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ADB:Soetbeer, Adolf Georg

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Artikel „Soetbeer, Adolf Georg“ von Ernst von Halle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 399–408, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Soetbeer,_Adolf_Georg&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 08:49 Uhr UTC)
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Band 54 (1908), S. 399–408 (Quelle).
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Soetbeer: Adolf Georg S., Volkswirth, ist am 23. November 1814 zu Hamburg geboren. Seine Familie stammte aus Rosenthal im Amte Garste (eingepfarrt nach Lüdersburg, Landdrostei Lüneburg), doch hat schon sein Großvater im J. 1768 den Bürgereid in Hamburg geleistet. Sein Vater, Hinrich Friedrich S., war mit Johanne geb. Heise verheirathet; er starb am 26. März 1820. Nach Adolf’s eigenen Angaben hat sein Vater eine Zuckersiederei (Zuckerbekkerei) besessen, war jedoch, gleich vielen Angehörigen dieses einst blühenden Gewerbes durch die napoleonische Zeit ruinirt. In einer Liste aus dem Jahre 1805 findet sich indeß unter den 433 vorhandenen Zuckerbekkern nur ein Johann Peter Soetbeer. Im Taufschein Adolf’s ist sein Vater als „Commissionär, hierselbst in der Königstraße wohnhaft“ (in welcher auch Lessing gewohnt hat) bezeichnet. Die häuslichen Verhältnisse scheinen äußerst bescheiden, ja nicht weit von der Noth entfernt gewesen zu sein.

Er trat am 10. October 1828 in die 5. Lateinclasse der Gelehrtenschule des Johanneums ein und verließ die Anstalt als Abiturient am 3. April 1834, um Theologie und Philologie su studiren. Schon früh als Schüler war er gezwungen gewesen, durch Stundengeben einen Theil seines Unterhalts zu verdienen. Bei langem Arbeiten bis in die Nacht hinein hat er nach eigener Aussage das Arbeiten gelernt, allerdings wurde eines seiner Augen dabei dauernd geschädigt. Für Mathematik hatte er wenig Sinn, und häufig beklagte er später, daß er aus Zeitmangel die neuen Sprachen habe vernachlässigen müssen; ihre volle Beherrschung im Lesen und Schreiben hat er sich dann zwar durch Lectüre angeeignet, dagegen empfand er dauernd die mangelnde Vertrautheit mit den Conversationssprachen als störend, und deshalb waren ihm Reisen ins Ausland nicht allzu bequem. Im Schulabgangszeugniß wurden seine Anlagen als vorzüglich bezeichnet, während das Urtheil über seinen deutschen Aufsatz: „Das Thema ist nicht erschöpft, dem Stil fehlt das Fließende und die Gewandtheit“, für die außerordentlich gründlichen späteren Leistungen des Mannes in ersterer Hinsicht kein zutreffendes Vorzeichen darstellt, für die Schreibweise aber wohl dauernd kennzeichnend blieb.

Durch Unterstützungen von daheim und mäßige Lebensweise wurde ihm ein dreijähriges Studium an den Universitäten von Göttingen und Berlin ermöglicht, welches sich alsbald überwiegend auf die Philologie und Geschichte erstreckte. Der Herbart’schen Philosophie vermochte er wenig Geschmack abzugewinnen. [400] Seinem Freundeskreis gehörten Ernst Curtius, Wappäus, Heinrich Kruse an. Er befand sich 1837 unter den Studirenden, die die Göttinger Sieben bis nach Witzenhausen an der Werra begleiteten. – Schon als Student vollendete er eine Schrift über Hesiod, die in den „Göttinger Gelehrten Anzeigen“ günstig beurtheilt wurde. Am 24. August 1837 legte er das Doctorexamen ab mit einer Dissertation: „De mythico argumento Euripidis Supplicum“.

Vom Sommer 1838 bis einschließlich Winter 1839/40 gab er in Hamburg an der Realschule Unterrichtsstunden im Lateinischen und Griechischen. Hier hat er sich, wie es in den Schulacten heißt, „so vortheilhaft bewährt, daß die Direction kein Bedenken trug, ihn anzustellen.“ Doch brachte diese Thätigkeit keine Befriedigung. Von entscheidender Bedeutung wurde es, als der Hamburger Großkaufmann Vorwerck (Commerzdeputationspräses 1841), welcher für den jungen Mann ein gönnerhaftes Interesse gefaßt hatte, die Anzeige einer Römischen Geschichte in einer Hamburger Zeitung, auf welche er sehr stolz war, für ganz unnütz erklärte und ihm rieth, sich lieber einmal mit einer für den Hamburger Handelsstand brennenden Frage, der so lästigen Institution des Stader Elbzolls, zu beschäftigen. Nach einigem Bedenken hinsichtlich des ganz fremden Stoffgebiets ging der junge Lehrer hierauf ein, und es entstand die Schrift: „Des Stader Elbzolls Ursprung, Fortgang und Bestand. Eine publicistische Darstellung“ (1839).

