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ADB:Schmolck, Benjamin

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Artikel „Schmolck, Benjamin“ von David Erdmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 53–58, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmolck,_Benjamin&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 08:24 Uhr UTC)
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Schmolck: Benjamin S. gehört zu den bekanntesten, fruchtbarsten und gesegnetsten, wenn auch nicht zu den hervorragendsten und bedeutendsten Liederdichtern der lutherischen Kirche, und ist besonders wegen der Innigkeit seiner Herz und Gemüth bewegenden Lieder neben Johann Heermann von Köben der bekannteste und beliebteste Sänger der evangelischen Kirche Schlesiens.

Er wurde am 21. December 1672 zu Brauchitschdorf bei Lüben im Fürstenthum Liegnitz geboren. Seines Geburtstages als des Tages des Apostels Thomas gedenkt er wiederholt mit besonderer Bezugnahme auf diesen Apostel und mit Anwendung der Geschichte desselben auf sein eigenes christliches Glaubensleben. An seinem 46. Geburtstage singt er: „Thomastag, der mich geboren, zeigt mir Jesu Nägelmal’! Diese hab ich mir erkoren als den Weg durchs Erdenthal“. Ein anderes Mal bekennt er: „Dieser mein Geburtstag hat mich oft in meinem Kreuz und Kummer mit Vorhalten der Worte Thomä aufgerichtet: „Mein Herr und mein Gott!“ Sein Vater, Martin S., früher Conrector in Schmiedeberg, war Pastor der Gemeinde Brauchitschdorf und verwaltete das Pfarramt in derselben 46 Jahre lang. Als ihm, noch im spätern Lebensalter, sein jüngster Sohn geboren wurde, that er das Gelübde, diesen Spätling dem Dienst der Kirche zu weihen. Das Kind empfing im Elternhause eine dem entsprechende besonders sorgfältige fromme Erziehung und bewies sich bald als ein Knabe von tiefem Gemüthsleben und hervorragenden Geistesgaben. Nachdem er den Unterricht, der von einem frommen Hauslehrer, Peter Paul Wießner, den Kindern des benachbarten Rothkirch’schen Hauses ertheilt wurde, mit großer Lernbegier mitgenossen hatte, folgte er seinem nach Schmiedeberg, dem Geburtsorte seiner Mutter, berufenen Lehrer dorthin. Von dort wurde der neunjährige Knabe 1681 in die Schule nach Steinau a. d. Oder gebracht, wo ihm mit Rücksicht auf die Bedürftigkeit seines Vaterhauses der Adjunct Johann Georg Schubert freie Kost und Wohnung gewährte und seine weitere geistige Ausbildung sich angelegen sein ließ. Mit der hier empfangenen gründlichen Vorbildung in den alten Sprachen bezog er das Gymnasium zu Liegnitz. Nach dreijährigem Aufenthalt daselbst trieb es den 15jährigen Gymnasiasten, eine weitere und gründlichere Vorbereitung auf das Universitätsstudium an einer der höheren Schulen Breslaus zu suchen. Bei seiner Ankunft daselbst aber machte er die Bekanntschaft des berühmten Schulmannes Georg Wende, der eben im Begriff war, nach Niederlegung seines Rectorats in Oels das Rectorat des Gymnasiums in Lauban zu übernehmen. Mit einer Schaar von lernbegierigen Jünglingen folgte er ihm dorthin und ließ sich von ihm in die classische Litteratur tiefer einführen, als es bis dahin hatte geschehen können. Nachdem er fünf Jahre diesen gründlichen Unterricht genossen und die Reife für das Universitätsstudium erlangt hatte, hielt er seine Abschiedsrede „Ueber den Gebrauch der heidnischen Schriften bei den Christen“ und beschloß die Universität Leipzig zu beziehen. Die Mittel dazu wurden ihm, als er zuvor einige Wochen in der Heimath verlebte und während dieser Zeit seinen Vater öfters auf der Kanzel vertrat, infolge des tiefen Eindrucks, den seine erste Predigt auf den Patron seines Vaters, Nicolaus Heinrich v. Haugwitz, gemacht hatte, von diesem im Betrage eines Stipendiums von 300 Thalern auf drei Jahre gewährt. Sie wurden noch durch einen erheblichen Zuschuß vermehrt, den ein Verwandter des Patrons, ergriffen von einer zweiten Predigt, die er über die Worte Psalm 40: „Ich bin arm und elend, der Herr aber sorget für mich“ gehalten hatte, ihm zusicherte. So trat er einen sorgenfreien Studiengang auf der Universität Leipzig Michaelis 1693 an, wo er zum Vortheil für seine theologische Ausbildung nicht genöthigt war, sich für seinen Lebensunterhalt auf Tischgängerei und Ertheilung von Privatunterricht angewiesen zu sehen. Sein aus dem Elternhause in das Schul- und [54] Universitätsleben mitgenommener frommer Sinn und kindlicher Glaube blieb ihm unangetastet und ungefährdet unter allen Versuchungen, die sich in Leipzig auch an ihn herandrängten.

