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ADB:Möser, Justus

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Artikel „Möser, Justus“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 385–390, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%B6ser,_Justus&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:12 Uhr UTC)
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Möser, Karl
Band 22 (1885), S. 385–390 (Quelle).
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Möser: Justus M., Staatsmann und Schriftsteller, geb. am 14. Decbr. 1720, † am 8. Januar 1794. Sein Vater, Johann Zacharias M., war Canzleidirector und Consistorialpräsident zu Osnabrück, die Familie selbst aber pflegt man bis zu dem Urgroßvater, der seiner Zeit Conrector zu Magdeburg gewesen und in gleicher Eigenschaft nach Hamburg übergesiedelt war, zurückzuverfolgen. M. hat seine grundlegende Bildung in seiner Vaterstadt Osnabrück erhalten und früh sich als eine begabte, lebhafte und originelle Natur angekündigt. Seine akademischen Studien hat er in den Jahren 1740 bis 1742 zu Jena und Göttingen gemacht. In die Heimath zurückgekehrt, ließ er sich in die Zahl der Advocaten aufnehmen und man nimmt nicht mit Unrecht an, daß dieser Beruf, dem er nach seinen eigenen Worten mit einer Art von Leidenschaft ergeben war, die in ihm liegende Neigung, alle Dinge von ihren verschiedensten Seiten aus anzusehen, in hohem Grade gefördert hat. Seine Weltklugheit und sein praktischer Sinn in Verbindung mit einem fleckenlosen Charakter haben indeß nicht verfehlt, ihm der Reihe nach einen weiteren Wirkungskreis zu eröffnen; das osnabrückische Staatswesen war ohnedem dazu angethan, diese seine Eigenschaften zu entwickeln und auf die rühmlichsten Proben zu stellen. Es war dieß bekanntlich ein paritätischer geistlicher Wahlstaat, mit einem bischöflichen Landesherrn an der Spitze, der abwechselnd dem katholischen und dem evangelischen Bekenntnisse angehören mußte. Das Domcapitel bestand aus 25 Domherren, von welchen jeder gehalten war, seine 16 Ahnen nachzuweisen und von welchen wenigstens drei lutherisch sein mußten. Es war aber zugleich [386] Herkommen, daß der Landesherr nicht aus dem Capitel, sondern durch dasselbe aus einem der regierenden Fürstenhäuser gewählt wurde. Daneben stand die überwiegend protestantische Ritterschaft, welche die Landtagsfähigkeit im ritterschaftlichen Collegium und damit einen fühlbaren Einfluß auf die Landesgeschäfte besaß. An diese schloß sich endlich die Corporation der Städte, voran die Hauptstadt, die sich einer nahezu demokratischen Verfassung erfreute und in der Hauptsache sich selbst regierte. Unter diesen Umständen konnte es auch einem mäßig Begabten und gewandten Mann nicht schwer werden, hier seine Stellung zu finden, und wurde ein ausgezeichneter Mann, wie M. war, allmählich an die Spitze des seltsamen Staatswesens emporgetragen, so kann uns das nicht wundern. M. war bereits im J. 1742 Secretär der Ritterschaft geworden, und wurde im J. 1747 advocatus patriae, d. h. die Regierung übertrug ihm die Function eines Vertreters ihrer Interessen gegenüber den auswärtigen und einheimischen Potenzen, von welch letzteren auch die Ritterschaft nicht ausgeschlossen war. M. verstand es, dies widerspruchsvolle Amt so gut zu führen, daß die letztere in eben demselben Jahre ihn zu ihrem Syndicus beförderte. So lange ruhige Zeiten dauerten, blieb ihm Muße genug, nebenher das Geschäft eines Advocaten das er sich von Anfang an erwählt, zu betreiben, und es wird glaubwürdig versichert, daß er dieses im edelsten Sinne des Wortes that und ein Anwalt der Unterdrückten gegen die Mächtigen war. Als sich dann die Zeiten änderten, und die Unruhen des siebenjährigen Krieges auch den kleinen Staat Osnabrück heimsuchten, erhielt er Gelegenheit, von