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ADB:Schlippenbach, Albert Graf von

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Artikel „Schlippenbach, Albert Graf von“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 43–45, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlippenbach,_Albert_Graf_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 17:36 Uhr UTC)
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Schlippenbach: Albert Ernst Ludwig Karl Graf von Sch. entstammte einem alten Adelsgeschlechte, das schon 1154 erwähnt wird und seine Stammburg am Rheine, am Fuße des Siebengebirges hatte. Von dort kam das Geschlecht zur Zeit des deutschen Ritterordens nach Kurland und Livland, und hier entsproß ihm neben anderen bedeutenden Männern auch der bekannte Dichter Ulrich Freiherr v. Schlippenbach (s. A. D. B. XXXI, 522). Ein Zweig des Geschlechtes wandte sich nach Schweden und später, unter dem großen Kurfürsten, nach Brandenburg und erwarb hier 1686 in der Ukermark einen großen ländlichen Besitz, der heute freilich an Ausdehnung verloren hat. Für gewöhnlich hatte die Familie ihren Wohnsitz auf dem Gute Schönermark; vor hundert Jahren hatten die Großgrundbesitzer des Kreises Prenzlau fast ausnahmslos ein Stadthaus oder wenigstens eine Miethswohnung in der Kreisstadt inne, die sie im Winter bewohnten, um Geselligkeit zu pflegen und das von ihnen unterhaltene Theater zu besuchen: so kam es, daß Albert Graf v. Sch. am 26. December 1800 in Prenzlau geboren ward. Er war der vierte Sohn, das sechste Kind unter 18 rechten Geschwistern. Sein Vater, Graf Wilhelm Sch., ehemaliger Officier im Dragonerregiment Ansbach-Bayreuth, ein glühender Patriot, der noch kurz vor der Capitulation des Prinzen Hohenlohe bei Prenzlau (1806) diesem sein letztes Vieh zugetrieben hatte, leitete nach dem Tode des Großvaters (1794) von dem Gute Arendsee aus für die Großmutter, die das Schönermarker Schloß bewohnte, die Verwaltung sämmtlicher Güter, und in Arendsee entwickelte sich Albert im Kreise seiner Geschwister geistig und körperlich frei und kräftig, bis er nach mehrjährigem Privatunterricht im Elternhause zu dem Geheimrath Illaire in Berlin in Pension kam und hier das Werder’sche Gymnasium besuchte. Im J. 1819 bezog Sch. die Universität Göttingen, um die Rechte zu studiren. Kräftig und stark, von der Natur mit einem überaus liebenswürdigen Humor begabt, genoß er, ohne [44] die Studien zu vernachlässigen, das studentische Leben in vollen Zügen, widmete aber daneben manche Stunde der Poesie. Eine flüchtige Bekanntschaft der Göttinger Zeit war der gleichzeitig dort studirende Heinrich Heine, über den Sch. in späteren Jahren wohl äußerte: „Hätte ich damals geahnt, welch eine hohe Begabung in dem unangenehmen, unsauberen Jungen steckte, ich hätte mich ihm doch genähert.“ In Berlin, wo Sch. besonders Eichhorn und Savigny hörte, brachte er seine Rechtsstudien zum Abschlusse. Aus seiner Studentenzeit stammen nun seine bekanntesten Dichtungen: „Ein Heller und ein Batzen, die waren beide mein“, die Franz Kugler mit einer Melodie versah und schon 1830 in sein „Skizzenbuch“ aufnahm, und „Nun leb wohl, du kleine Gasse“, die Friedrich Silcher vertonte; beide Dichtungen haben bis heute ihren Platz in den Commersbüchern behauptet. In Berlin führte ein Festgedicht Schlippenbach’s die Freundschaft mit Chamisso herbei, und oft hat dieser später bei seinen botanischen Streifzügen