Er hörte beim Beginn seines Studiums nur ein theologisches Colleg über Schrifterklärung und widmete sich nach dem zu jener Zeit üblichen Studiengange hauptsächlich der Beschäftigung mit weltlichen Disciplinen, insbesondere mit Naturwissenschaften. „Er übte sich zuvörderst in solchen Wissenschaften, welche uns zu Werkzeugen der Weisheit werden und die uns einen Vorhof machen, wenn wir ins Heiligthum treten wollen.“ Diese Worte, die er über das Studienleben eines Freundes schreibt, passen ganz auf ihn. Die volle ungetheilte Hingebung seines Herzens an jene Studien ließ freilich in ihm die Neigung aufkeimen, seinen Lebensberuf auf dem Wege der naturwissenschaftlichen Studien zu finden und sich der Medicin zu widmen. Sein tief und fest gegründeter Herzensglaube würde dadurch nicht erschüttert worden sein, wie denn auch jene Neigung selbst nicht aus einer Verflachung und Verkümmerung desselben hervorging. Aber die Erkenntniß von der Begabung, die er für den geistlichen Beruf empfangen, die mitwirkende Liebe zu seinem Vater und die Erinnerung an das von diesem einst über ihn dargebrachte Gelübde ließ ihn nicht lange schwanken. Mit ganzer Seele widmete er sich nun dem Studium der Theologie.

Welcher von den damaligen Leipziger Theologen einen besonders tiefgehenden Einfluß auf ihn ausgeübt habe, ist nicht zu bestimmen. Olearius und Joh. Benedict II. Carpzov waren unter ihnen die bekanntesten. Auf Andrängen des letzteren beim kurfürstlichen Hofe waren die Pietisten A. H. Francke, Anton und Schade, die durch ihre collegia philobiblica unter den Studirenden ein neues Leben anzufachen begonnen hatten, schon zwei Jahre, bevor S. sein Studium begann, aus Leipzig verdrängt worden. Aber die Nachwirkungen der neuen, von Spener ausgegangenen, auf Verinnerlichung der Rechtgläubigkeit und auf ein wahres Glaubensleben gerichteten Bewegung lassen sich nebst den Einflüssen des Elternhauses in dem von tiefer, lebendiger Herzensfrömmigkeit zeugenden Gepräge der Schmolck’schen Lieder und Gebete nicht verkennen. Davon zeugt er wiederholt, wenn er dem todten Verstandesglauben gegenüber von dem lebendigen Glauben des Herzens singt: „Drum laß mir nichts das Kleinod rauben und zünd’ ein Licht im Herzen an Durch deines Vaters theure Kraft zu wahrer Glaubenswissenschaft.“ Davon zeugt sein Gebet um die Gabe von oben, deren er bedürfe, um seinen Glauben auch in der That bekennen zu können: „Und lege selbst dein Wort zum Grunde, in welchem du mir kund gethan, was Glauben ohne Heuchelei und Wissen mit Gewissen sei.“

