerrecht an die Universität Würzburg berufen. Von wichtiger Bedeutung für seinen Lebensgang, wie für seine geistige Entwicklung war es, daß 1814 der nachmalige hochverdiente Finanzminister Baierns, Max Freiherr von Lerchenfeld, als Generalcommissär nach Würzburg kam und zu dem jungen Rechtsgelehrten in freundschaftliche Beziehungen trat. Auf Lerchenfeld’s Rath schrieb R. eine Geschichte der Landstände in Baiern (1816). Mit kritischer Benützung gedruckten und archivalischen Quellenmaterials bietet der Verfasser ein gedrängtes Bild von Wesen und Entwicklung des ständischen Instituts in Baiern; wie sich aber bei R. von selbst versteht, erfaßt und behandelt er den Stoff nicht ausschließlich als Historiker, sondern er will, weil allgemein der Wunsch nach Wiedereinführung einer Volksvertretung auflebe, („Das Licht löscht keine menschliche Hand mehr aus: Die sind die Klügsten, die es ruhig nähren und leiten!“) „zur Warnung für künftige Verfassungswerke“ den Nachweis liefern, wie die ständische Verfassung zu Kraft und Ansehen gelangte, aus welchen Gründen sie im Verlauf späterer Jahrhunderte verkümmerte und erlosch. Ebenfalls praktische Interessen verfolgten seine Schriften „Ueber die Verwaltung der Justiz durch die administrativen Behörden“ (1817), worin der Satz vertheidigt wird, daß Verweisung der Rechtsstreitigkeiten an Regierungsbehörden weder räthlich noch nach höheren Rechtsbegriffen zulässig sei, und „Uebersicht der vorzüglichsten Bestimmungen verschiedener Staatsverfassungen über Volksvertretung“ (1818). Da er sich nach glücklich überstandener schwerer Krankheit den mit dem Lehramt verknüpften Anstrengungen nicht mehr gewachsen fühlte, suchte er um eine Anstellung im bairischen Staatsdienst nach und wurde im November 1817 zum Mitglied des Generalfiscalats, einer kurz vorher errichteten, mit Leitung der Rechtsgeschäfte des Fiscus betrauten Behörde, ernannt. Weil er jedoch auch in der amtlichen Stellung die Selbständigkeit und den Freimuth des akademischen Lehrers behauptete, überwarf er sich mit seinem Vorstand, und er war eben im Begriff, aus dem Staatsdienst gänzlich auszuscheiden, als ihm durch das Vertrauen des inzwischen zum Finanzminister berufenen Lerchenfeld die Stelle eines vortragenden Rathes im Finanzministerium übertragen wurde. Er betheiligte sich fortan mit jugendlichem Feuer und eiserner Ausdauer an den durch die Verfassung nothwendig gewordenen, organisatorischen Arbeiten, sowie an den Vorarbeiten zur Wiener Schlußacte, welche die Karlsbader Beschlüsse auf eine für das constitutionelle Baiern annehmbare Form zurückführte; auch mit statistischen Zusammenstellungen wurde er betraut, wodurch er später in Stand gesetzt war, das reichhaltige Werk [461] „Ueber den Zustand des Königreichs Baiern“ zu liefern. Außerdem gab er 1821 im Verein mit zwei Collegen, F. Roth (später Staatsrath und Präsident des Oberconsistoriums) und C. Barth (später Geheimrath), „um allgemeine Theilnahme an den Interessen der Allgemeinheit zu wecken“, eine „Bairische Wochenschrift“ heraus, welche politische und litterarische Fragen erörterte und insbesondere sich mit dem parlamentarischen Leben in Baiern beschäftigte. 1822 ließ er ein Lehrbuch über „Das Recht des deutschen Bundes“ erscheinen. Seine Erörterungen über Rechte und Pflichten der Bundesstaaten stimmten jedoch mit der in höchsten Kreisen herrschenden Auffassung nicht überein, und auch Lerchenfeld, der selbst seiner liberalen Gesinnung wegen das Vertrauen der Krone verloren hatte, konnte die Verweisung seines Schützlings in die Provinz nicht verhindern. 