ADB:Schmid, Konrad (Sektierer)

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Artikel „Schmid, Konrad“ von Herman Haupt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 683, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmid,_Konrad_(Sektierer)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 21:16 Uhr UTC)
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Schmid: Konrad (irrthümlich auch Johann oder Heintz) S., ketzerischer Apokalyptiker und Stifter der thüringischen Geißlersekte. Er stammte vermuthlich aus dem nördlichen Thüringen; durch das Lesen von Büchern der Bibliothek des Cistercienserklosters Walkenried (nordwestl. von Nordhausen) soll er auf die Ausbildung seines kirchenfeindlichen Lehrsystems gebracht worden sein. Die fragmentarischen Berichte, die uns über seine Lehren vorliegen, lassen erkennen, daß er von der Erwartung des unmittelbaren Bevorstehens des jüngsten Gerichtes vollständig beherrscht war, in der ihn wol die seit 1348 sich wiederholenden großen Epidemieen bestärkten. An der Hand der Apokalypse, der Weissagungen der Hildegardis von Bingen, der Sibylle und anderer Prophezeiungen berechnete er als das Jahr des jüngsten Gerichts das Jahr 1369 und trat, wie es scheint, in den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts als Bußprediger auf. Seine mystisch-enthusiastische Gemüthsrichtung veranlaßte ihn, jeder weltlichen Freude den Krieg zu erklären und die seit den Geißlerfahrten des Jahres 1349 in weiten Kreisen verbreitete Selbstgeißelung als das beste und einzig wirksame Mittel zur Versöhnung mit Gott zu empfehlen. Die Uebereinstimmung einer großen Anzahl von kirchenfeindlichen Sätzen der thüringischen Geißlersekte mit denen der in Thüringen damals gleichfalls verbreiteten Waldenser ist so auffallend, daß die Annahme, S. sei durch das Waldenserthum beeinflußt worden, kaum abzuweisen sein dürfte. Vor allem aber hat wol das Eintreten der geistlichen Behörden gegen Schmid’s Bußpredigten diesen in seinen feindlichen Gegensatz zur Kirchenlehre gebracht: es wird ihm die Verwerfung der Sacramente und des ganzen cultischen und Verfassungssystems der Kirche beigemessen, an deren Stelle angeblich ein chiliastisches Reich treten sollte, zu dessen Regierung S. als „Kaiser Friedrich“ oder „König von Thüringen“ sich berufen glaubte. Seine Prophezeiungen fanden bei seinen Anhängern so unbedingten Glauben, daß viele derselben bei dem Herannahen des Jahres 1369 ihren Besitz verkauften und nachmals in bittere Noth geriethen. Im gleichen Jahre ging aber auch die Kirche mit Entschiedenheit gegen S. und seinen Anhang vor; in Nordhausen wurden von dem Inquisitor Walther Kerlinger 40 Ketzer vor Gericht gestellt und sieben von ihnen verbrannt: unter letzteren mag sich auch S., den seine Anhänger fortan als Märtyrer feierten, befunden haben. Der Verbreitung der Geißlersekte hat man freilich damit nicht zu steuern vermocht; dieselbe hat sich vielmehr, trotzdem es im 15. Jahrhundert zu wiederholten Verfolgungen derselben in Nordhausen, Sangerhausen, Sondershausen und anderen Orten kam, bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in Thüringen erhalten. An den durch Schmid’s Prophezeiungen erweckten apokalyptischen Erwartungen hielten seine Jünger unentwegt fest. S. und einen gleichzeitig mit ihm verbrannten Gesinnungsgenossen identificirten sie mit Henoch und Elias, die an Christi Stelle das jüngste Gericht abhalten würden. Eine Anzahl S. zugeschriebener deutscher Prophezeiungen und Lehrsätze, sowie ein angeblich von ihm herrührendes Glaubensbekenntniß hat H. A. Erhard nach einer Abschrift A. Stumpf’s (Neue Mittheilungen aus dem Gebiete historisch-antiquar. Forschungen II (1836) S. 16 ff.) bekanntgemacht.

Förstemann, Die christlichen Geißlergesellschaften, S. 162 ff. – Erhard a. a. O. – Mosheim, Institutiones historiae ecclesiasticae, S. 639 f. – H. Haupt, Zur Geschichte der Geißler, in der Zeitschr. f. Kirchengesch. IX (1888) S. 114 ff.