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ADB:Scharff, Johann

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Artikel „Scharff, Johann“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 587–588, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scharff,_Johann&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 09:16 Uhr UTC)
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Scharff: Johann S., lutherischer Theolog und Philosoph des 17. Jahrhunderts, geboren am 13. (18.) Juni 1595 zu Croppenstedt im Fürstenthum Halberstadt (jetzt Kreis Oschersleben, Provinz Sachsen), † am 7. Januar 1660 zu Wittenberg. – Sein gleichnamiger Vater war Rechtsanwalt, seine Mutter eine geb. Vogler. Früh verwaist fand er Aufnahme bei Verwandten, erhielt seine Vorbildung auf den Schulen zu Halberstadt, Berlin, Brandenburg, Brieg und studirte 1617 ff. in Wittenberg Philosophie und Theologie. Nachdem er 1620 die Magisterwürde sich erworben, hielt er Privatvorlesungen und Disputationen, wurde 1624 Facultätsassessor, 1627 außerordentlicher Professor in der philosophischen Facultät, las über Logik, Metaphysik und andere Disciplinen, für die er vielgebrauchte Lehrbücher herausgab, hielt gleichzeitig auch theologische Vorlesungen, wurde 1635 Licentiat der Theologie, 1638 Professor der praktischen Philosophie, 1640 Doctor der Theologie und außerordentlicher Professor derselben, 1649 ordentlicher Professor und (nachdem seine drei Collegen W. Leyser, J. Martini und P. Röber[WS 1] schnell nacheinander gestorben waren) Senior der theologischen Facultät und Propst an der Stiftskirche zu Wittenberg. Wiederholt bekleidete er das Decanat der philosophischen und theologischen Facultät, dreimal war er Rector der Universität, dreimal war er verheirathet mit Euphrosyne Clara geb. Prätorius, mit Anna Katharina geb. Pelshofer, mit Anna geb. Hille, verwittw. Bonner. Er hinterließ zwei Kinder: eine Tochter Anna Sabina, Gattin des Theologen J. A. Quenstedt, und einen Sohn Johann Friedrich, der später gleichfalls Professor in Wittenberg wurde. In den letzten Jahren seines Lebens wurde er so leidend, daß er einen Gehülfen für sein geistliches Amt annehmen und zuletzt jeder Thätigkeit entsagen mußte. Vor seinem Tod stiftete er noch Stipendien für arme Studirende der Theologie und für die Sänger der Stiftskirche. Seine Freunde rühmen seine Gelehrsamkeit, seine theologischen und menschlichen Tugenden. Die Gegner (insbesondere Georg Calixt und Joachim Jungius) urtheilen ziemlich geringschätzig über ihn und bedauern das Loos einer Jugend, quae tali magistro erudienda committitur. Von seinen Schriften genossen die philosophischen Compendien der Logik, Metaphysik, Physik, Politik etc. (besonders seine in 6 Auflagen erschienene Metaphysik u. d. T. „Metaphysica exemplaris“, Wittenberg 1623 u. ö., seine „Institutiones logicae“, Wittenberg 1632, seine „Pneumatica s. scientia spirituum naturalis“, Wittenberg 1656 etc.), längere Zeit ein gewisses Ansehen und waren an vielen Schulen eingeführt, besonders weil sie eigens für den Gebrauch der Theologen eingerichtet und auf die lutherische Dogmatik zugeschnitten waren. Als Theolog betheiligte er sich in Gemeinschaft mit seinen Wittenberger Collegen, besonders [588] mit Abraham Calov, an den mancherlei Kämpfen der damaligen lutherischen Streittheologie, am Kampf gegen die Calvinisten (Collegia Anti Calviniana), am Kampf mit G. Calixt und dem Helmstedter Synkretismus (so gleich in dem Antrittsprogramm zu seiner theologischen Professur im J. 1649, in seiner „Responsio Calixto reddita“ 1649, einer „Protestatio adv. atrocia Calixti scandala“ 1659 usw.), sowie an dem 1637 ausgebrochenen Streit über die Gräcität des neuen Testaments zwischen den sogenannten Puristen und Hebraisten. Als er seinen Gegner, den Hamburger Schulrector Joachim Jungius (s. A. D. B. XIV, 724) in einer heftigen Streitschrift („Apologia adversus rhapsodias Jungii et Calixti“ 1655) der Verachtung des göttlichen Wortes und Gotteslästerung beschuldigt hatte, erklärten zur Erwiderung Jungius und seine Schüler S. für einen „unverschämten Verleumder und verlogenen Sykophanten“ und verhöhnten ihn in satirischen Schriften und Spottversen wegen seiner stumpfen Logik („Scharfius interdum Stumpfius esse solet“), wegen seines schülerhaften Lateins und seiner zelotischen Verketzerungssucht.

Ein Verzeichniß seiner Schriften und weitere Nachrichten über sein Leben siehe bei Witten, Memoria theologorum, S. 360 ff. – Zedler, Universal-Lexikon XXXIV, 932 ff. – Jöcher, Gel.-Lexikon IV, 222. Außerdem vgl. Henke, Georg Calixt II, 2, 45 ff. – Frank, Gesch. der prot. Theologie I, 343; II, 9. – Guhrauer, J. Jungius und sein Zeitalter, 1850, S. 112. – Jungius’ Briefwechsel, herausg. von Avé-Lallemant, S. 199, 223, 411.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Paul Röber (1587–1651)