ADB:Rüppell, Eduard
[708] der fremden Posten im primatischen Staate pensionirt. Er war Theilhaber des mit seinem Schwager Harnier gegründeten Bankhauses Rüppell und Harnier in Frankfurt. Seine Mutter war eine geborene Arstenius aus Hanau. Beide Eltern starben 1812. Ed. R. war der drittjüngste von neun Geschwistern. Der Vater suchte seine wissenschaftliche Bildung durch Privatlehrer zu fördern, nahm seinen Sohn auf Reisen mit und begünstigte seine naturwissenschaftlichen Neigungen, unter welchen die zur Mineralogie am frühesten hervortrat. Im zwölften Lebensjahre wurde R. dem Darmstädter Gymnasium übergeben, wo er drei und ein halbes Jahr blieb und besonders in der Mathematik sich vervollkommnete. Sein Plan, vom Gymnasium auf eine Universität überzugehen, wurde dadurch vereitelt, daß der kränkliche Vater wünschte, sein Sohn möge in das Bankgeschäft eintreten. Dies geschah 1810 nach einer Reise nach Paris, und schon 1812 gab der Tod beider Eltern ihm Veranlassung, zunächst bei Ordnung des Nachlasses seinen Geschäftssinn zu zeigen. 1813 im Sommer trat er in das Geschäft eines Frankfurters in Beaune in Burgund. Dort hatte er nicht nur Gelegenheit, in der französischen, englischen und italienischen Sprache sich auszubilden, sondern er konnte auch unter der Leitung dort detinirter kriegsgefangener spanischer Officiere seine mathematischen Studien wieder aufnehmen. Diese Studien setzte er 1814 in Lausanne fort, reiste aber noch in demselben Jahre über Holland nach England, wo er in ein kaufmännisches Geschäft eintrat. Der angestrengte Comptoirdienst und das feuchte Klima schadeten seiner Gesundheit, er litt am Bluthusten, und verließ deshalb nach einer Rundreise durch England, im September 1815 London. Er verweilte den Winter 1815–1816 in der Vaterstadt und reiste im Frühjahr 1816 nach Italien, zunächst nach Turin, dann nach Mailand, an beiden Orten mit Mineralogie sich beschäftigend. Noch wichtiger, besonders später für die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft, war die Bekanntschaft Rüppell’s mit dem aus Frankfurt gebürtigen reichen Kaufherrn Heinrich Mylius (geb. 1769, † 1854 in Mailand) in Mailand, welcher für alle von R. befürwortete wissenschaftliche Bestrebungen offene Hand hatte. –
Rüppell: Eduard Wilh. Peter Simon R., Naturforscher und wissenschaftlicher Reisender, geb. zu Frankfurt a. M. am 20. November 1794, † daselbst am 10. December 1884. Rüppell’s Großvater war Landmann in dem kurhessischen Orte Groß-Almerode, sein Vater, Simon R., war kurfürstlich hessischer Oberpostmeister und Finanzrath in Frankfurt und wurde 1808 bei AufhebungMit bedeutend gebesserter Gesundheit verließ R. im Juli 1816 Mailand und reiste zunächst nach Florenz, dann nach Livorno, von wo er Elba zu längerem Aufenthalt besuchte und mineralogische Ausflüge machte. In Livorno trat er in ein Handelshaus, welches Verbindungen mit dem Orient hatte. Theils der Wunsch nach Erlangung eines in Aegypten vorkommenden seltenen Minerals (des krystallinischen Chrysoliths), theils das Bestreben, seine Gesundheit durch Aufenthalt im Süden gründlich zu festigen, waren die Veranlassung zu Rüppell’s erster Reise nach Afrika, welche rasch angetreten wurde, so daß er bereits am 20. Januar 1817 zu Alexandria ans Land stieg. Bereits Ende Januar reiste er über Rosette nach Kairo. In Kairo machte er zwei wichtige Bekanntschaften: zunächst mit dem verdienstvollen abessinischen Reisenden, damals englischen Generalconsul in Kairo, Henry Salt (1771–1827), mit welchem R. einen zehntägigen Ausflug nach den Pyramiden von Ghizeh machte, sodann mit Ludwig Burckhardt (geb. 1784 in Lausanne, † 1817 in Kairo, s. A. D. B. III, 573), welcher ihm den Rath gab, sich der wissenschaftlichen Erforschung des Orients zu widmen und zu diesem Zweck nach Europa zurückzukehren, um sich gründlich, zumal in mathematischen Ortsbestimmungen, vorzubereiten.