Mit einem Schlage hatte sich der Philologe als hervorragend befähigt zum Dienste für die Interessen „Eines Ehrbaren Kaufmanns“ erwiesen. Die Kieler Universität that ihm daraufhin durch die Verleihung des „Doctor juris“ einen besonderen Dienst, denn nur der Jurist galt damals in Hamburg neben dem Kaufmann für öffentliche Leistungen als vollwerthig. Und nun fand S. eine Stellung bei der Commerzdeputation, einem Mittelding zwischen einer Behörde im vollen Sinne und einer modernen interessenvertretenden Handelskammer. Hier eröffnete sich ihm vom 15. Februar 1840 an ein Wirkungskreis zunächst als Bibliothekar neben dem derzeitigen Deputationsconsulenten Kirchenpauer, dem späteren Bürgermeister. Als solcher hat er die Ueberführung der Bibliothek in das neue Börsengebäude und ihre Ausgestaltung unter anderm auch durch complette Beschaffung der englischen Blaubücher bewerkstelligt. Nach Kirchenpauer’s Erwählung „zu Rathe“ wurde S. am 11. December 1848 selbst Consulent und Protokollist der Deputation und hat alsbald in 29jähriger unermüdlicher Thätigkeit für alle Zeiten ein selten erreichtes, kaum zu übertreffendes Vorbild für die Leistungen des Geschäftsführers einer wirthschaftlichen Corporation geschaffen.

Vom ersten Anbeginn bethätigte er neben seiner amtlichen eine für die Zukunft der deutschen und der internationalen, descriptiven und statistischen Untersuchung des Wirthschaftslebens grundlegend wichtige schriftstellerische Wirksamkeit. Schon im J. 1840 hatte er die erste bahnbrechende Veröffentlichung „Ueber Hamburgs Handel“ in einer Monographie herausgebracht, die alsbald in zwei weiteren Bänden 1842 und 1846 ergänzt wurde. Man darf, ganz abgesehen von dem Erfolg, das in der Veröffentlichung liegende Wagniß angesichts der damaligen hamburgischen Zustände nicht zu gering anschlagen. Waren doch im alten Hamburg Veröffentlichungen über Handelsangelegenheiten verpönt. Noch nicht lange war es her, seit den Hamburger Zeitungen alle Veröffentlichungen über Angelegenheiten der Handlung aufs strengste verboten waren, und gerade die in der Commerzdeputation maßgebenden Elemente hatten in der Geheimhaltung aller commerziellen Dinge eine Hauptstütze des freistädtischen Geschäftsbetriebes zu sehen sich gewöhnt. Dem Einfluß Soetbeer’s [401] gelang es, die Interessenten davon zu überzeugen, wie viel nützlicher und lehrreicher auf vielen Gebieten die Offenlegung der Dinge sei. So wurde dann das 1844 provisorisch eingerichtete handelsstatistische Bureau 1850 definitiv organisirt und es begann unter seiner Anleitung die Veröffentlichung der „Tabellarischen Uebersichten des Hamburgischen Handels“, welche seither als ein wichtigstes Quellenwerk über Handels- und Schifffahrtsfragen und Preisstatistik etc. sich erwiesen haben, in ihrer Anlage bis heute unverändert bestehen geblieben sind.