1823 wurde R. als Regierungsdirector nach Baireuth, 1826 in gleicher Stellung nach Regensburg versetzt. Gerade dadurch war er aber seinen engeren Landsleuten näher gerückt, sodaß er 1825 von den Städten des Obermainkreises zum Abgeordneten der Ständeversammlung gewählt wurde. Hier galt er bald als anerkannt erster Redner. „Es war eine Lust“, sagt Treitschke, „den jugendkräftigen Mann mit den ehrlichen, herzgewinnenden Augen so frisch von der Leber weg sprechen zu hören, immer ganz frei, was damals noch eine Seltenheit war, etwas pathetischer, als es die kurz angebundene Gegenwart liebt, aber stets mit gründlicher Sachkenntniß, aufrichtig und doch klug, gedankenreich und doch volksthümlich einfach.“ Insbesondere seine Reden über die von der Regierung vorgelegten Gesetzesentwürfe über Heimath, Ansässigmachung und Verehelichung und das Gewerbswesen (1825), – er empfahl damals „mäßige“ Gewerbefreiheit und Freizügigkeit, – über die bairische Finanzlage und ihre Mängel und Bedürfnisse (1825), die Zweckmäßigkeit der Einsetzung eines Landraths (1828), den Gesetzentwurf zu einer Zollordnung, wobei er als Anwalt freihändlerischer Principien die Kammer zu Verwerfung der beantragten Erhöhung der Zölle und der indirecten Auflagen aufforderte (1828), erregten weit über Baierns Grenzen hinaus Aufsehen. Auch als Schriftsteller blieb er thätig. 1826 erschien die Schrift „Ueber die Censur der Zeitungen im Allgemeinen und besonders nach dem bairischen Staatsrecht“. Es gehöre zur Wesenheit der Repräsentativverfassung, führt der Verfasser aus, daß Gesetze und Verordnungen in Uebereinstimmung stehen müssen mit der öffentlichen Meinung; diese zu erkennen und zu leiten, sei ohne Preßfreiheit nicht wohl möglich; mit dem Geist der Verfassung lasse sich also, auch wenn man alle Nachtheile einer zügellosen Presse in Anschlag bringe, nur die Forderung vereinen: Freiheit der Presse sei die Regel, Censur die Ausnahme in einzelnen gebotenen Fällen. Als Hauptwerk Rudhart’s verdient das dreibändige „Ueber den Zustand des Königreichs Baiern“ (1827) bezeichnet zu werden. Auch hier tritt R., indem er sich über die Bedürfnisse des Landes und des Volkes mit Zugrundelegung zahlreicher statistischer Belege verbreitet, als entschiedener Gegner des Mercantilsystems und Anhänger der Adam Smith’schen Theorie auf. „Die Industrie und der Handel sind wie Mutter und Sohn, die sich gegenseitig ernähren und pflegen; der Handel besonders ist für ein Land, was für den Menschen der Athem; der ängstliche Schutz, den man jener durch Einfuhrverbote zu gewähren sucht, ist der Sorgfalt gleich, welche aus Furcht, schädliche Luft einzuathmen, die Kehle zuschnürt“. „Die Industrie ist der höchsten Freiheit und des höchsten Geistes Kind, nach der Mythe des Alterthums aus dem Haupte des höchsten Gottes entsprungen, nicht ein Fideikommiß der Trägheit“. Obwol König Ludwig I. auch schon in der ersten Periode seiner Regierung so weitreichende sociale Freiheit, wie sie R. zu des Volkes Wohlfahrt für nothwendig erachtete, nicht einräumen wollte, schätzte er in R. ebenso den tüchtigen Beamten, wie den freimüthigen Parlamentarier; dagegen war auch R. allzeit dem Könige [462] ergeben und erkannte willig an, wie gewissenhaft gerade dieser Monarch seines Amtes walte und wie ersprießlich ein so geordnetes Regiment die materielle Wohlfahrt und die geistige Entwicklung des Volkes fördere. Dieser Ueberzeugung gab er, obwohl er deshalb von Rednern der Linken wegen „veränderter Gesinnungen“ heftig angegriffen wurde, loyalen Ausdruck, als im stürmischen Landtag von 1831 bei Feststellung der Civilliste von heißblütigen Volksvertretern eine schimpfliche Einschränkung des königlichen Einkommens gefordert wurde. In glänzender Rede wies R. darauf hin, daß gerade das constitutionelle Princip, das den Völkern Ordnung und Freiheit sichere, auch eine würdige Ausstattung der Krone erheische und überdies wenigstens in Baiern von den Mitteln, welche dem Regenten eingeräumt seien, nur der edelste Gebrauch gemacht werde; für alle Zukunft werde Baiern aus der Pflege der Kunst, welche sich Ludwig I. zur Lebensaufgabe wählte, unermeßlichen materiellen und idealen Nutzen ziehen. Der dankbare Monarch ernannte R. nach Schluß des Landtags zum Präsidenten der