Der Aufenthalt in Kairo dauerte sechs Wochen, dann fuhr er nilaufwärts auf einem Ruderboote. Aber die Reise wurde dadurch unterbrochen, daß R. bei einem Ritt in das Thal von Fajum von einem Eselstreiber mit den Blattern angesteckt wurde, und erst, nachdem er die sehr heftig auftretende Krankheit in Siut überstanden, die Reise wieder fortsetzen konnte. Er besuchte den Tempel von Karnak und hielt sich drei Wochen im Umkreis von Theben auf, wo er [709] Alterthümer ankaufte, die er der Stadtbibliothek in Frankfurt schenkte und die jetzt im historischen Museum daselbst aufbewahrt werden. Er gelangte zu Esne in den Besitz der gewünschten Chrysolithkrystalle, drang bis zum ersten Katarakt vor und kehrte im Juli nach Kairo zurück. Von da machte er einen Ausflug nach dem steinigen Arabien, welcher etwa einen Monat in Anspruch nahm, und kehrte im Spätherbst nach Europa zurück.
Im December war R. in Livorno, er brachte den Winter in Florenz und auf mineralogischen Excursionen zu, und reiste im April 1818 nach der Vaterstadt ab, wo Familienangelegenheiten seine Anwesenheit nothwendig machten. Unterwegs machte er in Genua die Bekanntschaft des ausgezeichneten Astronomen Franz von Zach, der sich erbot, während der Universitätsferien den jungen Reisenden auf der Sternwarte in Ortsbestimmungen einzuüben. Er verweilte auch in Mailand bei Heinrich Mylius und langte erst im Mai 1818 in Frankfurt an. Hier war mittlerweile die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft gegründet worden, in welche R. am 13. Juli 1818 aufgenommen wurde. Er trat in enge Beziehungen zu den beiden Directoren derselben, Dr. med. Joh. Georg Neuburg (1757–1830) und Dr. Phil. Jacob Cretzschmar (1786–1845). Er beschloß, seine ganze künftige Thätigkeit dem Gedeihen der naturforschenden Gesellschaft zu widmen. Nachdem R. noch im Spätsommer eine mineralogische Excursion nach der Schweiz gemacht, brach er nach Pavia auf, welche Universität sich R. zur Ausführung des ihm von Burckhardt vorgezeichneten Programms gewählt hatte, theils wegen der vortrefflichen Besetzung der Naturwissenschaften (Panizza, Rusconi, Brugnatelli, Configliachi etc.), theils wegen der für seine Gesundheit zuträglichen südlichen Lage. Nach Schluß des Sommersemesters 1819 begannen seine Uebungen bei Zach in Genua, aber leider wurde diese Thätigkeit durch eine Hirnhautentzündung unterbrochen, welche nach zweimonatlicher Dauer eine Erholungsreise nach Neapel und Sicilien nothwendig machte. Mit Beginn des Jahres 1820 nahm R. seine wissenschaftliche Thätigkeit in Pavia und Genua wieder auf und im Frühjahr 1821 glaubte er sich soweit vorgebildet, um, obgleich noch an den Nachwehen seiner Krankheit leidend, die projectirte Orientreise antreten zu können. Er schloß am 21. August 1821 mit der Senckenbergischen Gesellschaft einen Vertrag dahin ab, daß dieselbe sich verpflichtete, ihm einen als Zergliederer und Conservator geeigneten Reisebegleiter ausgerüstet auf ihre Kosten nach Livorno zu schicken und das Porto der Sendungen zu tragen. Dafür schenkte R. der Gesellschaft seine Mineraliensammlung und, falls er umkam, seine Bibliothek; alle seine Ausbeute an Naturalien werde er dem Museum der Gesellschaft schenken. Die Gesellschaft wählte eine eigene Commission, um alle Vorbereitungen zu treffen. In