Schnell gelangte der Vertrauensmann der Kaufmannschaft auch zu gesellschaftlichem Ansehen, so daß dem 32jährigen im J. 1846 die Hand Helene Meyer’s (geb. 1824), Tochter des aus einer alten Senatorenfamilie stammenden Senators Georg Heinrich Lorenz Meyer, zu Theil wurde. Mit ihr blieb er in 46jähriger glücklicher Ehe bis zu seinem Tode vereinigt. Groß war ihr Einfluß auf das innere Leben ihres Gatten. S. selbst scheint zunächst, wie er politisch und wirthschaftspolitisch auf dem Boden des Liberalismus stand, so auch religiös dem kirchlichen Leben ferner gestanden zu haben. Die ernste und innerlichste Frömmigkeit seiner Gattin brachte auch ihn dem religiösen Leben nahe; sein Haus wurde zum Sitz einer wahrhaften, werkthätigen, gegen Andersdenkende toleranten Frömmigkeit. – Der Segen eigener Nachkommenschaft ist dem Paare versagt geblieben. Nichts kennzeichnet aber ihr häusliches und inneres Leben besser, als daß sie sich im J. 1867 entschlossen, die vier verwaisten Kinder der Pastorseheleute Fromholz aus Pölitz (Pommern), zwei Knaben und zwei Mädchen, an Kindesstatt anzunehmen. Es war ihnen vergönnt, diese alle heranwachsen und in eigene Wirkungskreise übergehen zu sehen.

In jener Vereinigung einer liberalen Auffassung der diesseitigen Dinge mit großer Frömmigkeit sehen wir eine Parallele zum englischen Geistesleben, wie sie im damaligen, in enger Verbindung mit den britischen Inseln stehenden Hamburg etwas häufiges und für eine Persönlichkeit nur allzu natürlich war, welche durch ihre Thätigkeit mit der englischen Welt in ununterbrochener engster Berührung stand.

Der Aufschwung des englischen Wirthschaftslebens und seine Gründe beschäftigten S. auf Schritt und Tritt. Von Amts wegen hatte er die großen Reformmaßregeln der dortigen Wirthschaftsgesetzgebung ständig zu verfolgen und konnte den Aufschwung der gewaltigen Werkstätten der Welt sich vor Augen führen; sein Blick wurde auf die einzelnen Grundzüge und Institutionen sowie die Zusammenhänge hingelenkt, auf denen die unvergleichliche Entwicklung jenseits des Canals beruhte. Kein Wunder, daß er sich bemühte, den Zusammenhängen nachzugehen und das Verständniß dafür seinen eigenen Landsleuten nahe zu bringen. In seinem Innern entstanden die Anfänge jener zahlreichen wirthschaftlichen Reformideen, zu deren Förderer in der engeren Heimath und im weiteren Vaterlande er in der Folge wurde. Zunächst reifte aber der Entschluß, dem deutschen Volke die Bekanntschaft mit dem Hauptvertreter derjenigen Wissenschaft zu vermitteln, deren Lehren den Anstoß zu dem englischen Reformwerk gegeben haben. S. brachte im J. 1851 eine deutsche Ausgabe des Grundwerks der zeitgenössischen Volkswirthschaftslehre heraus, der „Grundsätze der politischen Oekonomie nebst einigen Anwendungen auf die Gesellschaftswissenschaft“ von John Stuart Mill, die nicht nur eine Uebersetzung, sondern zum Theil eine Bearbeitung darstellte; nur englische Leser interessirende Absätze wurden zusammengezogen, oder auch weggelassen. Außerdem aber ist der ersten Auflage ein Anhang hinzugefügt, [402] welcher auf 237 Seiten Ergänzungen in S. stets besonders naheliegenden Richtungen bietet: umfangreiche bibliographische Nachweise der politischen Oekonomie von 1846–52 und statistische Erläuterungen über Bevölkerungsverhältnisse, Production, Consumtion, Arbeitslöhne, Geld- und Bankwesen, Preise, Finanzen u. s. w. Das Werk ist in der Folge in mehreren stets sorgfältig neu durchgesehenen Auflagen erschienen.