Mit solcher gläubigen lebendigen Theologie ausgerüstet, kehrte S. von der Universität Leipzig, wo er wiederholt schwere Krankheitsfälle zu bestehen gehabt, die aber die gründliche Vollendung seiner Studien nicht gehindert hatten, im J. 1697 in sein Heimathdorf zurück, um dem 70jährigen Vater im Pfarramt Hülfe zu leisten. Hier entfaltete sich die ihm angeborene Gabe der Beredsamkeit bei dem häufigen Predigen in Vertretung seines Vaters mit einer solchen Kraft und Wirkung auf die Gemeinde, daß dieselbe ihm ungetheilten Beifall zollte, und das Patronat ihn am Anfang des Jahres 1701 zum Adjuncten des Vaters berief. Nachdem er die Ordination in Liegnitz empfangen hatte, trat er sein Amt als Gehülfe desselben mit Freuden an. Aber schon am 12. Decbr. 1702, in welchem Jahre er sich mit Anna Rosine Rehwald, einer Kaufmannstochter aus Lauban, verheirathet hatte, empfing er infolge des Beifalls, den er wegen seiner Kanzelgabe nicht bloß in seiner Gemeinde, sondern auch schon weiterhin in kurzer Zeit als ausgezeichneter Prediger gefunden hatte, einen Ruf als [55] Diakonus an die Friedenskirche zu Schweidnitz, dem er unbedenklich Folge leistete.

Im westfälischen Frieden war den zerstreuten Evangelischen in den Fürstenthümern Glogau, Jauer und Schweidnitz die Erbauung von Gotteshäusern, aber nur vor den Thoren der genannten Fürstenthumsstädte, nur aus Fachwerk, ohne Thürme und Glocken, gestattet worden. Zu diesen sogenannten „Friedenskirchen“ mit ihren weiten, auf die ganze evangelische Bevölkerung berechneten Räumen hielten Sonntags und die ganze Woche hindurch aus der Nähe und Ferne die Evangelischen ihre Kirchfahrten oder Kirchgänge. S. diente dieser großen Gemeinde mit treuester Hingebung als Prediger und Seelsorger bis an seinen Tod, indem er alle Stufen des geistlichen Amtes durchschritt. Im J. 1708 wurde er vom Diakonus zum Archidiakonus befördert, 1712 zum Senior und 1714 zum Pastor primarius und Schulinspector berufen. Viele Mühen, Sorgen und Anfechtungen bereiteten ihm die Umtriebe der mächtigen Jesuitenpartei, welche auf die Unterdrückung der Evangelischen es abgesehen hatte. Mit aller Kraft und Entschiedenheit half er die Gemeinde dagegen beschirmen und befestigen, weshalb er auch seitens derselben die größte Liebe und Verehrung genoß. Andererseits wußte er durch seine Klugheit, Vorsicht und Friedfertigkeit, die ihn bei aller Wahrung des Bestandes und der Rechte der Gemeinde den jesuitischen Gegnern gegenüber nicht Böses mit Bösem in Wort und That vergelten ließ, die Pläne der Widersacher zu vereiteln und ihnen ihre eigene Waffe aus der Hand zu schlagen.