seiner Geschäftsgewandtheit, und der Kunst, die Menschen zu behandeln, Beweise abzulegen. Als Vertreter der Ritterschaft hatte er mit den Repräsentanten der alliirten Armee zu unterhandeln und die Entschädigung derselben für die dem Lande Osnabrück auferlegten Lieferungen und Forderungen zu betreiben. Es ist Thatsache, daß er diesen Auftrag mit nicht minder großem Erfolg als glücklicher Geschmeidigkeit ausgeführt hat. Eine ähnliche Veranlassung führte ihn im J. 1763 nach London, und er hat sich auch dieses Auftrages mit gleichem Erfolge und gleicher Geschicklichkeit entledigt. Acht Monate lang hat dieser sein Aufenthalt in der Hauptstadt des brittischen Reiches gedauert. Es braucht kaum erst ausdrücklich hervorgehoben zu werden, in welch hohem Grade sein für alles Große empfänglicher Geist durch die ihm hier eröffneten Eindrücke und Anschauungen gehoben und gefördert wurde. Denselben befruchtenden Einfluß, welchen die Anschauung der englischen Zustände und Einrichtungen in Staat und Litteratur damals notorisch auf so manchen bedeutenden festländischen Kopf ausgeübt haben, übten sie im entsprechenden Verhältnisse auch auf M. aus. Sein Gesichtskreis hat hier die ergiebigsten Anregungen aufgenommen und in seiner späteren staatsmännischen wie litterarischen Thätigkeit sind die Spuren derselben leicht wieder zu erkennen. Seiner geschäftlichen Gewandtheit that sich aber gerade bei dieser Gelegenheit ein neues Feld der Thätigkeit auf. Im August 1761 war der Kurfürst Clemens August von Köln, der zugleich Fürstbischof von Osnabrück war, gestorben, und ein Prinz aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg sollte den Bestimmungen des westfälischen Friedens gemäß, sein Nachfolger im Hochstifte werden. Der Londoner Hof blieb aber längere Zeit unschlüssig, welchen seiner Prinzen dieses Loos treffen sollte, und das Interregnum dauerte unter diesen Umständen ungewöhnlich[WS 1] lange. In diese kritische Epoche fiel der Aufenthalt Möser’s in London; die Rathschläge eines Mannes, der die staatsrechtlichen Verhältnisse des Hochstiftes so genau wie er kannte, waren daher doppelt gesucht und geschätzt. Die gute Meinung, die M. bei dieser Veranlassung bei dem damaligen hannöverschen Minister in London, dem Herrn von Behr, von sich erweckte, ist übrigens für seine zukünftige Stellung in seinem Vaterlande nicht ohne maßgebende Folgen geblieben. König [387] Georg entschied sich endlich dafür, daß sein, freilich erst einjähriger Sohn Friedrich Fürstbischof von Osnabrück werden solle. Es eröffnete sich damit die Nothwendigkeit einer langen vormundschaftlichen Regierung, und die nächste Frage war nun, wem das Recht der Vormundschaft zufallen solle. Das Osnabrücker Domcapitel nahm es für sich in Anspruch, während auf der andern Seite der Vater des jungen Fürstbischofs, d. h. der König von England sich dasselbe vindicirte und sofort davon Besitz ergriff. An der Vertretung der Ansprüche des letzteren fiel M. ein guter Theil zu und er hat dieses in ihn gesetzte Vertrauen durchaus gerechtfertigt. Es kann zugleich keinem Zweifel unterliegen, daß Möser’s eigene Ueberzeugung mit der Sache, der er dabei diente, vollständig zusammenfiel. Was aber das wichtigste war, M. erhielt seitdem, dem ausdrücklichen Willen des Königs-Vormundes zufolge, umfassenden Einfluß auf die Regierungsgeschäfte des Hochstifts. Es änderte nichts daran, daß ihm bereits während der Sedisvacanz durch das Domcapitel die Stelle eines Justitiars bei dem Criminalgerichte übertragen worden war, welche er bis zu seinem Tode bekleidet hat. Es war ihm einmal bestimmt, die scheinbar unvereinbarsten Aemter in seiner Person zu vereinigen, ohne die Pflichten, welche ihm jedes derselben auferlegte, zu beeinträchtigen. Seine erwähnte einflußreiche Stellung zur Landesregierung, die zunächst mehr