der Neujahrsnacht 1821–22 verließ R. mit seinem Begleiter, dem Chirurgen Michael Hey aus Rüdesheim, Livorno und traf nach neunzehntägiger Fahrt in Alexandria an. Da Aegypten damals noch nicht völlig der Herrschaft Mehemed Ali’s unterworfen, sondern in allen Richtungen kriegerisch aufgeregt war, so war es nöthig, sich mit Empfehlungsschreiben des Pascha’s an die Statthalter der einzelnen Provinzen zu versehen, außerdem sah R. sich auch mit Geschenken an dieselben vor. Zunächst wandte er sich nach der Provinz Fajum in die sumpfige Umgebung des alten Mörissees, dann über Damiette an den Mensalehsee, um Vögel zu jagen. Das Klima zeigte sich ebenso wenig vortheilhaft für die Gesundheit der Reisenden wie für die Erhaltung der Ausbeute. In Alexandrien, von wo er seine erste Sendung an die Gesellschaft abschickte, traf R. mit dem Reisenden Hemprich, dem Begleiter Ehrenberg’s, zusammen, welcher letztere in Neudongola zurückgeblieben war. Als R. im October 1822 nach Kairo zurückgekehrt war, bereitete er die Reise nach Süden vor. Mit Hey und fünf Dienern schiffte er sich auf [710] dem Nil ein und langte am 26. November in Theben an, von wo er Ausflüge zu Ortsbestimmungen nach Luxor und Kosseir machte. In Luxor erhielt R. Nachricht von einem im Süden ausgebrochenen Aufstand, so daß er erst anfangs 1823 seine Nilfahrt stromaufwärts wieder aufnehmen konnte. Das nächste Ziel war Neudongola oder Akromar, der Hauptstadt von Nubien. Vorsichtig speicherte R. unterwegs in Esne alle nicht sogleich nöthigen Gegenstände, zumal Instrumente, auf. Der Statthalter von Neudongola, Abdin Beg, nahm den Reisenden freundlich auf und förderte dessen Nilpferd- und Antilopenjagden. Aber die Hitze stieg auf 37,5° R. im Schatten, und so begab sich R. nach Kairo, um eine Sendung Naturalien abgehen zu lassen, während Hey mit einigen nubischen Dienern in Neudongola zurückblieb. Nachdem die heiße Jahreszeit vorüber war, kehrte R. nach Neudongola zurück, um nach der Nordgrenze von Kordofan vorzudringen. Am 23. November 1823 brach er auf, aber die Unruhen verzögerten seine Reise so, daß er erst Ende Januar 1824 aus dem Lager von Schendy weiter nach Süden vordringen konnte. So war das Jahr 1823 ziemlich unfruchtbar verlaufen. R. besuchte nun die Ruinen von Meroë; Hey war schon vorher mit Begleitung auf einem bewaffneten Boot den weißen Nil (Bahr-el-Abiad) hinaufgefahren, um Thiere zu jagen und zu sammeln, mußte aber nach Chartum umkehren und sich, da gar keine Möglichkeit, nach Kordofan vorzudringen, vorlag, zu R. ins Lager von Ambukol begeben, und auch von hier, nachdem die Reisenden ihre sammelnde Thätigkeit kaum begonnen, wurden sie wegen eines abermaligen Aufstandes nach Neudongola zurückberufen. Zu allem Mißgeschick kam noch die Plünderung von Esne, und dabei der Verlust alles dort angesammelten, theilweise unersetzlichen Materials, und als er im Juni 1824 nach Kairo zog, um das Verlorene zu ersetzen, auch noch eine schwere Erkrankung Rüppell’s am klimatischen Fieber. Erst im Herbst kam die Karawane, mit neuen Vorräthen versehen, von Kairo nach Neudongola zurück, wo nun in den Monaten October und November R. mit seinen Begleitern mit bestem Erfolg, von Abdin Beg’s Soldaten unterstützt, der Nilpferdjagd oblag; vier erwachsene Thiere wurden erbeutet.