Alles, was ihm für sein Herz an Freude und innerer Befriedigung durch die Erfolge seines Wirkens in der Gemeinde, von deren Liebe er sich getragen wußte, und durch den Genuß des häuslichen Glücks und Wohlergehens, worin er Gottes Güte erkannte, sowie in siegreicher Abwehr der Gefahren, die der Gemeinde drohten, in reichem Maaße zu Theil wurde, gab ihm fort und fort Anlaß und Nöthigung, seinen Dank dafür in zahlreichen Lobliedern aus der Tiefe seines Herzens ausströmen zu lassen. Nicht minder aber fand er auch Ursache genug, seines Herzens Trost, wie er ihn unter mancherlei schmerzlichen Erlebnissen in der Gemeinde, in seinem häuslichen und persönlichen Leben aus dem Worte der Schrift erfahren hatte, in herzbewegenden Liedern ausklingen zu lassen. Als im J. 1716 am 12. September halb Schweidnitz von einer Feuersbrunst in Asche gelegt worden war, dichtete er zur Erinnerung an diesen Tag, an welchem noch heut aus diesem Anlaß jährlich eine „Brandpredigt“ gehalten wird, ein Lied: „Denke, Schweidnitz, denke dran“, welches mit den Worten schließt: „Bete: Herr Gott Zebaoth, gieb uns Feuer, nicht zur Rache, Feuer, das uns feurig mache.“ In seinem 58. Lebensjahre, 1730, wurde der starke rüstige Mann mitten in seiner freudigen, erfolgreichen Wirksamkeit am Sonntag Lätare von einem heftigen Schlaganfall betroffen, der ihm die ganze rechte Seite lähmte. Nach einiger Zeit konnte er zwar wieder die Kanzel betreten. Es war ihm vergönnt, noch fünf Jahre seines Amtes zu warten. Er konnte dies aber nur mit gebrochener Leibeskraft, wenn auch der Geist ungeschwächt, sein Muth ungebrochen und sein Herz munter und fröhlich geblieben. Am Bußtag des Jahres 1735 hielt er seine letzte Predigt, nachdem der Schlag sich wiederholt hatte und zu dem dadurch erhöhten Leiden noch eine Erblindung hinzugetreten war, von der er durch eine glückliche Operation des Staares nur auf kurze Zeit geheilt wurde. Unfähig zu weiterer Ausübung der kirchlichen Dienste, ließ sich der an Leib und Geist gebrochene Mann noch öfters in die Kirche tragen, um dort in der Sacristei seinen Beichtkindern vom Beichtstuhl aus die Hand aufs Haupt zu legen und den Segen zu ertheilen. Am 12. Februar 1737 entschlief er im Frieden Gottes nach langen schweren, mit Geduld und Ergebung in Gottes [56] Willen ertragenen Leiden, unter denen er seine besten „Kreuz- und Trostlieder“ sang.

Auf die erste Entwicklung seiner dichterischen Anlage und Begabung haben wohl, wie mit Recht angenommen wird, seine Hauptlehrer in Lauban, der Rector Georg Wende und der Conrector Gottfried Hoffmann, von denen der erstere als Dichter dem „Palmenorden“ angehörte, der letztere, ein frommer Liederdichter, als Verfasser mehrerer kirchlicher Gesänge bekannt ist, einen befruchtenden Einfluß ausgeübt. Auf der Universität wurde er bald als vielbegehrter Gelegenheitsdichter bekannt. Mit seinen Gelegenheitsdichtungen erwarb er sich dort so viel, daß er seinen Aufenthalt und seine Studien in Leipzig noch über das Triennium hinaus, für welches ihm die erwähnten Stipendien eine sorgenfreie Existenz gesichert hatten, ausdehnen konnte.

Mit seinem Eintritt in die kirchliche Amtsthätigkeit begann seine ungemein fruchtbare geistliche Liederdichtung, mit der er neben seinen geist- und lebensvollen Predigten und seiner gesegneten seelsorgerlichen Arbeit zunächst seiner Gemeinde zu deren Erbauung auf dem Grunde des Wortes Gottes und zu ihrer Förderung im christlichen Leben dienen wollte. Er stellte seine poetische Gabe ganz und gar in den Dienst Gottes und der Erbauung der Gemeinde. Ohne darauf auszugehen, sich dichterischen Ruhm zu erwerben, wurde er dennoch, indem er zu den Ausläufern der zweiten schlesischen Dichterschule gehörte, in der poetischen Form an Martin Opitz sich anschloß, und hinsichtlich des geistlichen Gehalts und des volksthümlichen Tons seiner Gesänge hauptsächlich dem Vorbild Paul Gerhard’s folgte, wenn er auch demselben an poetischer Schwungkraft nicht gleichkam, einer der beliebtesten und gefeiertsten Liederdichter der evangelischen Kirche. Ein Zeitgenosse von ihm, Wilhelm Götten, spricht sich in der Schrift: „Das jetzt lebende gelehrte Europa“ II, 290 (1736) über ihn folgendermaßen aus: „Man sagt mit Recht, daß er zum Liederdichter gleichsam geboren. Man thut auch nicht zu viel, wenn man ihn den schlesischen Rist nennt. – Sein größtes Lob aber besteht in dem allgemeinen Beifall, mit welchem fast die ganze evangelische Kirche in Deutschland seine Lieder auf- und in ihre öffentlichen Gesangbücher hier eingenommen hat.“ Und Hoffmann v. Fallersleben sagt von ihm: „Der Inhalt seiner Lieder ist Lob und Preis Gottes, Betrachtung über das Leben und Leiden Jesu, Ermahnung und Tröstung, – alles geschöpft aus den Lehren der Bibel und in Beziehung gebracht auf das menschliche Leben, überhaupt das Christenthum mit allen seinen Verheißungen und Segnungen. Das eigentliche Feld seiner Poesie, auf das er die ganze Innigkeit und Wärme seiner frommen Begeisterung wendet, ist die Dreiheit der christlichen Cardinaltugenden Glaube, Liebe, Hoffnung. In der Darstellung und Verherrlichung dieser Grundideen des Christenthums erscheint sein dichterischer Werth am reinsten und schönsten.“