nur eine thatsächliche gewesen war, hat er mit solchem Erfolg versehen, daß sie fünf Jahre später – im J. 1768 – in eine offen ausgesprochene, officielle verwandelt, und er zum geheimen Referendar bei der Regierung ernannt wurde. Bis zum Jahre 1783, d. h. bis zum wirklichen Regierungsantritte des Fürstbischofs Friedrich, hat M. sich das in ihn gesetzte Vertrauen ungemindert zu bewahren verstanden und zugleich den Dank und die Hochachtung aller halbweg Unparteiischen verdient, wenn er auch keinen Anstand nahm, unter Umständen eigensüchtigen Ansprüchen des Domcapitels und selbst der Städte nachdrücklich entgegenzutreten. Es ist allgemein anerkannt, daß er bei der Verwaltung dieses seines machtvollen Amtes an sich selbst und seinen Nutzen stets zuletzt gedacht und die äußeren Ehren und Vortheile, die ihm zufielen, nicht gesucht, ja sie nur mit Sträuben angenommen hat. Die fünfzigjährige Amtsfeier, welche ihm im J. 1792 die osnabrückische Ritterschaft bereitete – im J. 1742 war ihm das Amt ihres Secretärs übertragen worden – wurde zu einer wahren Landesfeier, zum Beweise, wie allgemein das Gefühl war, daß er überall und stets nur das allgemeine Beste im Auge gehabt und gefördert hatte. Es war somit, nur von der bisher geschilderten Seite beurtheilt, ein selten gesegnetes Leben, das nach kurzer Krankheit am 8. Januar 1794 zu Ende ging. M. hatte in verhältnißmäßig jungen Jahren eine ihm an Charakter und Bildung ebenbürtige Frau heimgeführt; das Glück dieser Ehe wurde nur durch den Tod des einzigen Sohnes in der Blüthe seiner Jahre getrübt; die einzige, des Vaters an Wesen und Geist würdige Tochter, Frau von Voigts, hat ihn überlebt und ging das Gedächtniß ihres Namens mit seinem eigenen verdienter Maßen auf die Nachwelt über. Zu dem Glücke dieses Lebens gehörten ferner nicht zum wenigsten die freundschaftlichen Beziehungen, in welche M. im Verlaufe der Jahre zu einer Reihe der vortrefflichsten seiner Zeitgenossen getreten ist; dieses Glück verdankte er zum guten Theile den Früchten seines Geistes, welche der Unermüdliche mitten in dem Gedränge der Geschäfte, die ihn in Athem hielten, hervorzubringen und zu zeitigen verstand. Während sein amtlicher Pflichteifer und seine Geschäftsgewandtheit ihm einen Ehrenplatz in der Geschichte seines kleinen Geburtslandes sicherten, haben seine Schriften ihm einen unvergänglichen Namen in der Geschichte seiner Nation und ihrer Litteratur erworben.

M. nimmt in der Entwickelung des deutschen Geistes und unter seinen litterarischen Zeitgenossen eine durchaus originale Stellung ein. Diese ist in [388] neuerer Zeit wiederholt so treffend und verläßlich geschildert worden, daß es genügen wird, an diesem Orte das wesentliche hervorzuheben. Möser’s ungewöhnliches Talent, um damit zu beginnen, steht außer Frage, d. h. er hat für seine Zwecke stets die entsprechende, gewinnende Form gefunden, und in der Richtung, in welcher er am selbständigsten erscheint, standen ihm in Deutschland wenigstens keine Vorbilder zu Gebote. Ursprünglich zum französisch-gottschedischen Geschmacke der Zeit hinneigend, hat er sich doch bald von demselben befreit und seinen eigenen Weg eingeschlagen. Die praktischen, realistischen, volksthümlichen und vor allen nationalen Tendenzen brachen sich in ihm Bahn, und in der Hingebung an sie hat er das Große und Seltene das ihn auszeichnet, geleistet. Er war in keiner Weise ein Schriftsteller von Beruf und mitten in den nicht geringen Ansprüchen, die seine verschiedenen amtlichen Pflichten, die wir kennen, an ihn fortgesetzt machten, mußte er die Zeit finden, um auf seine Landsleute und seine Nation anregend und belehrend, wie wenige, zu wirken. Es war aber zugleich wieder ein unendlich schätzbarer Vortheil für ihn, daß er durch seine dienstliche Stellung in ununterbrochener Berührung