Zum Inhalt springen

ADB:Schröter, Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schröter, Karl“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 751–754, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schr%C3%B6ter,_Karl&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 04:58 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 35 (1893), S. 751–754 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Schröter (Theologe) in der Wikipedia
Karl Schröter in Wikidata
GND-Nummer 138218218
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|35|751|754|Schröter, Karl|Albert Schumann|ADB:Schröter, Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138218218}}    

Schröter *): Karl Fridolin S., altkatholischer Theolog und schweizerischer Geschichtsforscher, geboren am 28. Januar 1826 in Rheinfelden (Aargau), der älteste Sohn des dortigen Amtsstatthalters Joseph Fridolin S., besuchte die Schulen seiner Vaterstadt und von 1841–45 die Kantonsschule in Aarau, wo u. a. R. Rauchenstein (s. A. D. B. XXVII, 392 ff.), E. L. Rochholz und L. Moßbrugger (s. A. D. B. XXII, 404 f.) seine Lehrer waren, und studirte dann Theologie in Freiburg und Tübingen. Auf der letzteren Hochschule hörte er auch die kirchen- und dogmengeschichtlichen Vorlesungen Ferd. Chr. Baur’s, denn schon damals bekannte er sich zu dem immer festgehaltenen Grundsatze: „Ich will ein Priester sein, – kein Römling, sondern ein deutscher, ein schweizerischer Katholik.“ Im Spätjahre 1848 nach Rheinfelden zurückgekehrt, empfing er am 22. Sept. 1849 in Solothurn die Priesterweihe, übernahm aber schon im Frühling nach rühmlich bestandener doppelter Staatsprüfung den altclassischen, geschichtlichen und geographischen Unterricht an der heimischen Bezirksschule, womit er im Herbst noch die Religionslehrerstelle an dieser und der Gemeindeschule, sowie bald darauf das Rectorat an der ersteren verband. Gleich anfangs auch Caplan am Chorherrenstifte St. Martin, wurde er gegen Ende 1855 zum Chorherrn und Stadtpfarrer gewählt und am 6. Januar 1856 in diese beiden Aemter eingeführt. Als Lehrer Ernst und Milde weise verbindend, wußte er durch innige Hingabe an die Jugenderziehung, durch Gerechtigkeit und gleiches Wohlwollen gegen alle, mochten sie nun seines Glaubens sein oder einem anderen Bekenntnisse angehören, die Herzen seiner Schüler zu gewinnen. Gern rief er ihnen gelegentlich ein freundliches und ermunterndes Wort zu, gern spendete er ihnen kleine Geschenke: bei zufälligem Begegnen Früchte seines wohlgepflegten Gartens, die er vorsorglich mit sich genommen hatte, und ein Buch oder Bild, wenn sie von ihm schieden, um den ersten Schritt ins Leben zu thun. Neben der täglichen strengen Pflicht gönnte er auch der erlaubten Freude ihre Berechtigung und unternahm daher hin und wieder Ausflüge mit seinen Schülern oder führte ihrem Alter entsprechende dramatische Stücke mit ihnen auf: wie Jul. Otto’s Schulfest, Arnold von Winkelried, Der Eidschwur auf dem Rütli, Schneewittchen und die Zwerge, Des Winters Flucht und des Frühlings Einzug. Nicht weniger ernst nahm er es mit der Erfüllung seiner geistlichen Pflichten. Wohlvorbereitet betrat er die Kanzel, klar und eindringlich redete er zu den Versammelten, und theilnehmend und liebevoll verkehrte er mit den Armen und Kranken seiner Gemeinde. In seinem amtlichen Wirken athmete der versöhnliche und milde Geist Wessenberg’s, so daß der religiöse Friede niemals eine Störung erfuhr und Katholiken und Evangelische in fortdauernder Eintracht neben einander lebten. Freilich zollten die kirchlichen Oberen diesem friedfertigen Walten nicht immer ihren Beifall, und eine Verfügung des Erzbischofs von Freiburg untersagte ihm sogar jede geistliche Handlung auf badischem Gebiete. Im Frickthal jedoch, wo die Zeiten Josef’s II. in der Erinnerung [752] fortlebten, ließ sich dieser Geist nicht dämpfen, und wie stark er hier war, zeigte die altkatholische Bewegung zu Anfang der 70er Jahre. Sobald sie die Gemüther