Seinen weiten Ruf als geistlicher Liederdichter begründete er schon 1704 mit der Herausgabe von 50 Liedern unter dem Titel: „Heilige Liederflammen der himmlischgesinnten Seele“. Diese Liedersammlung erschien in schnell aufeinander folgenden Ausgaben, von der die zweite schon aus 100, die dritte aus 140 Liedern bestand, und die letztere auch noch um den in Reime gebrachten „Kern aller Gebete“ von Kaspar Neumann vermehrt war. Eine zweite Sammlung von 112 theils und hauptsächlich für die kirchliche Andacht, theils für den häuslichen Morgen- und Abendsegen bestimmten Liedern gab er unter dem Titel „Der lustige Sabbath in der Stille zu Zion“ Jauer 1714 heraus. Von gleich hervorragendem Werth nach Form und Inhalt wie diese beiden Sammlungen ist eine dritte unter dem Titel: „Das in gebundenen Seufzern mit Gott verbundene andächtige Herz“, Breslau und Liegnitz 1715. Unter den 44 hier [57] veröffentlichten Liedern befinden sich nicht wenige im kirchlichen Gebrauch eingebürgerte Lieder.

Die Zahl der geistlichen Gedichte und Lieder Schmolck’s beläuft sich auf nicht weniger als 1188. die in 16 Sammlungen von 1707–1737 erschienen. Von den drei ersten stechen die übrigen nach Form und Inhalt durch ihren geringeren Werth erheblich ab, da sie die große Zahl der eilig und leicht hingeworfenen Gelegenheitsgedichte mitumfassen, welche meistentheils ohne tieferen Gedankeninhalt sind.

Bei seinem eifrigen Streben, mit seiner Dichtergabe die Kirchen- und Hausandacht zu fördern und seine seelsorgerliche Thätigkeit zu unterstützen, folgte er ohne weiteres dem augenblicklichen inneren Drang oder äußeren Anlaß zum Dichten; er ließ es oft an dem gründlichen Wägen und Erwägen der in die Form der Dichtung zu fassenden Wahrheiten und Thatsachen fehlen; er verfuhr überhaupt bei seiner dichterischen Arbeit viel zu flüchtig und eilfertig. Daher sehr viel Spreu unter dem Waizen! Er war sich dessen selbst bewußt. In seiner Vorrede zu einer Sammlung von Kreuz- und Trostliedern unter dem Titel „Mara und Manna“ vom Jahre 1728 äußert er sich über seine Lieder ganz unumwunden: „Sie sind meist aus einer eilenden Feder geflossen, daher die Arbeit nicht ebenso gerathen, wie es die Grundsätze einer vollkommenen Poesie erfordern. Wenn die Bäume oft gerüttelt werden, lassen sie auch unreife Früchte fallen.“ Diese mit den Jahren zunehmende Eilfertigkeit und Hast im dichterischen Produciren, dieses auf immer häufigere Nachfrage und Bestellung unermüdlich fortgesetzte, ins handwerksmäßige ausartende Anfertigen von Gelegenheitsgedichten hatte zur Folge, daß viele seiner späteren Dichtungen matte, triviale Reimereien von zerfließender Breite sind, während es auch bei den edlen und werthvollen poetischen Gaben früherer Zeit öfters an der sorgfältigen Feile fehlte. Als Schwächen und Gebrechen seiner Darstellungs und Ausdrucksweise zeigen sich bei ihm nicht selten die Einflüsse des absonderlichen Zeitgeschmacks in übertriebenem, überschwänglichem Ausdruck des religiösen Gefühls, in gehäufter Anwendung von gesuchtem, über die Einfachheit des Gedankens und der Sache hinausgehendem bildnerischen Zierrath, in kleinlicher Durchführung wenig edler Vergleichungen, in unvermittelter Heranziehung entfernter liegender alttestamentlicher Namen.