Gegen Ende 1824 war der Aufstand soweit unterdrückt, daß R. nach Kordofan aufbrechen konnte. Hey war von seiner Krankheit zu geschwächt, als daß er Theil an der mühseligen Expedition hätte nehmen können; er wurde mit den gesammelten Naturalien nach Alexandria geschickt. R. selbst mit seiner Begleitung begab sich, den Nil bei Edabbe verlassend, durch die Bergwüste Simrie auf einem sechszehn Tage dauernden anstrengenden Marsche nach El Obeid, der Hauptstadt von Kordofan, wo er am 13. Januar 1825 anlangte. Er verweilte sieben Wochen in Kordofan, öfter durch Krankheit heimgesucht, hatte aber die Freude, zwei schöne Giraffen zu erbeuten. Er kehrte nach Neudongola und im Juli nach Kairo zurück, wo er den Rest des Jahres zur Herstellung seiner Gesundheit verweilte. Er war der erste wissenschaftliche Reisende, welcher Kordofan betrat. Als letzte Aufgabe seiner großen Forschungsreise hatte R. sich die Vervollständigung seiner topographischen Aufzeichnungen des peträischen Arabiens und das Studium der Fauna des rothen Meeres vorgenommen. Die erste Hälfte des Jahres 1826 brachte er mit seinen Begleitern, wozu der schon von Hemprich beschäftigte italienische Maler Finzi hinzugetreten war, an den Küsten der Meerbusen von Sues und Akaba zu. Finzi war sehr fleißig, er fertigte in sechs Monaten über 200 colorirte Abbildungen von Thieren (Fischen, Crustaceen, Weichthieren) an, R. machte sorgfältige Aufzeichnungen der Küstenlinien und unternahm auch zwei längere Excursionen in das Land, die eine nach der Sinaihalbinsel (Februar 1826), wo er von dem Hafen El Tor eine Aufnahme machte, und nachdem er im September nach Kairo zurückgekehrt war, in demselben Monat nach Sues, von wo er die westliche Küste [711] bis Massaua befuhr. Als er im Januar 1827 hier einen längeren Aufenthalt machte, erkrankte die ganze Gesellschaft, dennoch war die Ausbeute reich. Im Juni 1827 verließ R. mit seinen Begleitern Massaua und kehrte nach Alexandria zurück. Auch die Rückreise nach Europa war von jener Zeit eigenthümlichen Gefahren bedroht. Als das Schiff 18 Stunden in See war, wurde es von griechischen Korsaren gekapert. Glücklicherweise nahm die türkische Flotte den Seeräubern die Beute bald wieder ab, so daß unser Forscher mit seiner Begleitung und 22 Kisten Naturalien am 20. September 1827 Livorno glücklich erreichte.
Noch während seiner Abwesenheit hatten Rüppell’s Freunde in der Heimath ihm eine Ueberraschung bereitet. Die Universität Gießen verlieh ihm am 19. Februar 1827 das Diplom eines Ehrendoctors der Medicin. Er wird darin bezeichnet als: scrutatori celeberrimo per plures jam annos Africae ardua, arenas litoraque indefesse peragranti, rerum naturalium cognitionem amplificando dilatandoque de re medica optime merito. Den Winter 1827–28 brachte R. in Livorno zu, um den Uebergang in klimatischer Hinsicht nicht allzu schroff werden zu lassen. Erst im Frühjahr kehrte er nach der Vaterstadt zurück und erschien zum ersten Male am 23. April 1828 in der Gesellschaft. Der Senat hatte zu seinen Ehren eine Denkmünze prägen lassen. Während seines Aufenthaltes in Frankfurt beschäftigte sich R. mit Vorbereitungen zu der Erweiterung des Museums, welche durch die Fülle seiner Sendungen nöthig geworden war, mit Ordnung des Materials und mit Bearbeitung des auf ihn fallenden Antheils an dem „Atlas zur Reise im nördlichen Afrika“, welchen die Gesellschaft unter Redaction mehrerer ihrer Mitglieder seit 1826 hatte erscheinen lassen und welcher 1828 abgeschlossen wurde. Er enthält 117 meist colorirte Tafeln in Folio.