ergriff, schloß sich Rheinfelden unter Schröter’s Führung als eine der ersten dortigen Gemeinden an sie an (2. Nov. 1872), worauf andere dem gegebenen Beispiele folgten. Vertrauensvoll ernannte ihn nun die neue kirchliche Gemeinschaft zum bischöflichen Vicar, sowie zum Mitgliede und später zum Vicepräsidenten der obersten Landesbehörde, des schweizerischen Synodalrathes. Daran schlossen sich als fernere Auszeichnungen für geleistete Dienste: die in seiner Kirche vollzogene Weihe des neuen Bischofs Dr. Ed. Herzog und die Verleihung des Doctorgrades durch die theologische Facultät der Berner Hochschule am 50. Jahresfeste ihrer Gründung (15. Nov. 1884). – Inzwischen hatten sich nach republikanischem Brauche noch andere und fast zu viele Ehrenämter auf ihn gehäuft; denn 1858 war er Inspector der Kantonsschule und hierauf Mitglied folgender Behörden geworden: der Aufsichtscommission der Pestalozzistiftung in Olsberg (1860), der Concursprüfungscommission für katholische Geistliche (1861), des Bezirksschulrathes in Rheinfelden (1862), des aargauischen Erziehungsrathes (1863), der Staatsprüfungscommission (1864) und der Bezirksschulpflege (1866). An diese zwiefache Thätigkeit in Kirche und Schule reiht sich dann noch diejenige auf dem Felde der heimathlichen Geschichte und zwar in so hervorragender Weise, daß man ihn geradezu den Geschichtsschreiber Rheinfeldens und des Frickthales nennen kann. Die Neigung zu historischer Beschäftigung hatte des Vaters Vorbild in ihm geweckt. Dieser hatte das städtische Archiv umgeordnet und, dadurch angeregt, auf urkundlicher Grundlage zwei handschriftliche Arbeiten verfaßt, eine: Chronik der Stadt Rheinfelden bis 1562, und eine: Geschichte der Stadt Rheinfelden bis 1803, wovon der Sohn 1864 ein Bruchstück: „Die Kriegslasten der Stadt Rheinfelden zur Zeit des dreißigjährigen Krieges“ herausgab. Zuerst beschränkte sich S. auf das Frickthal, zog aber seit der Gründung der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau, deren Mitstifter er war, noch andere heimathliche Gebietstheile in den Kreis seiner Forschung. Die erste, vorbereitende Versammlung der genannten Gesellschaft in Brugg (3. Nov. 1859) beschloß die Herausgabe eines Vereinsarchives, der „Argovia“, und eines Taschenbuches. Während jenes Urkunden, Regesten und daneben solche Abschnitte der Landesgeschichte mittheilen sollte, welche bisher einer diplomatisch genauen Darstellung entbehrt hatten, wurde dem Taschenbuche die Aufgabe zugewiesen, aus dem Bereiche der aargauischen Geschichte Stoffe darzubieten, die selbst weniger kundigen Lesern eine warme und würdige Empfindung für die Heimathskunde einflößen könnten. Mit der Herausgabe beider Vereinsschriften wurden Rochholz und S. als Redactoren betraut. Von dem „Taschenbuch der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau“ erschienen nur zwei Bändchen: die Jahrgänge 1860 und 1861/62; die „Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau“ dauert hingegen von 1860 bis heute fort und hat 1892 den 23. Bd. erreicht. An der Redaction betheiligte sich S. bis 1871, worauf Rochholz dieselbe bis 1887 allein weiterführte; Mitglied der Gesellschaft blieb er bis zu seinem Tode und versah von 1882–86 im Vorstande die Stelle des Vicepräsidenten. Geschichtliche Arbeiten aber hat er folgende veröffentlicht: „Mittheilungen zur Geschichte des Frickthals“, eine monatliche Beilage zur „Frickthaler Zeitung“ (1855), aber leider schon mit der 5. Nummer (Mai) wieder eingegangen; „Geschichte des Schulwesens der Stadt Rheinfelden bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts“ (im Schlußbericht über die Schulen in Rheinfelden 1856/57 und 1857/58); „Die Schützengesellschaft in Rheinfelden in den ersten zwei Jahrhunderten ihres Bestehens 1460–1650“ (Schlußbericht 1858/59); „Die Bestrebungen für Einrichtung einer höheren Lehranstalt in Rheinfelden“ [753] (Rheinfelden 1859); „Ignatius Eggs. Das Lebensbild eines Kapuziners“ (Schlußbericht 1859/60)3 „Die Belagerung der Stadt Rheinfelden durch den Rheingrafen Johann Philipp im Jahre 1634“ (Taschenbuch 1860); „Der Anschlag der Berner auf Rheinfelden, 15. Decbr. 