mit den verschiedenen Kreisen des Volkes blieb und seinen Sinn für das Wesen, die Bedürfnisse, die Sitten und Einrichtungen desselben zu bewahren und zu schärfen im Stande war. Und wiederum, obgleich durch seine dienstliche Wirksamkeit auf die Bedürfnisse und Einrichtungen eines Kleinstaates angewiesen, hat er sich doch seine Augen für das Große in allen Richtungen offen gehalten und den allgemeinen Gang der geistigen und socialen Entwickelung im Abendlande mit Sorgfalt verfolgt. Blieb er trotzdem von Einseitigkeiten nicht bewahrt, so trug daran nicht etwa die Selbstgenügsamkeit seines Geistes, sondern die Eigenthümlichkeit seiner Natur die Schuld. In Einem stand er zu seiner Zeit von vorn herein im unverkennbaren Widerspruche, daß er nämlich im Gegensatze zu den kosmopolitischen und humanitären Neigungen derselben in erster Linie und unentwegt für die Sache seiner Nation und der deutschen Nationalität eintrat. Diese seine Eigenthümlichkeit hängt wieder mit seinem historischen Sinn aufs engste zusammen, der ihn vor jeder Flucht ins Allgemeine und vor allen Abstractionen kräftig schützte. Diesen seinen historischen Sinn, der in jener Epoche noch etwas ziemlich seltenes war, bewährte er nicht blos als historischer Schriftsteller, sondern in der Gesammtheit seiner Denkungsweise und seiner Anschauungen über die wichtigsten Fragen des öffentlichen und socialen Lebens. Den ersten Schritt in das Gebiet der Geschichte hat er (1748) mit seiner Vorrede zu seinem Trauerspiele „Arminius“ gethan, in welcher er im berechtigten Gegensatze zu den landläufigen Ansichten in der zu niederen Beurtheilung des Culturgrades der alten Deutschen eben so das Richtige traf, als sein Beruf zum Dichter durch das Drama selbst mehr als zweifelhaft blieb. Seinen bleibenden Ruhm als Historiker hat M. durch seine „Osnabrückische Geschichte“ begründet, zu welcher er den Plan mitten in den Wirren des siebenjährigen Krieges entwarf und welche freilich unvollendet geblieben ist. Das Bedeutendste des Werkes bietet der erste Band, die Einleitung in die Osnabrückische Geschichte. Sie schildert die ältesten Zustände des niedersächsischen Volkes nach den verschiedensten Seiten der staatlichen, wirthschaftlichen und socialen Einrichtungen; viele und zum Theil wesentliche seiner bez. Ansichten sind heutigen Tages zwar überwunden und abgelehnt, aber auch diese haben einen fruchtbaren und nachwirkenden Anstoß gegeben, so daß man M. nicht mit Unrecht zu den Begründern der deutschen Rechtsgeschichte und Alterthumswissenschaft zählt, wenn es auch als eine Uebertreibung erscheinen muß, wenn man ihn den „Vater der historischen Rechtsschule“ und einen der „größten Meister historischer Methode“ genannt hat. Letztere Eigenschaft, hätte er sie wirklich in diesem Umfange besessen, hätte ihn vor einer Reihe von historischen [389] Irrthümern schützen müssen, von welchen wir ihn nicht freisprechen dürfen. In dem einen hatte er unzweifelhaft Recht, wenn er die Untersuchung des Grundbesitzes und der bäuerlichen Verhältnisse überhaupt zum Ausgangs- und Mittelpunkt seiner Betrachtung unserer ältesten Geschichte nahm, und nicht weniger, wenn der Bauernstand seine volle Sympathie besaß, aber ein Irrthum war es doch, wenn er die Meinung durchblicken läßt, daß die Nation wohl gethan hätte, bei den Zuständen, die damit zusammenhängen, zu verharren. Wie für den Bauernstand gehörte ein freier kräftiger Bürgerstand zu seinen Idealen, und gerade in den Schutzwehren, mit welchen er auch diesen umgeben wollte, trat seine Opposition gegen die Lieblingsbestrebungen des Tages und des philosophisch-humanitären Jahrhunderts hervor. Er stellte überall den „Bürger“ dem „Menschen“ gegenüber und verwahrte sich unermüdlich dagegen, daß der letztere auf Kosten des ersteren begünstigt werden sollte, jedoch er