Die Museen in Leyden und Paris besuchte R. 1828 und 1830, um sie für Bestimmung der Naturalien zu vergleichen und um einen Tauschverkehr einzuleiten. Sein Buch: „Reise in Nubien, Kordofan und dem peträischen Arabien“, welches auf seine Kosten mit 8 Kupfern und 4 Karten erschien, wurde Ende 1829 vollendet. Inzwischen hatten in aller Stille die Vorbereitungen zur zweiten Reise ihren Fortgang genommen. Sie galt hauptsächlich der Erforschung von Abessinien und fand unter denselben Bedingungen wie die frühere statt. Im Herbst 1830 schiffte sich R. mit seinem Begleiter, dem noch lebenden ehemaligen Custos des Senckenbergischen Museums, Theodor Erckel, in Livorno ein. Von Alexandria und Kairo wandten die Reisenden sich nach dem peträischen Arabien, wo R. die bis dahin nur abgeschätzte, aber nicht vermessene Höhe des Sinai (Dschebel Musa) am 7. Mai 1831 auf 7035 Pariser Fuß bestimmte. Im Uebrigen lebte er in verschiedenen Orten Aegyptens der Sammlung von Naturalien und Alterthumsgegenständen und landete am 17. September 1831 in Massaua, wo er bis 29. April 1832 blieb, hier und in der Umgegend mit Erforschung der Fische des rothen Meeres beschäftigt. Am 29. April 1832 also brach R. von Massaua nach dem Innern Abessiniens auf. Zunächst wandte er sich nach Süden, durchzog das Gebirge von Halai ab bis Ategarat (Adi-Igrât) und schlug dann eine südwestliche Richtung ein, welche ihn durch Tiefland dem inneren Hochland entgegenführte. An der östlichen Grenze des letzteren gelangte er am 20. Juni zu dem Takazzéstrom, welcher in starkem Falle seine von Lavamassen getrübten Wasser durch eine tief eingeschnittene Schlucht wälzt. Dann ging er den Ataba, einen Nebenfluß dieses Stromes, entlang und begann am 30. Juni den Aufstieg in das Alpengebiet in direct westlicher Richtung, wobei ihn sein Weg allenthalben über ganz compacte Lavamassen führte. Am 2. Juli erstieg die Karawane Rüppell’s den Selkipaß (11900 Pariser Fuß) und passirte den Hauptberg der Kette, den Buahat (13500 Pariser Fuß). Nachdem die hochgelegene [712] Provinz Simen erreicht war, wurde in deren Hauptstadt Entschetkab ein etwa monatlicher Aufenthalt genommen. Die Reise von da nach Gondar, der Residenz des Kaisers, war wegen kriegerischer Verwickelungen nur unter Bedeckung von Soldaten möglich, welche aus Gondar geschickt wurden. Am 8. October brach R. mit einem Gefolge von 20 Personen von Entschetkab auf, überschritt den Bellegasfluß, ging westlich über die wellige Hochebene der Provinz Wogera, wandte sich nach Südwesten, passirte die Freistätte Dokua, welche allen flüchtigen Abessiniern ein Asyl gewährt, und gelangte nach Ueberschreitung mehrerer Flüsse, die größtentheils in das Gebiet des Takazzéstromes gehören, in die Vorstadt von Gondar, Islam Bed. Am 12. October hielt er in Gondar seinen feierlichen Einzug. Ihm gingen 20 abessinische Luntenschützen voran, dann kam R. im Scharlachmantel, neben ihm der Führer, dann folgten angesehene Kaufleute der Stadt; den Schluß