Zum Inhalt springen

ADB:Schernberg, Dietrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schernbergk, Dietrich“ von Edward Schröder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 120–121, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schernberg,_Dietrich&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 21:41 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 31 (1890), S. 120–121 (Quelle).
Dietrich Schernberg bei Wikisource
Dietrich Schernberg in der Wikipedia
Dietrich Schernberg in Wikidata
GND-Nummer 119006677
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|120|121|Schernbergk, Dietrich|Edward Schröder|ADB:Schernberg, Dietrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119006677}}    

Schernbergk: Dietrich (Theodoricus) S., deutscher Dramatiker des 15. Jahrhunderts, war Cleriker und Notar in der Reichsstadt Mühlhausen i. Th., aus deren Nachbarflecken Schernberg seine Familie stammen mag; er hat bis ins erste Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts hinein gelebt. Im J. 1480 brachte er sein „Spiel von Frau Jutten“ zur Aufführung, eine Dramatisierung der Sage von der Päpstin Johanna mit Anlehnung an das Theophilusdrama. Die Jungfrau Jutta aus England, die, von den Teufeln zur Ehrsucht angestachelt, Männerkleider angelegt hat, ist in rascher Laufbahn bis zum päpstlichen Stuhl emporgestiegen, als durch den Teufel Unversün, den sie austreiben muß, ihr wahres Geschlecht und zugleich ihr schwangerer Zustand verrathen wird. Der fürbittenden Maria sagt der Heiland zu, daß Jutta der ewigen Verdammniß entzogen werden soll, wenn sie vor der Welt die Schande auf sich lädt. Jutta unterzieht sich der schwersten Schmach des Weibes und stirbt in der Geburt: allem Volke wird ihre Schande offenbar, die Teufel führen ihre Seele zur Hölle. Auf erneute Fürbitten Maria’s und des hl. Nicolaus holt sie der von Christus gesandte Erzengel Michael aus der Gewalt der widerstrebenden Teufel in den Himmel empor und der Heiland empfängt sie als seine „liebste Tochter“. Preis und Dank der geretteten Seele schließen das Stück, das trotz seiner formelhaften und wenig gewandten Sprache technisch und inhaltlich den Höhepunkt des mittelalterlichen Dramas darstellt und mit seinem versöhnenden Ausgang im deutlichen Gegensatz steht zu der hoffnungslosen Strenge des anderthalb Jahrhundert älteren, gleichfalls thüringischen Spiels von den zehn Jungfrauen.

Daß der Dichter in einer bestimmten localen Tradition steht, beweisen einige Anklänge an das Gothaer Fragment von der Zerstörung Jerusalems und deutliche Anleihen bei dem Spiel von der hl. Katharina, das mit jenem Eisenacher Mysterium zusammen eben in einer Mühlhäuser Handschrift erhalten ist. Die Teufelsscenen zeigen nahe Berührungen mit den Osterspielen, besonders dem Redentiner, auch mit dem Hessischen Weihnachtsspiel (hrsg. v. Piderit), daß in dieser Hinsicht sich den Osterspielen anreiht.

[121] Der Freimuth, mit welchem Lucifers Herrschaft auch über den päpstlichen Stuhl ausgedehnt wird, macht es verständlich, daß der erste Mühlhäuser evangelische Prediger Hier. Tilesius, ein wüthender Antipapist, das Stück im J. 1565 zum Druck beförderte (Eisleben, bei Andreas Petri) wie eine Streitschrift. Es ist so gut wie sicher, daß er das seitdem verschollene Originalmanuscript direct in die Presse gab; Goedeke’s Angabe, er habe das Stück „ungehörig interpoliert“ ist irrig, wie eine demnächst erscheinende Umschrift des Ganzen in die ursprüngliche Sprachform zeigen wird.

Exemplare der Ausgabe des Tilesius liegen auf der kgl. Bibliothek zu Berlin und Dresden. Einen Abdruck davon (ohne die Beigaben des Herausgebers) lieferte Gottsched im nöthigen Vorrath 2, 81–138, danach wiederholt bei Keller, Fastnachtspiele 2, 900–955. – Vgl. auch Goedeke, Grundriß I², 321 f. – Eine Marburger Dissertation wird aus dem Mühlhäuser Stadtarchiv auch einiges über den Verfasser bringen können.