Seit S. zu einer vollen Beherrschung seiner Specialaufgaben und seines Specialfachs gelangt war, hat er nicht nur in seiner Vaterstadt und für die Vertretung von deren wirthschaftlichen Interessen eine umfangreichste Thätigkeit entwickelt – als ihr Abgesandter hatte er u. a. 1848 am Vorparlament, seit den 50er Jahren auch an den Berathungen über die Elbeschifffahrtsregulirung theilgenommen, die nicht zum geringsten infolge seiner unermüdlichen Thätigkeit 1861 zu einem für ganz Deutschland heilsamen Abschluß gelangten – sondern weit über den Rahmen der localen Aufgaben hinaus entfaltete er bald eine bedeutsame Wirksamkeit, die ihm unter den Förderern der deutschen Einheitsbestrebungen einen ehrenvollen Platz sichert. Sein Name gehört zum Kreise der Männer des Volkswirthschaftlichen Congresses, des Nationalvereins und des Deutschen Handelstages, die um die Wende des sechsten Jahrzehnts den Boden aufbrachen und mit den Geräthen politischer und wirthschaftlicher Propaganda zur Schaffung neuer einheitlicher Institutionen durcharbeiteten, aus welchem die Saat der Norddeutschen Bundes- und der Deutschen Reichsverfassung aufgehen sollte. Im allgemeinen beschränkte er sich auf die wirthschaftliche Seite der Dinge, wenige Arbeiten und Schriften nur erstrecken sich auf andere Gebiete. Aber neben einem feinen Sinn für das wirthschaftlich Nützliche und Erforderliche zeigte er ein volles Verständniß für die Wege, wie man dies politisch erreichen könne, und somit gelangte die große Politik in seinen Arbeiten auf den Specialgebieten zu ihrem vollen Recht.

Was er als Secretär der Commerzdeputation geleistet, davon zeugen große Bändereihen von Protokollen, Acten und Concepten; und eine Denkschrift, die er bei Gelegenheit des zweihundertjährigen Jubiläums der Commerzdeputation am 19. Januar 1865 über deren Bestrebungen und Wirksamkeit während der 25 Jahre 1840–1865 veröffentlicht hat, liefert für einige der Hauptactionen die Stichworte. Interessant ist es, hier zu verfolgen, wie neben den Angelegenheiten der Verwaltung und Gesetzgebung hinsichtlich localer Verkehrs- und Wirthschaftsfragen größere politische Fragen die Kaufmannsvertretung in dem souveränen Kleinstaat beschäftigen mußten. An der Neuregelung der Verhältnisse infolge der Einführung der neuen Verkehrsmittel (Eisenbahnen) haben die Soetbeer’schen Arbeiten erheblich mitgewirkt. Die Probleme des neuauftauchenden Actienwesens und ihre Wirkung auf das heimische Gewerbe, ihre Folgen für die Ausgestaltung des Bankwesens hatte er zu verfolgen. Die Beseitigung zahlreicher fiskalischer Verkehrshindernisse, des Sundzolls, des Stader Zolls und der Zölle auf der oberen Elbe sowie des Scheldezolls hat er eifrig betrieben. Bei der Vorbereitung und später der Einführung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, dessen Theil „Seerecht“ von einer in Hamburg tagenden Commission ausgearbeitet wurde, hat er die Anschauungen der Kaufmannschaft mit zur Geltung gebracht. Der Ausdehnung des heimischen Handelsverkehrs durch internationale Abmachungen in Europa, Nord- und Südamerika, Japan und China arbeitete er durch die Beschaffung von Unterlagen und Materialien vielfach vor. Ein überzeugter Apostel des Freihandelsgedankens, brachte er diesen in seinen Denkschriften, bei allen Verhandlungen innerhalb des Deutschen Bundes bezw. mit dem Zollverein, zum [403] Ausdruck; er war stolz darauf, die Mißbilligung der Schutzzöllner zu erregen. Unter voller Wahrung des hamburgischen Standpunktes aber suchte er doch der deutschen Wirthschafts- und Verkehrseinheit nach Möglichkeit die Wege zu ebnen, so vor allem in der Reform des deutschen Maaß- und Gewichts-, Geld- und Währungswesens.

Durch das neue Gesetz über die Organisation der Verwaltung vom 15. Juni 1863 trat 1864 an die Stelle der bisherigen Vertretung des Handels eine Neuorganisation. Eine besondere „Deputation für Handel und Schifffahrt“ übernahm die behördlichen Functionen, eine Handelskammer die selbstverwaltende Interessenvertretung des „Ehrbaren Kaufmanns“. Mit dem 1. Januar 1867 trat die Veränderung in Kraft. Mancherlei unerquickliche Schwierigkeiten und Erörterungen hatten sich gerade hinsichtlich der Ausgestaltung der zukünftigen Stellung des Handelskammerconsulenten und -secretärs ergeben. Doch fanden sie schließlich eine Lösung, durch welche der verdiente Mann noch fünf Jahre dem Amte des Geschäftsführers der Kaufmannschaft erhalten blieb.