machte das Gepäck, in sechs Fuß hohen, zwei Fuß weiten, mit Leder überzogenen cylindrischen Rohrkörben verpackt. So schwierig war damals der Briefverkehr, daß R. seit 21 Monaten keinen Brief aus Frankfurt empfangen hatte. Gleich nach seiner Ankunft in Gondar sandte er einen Boten nach Massaua, um endlich wieder in den Besitz von Nachrichten zu gelangen. – In Gondar hatte R. Audienz beim Kaiser, beim Patriarchen, beim kaiserlichen Richter Lit Atkum, einem großen Freund der Europäer, durch welchen es gelang, werthvolle abessinische Manuscripte zu erwerben, welche jetzt auf der Frankfurter Stadtbibliothek sind, und bei anderen hochgestellten Personen. Unterdessen hatte Erckel mit anderen Jägern bis zum Nordende des Tsanasees mit Erfolg der Jagd obgelegen, und bereits mehrere Sendungen an R. geschickt. Dieser selbst unternahm, nach Beendigung einer kurzen Excursion nach der im Südwesten von Gondar gelegenen Landschaft Deraske, einen längeren Ausflug vom 27. December bis 18. Januar 1833 in die nordwestlich sich hinziehende Kulla, eine flußreiche Niederung, die man ihm als ständigen Aufenthalt von Raubthieren, großen Büffeln, Antilopen und Elephanten gepriesen hatte. Die Ausbeute war so reichlich, daß R. selbst sein Reitmaulthier mit Antilopenhäuten bepacken und zu Fuße gehen mußte. Unserem Reisenden lag nun zunächst am Herzen, die Brücke bei Deldei zu besuchen, die einzig feste über den blauen Nil, unter welcher der Strom in tiefer Bergschlucht, wie der Rhein an der Via mala, seine Wasser in Cascaden dahin rollt. Ferner beabsichtigte er, eine berühmte Landeschronik zu erwerben, welche eine in Kiratza, an der Ostseite des Tsanasees gelegene Kirche, von der Eigenthümerin, der Tochter des Verfassers, erhalten hatte. Er führte diese Reise aus; die Handschrift selbst konnte er zwar nicht erlangen, aber er ließ sich von ihr und einer anderen Chronik sorgfältige Abschriften anfertigen. Die Meereshöhe des Tsanasees hat R. zuerst bestimmt. Die Rückreise nach Gondar trat er am 20. März 1833 an; er verweilte in der Hauptstadt bis zum 18. Mai. Dann brach er auf und gelangte, theils auf dem ursprünglichen Wege, theils auf anderer, sehr beschwerlicher, nur zu Fuße gangbarer Route mit seiner Karawane im Juni nach Axum, der längst zerstörten, trümmerreichen Hauptstadt des einst mächtigen, gleichnamigen Reiches, wo R. archäologischen Studien nachging. Ueber Adowa, Halei, Arkiko (29. Juni) kehrte der Reisende zur Küste zurück, verließ aber bald Massaua, um bis zum October in Djedda (an der arabischen Küste) Naturalien zu sammeln. Vom November bis zum Frühjahr 1834 verweilte er in Kairo, um die in Abessinien gesammelten Chroniken übersetzen zu lassen. Erst am 14. April 1834 meldete R. von Livorno seine Rückkehr nach Europa der Gesellschaft; leider mußte er aus Mailand vom 5. Juli die betrübende Nachricht folgen lassen, daß ein Schiff mit fünf Kisten voll Antiquitäten und Naturalien, von Livorno nach Havre bestimmt, gescheitert war.
