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ADB:Schaitberger, Joseph

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Artikel „Schaitberger, Joseph“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 553–555, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schaitberger,_Joseph&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 17:12 Uhr UTC)
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Schaitberger: Joseph S. (oder Scheitberger), Salzburger Exulant und evangelischer Erbauungsschriftsteller, geboren am 19. März 1658 zu Dürnberg bei Hallein im Salzkammergut, † am 2. October 1733 zu Nürnberg. – Seine Eltern waren der Bauer und Bergmann Johann S. und Magdalena geb. Danner aus Berchtesgaden, beide der evangelischen Religion zugethan, die schon im sechzehnten Jahrhundert im Salzburgischen Eingang gefunden und unter den Bergbewohnern fortwährend viele heimliche Freunde hatte. Von seinem Bruder, der Schulmeister in Dürnberg war, im Lesen und Schreiben unterrichtet, widmete er sich dem Beruf eines Bergmanns, verheirathete sich im 25. Lebensjahre mit Margarethe geb. Kümmel aus Berchtesgaden, beschäftigte sich aber neben seiner Berufsarbeit fortwährend eifrig mit Lesen der hl. Schrift, der lutherischen Hauspostille und anderer evangelischen Erbauungsschriften. Als 1686 unter dem Erzbischof Maximilian Gandolf im Tesserecker Thal eine Religionsverfolgung gegen die dortigen heimlichen Protestanten ausbrach, wurde auch S. mit anderen seiner Glaubensgenossen verhaftet, in Ketten nach Hallein gebracht, von da an das Hofgericht in Salzburg ausgeliefert und in 50tägiger harter Gefangenschaft gehalten, während welcher Zeit zwei Kapuziner vergebliche Versuche machten, ihn zur römischen Kirche zurückzuführen. Darauf wurde er wieder entlassen mit der Auflage, sein Glaubensbekenntniß schriftlich abzufassen und dem Erzbischof von Salzburg vorzulegen. Er bekannte sich offen und frei zur Lehre Luther’s und zur Augsburgischen Confession und richtete an den Erzbischof die Bitte, man möchte ihn und seine Glaubensgenossen bei ihrem Gottesdienst ungestört belassen und ihnen ihre geraubten Kinder zurückgeben. Statt dessen wurde er seiner Bergarbeit entlassen, seiner Güter beraubt, zu vierzehntägiger Strafarbeit bei Wasser und Brod verurtheilt und zuletzt, weil er seinen evangelischen Glauben nicht abschwören wollte, mit anderen evangelischen Tessereckern, über 1000 an der Zahl, mit Zuri1ckbehaltung ihrer Güter und Kinder aus dem Lande gejagt. Er fand eine Zufluchtsstätte in Nürnberg, wo er freundlich aufgenommen wurde und bis an sein Lebensende verblieb, als Tagelöhner, Holzarbeiten und Dratzieher seinen Unterhalt sich verdienend. Nach dem Tode seiner ersten Frau († 1687) trat er in eine zweite Ehe mit Katharina Prachenberger aus Berchtesgaden, die ihm vier Söhne gebar, aber schon 1698 starb. Zweimal wagte er es, heimlich und mit Lebensgefahr wieder in seine Heimath zurückzukehren, theils um seine dort zurückgebliebenen Glaubensgenossen im Glauben und Geduld zu stärken, theils um seine Kinder heraus zu holen. Nur eine seiner Töchter reiste dem Vater nach, in der Absicht, ihn für die römische Kirche zu gewinnen. Aber das Gegentheil geschah: sie überzeugte sich von der Wahrheit des evangelischen Glaubens und entschloß sich, bei ihrem Vater zu bleiben, wo sie kümmerlich mit Stricken sich nährte. S. selbst wurde zuletzt, als er alt und arbeitsunfähig geworden, [554] vom Nürnberger Rath in das sogenannte „Mäntel’sche Stift der zwölf Brüder“, eine sonst nur für Nürnberger Bürger bestimmte Versorgungsanstalt, aufgenommen, erhielt auch Geldunterstützungen von auswärtigen Freunden, die ihn wegen seiner einfältigen Frömmigkeit und seines standhaften Bekenntnisses der evangelischen Wahrheit hoch schätzten; so von dem Augsburger Prediger und Senior Samuel Urlsperger, sowie dem Memminger Prediger J. G. Schelhorn, der im December 1732 eine milde Beisteuer für ihn sammelte und ihn damit kurz vor seinem seligen Ende erquickte. Noch kurz vor seinem Tode begrüßte er in Nürnberg die neuen Salzburger Emigranten, die 1731 durch Erzbischof Firmian aus ihrer Heimath vertrieben, wiederum in Deutschland eine Zufluchtsstätte suchten.