übersah, daß um dem „Bürger“ aufzuhelfen, vor allem der „Mensch“ wieder in seine Rechte, d. h. in einen erträglichen und menschenwürdigen Zustand versetzt werden mußte. Es kann als ein Widerspruch erscheinen und hängt doch mit seiner ganzen Denkweise zusammen, daß sich M. viel mehr mit der Gesellschaft als mit dem Staate beschäftigte, erklärt sich aber schon aus der einen Thatsache, daß er es liebt, überall an die bestehenden Zustände anzuknüpfen, die ihm aber in seiner Nähe mehr sociale als politische Anknüpfungspunkte entgegenbrachten. Die überwiegende Summe seiner Anschauungen und Urtheile hat er bekanntlich in den „Patriotischen Phantasien“ niedergelegt, die, eine unvergleichliche und einzige Erscheinung in unserer Litteratur, die sie sind, eines besonderen Lobes nicht mehr bedürfen. Man weiß, daß Goethe die Sammlung dieser zerstreuten, meist aus zufälligen Veranlassungen entstandenen kleinen Aufsätze veranlaßt und zugleich das erschöpfende treffende Wort darüber ausgesprochen hat. Es wäre nicht schwer, und ist in der Hauptsache auch schon geschehen, ein systematisches Bild der Anschauungen Möser’s aus diesen Phantasien zusammenzusetzen. Ihr formeller Werth allein sichert ihnen schon die Unvergänglichkeit. Eine solche eminente Gabe, scherzend die Wahrheit zu sagen, und oft die schwierigsten Fragen in der scheinbar leichtesten Form zu behandeln, hatte Deutschland bisher nicht gesehen und hat sich, die Wahrheit zu sagen, auch seitdem nicht wiederholt. Am glücklichsten ist M. immer, wenn er das Gebiet der Sitte betritt und die herrschenden Schwächen und Verkehrtheiten der Mode, des häuslichen Lebens der verschiedenen Kreise mit seiner treffenden aber nie kränkenden Ironie berührt. Mit unwiderstehlicher Gewalt findet neben seinem Gemeingeist sein conservativer Sinn bei solchen Gelegenheiten Ausdruck. Freilich vertheidigt er auch manches Unhaltbare wie manche unerträgliche Härte und spricht auch bei solchen Gelegenheiten eine und die andere leicht anfechtbare Ansicht aus: aber der eminent gesunde Menschenverstand fesselt uns immer wieder und der Eifer, mit welchem er vor unnützen Abstractionen warnt und das ehrwürdige, unschädliche und doch nützliche Herkommen vertheidigt, hält uns unwiderstehlich fest. So bleibt es wahr: „In Absicht auf Wahl gemeinnütziger Gegenstände, auf tiefe Einsicht, auf freie Uebersicht, glückliche Behandlung, so gründlichen als frohen Humor wüßte ich ihm Niemand als Franklin zu vergleichen“. Das Ungenügende und Klägliche unserer nationalen Zustände in jener Zeit hat M. immer erkannt und nicht übersehen, daß die Quelle so mancher Uebelstände im großen wie im kleinen eben in ihnen zu suchen sei. Seine tapfere Antwort auf Friedrichs d. Gr. Lettre sur la litterature allemande legt für diese seine Einsicht wie für seinen Patriotismus das herrlichste Zeugniß ab. Freilich zog er sich immer wieder gern auf sein liebstes Terrain, die Betrachtung der socialen, sittlichen und wirthschaftlichen Zustände und Gebrechen seines Volkes zurück. Die letzteren hat er nicht blos mit unermüdlicher [390] Vorliebe, sondern zugleich mit so seltenem Verständnisse behandelt, daß er von einer Seite her als „der größte deutsche Nationalökonom des 18. Jahrhunderts“ bezeichnet werden durfte. So wird ihn denn das deutsche Volk stets als einen seiner besten und erleuchtetsten Söhne verehren und feiern.

Eine Gesammtausgabe der Werke Möser’s, 10 Bde. mit seinem Leben von Friedrich Nicolai erschien Berlin 1842–1843. Die Absicht, sein Leben selbst zu beschreiben, hat M. leider nicht ausgeführt. – Vgl. ferner: F. Kreyßig, J. Möser, Berlin 1857. – W. Roscher, Gesch. der Nationalökonomik in Deutschland S. 500 ff. – Bluntschli’s Gesch. der neueren Staatswissenschaft, 3. Auflage, S. 463 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ungewöhlich