Im Juli kehrte R. nach Frankfurt zurück; am 30. Juli wohnte er einer [713] Sitzung der Gesellschaft bei und konnte die Mittheilung machen, daß auf seine Veranlassung Heinrich Mylius in Mailand 10000 fl. geschenkt zur Besoldung eines Conservators. Am 5. October 1834 wurde Rüppell’s glückliche Rückkehr durch ein Fest begangen, wozu ein Comité aus allen Classen der Bürgerschaft sich gebildet hatte. Fünfzehn Männer, sowohl der hohen Finanz als den Spitzen des Staatswesens angehörig, vereinigten sich mit den ausgezeichnetsten Männern der Wissenschaft und Kunst, um nach angestrengten Vorarbeiten in dem damals größten Saale der Stadt, dem des Gasthofs zum Weidenbusch, 230 Theilnehmer zu vereinigen. Der Saal war geschmückt mit zwölf von den besten Künstlern der Stadt ausgeführten Bildern, orientalische Städte und Gegenden darstellend; in diesen Raum führten die beiden Bürgermeister den Gefeierten ein, welcher mit dem Gesang eines Hymnus, vorgetragen vom Chor des Liederkranzes, empfangen wurde. Im Uebrigen hatte das Fest den üblichen Verlauf; wir führen jene Einzelheiten nur an als charakteristisch für das kleine Frankfurt jener Zeit, wo es noch möglich war, alle Interessen auf einem Punkte zu vereinigen.
Nach seiner Rückkehr widmete R. sich ganz der Ordnung und richtigen Bestimmung der von ihm gesammelten Naturalien und der Veröffentlichung seiner abessinischen Reise sowie des Atlas, welcher die von ihm in diesem Lande gefundenen, bis dahin unbekannten Wirbelthiere schilderte und 1835–40 in Großfolio erschien. Von der „Reise in Abessinien“ erschien der erste Band 1838, der zweite 1840; für den ersten Band wurde 1839 ihm die Auszeichnung zu Theil, daß die königliche geographische Gesellschaft in London ihm ihre große goldene Medaille verlieh, eine Ehre, welche zum ersten Male einem Ausländer zu Theil wurde.
Außer den Naturwissenschaften hatte er auch die Sprachwissenschaft gefördert durch eine Anzahl aus Abessinien mitgebrachter Handschriften in der Geez- und Amharasprache; dieselben befinden sich jetzt auf der Frankfurter Stadtbibliothek. Unablässig für das Wohl der Gesellschaft besorgt, hat R. seinen Freund Heinrich Mylius in Mailand veranlaßt, 5000 fl. zum Ankauf von Büchern und später ein Capital von 8000 fl. zur Besoldung eines Lectors über Naturgeschichte zu schenken, kleinere Gaben nicht zu erwähnen. 1844 verweilte R. einige Zeit in Neapel und Messina zur Beobachtung niederer Thiere und zum Sammeln von Fischen. 1845 erschien sein letztes großes naturhistorisches Werk: „System. Uebersicht der Vögel Nord- u. Ostafrika’s“, viele noch neue Arten enthaltend, mit 50 Tafeln. Nach Vollendung desselben trat er seine dritte Reise nach Aegypten an, welche ihn 1850 neun Monate in Anspruch nahm. Zurückgekehrt, widmete R. seine Zeit hauptsächlich der Anfertigung von Katalogen der Sammlungen, seit 1857 aber warf er sich auf ein anderes Gebiet des Sammelns. Seit 1835 war er Vorsteher der städtischen Münzsammlung, welche ungeordnet auf der Stadtbibliothek stand. Von 1857 an pflegte er, selbst Winters in den ungeheizten Sälen, den größten Theil des Tages der Ordnung der Münzen zu widmen, womit eine Vermehrung der Sammlung Hand in Hand ging. Er fertigte einen handschriftlichen Katalog der Münzsammlung in fünf Bänden an und veröffentlichte (in dem Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst) verschiedene Abhandlungen über Frankfurter Münzen und Medaillen. Schon 1840 hatte er im Verein