Bald nach seiner Ankunft in Nürnberg hatte S., auf Veranlassung eines dortigen Predigers Ungelenk, angefangen, eine Reihe von evangelischen Tractaten zu schreiben, theils zu seiner eigenen Erbauung, theils zur Belehrung und Stärkung seiner in der Salzburgischen Heimath zurückgebliebenen Glaubensgenossen. Er ließ sie zuerst einzeln als Flugschriften drucken (Schwabach 1688 ff.) und suchte sie in vielen tausend Exemplaren besonders unter seinen Landsleuten zu verbreiten. Zuletzt gab er sie (1710 zu Schwabach und Nürnberg) in einer Gesammtausgabe heraus unter dem Titel: „Neuvermehrter evangelischer Sendbrief, darinnen 24 nützliche Bücher enthalten, geschrieben an die Landsleute in Salzburg und andere gute Freunde, darin dieselben zu christlicher Beständigkeit in der evangelischen Glaubenslehre Augsburgischer Confession in ihrem Gewissen aufgemuntert werden“. Dieser „Sendbrief“ wurde neben Luther’s und Spangenberg’s Postillen und Arnd’s wahrem Christenthum das liebste Erbauungsbuch der evangelischen Salzburger wie der im J. 1837 aus ihrer tirolischen Heimath ausgewanderien Zillerthaler, und ist später z. B. Nürnberg 1732 u. ö., und bis in die neueste Zeit wiederholt gedruckt und als Erbauungsbuch auch in weiteren Kreisen verbreitet worden: noch 1889 erschien davon eine sog. Jubelausgabe mit einem kurzen Lebenslauf und Bildniß des Verfassers (Reutlingen, Baur, 608 S. 8). Es stehen darin: 1) Schaitberger’s Sendbrief an seine hinterlassenen Landsleute mit dem früher von ihm verfaßten Glaubensbekenntniß, 2) ein Bericht von der Salzburger Reformation, 3) Religionsgespräch, 4) Tractat vom Jüngling und alten Mann, 5) Christenspiegel, 6) güldene Nährkunst der Kinder Gottes, 7) Todesgedanken, 8) Sterbekunst, 9) Sterbetrost, 10) Bußschallende Gerichtsposaune, 11) Schreiben an seine Kinder im Salzburgischen, 12) an seine Brüder, 13) evangelische Christenpflicht, 14) Gespräch vom wahren und falschen Christenthum, 15) Tractat von der Vollkommenheit, 16) Trostschrift für geängstete und angefochtene Seelen, 17) Bericht von der Religion, 18) Religionsfragen, 19) Reisegespräch, 20) Tractat von der Kindertaufe, 21) von englischen Erscheinungen, 22) Bußwerke, 23) Antwort auf den Brief eines Nikodemiten, 24) von der Gewißheit des Glaubens und wahren Erkenntniß Christi. Auch einige geistliche Lieder wurden von ihm verfaßt, von denen zwei in den Anhang des Coburgischen Gesangbuchs aufgenommen sind (1717): „Du Spiegel aller Tugend“ und „Jesu meine Lieb’ und Leben“. Das bekannteste seiner Lieder aber ist sein Salzburgisches Exulantenlied, welches die ganze Noth, aber auch den evangelischen Trost jener Glaubenszeugen in einfachen, ergreifenden Worten wiederspiegelt. Anfang und Schluß dieses „Salzburgischen Exulantenliedes“ lauten im ursprünglichen Text (nach einem Drucke von 1732) wie folgt: „I bin ein armer Exulant, A so thu i mi schreiba. Ma thuat mi aus dem Vaterland Um Gottes Wort vertreiba. – Das waß i wol, Herr Jesu Christ, Es is Dir a so ganga. Itzt will i Dein Nachfolger sein, Herr, Machs nach dei’m Verlangen. – – Mein Gott, führ mich in ana Stadt, Wo i dein Wort [555] kann hoba: Darin will i Di früh und spat In meinem Herzel loba. Sol i in diesem Jammerthal Noch länger in Armuth leba: So hoff i do, Gott wird mir dort Ein bessre Wohnung geba“.

Vgl. Samuel Urlsperger, Joseph Schaitberger, 1732. – J. G. Schelhorn, comm. de religionis evangelicae in provincia Salisburgensi ortu etc., Leipzig 1732. – Ders., Ergötzlichkeiten aus der Kirchenhistorie I, 494 ff. – Will, Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon III, 481 ff. – Hirsching-Ernesti, Handbuch X, 2, 227 ff. - Zedler, Universal-Lexicon XXXIV, 815 ff. – Wetzel, Histor. Lebensbeschreibung der Liederdichter III, 29 ff. – Erdmann. Artikel „Salzburger“ in der Real-Encyclopädie für protest. Theologie und Kirche, XIII, 329 flg. (2. Aufl.), 1884. – Panse, Geschichte der Auswanderung der evangelischen Salzburger, Leipzig 1827.