Regierung des Unterdonaukreises. Wie R. Aufgaben und Pflichten eines Verwaltungsbeamten in höherem Sinne auffaßte, beweist die Schrift „Die Industrie im Unterdonaukreise“ (1835), worin eine Reihe von praktischen Vorschlägen zu Hebung der gewerblichen Thätigkeit in den zurückgebliebenen niederbairischen Städten zur öffentlichen Besprechung aufgestellt wird. Auch nach anderer Richtung entwickelte er, hier in voller Uebereinstimmung mit den Intentionen des Königs, eine fruchtbare Thätigkeit: historischer Sinn sollte in der Bevölkerung Baierns geweckt und dadurch vaterländisches Bewußtsein und Gemeingeist gestärkt werden. Deshalb trug er Sorge für Erhaltung der allenthalben im Lande zerstreuten historischen und Kunstdenkmäler und für Bildung von historischen Vereinen, deren Aufgabe die Sammlung, Beschreibung und Erklärung jener Reliquien sein sollte. Früchte solcher Bestrebungen waren die von R. angelegten „Verzeichnisse der vorzüglichsten Denkwürdigkeiten des Regenkreises nach den vorzüglichsten Straßenzügen“ (1828) und „Verzeichnisse der historischen Denkwürdigkeiten des Unterdonaukreises“ (1836). 1836 mußte jedoch R. aus dem liebgewonnenen Wirkungskreis scheiden, um sich einer wichtigeren und schwierigeren Aufgabe zu widmen. König Ludwig hatte sich während seines Aufenthalts in Griechenland überzeugt, daß die Wirksamkeit Armansperg’s, dem auch der volljährig gewordene König Otto die höchste Regierungsgewalt nicht entzogen hatte, die Befestigung des jungen Königthums eher schädige als fördere; auf Vorschlag Lerchenfeld’s wurde beschlossen, den von englischen Einflüssen allzu abhängigen Kanzler durch einen Mann, der allerdings in der politischen Welt ein homo novus, aber, durch Geschäftsgewandtheit, Scharfsinn und Rechtschaffenheit ausgezeichnet, diesem und jedem Posten gewachsen war, durch R. zu ersetzen. Während der Hochzeitsreise Otto’s nach Oldenburg wurde die Sache verhandelt, in München kam sie Ende December 1836 zur Entscheidung. Unmittelbar darauf begab sich R. im Gefolge des jungen Königs nach Griechenland. Mit schwerem Herzen hatte sich R. zur Uebernahme des Amtes entschlossen, denn er wußte, daß er mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben würde, aber er sah in Leitung und Erziehung eines erst durch brutale Unterdrückung, dann durch wohlgemeinte Verkehrtheiten herabgekommenen Volkes eine der größten Opfer und des höchsten Eifers würdige Aufgabe. „So, wie es einem christlichen Soldaten ziemt, in die Schlacht zu gehen“, schrieb er an Lerchenfeld, wolle er sich den neuen Pflichten unterziehen. „Gelingt es mir, den reinen Willen des jungen Königs fruchtbringend zu machen, bei ihm Vertrauen auf sich selbst zu erwecken, kleine Dinge von ihm zu entfernen und große ihm klar darzulegen, ihn praktisch in die Regierungskunst einzuführen und eine heilbringende Selbstthätigkeit in ihm zu erregen, so bin ich darum schon glücklich“. An Otto’s Seite wurde er [463] Zeuge des Jubels, womit die Hellenen ihren König empfingen, sah aber auch unmittelbar nach seiner Ankunft bestätigt, was er befürchtet, hatte, daß, „dieses Land der Mittelpunkt der Intrigue und die Lage höchst bedenklich“ sei. Der englische Gesandte, Sir Lyons, ließ kein Mittel unbenützt, um den gefügigen Parteigänger Englands, Armansperg, auf seinem Posten zu erhalten; als dies nicht gelang, wurden sofort gegen den Nachfolger, der jedoch nicht zum Staatskanzler, sondern zum Ministerpräsidenten und Minister des Auswärtigen ernannt worden war, die feindlichen Minen eröffnet. R. suchte sich nach Kräften dieser Angriffe zu erwehren und in die fremdartigen Verhältnisse einzuleben. Er läßt in seinen vertraulichen Briefen an Lerchenfeld dem guten Willen und den Fähigkeiten des griechischen Volkes mehr Gerechtigkeit widerfahren, als die meisten anderen nach Hellas übergesiedelten Baiern; nach seiner Auffassung sollte seine eigene Wirksamkeit nur ein Uebergangsstadium