Trotz alledem ist seine Sprache im ganzen der schlichte, würdige und edle Ausdruck des frommen Gefühls. Gefälliger Wohlklang des Rhythmus, freier, leichter Fluß der Worte, zum Herzen gehende Wärme und Innigkeit der Rede, Einfalt, Freudigkeit und Begeisterung als Grundton der Dichterstimmung ist durchweg das Gepräge seiner geistlichen Lieder. Mit dem Pietismus hat er auf dem Gebiet der Liederdichtung gemein die Betonung des persönlichen Verhältnisses zu dem Herrn und des lebendigen Glaubens im Verkehr mit dem lebendigen Gott. Aber bei aller Hervorhebung der Innerlichkeit und Lebendigkeit des wahren Christenthums stand er doch ebenso wie die Väter des gesunden Pietismus mit vollem Bewußtsein auf dem Grunde des kirchlichen Bekenntnisses. Wie er in seinen besten Liedern den volksthümlichen Ton voll und rein trifft, so ist denn auch eine nicht geringe Zahl derselben in den öffentlichen kirchlichen Gottesdienst übergegangen, obwol sie nicht als eigentliche Kirchenlieder zur Einführung in den allgemeinen kirchlichen Gebrauch von ihm gedichtet waren. In welchem Gesangbuch würde man z. B. die Lieder: Du Herr der Seraphinen; Hosianna, Davids Sohn; Gott lebt, wie kann ich traurig sein; Himmelan geht unsre Bahn; Hirte Deiner Schafe; Seele geh auf Golgatha; Theures Wort aus Gottes Munde; Thut mir auf die schöne Pforte – vermissen wollen! Endlich ist nicht zu vergessen, daß S. noch heut in vielen christlichen Häusern mit [58] seinen Liedern und Gebeten als Leiter der häuslichen Andacht im Morgen- und Abendsegen in hohem Ansehn steht.

Eine Gesammtausgabe seiner Werke erschien unter dem Titel: „Herrn . Benj. Schmolkens, Pastor prim. und Inspektors der evangelischen Kirchen und Schulen von Schweidnitz, sämmtliche trost- und geistreiche Schriften.“ 1. Thl. 1740 (mit 785 Poesieen) und 2. Thl. 1744 (mit 433 Poesieen) zu Tübingen bei Schramm, mit einer Lebensbeschreibung. – Wetzel, Hymnopoeographia. 1724. Thl. 3. S. 83 ff. – Kluge, Hymnopoeographia Silesiaca. Breslau 1751. – Hoffmann v. Fallersleben, Bartholomäus Ringwaldt und Benjamin Schmolck. Breslau 1833. – Ludwig Grote, Benjamin Schmolcks Lieder und Gebete. Eine Auswahl zu häuslicher Erbauung. 2. Aufl. Leipzig 1860. (Eine vorzügliche Auswahl mit zweckmäßiger Gruppirung und einer vorausgeschickten ausführlichen Lebensbeschreibung nebst Bildniß Schmolck’s.)