ADB:Schmidt, Michael Ignaz

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Artikel „Schmidt, Michael Ignatz“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 6–8, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Michael_Ignaz&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 06:48 Uhr UTC)
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Schmidt: Michael Ignatz S., Geschichtschreiber. Geboren am 30. Januar 1736 zu Arnstein, einer Landstadt des damaligen Hochstiftes Würzburg, wo sein Vater in fürstbischöflichen Diensten stand. Den ersten Schulunterricht erhielt S. in seiner Vaterstadt, von da kam er auf das Gymnasium zu Würzburg und ging von hier auf die Universität über. Seine gelehrte Erziehung hatte die ganze Zeit über in den Händen der Jesuiten gelegen, die sich in der That Hoffnung gemacht haben, den begabten jungen Mann in ihren Orden eintreten zu sehen. Diese Hoffnung wurde aber getäuscht: S. entschied sich dafür, Weltpriester zu werden, und rettete durch diesen seinen Entschluß seine Freiheit und seine Zukunft. Er trat in das bischöfliche Klerikalseminar und absolvirte die philosophischen und theologischen Studien mit Auszeichnung. Nach erhaltener Priesterweihe wurde er zunächst in die bischöfliche Stadt Haßfurt am Main als Caplan entsendet; doch vertauschte er schon nach kurzer Zeit diese Stellung mit dem Amte eines Erziehers in dem Hause des fürstbischöflichen Großhofmeisters, Grafen v. Rotenhan in Bamberg, und begleitete ihn und seinen Zögling weiterhin auf dessen Besitzungen in der Nähe von Stuttgart. Hier wie in Bamberg war ihm Gelegenheit des anregendsten Verkehrs mit angesehenen Persönlichkeiten und der erwünschten Erweiterung seiner Kenntnisse und seines Gesichtskreises geboten. Es dauerte aber nicht lange, so erinnerte man sich in Würzburg des hoffnungsvollen jungen Priesters und berief ihn (1769) als Vorstand des adeligen Seminars, woran sich (1771) die Ernennung zum Universitätsbibliothekar und einige Zeit darauf zum Professor der deutschen Reichsgeschichte, seltsamer Weise mit dem Sitze in der theologischen Facultät folgte. Die Neigung Schmidt’s [7] für historische Studien hatte sich frühe entwickelt und es war kein Zufall, daß ihm jetzt das genannte Lehramt übertragen wurde. Man wird nicht fehlgehen, wenn man seinen Entschluß, die Abfassung einer ausführlichen „Geschichte der Teutschen“ zur Hauptaufgabe seines Lebens zu machen, damit in Zusammenhang bringt. Ehe es aber zur Verwirklichung dieses Vorsatzes kam, war er von Arbeiten anderer Art in Anspruch genommen. Seine ersten schriftstellerischen Versuche fallen in das Gebiet der lehrhaften Theologie, aber auch der Philosophie („Geschichte des Selbstgefühls“, 1772), seine praktische, hochbedeutsame Thätigkeit in das Feld der Schulreform im Hochstifte Würzburg, für welche unter dem aufgeklärten Fürstbischof Adam Friedrich v. Seinsheim und angesichts der Katastrophe des Ordens der Jesuiten die Zeit gekommen war. Der Fürstbischof hatte gerade in S. das berufene Werkzeug für seine erleuchteten Pläne erkannt. Die folgenreiche Gründung eines Schullehrerseminars in Würzburg bildet einen wesentlichen Theil dieser wohlthätigen Neuerungen. Ein Organisationsplan für die Reform des gesammten Schulwesens im Hochstift von der Hand Schmidt’s ist nur zum geringsten Theile zur Ausführung gelangt, verdient aber heutzutage noch gelesen zu werden und legt für seinen Urheber das günstigste Zeugniß ab. Mit dem späteren Fürstprimas K. Theodor v. Dalberg, der bekanntlich auch dem Würzburger Domcapitel angehörte, stand S. seit mehreren Jahren in nahen Beziehungen und hatte er es u. A. diesem zu verdanken, daß die Akademie d. W. in Erfurt ihn unter ihre Mitglieder aufnahm. Auch ein Ruf, den S. als Professor der Geschichte an die Universität Mainz erhielt, den er aber ausschlug, wird auf diesen Einfluß zurückgeführt. Im J. 1778 waren die beiden ersten Theile seiner „Geschichte der Teutschen“ erschienen und hatten in ganz Deutschland, im