1464“ (Argovia 1860); „Die Pröpste des Collegiatstiftes St. Martin in Rheinfelden“ (Schlußbericht 1860/61); „Das verschwundene Dorf Höflingen“ (Argovia 1861); „Die Urkunden und Regesten des Frauenklosters Gnadenthal im Aargau“ (ebenda); „Ueberblick der Geschichte der Stadt Rheinfelden“ (Schlußbericht 1862/63); „Die Pfarrei Staufberg-Lenzburg und das Capitel Lenzburg vor der Reformation“ (Argovia 1862 und 1863, Aarau 1864); „Zwei Volkslieder aus der Geschichte der Stadt Rheinfelden“ (Schlußbericht 1880/81) und „Stiftungen für Schulen und Bildungszwecke in Rheinfelden“ (Schlußbericht 1885/86). Ferner gab er das „Festalbum zur vierhundertjährigen Jubiläumsfeier der Gründung der Schützengesellschaft in Rheinfelden“ (Frick 1861) gemeinsam mit F. A. Stocker heraus, der nach Schröter’s Tode überdies noch eine Reihe nachgelassener geschichtlicher Aufsätze in seiner Zeitschrift „Vom Jura zum Schwarzwald“ veröffentlicht hat. Die angeführten Schriften sind wenigstens theilweise Vorarbeiten zu einer von ihm beabsichtigten culturgeschichtlichen Gesammtdarstellung seiner engeren Heimath. Zu diesem Zwecke hatte er während vieler Jahre ein reiches und werthvolles Material zusammengebracht, mit dessen Vorlegung er die historische Gesellschaft an ihrer 22. Jahresversammlung (22. Aug. 1881) überraschte; doch vermochte er unter dem Drucke der geschäftlichen Belastung und infolge seines frühen Sterbens die umfassende Aufgabe nicht zu bewältigen. – An dem gesellschaftlichen Leben seiner Vaterstadt nahm er den regsten Antheil. Er war Mitstifter und fleißiger Gast der Lesegesellschaft „Frohsinn“; er bewahrte das Liebhabertheater im Kapuzinerkloster durch Begründung einer Actiengesellschaft vor dem Verkauf und rettete es so für seine Mitbürger; er übernahm mit vier anderen dessen Leitung und besorgte mit gewohntem Eifer die Regie. Ein ungewöhnliches Talent entfaltete er bei der Anordnung historischer Festzüge, deren Glanz und zeitgemäße Treue weithin Aufmerksamkeit erregten. Der erste am 11. Febr. 1866 führte in acht Gruppen die Geschichte Rheinfeldens von der Mitte des 12. bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts vor; zwei andere fanden am 7. Mai 1876 und am 15. Febr. 1885 statt, von denen der letztere den Einritt Kaiser Ferdinand’s I. in die Stadt (9. Jan. 1563) darstellte. Die dabei nothwendigen belebenden Ansprachen und Wechselreden verfaßte er gleichfalls. – Nachdem er noch am 6. Januar 1881 die 25jährige Jubelfeier seiner pfarramtlichen Thätigkeit begangen hatte, sah er allmählich immer leidensvollere Tage heraufziehen. Wie sonst hoffte er auch im Sommer 1886 durch den Aufenthalt in der reineren Alpenluft seine gichtischen und rheumatischen Schmerzen heilen zu können; allein sein Zustand hatte sich bereits so verschlimmert, daß er, statt in das Hochgebirge, nach Clarens am Genfersee reisen mußte. Dort verlebte er den Herbst, kehrte aber ernstlich krank nach Rheinfelden zurück, wo der Tod am 27. December 1886 sein Dasein endete. Ein litterarisches Denkmal hat ihm Hans Blum in seiner oberrheinischen Geschichte: Herzog Bernhard (1885) und in seinem Roman: Die Abtissin von Säckingen (2 Bde., 1887) gestiftet, indem er auf zwei der darin auftretenden Persönlichkeiten, den evangelischen Prediger Eberlin von Günzburg und den katholischen Chorherrn Hilarius Schrütter, geistige und gemüthliche Züge des verstorbenen Freundes übertrug.

(F. A. Stocker) in den Basler Nachrichten, Nr. 357 vom 29. Decbr. 1886, S. 1 cd. – Derselbe, Karl Schröter. Ein Lebensbild, in seiner Zeitschrift: Vom Jura zum Schwarzwald, 4. Bd., Aarau 1887, S. 51–63 u. [754] 81–102. (Mit Schröter’s Bildn.) – Anzeiger für Schweizer. Geschichte, 18. Jahrg. (Neue Folge), Nr. 4, S. 87 f. – Vgl. auch Taschenb. d. Histor. Gesellsch. d. Kantons Aargau für d. J. 1860, Aarau 1860, S. VII–IX.

[751] *) Zu Bd. XXXII, S. 572.