ADB:Schaidenreißer, Simon
Markus Tatius nennt ihn um diese Zeit publicum poëtices ac rei litterariae apud Monachienses professorem, und schickt ihm seine Dichtungen „Progymnasmata“ zur Correctur. Im J. 1535 stand S. in dem unmittelbaren Dienste des Rathes der Stadt München, wie aus dem Titel hervorgeht, den er in der Ueberschrift eines Gedichtes an den jungen Herzog Albrecht (V.) sich selbst beilegt: M. Simon Minervius, ab archivis senatus Monacensis. Ob S. in diesen Jahren (1535 und 1536) wirklich Stadtschreiber zu München gewesen, hat man in neuester Zeit von berufener Seite bezweifelt. Den bestimmtesten Aufschluß hierüber gewährt des genannten Tatius Vorrede zu seinem verdeutschten Polydorus Vergilius aus dem Jahre 1536, dem Rathe der Stadt München gewidmet, wo er den zierlichsten Lateiner M. S. Minervius, „alda bei E. E. W. Stattschreiber“ zum Beweise anführt, daß kaum eine Stadt werde gefunden werden, darin die Diener, und sonderlich die gelehrten, zu weiteren Ehren immerzu durch eine Obrigkeit so treulich gefürdert werden. Vom Jahre 1538–1573 war S. Stadtunterrichter zu München, propaetor Monacensis, und unterzeichnet als solcher 1567 das Heirathsinstrument Herzog Wilhelm’s V. – S. verdient ein bleibendes Andenken in der Geschichte der Litteratur als erster deutscher Uebersetzer der Odyssee. Seine Arbeit trägt den Titel: Odyssea / das seind die aller zierlichsten vnd / lustigsten vier vnd / zwaintzig bücher des eltisten kunst- / reichesten Vatters aller Poeten Homeri / von der zehen järigen irrfart / des weltweisen Kriechischen Fürstens Vlyssis / beschriben / vnnd erst / durch Maister Simon Schaidenreisser / genannt Mineruium / diser / zeit der Fürstlichen statt München stattschreiber / mit fleyß zu Teutsch / tranßferiert / mit argumenten vnd kurtzen scholijs erkläret / auch / mit beschreibung des lebens Homeri gemeret / nit vnlustig zu lesen. / … Alexander Weissenhorn, Augustae Vindelicorum excudebat. Anno 1537. Die Uebersetzung ist in Prosa gehalten, nur hie und da sind deutsche Reime mit eingewoben. Die naive Sprache hat einen eigenthümlichen Reiz. Im J. 1570 erschien zu Frankfurt bei Hieronymus Feyerabend, allerdings mit ziemlich verändertem Titel eine neue Auflage des Buches. Auch als Cicero-Uebersetzer hat sich S. versucht. Ein sehr selten gewordenes, von ihm herrührendes Werklein, das den bedeutendsten Litteraturkennern unbekannt blieb, ist betitelt: Paradoxa. / das seind wunderbarliche vnd in / dem gemainen wone oder verstand unglaubliche sprüch / durch den aller redsprechsten Hochweysisten [553] Oratorn vnd Philoso- / phum / Marcum Tullium Ciceronem / in latein disputirt vnd / geschrieben / jetzo in teutsche sprach tranßferiert / … 1538. Getruckt in der Kayserlichen stat Augspurg / durch Alexander Weissenhorn. Die Schrift ist dem berühmten Feldhauptmann und Pfleger in Tölz Kaspar Winzerer, des Autors Gevatter, zugeeignet. Innige Freundschaft verband S. mit dem erwähnten Poeten Markus Tatius, den er in einem Gedichte einlädt, wenn er von Augsburg nach München komme, möge er bei boischem Weine und hellem Kaminfeuer mit ihm den Abend verbringen. Nicht minder herzlich waren seine Beziehungen zu dem fürstlichen Secretäre und Rathe Andreas Perneder, dessen Nachlaß zum Theil in seine Hand gelangte (A. D. B. XXV, 385).
Schaidenreißer: Simon S., auch Minervius genannt, erscheint um das Jahr 1532 als öffentlicher Lehrer der Dichtkunst in München und war vermuthlich Vorstand der sogenannten Poetenschule daselbst. Sein Freund- Jahrbuch der Münchener Geschichte I. 1887. S. 511 ff. – Kobolt, Gelehrtenlexikon.