Norden so gut als im Süden, bei den Protestanten so gut als den Katholiken, eine ungemein günstige Aufnahme gefunden. Man glaubte, in diesem Werke zu erhalten, was man bisher vermißt hatte, eine Geschichte der Nation, nicht bloß des Reiches. Ein besonders wichtiges Ergebniß dieses Erfolges war, daß man am Wiener Hofe das Auge auf den Verfasser desselben zu richten anfing und in allem Ernste die Absicht faßte, ihn für Wien zu gewinnen; Maria Theresia selbst war es, die diesen Gedanken sich angeeignet hatte. Der erste bez. Versuch mißlang aber, da der neue Fürstbischof von Würzburg, Franz Ludwig v. Erthal, sich weigerte, S. aus seinen Diensten zu entlassen. Jedoch konnte er nicht verhindern, daß derselbe nach Wien reiste, um in den dortigen Archiven Studien für die Fortsetzung seines Geschichtswerkes zu machen. Diese Reise und die Aufnahme, die S. am kaiserlichen Hofe und in den vornehmen, bez. gebildeten Kreisen der Hauptstadt fand, war indeß nur der Uebergang, der zu seiner Festhaltung und Anstellung in Wien führte. Der Tod der Kaiserin und die Nachfolge Kaiser Joseph’s II. hat in dieser Beziehung nichts geändert. S. wurde zum k. Hofrath und Director des Haus- und Staatsarchives mit einem ansehnlichen Gehalte ernannt. Der Kaiser bestellte ihn zugleich zum Mitglied des neu organisirten Censurcollegiums und weiterhin zum Lehrer in der Geschichte für seinen Neffen und eventuellen Nachfolger, den jungen Erzherzog Franz. S. hat sich in den neuen Verhältnissen, in welche er unter so gewinnenden Umständen eingetreten war, wohl gefallen und noch fast 18 Jahre hier verlebt, die er in erster Linie der Fortsetzung seines Lebenswerkes widmete. Am 1. November 1794, erst 58 Jahre alt, ist er in Wien gestorben. Er hat jenes sein Geschichtswerk freilich nicht vollendet und es nur bis zum Tode Kaiser Ferdinand’s III. führen können, es ist dann von anderer Hand – Joseph Milbiller – fortgesetzt und abgeschlossen worden. Die günstige Aufnahme, die gleich die ersten Bände desselben gefunden haben, wurde bereits berührt, sie hat sich bei dem Erscheinen der späteren Bände nur insofern verändert, als man auf [8] Seite der Protestanten mit der Behandlung der Epoche der Reformation nicht recht zufrieden war und von dem freien Geiste, welcher das Mittelalter beseelte, sich mehr erwartet hatte; namentlich auch Spittler hat dieser Ansicht Worte verliehen. Dagegen konnte man nicht in Abrede stellen, daß auch die Behandlung der neueren Zeit durch die Benutzung der Schätze der Wiener Archive stofflich gewonnen habe. Der größere litterarische Werth kommt unverkennbar der Darstellung der früheren Jahrhunderte zu; sie bezeichnet einen erquickenden Fortschritt in der Behandlung unserer Geschichte – in Form und Inhalt. S. entwickelte hier ein litterarisches Talent, das man auf dem Gebiete der deutschen Reichsgeschichte bisher umsonst gesucht hatte. Das Mittelalter, die Kaiserzeit, sind sozusagen in josephinischem Geiste geschildert, und dieser Umstand hat, wie angedeutet, zu dem Erfolge des Werkes viel beigetragen. Als wissenschaftlicher Forscher schöpft S. allerdings nicht aus dem Borne schöpferischer Selbständigkeit, aber er operirt mit augenfälliger Gewandtheit mit den Ideen Montesquieu’s, Möser’s u. s. w. Talentvoll, wie er war, hat er gerade auch die culturgeschichtlichen Momente der deutschen Entwicklung mit Erfolg berücksichtigt. Es wird ihm daher auch sicher in den kommenden Zeiten in der Geschichte unserer Historiographie der ehrenvolle Platz, den ihm bereits die Zeitgenossen so willig eingeräumt haben, unvermindert zuerkannt werden müssen.

S. Franz Oberthür, M. I. Schmidt’s Lebensgeschichte. Hannover 1802. – Baader, Lexikon verst. bair. Schriftsteller, 2. Thl., S. 104. – Archiv des hist. Ver. für die Geschichte von Unterfr. u. Asch., 5. Bd., 2. Heft, S. 120 ff. – Möser’s S. W., 10. Bd., S. 59 und 241. – Wurzbach, Biogr. Lexicon von Oesterr. – Des Unterzeichneten Geschichte der Universität Würzburg I (stellenweise).