mit Heinrich Mylius und Georg Seufferheld die Vorhalle der Stadtbibliothek mit einer sitzenden Marmorstatue Goethe’s von Pompeo Marchesi geschmückt. – Die Ereignisse von 1866 berührten R. schmerzlichst. Am 16. Juli waren die preußischen Truppen in Frankfurt eingezogen, schon am 20. August, also noch vor Vollziehung der Annexion, wandte sich R. an die Regierungsbehörde der Stadt Basel um Ertheilung des dortigen Bürgerrechts, und bereits am 23. erhielt er Gewährung seiner Bitte in den schmeichelhaftesten [714] Ausdrücken. Im Mai des folgenden Jahres siedelte R. nach Basel über, nachdem er seine Gemälde dem Städel’schen Kunstinstitute geschenkt, aber bald kehrte er zurück, angeblich, weil in Basel in dem von ihm bewohnten Hause die Cholera ausgebrochen war, aber der Grund war wohl ein anderer. In Basel, wo R. fremd war, konnte man nicht, in Anbetracht seiner Verdienste, auf seine schroffen Manieren so viel Rücksicht nehmen, wie er in der Vaterstadt gewohnt war. So kehrte er also nach Frankfurt zurück und erlebte am Abend seines Lebens noch manches Erfreuliche. Am 1. Mai 1871 wurde zu seiner Ehre die Rüppell-Stiftung zur Beförderung naturwissenschaftlicher Reisen gegründet, welche eine ganze Anzahl wissenschaftliche Reisenden seitdem ausgeschickt hat: W. Grenacher, F. Noll, Verkrüzen, W. Kobelt, F. Kinkelin, Retowski etc. Am 28. October 1875 hielt Dr. Gustav Nachtigall in Frankfurt einen Vortrag über seine Reisen in Afrika. Unter den Männern, welche zu seinem Empfang sich eingefunden, war auch R., welchen Nachtigall gewiß schon lange unter die Todten zählte, und es war ein ergreifender Anblick, wie der nun auch schon verstorbene jüngste Afrikaforscher dem Senior seine herzliche Huldigung darbot. R. erlebte noch 1877 in voller Geisteskraft sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum und konnte bei der in demselben Jahre erfolgten Einrichtung des städtischen historischen Museums im Archivgebäude, welchem viele der von R. mitgebrachten Gegenstände aus dem Senckenbergischen Museum und der Stadtbibliothek überwiesen wurden, thätig mitwirken, aber nach einem, im Sommer 1881 erlittenen Beinbruch war seine geistige und körperliche Kraft gebrochen, und am 10. December 1884, zwanzig Tage über 90 Jahre alt, ist er sanft verschieden. Auf seinem Grabe hat die Senckenbergische Gesellschaft ihm ein einfaches Denkmal errichtet.
- J. M. Mappes, Festreden, gehalten im Senckenbergischen Museum, Frankfurt 1842. – W. Stricker, Geschichte der Heilkunde und der verwandten Wissenschaften in der Stadt Frankfurt a. M., 1847. – W. Stricker, Denkrede auf Rüppell, im Jahresbericht des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik für 1883–85, Nr. 48, 49. – Heinrich Schmidt, Gedächtnißrede auf Rüppell, im Bericht über die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft für 1884–85, mit Bild und Schriftenverzeichniß. – W. Stricker, Aus Rüppell’s Briefwechsel im Jahresbericht des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik für 1887–88, Nr. 51. – Kleine Chronik, Frankfurter Wochenschrift, 7. Jahrgang, 1884–85, Nr. 25, 26, 27 (besonders über sein Verhalten 1866). – In der „Geschichte der Erdkunde“ von O. Peschel, 2. Aufl., herausg. von S. Ruge, München 1877, S. 591 ff. findet man eine Würdigung der Verdienste Rüppell’s um die Erforschung von Afrika, besonders Kordofan und Abessinien, sowie von Arabien in Hinsicht auf physische Erdkunde, Meteorologie, Zoologie und Ethnographie.