bedeuten, da es bald möglich sein werde, Griechenland ganz den Griechen zu überlassen. Es gelang ihm auch, zu manchem Nützlichen den Grund zu legen, durch Uneigennützigkeit und Unparteilichkeit der Strenge Achtung, der Milde Dank zu sichern. Es war sogar von politischer Bedeutung, daß das Familienleben im Hause des neuen Ministerpräsidenten weder der Würde, noch der Herzlichkeit entbehrte; diese Beobachtung gewann ihm gerade in den besten, patriarchalisch gesitteten Kreisen Athens ergebene Freunde. Allein die Umtriebe des Gesandten Lyons, die Ränke eines beim König beliebten Deutschen Namens Frey, die Herrschbegier der Königin, die Eifersucht der im Fanar oder in Paris auferzogenen jüngeren Griechen häuften auf das Haupt des treuen Dieners seines Monarchen unsägliche Schwierigkeiten. Auch war es ohne Zweifel ein politischer Fehler, daß R. in Uebereinstimmung mit den Wünschen König Ludwig’s dem Erlaß einer Verfassung widerstrebte; ihm schienen die griechischen Zustände nicht reif genug zu sein, und gewiß hatte er darin Recht, allein wie einmal die Dinge lagen, konnte es sich doch nur um einen kurzen Aufschub handeln, und dieser Aufschub machte die Regierung und insbesondere den ersten Rathgeber des Fürsten bei „Jung-Griechenland“ unpopulär. Die Berichte an Lerchenfeld lauteten von Woche zu Woche trüber. „An mein liebes, theures Baiern denke ich mit innigster Wehmuth und gäbe Rang, Ehren, Ruhm und Besoldung um ein stilles Plätzchen in meinem schönen Gebirge, denn hier drückt es auf mich, nicht wie der Atlas auf meine Schultern, sondern wie der Alp – aber kein eingebildeter – auf meiner Brust!“ (18. Mai 1837.) „Sie wissen, daß ich für wahre Ehre und für einen großartigen Wirkungskreis so viel Sinn habe, als irgend Einer, und ich gebe gern alle Bequemlichkeiten und Freuden des Lebens, ja dieses selbst hin, kann ich der Welt und vorzüglich unserem königlichen Hause nützlich sein. Wie fesselt mich die Idee, mitzuwirken, um bei einem beginnenden Volke nicht nur die Grundlagen eines Thrones zu befestigen, sondern auch jene für öffentliche Ordnung und Gesittung überhaupt zu legen. Eitler Ehrgeiz, vergebene Träumerei! Die Umstände hindern meine Thätigkeit, die Umstände handeln hier, nicht die Personen“! (13. Juli 1837.) Der König selbst, dem es gewiß nicht an gutem Willem, aber an Schwung und Beweglichkeit des Geistes fehlte, gab zu erkennen, daß ihm Rudhart’s feuriger Arbeitsdrang unbequem sei. Als sich der Minister nicht mehr verhehlen konnte, daß sein patriotischer Eifer auch an maßgebender Stelle mit Undank vergolten werde, bat er um seine Entlassung (27. August 1837). Sein Gesuch floß über von bitteren Klagen über den König, daß dieser des englischen Gesandten fortgesetzte Leidenschaftlichkeit gegen das Ministerium sogar noch mit Auszeichnungen belohne, daß er alle Geschäfte verschleppe und eine Anzahl von Berichten einfach liegen lasse, dagegen seine Zeit verschwende durch Herabsteigen in ein Detail, das nicht einem Könige, sondern nur dem geringsten Kanzleipersonal [464] anstehe, daß er fortwährend die Einpfuschung Unberufener und Unverständiger in die Regierungsgeschäfte zulasse u. s. w. Obwol König Otto durch die mehr als freimüthige Sprache des Beamten verletzt sein mußte, wollte er doch den zuverlässigen Rathgeber nicht verlieren, das Entlassungsgesuch wurde nicht angenommen, der Hofmarschall, Graf Saporta, vermittelte eine Aussöhnung. Nun suchte R. durch äußerste Strenge die Umtriebe seiner Feinde zu entkräften, was ihm sogar von Lerchenfeld den Vorwurf zuzog, er scheine infolge der Hofintriguen die Haltung verloren zu haben. Das verzweifelte Mittel schuf denn auch nur neue Schwierigkeiten, die Schroffheit Rudhart’s wurde von allen Seiten mit empfindlichen Kränkungen vergolten; Otto suchte zwar, so gut es ging, zu vermitteln, aber gerade durch des Königs Gemächlichkeit und Unentschlossenheit mußte ein Mann von cholerischem