durch die Provinz an die gastliche Thür in Arendsee angeklopft. Nach bestandener juristischer Prüfung arbeitete Sch. zuerst als Auscultator, dann als Kammergerichtsreferendar in Berlin, und gerade in dieser Zeit entstanden viele seiner Lieder von Liebeslust und Liebesleid. Der 1830 erfolgte plötzliche Tod seines Vaters – die Mutter war schon 1826 gestorben – berief ihn zu einer anderen Thätigkeit, zur Uebernahme und Verwaltung des väterlichen Besitzthums. Auf Wunsch des Vaters sollten die sieben Brüder um den Besitz losen, und derjenige, den das Loos erwählte, sollte seine ganze Kraft daran setzen, die infolge der Kriegsjahre tief verschuldeten und heruntergekommenen Güter der Familie zu erhalten und den Besitz später in ein Majorat umzuwandeln. Albert zog das Loos und stand damit vor einer Aufgabe, so groß und schwierig, daß sie wohl die meisten zurückgeschreckt hätte. Aber eiserner Fleiß, strengste Sparsamkeit, liebenswürdige Beredsamkeit und diplomatische Begabung, verbunden mit günstigen Conjuncturen förderten die Lösung seiner Aufgabe, und 1848 konnte er das Majorat Schönermark stiften, zu welchem sieben Güter gehörten. Im J. 1838 hatte sich Sch. mit der Gräfin Emma v. Scheel-Plessen vermählt, mit der er bis zu ihrem Tode (1880) in glücklichster Ehe lebte. Ihr gründete er dann in Arendsee jenen herrlichen Landsitz, zu dem Stüler in Berlin den Plan entworfen und dessen Gartenanlagen von Lenné ausgeführt wurden. In der Folge unternahm Sch., den der König von Preußen 1840 zum Kammerherrn ernannt hatte, größere Reisen, die ihn nach Frankreich, Italien und Portugal führten. Nach der Heimkehr widmete er sich dann wieder der Land- und Forstwirthschaft und beschäftigte sich mit politischen, kirchlichen und socialen Zeitfragen. Seiner religiösen Richtung brachte er manches Opfer. Keine Rücksicht auf Witterungsverhältnisse konnte ihn bewegen, von seiner strengen Auffassung der Sonntagsheiligung abzugehen; ja er ließ sogar aus Bedenken gegen den Mißbrauch auf seinen Gütern sämmtliche Brennereien eingehen. Innere und äußere Politik begleitete er mit Aufmerksamkeit; doch zeigte er niemals Neigung, politisch hervorzutreten; Missionsfeste, Prediger- und Lehrerconferenzen, landwirthschaftliche Vereinigungen galten ihm mehr als politische Verbindungen. Die ideale Begleiterin seiner Tage blieb stets die Muse des Liedes; aber erst im J. 1883 gab er dem Drängen seiner Freunde nach, eine Sammlung seiner „Gedichte“ herauszugeben. Die Zusammenstellung überlies er dem Dr. A. Mosbeck, dem Sohne seines langjährigen Rentmeisters, und die Pietät des Sammlers hat dann eine Anzahl, nur Eingeweihten verständlicher Gedichte aufgenommen, die nicht zum Abdruck hätten kommen sollen. „Die Lieder, eine Art Spätromantik, treten in eine ihr schon etwas fremd gewordene Zeit hinein. Es ist alte Lyrik, weich und keck, aber immer melodisch und frisch, naiv und pulsirend wie junge Wangen; [45] sie gehört den Stimmungen der Jugend und ihren tieferen Empfindungen, dem innigen Eheglück und immer einer feinen Empfindung der Natur.“ Musiker, die noch „echte Lieder“ componiren wollen und können, dürften in dieser Sammlung manchen ungehobenen Schatz finden. Sch. starb, betrauert von Allen, die ihm jemals nahe getreten waren und nicht zum mindesten von seinen Gutseingesessenen, an seinem Geburtstage, dem 26. December 1886.

Nach Mittheilungen aus der Familie. – Daheim, Jahrg. 1906, Nr. 36 (Prof. Ed. Heyck).