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ADB:Schramm, Karl

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Artikel „Schramm, Karl“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 445–446, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schramm,_Karl&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 15:56 Uhr UTC)
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Band 32 (1891), S. 445–446 (Quelle).
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Schramm: Karl S. wurde am 11. März 1810 zu Hückeswagen in der Rheinprovinz im Hause seines Großvaters geboren, der daselbst als Hofkammerrath und Richter lebte. Der Vater war damals Wundarzt und ließ sich nach seiner Rückkehr aus dem Freiheitskriege in Münster in Westfalen nieder. Hier absolvirte der Sohn das Gymnasium und ging im Herbst 1828 nach Halle, um Theologie und Philosophie zu studiren, welches Studium er seit dem Herbst 1829 in Jena fortsetzte, wo er zu dem Professor Fries in besonders nahe Beziehungen trat. An beiden Orten war S. ein eifriges Mitglied der allgemeinen Burschenschaft. Vom Herbste 1830 bis Ostern 1831 weilte er im Hause seiner Eltern in Schlesien, setzte dann ein Jahr lang seine Studien in Breslau, besonders unter David Schulz und Wachler, fort und ging dann noch einmal nach Jena, wo er als Mitglied der Burschenschaft „Germania“ bis Ostern 1833 weilte und seine Studien zum Abschluß brachte. Heimgekehrt, trat er sogleich ins geistliche Amt ein und fungirte als Pfarrvicar in Gleiwitz, aber schon im October d. J. wurde er als „Demagoge“ verhaftet, nach Berlin in Untersuchungshaft abgeführt und 1834 nach der Festung Graudenz geschafft, wo ihm später das Urtheil verkündet wurde, das wegen Hochverraths auf Tod durchs Beil lautete, welche Strafe indeß im Gnadenwege in 30 Jahre Einsperrung umgewandelt wurde. Der Umstand, daß der Commandant der Festung Graudenz dem Vater Schramm’s in der Schlacht bei Waterloo seine Lebensrettung zu danken hatte, trug dem Gefangenen manche Erleichterung und Bevorzugung ein; ja S. verlobte sich hier mit der Tochter eines Bäckermeisters und durfte öfter den Besuch seiner Braut empfangen. Dies erregte den Neid einiger seiner Festungsgenossen, zu denen auch der bekannte plattdeutsche Dichter Fritz Reuter gehörte, und dieser hat in seinem Buche „Ut mine Festungstid“ ein Bild von S. gezeichnet, das der Wahrheit sehr wenig entspricht. Mögen auch einige Charakterzüge, die Reuter an S. beobachtet haben will, zutreffend sein, so ist doch sein Vorwurf, daß S. sich während seiner Untersuchungshaft zum Denuncianten seiner Leidensgenossen herabgewürdigt habe, durchaus ungerecht. S. konnte dies selbst in glaubwürdigster Weise nachweisen, und auch verschiedene alte Burschenschafter und Leidensgenossen Schramm’s haben gegen Reuter’s Vorwurf ganz entschieden Front gemacht. Ein Versuch des Verleumdeten, bei seiner Anwesenheit in Europa 1867 Reuter zur Rede zu stellen, scheiterte, da dieser sich weigerte, S. zu empfangen. Soviel zur Ehrenrettung des letzteren. Nachdem S. 1838 Graudenz mit der Festung Silberberg in Schlesien vertauscht, 1840 aber seine Freiheit wieder erlangt hatte, war er bestrebt, im Schuldienst eine sichere Lebensstellung zu suchen. Er hospitirte am Lehrerseminar zu Erfurt, legte sein Rector-Examen ab, wirkte dann einige Jahre als Hauslehrer und erhielt 1845 die Stelle eines Conrectors an der Stadtschule zu Langensalza, die es ihm möglich machte, seine Graudenzer „Festungsbraut“ als Gattin heimführen zu können. Inzwischen hatte er auch zwei größere epische Dichtungen veröffentlicht, die auf der Festung entstanden waren. „Paulus“ (1842) und „Hermann“ (1842), denen er später „Mauerschwalben“ (Gesänge aus der Festung, 1849) folgen ließ. Der politischen Bewegung des Jahres 1848 schloß sich S. als alter Burschenschafter mit ganzer Seele an. Er wurde als Abgeordneter für den Wahlkreis Langensalza-Erfurt zur preußischen Nationalversammlung und 1849 zur zweiten preußischen Kammer gewählt, als Mitglied der äußersten Linken auch in den bekannten Steuerverweigerungsproceß verwickelt, [446] aber freigesprochen. Bei dem Ausbruch der Revolution in Baden und der Pfalz ging er nach Kaiserslautern, wo er der provisorischen Regierung diente, und begab sich nach Niederwerfung des Aufstandes durch preußische Truppen in die Schweiz und, da er sich hier eine feste Lebensstellung nicht zu gründen vermochte, 1852 nach Nordamerika, wo er während 27 Jahre theils in Newyork, theils in St. Louis Prediger freier protestantischer Gemeinden und nur für kurze Zeit in Sedalia Mo., in Lavenporth, Ks., und in Kansas City Redacteur republikanischer Zeitungen war. Der Tod seiner zweiten Gattin bewog ihn, 1879 nach Europa zurückzukehren. Er wandte sich nach Breslau, wo er als Privatmann und Schriftsteller lebte, sich auch dem Verein „Breslauer Dichterschule“ anschloß, durch dessen Organ „Monatsblätter“ er noch manches Lied hinausflattern ließ. Als besonderes Heft erschienen hier noch von ihm „XVII Lieder als Anhang zu allen Commersbüchern“ (1880). Indessen wurde es ihm schwer, sich in die europäischen Verhältnisse wieder einzuleben. Er fühlte sich „entfremdet, veraltet, überflügelt“ und zog sich deshalb je länger je mehr von der Oeffentlichkeit zurück. Im J. 1882 folgte er einem Rufe als Prediger der freireligiösen Gemeinde in Nordhausen, wo bis dahin sein Freund und Gesinnungsgenosse Ed. Baltzer gewirkt hatte, und hier ist er am 17. October 1888 gestorben.

Nach handschriftlichen Mittheilungen.