Temperament wie R. gereizt und mit Mißbehagen erfüllt werden. Als der König vollends in einem Streit des Ministerpräsidenten mit dem Justizminister Paikos für letzteren Partei ergriff, forderte R. wiederholt seine Entlassung, und diesmal wurde er wirklich unter Verleihung des Großkreuzes des Erlöserordens seines Postens enthoben (21. Dec. 1837). Als kranker, gebrochener Mann verließ er im März 1838 den hellenischen Boden; Anstrengungen einer ungewöhnlichen Geschäftsüberbürdung, Sorgen, Verdruß und dazu die schädlichen Einflüsse des südlichen Himmels hatten die Gesundheit des Rüstigen vor der Zeit zerrüttet. Er hoffte jedoch, durch frohe Thätigkeit im alten Wirkungskreise in der Heimath auch die Kräfte wieder zu erlangen. „Ich bin zufrieden mit jedem Winkel des schönen Baiernlandes, in den König Ludwig mich sendet; behüte mich der Himmel vor jedem Posten des Ehrgeizes“! (23. December 1837). Auf Rath der Aerzte unternahm er vor der Heimkehr, um nicht in rauhester Winterszeit nach Hause zu kommen, eine Reise nach Kleinasien und Aegypten, allein weder die berauschenden Eindrücke orientalischen Lebens, noch die Befreiung von Sorge und Arbeit brachten die erhoffte Wirkung hervor. „An den schönsten Punkten wurde ich an unsere Rhein- und Donaugegenden erinnert und die Sehnsucht nach dem lieben Vaterlande hörte nicht auf, mich zu begleiten. Mit ihr mischte sich nicht selten die herbe Rückerinnerung an die jüngste Vergangenheit, an die bittere Nothwendigkeit, die mich zwang, einen schönen Wirkungskreis aufzugeben, wo ich sicher noch das Ziel erreicht hätte.“ Dieser am Herzen nagende Wurm ließ ihn nicht gesunden. Während der Fahrt über das Mittelmeer traten Fieberanfälle auf, nach Ankunft in Triest nahm die Krankheit acuten Charakter an, am 11. Mai 1838 verschied er in den Armen seiner Gattin. Sein letztes Wort war ein Segenswunsch für König Otto. Tags darauf wurden die sterblichen Ueberreste in der Cathedrale St. Giusto bestattet; zwölf junge Griechen trugen den Sarg, zwölf Baiern schritten als Fackelträger nebenher. Aus dem Nachlaß des Verstorbenen gab sein Schwiegersohn Regierungsdirector G. Hohe, im J. 1848 noch einige Arbeiten heraus, u. a. ein „Pro memoria für einen deutschen Prinzen im J. 1823 über den Unterschied der unbeschränkten Monarchie von der constitutionellen und über die Anwendung der Staatsgewalten“, eine Schutzschrift zu Gunsten des Constitutionalismus, welche nach dem Plane des Verfassers nur ein Theil eines größeren Werkes „Vom Könige“, einer Art Gegenstück zu Macchiavelli’s Principe, sein sollte, – ferner ein Memorandum „Ueber die politische Stellung des Königreichs Baiern im Jahr 1838“, das aus Erinnerungen an die Vergangenheit Baierns, wie aus Betrachtungen über die gegenwärtige Lage für den bairischen Staat die Pflicht ableitet, im Verein mit den deutschen Mittel- und Kleinstaaten eine neutrale, unabhängige Stellung neben Preußen und Oesterreich anzustreben und sich durch wahrhaft freisinniges Regiment eine moralische Hegemonie zu erobern. –

[465] Allgem. Zeitung, Beil. v. 8. April bis 22. Mai 1838. – Augsburger Postzeitung, Beil. v. 29. März 1837. – Dr. I. Ritter’s v. R. Lebensabriß, von ihm selbst verfaßt, her. v. H. Holzschuher, mit Rudhart’s Bildniß u. Facsimile (1837). Wiederholt und bis zum Tode Rudhart’s ergänzt im neuen Nekrolog der Deutschen, 16. Jahrg. 1838 I, 499. – Akad. Rede zu Rudhart’s Ehrengedächtniß, geh. am 27. März 1839 von Oberconsistorialpräsident v. Roth. abgedruckt nebst anderen Nekrologen und einer Mosaik von Aussprüchen Rudhart’s über politische und staatsrechtliche Fragen in F. W. Bruckbräu, Politisches Glaubensbekenntniß von I. v. R. (1840). – Heigel, Ludwig I., König von Baiern, 134, 136, 138, 166 ff. – Treitschke, deutsche Geschichte III, 334, 347. – Aus den Papieren des k. b. Staatsministers Maximilian Freih. v. Lerchenfeld, her. v. M. Freih. v. Lerchenfeld, 58, 160, 204 ff., 464 ff.