Schon in den 40er und 50er Jahren waren bei seiner Thätigkeit mancherlei Denkschriften und andere Arbeiten, welche von allgemeinem, über Hamburg hinausragenden Interesse wurden, zu Tage gekommen, so 1847 eine große Zusammenstellung über die wichtigsten in der Welt geltenden Schifffahrtsgesetze, 1848 der Entwurf eines Zolltarifs für das vereinte Deutschland, 1856 die Sammlung officieller Actenstücke inbezug auf Handel und Schifffahrt in Kriegszeiten, bis 1871 noch mehrfach fortgesetzt und ergänzt, 1860 eine große Materialsammlung über die Elbzölle.

Von den 60er Jahren an aber traten jene Bestrebungen mehr und mehr in den Vordergrund, bei deren praktischer Verwirklichung in der engeren und weiteren Heimath S. eine wichtigere berathende Rolle zufiel. Für die deutsche Bank- und Währungereform lieferten ihm die eigenthümlichen hamburgischen Verhältnisse die beste Vorschule. Die großen Nachtheile der unleidlichen Zustände im deutschen Währungswesen für die Gesammtheit waren dem weiterschauenden Handelskammerconsulenten schon in den 40er Jahren klar geworden, als die Kaufmannschaft in der Möglichkeit der vielfachen Umrechnungen aus einer Währung in die andere noch eine erwünschte Quelle des Profitmachens sah. Hamburg selbst mit seiner Rechenwährung in Bankomark, seiner Umlaufswährung von Curantmark und Schilling, umgeben von den dänischen, preußischen und hannöverschen Währungen, in engem Verkehr mit den wiederum eigene Währungen verzeichnenden Mecklenburgs, Lübeck und Bremen und andern Handelsstaaten, erblickte zwar in seiner weltberühmten Bank den nützlichsten Regulator des localen und einen bedeutenden Factor des internationalen Zahlungsverkehrs. S. aber wurde früh der unendliche Vortheil klar, welchen die großen Handelsstaaten durch ihr einheitliches Währungssystem, vor allem England durch die Goldwährung, besaßen. So wurde er schon zu einer Zeit, als dies bei der hamburgischen Kaufmannschaft noch als schlimmste Ketzerei galt, Gegner der Bankwährung und überzeugter Anhänger der Goldwährung, deren Einführung ihm hinterher bis zu einem gewissen Grade als persönlicher Triumph erscheinen konnte.

Ebenso erkannte er bei allem Stolz auf die Hamburger Flagge, daß für den Rhedereiaufschwung der engeren Heimath die Anlehnung an eine größere Wirthschaftseinheit höhere Vortheile bringen könne. Die langjährige Beschäftigung mit der heimischen Schiffahrt, noch 1861 die Weigerung Japans, die hamburgische Flagge in seinen Häfen zuzulassen, zeigte ihm die Unräthlichkeit der Fortdauer der Zersplitterung in internationalen Fragen nur zu klar. [404] So empfahl er schon am 22. September 1866 die Annahme einer gemeinschaftlichen, schwarz-weiß-rothen Flagge im Interesse der deutschen Rhederei. In demselben Jahre suchte er allerdings auch in Schriften die speciellen Handelsinteressen bei der neuen Heeresverfassung wahrzunehmen.

Bei der Ueberführung des heimischen Gemeinwesens in den Norddeutschen Bund und das neue Reich hat er als ein weitausschauender Praktiker und kluger Politiker mitgewirkt. Eine große Zahl der in dem von ihm 1857 begründeten, seit 1866 alljährlich regelmäßig erscheinenden „Hamburger Handelsarchiv“ veröffentlichten, auf Schiffahrt und Handel bezüglichen Verträge, Verordnungen und Bekanntmachungen ist unter seiner Mitwirkung, durch seine Initiative entstanden von ihm bearbeitet und formulirt.

Daß er für seine umfangreichsten Leistungen nicht in vollem Maße allgemeines Verständniß und Dank fand, ist angesichts des damals in Handelsdingen äußerst conservativen und partikularistischen Zuges der Hamburger Bürgerschaft, Soetbeer’s reformatorischen Charakters und seiner weitausschauenden allgemeinen Gesichtspunkte nicht zu verwundern. So manchen geheiligten Institutionen, wie der Hamburger Bank und ihrer Währung, hamburgischen partikularistischen Specialinteressen und überlieferten Handelsusancen, die dem einzelnen Kaufmann specielle Vortheile brachten, wenn sie auch die Gesammtheit schädigten – „berechtigte Eigenthümlichkeiten“ nannte es der Ortsgebrauch –, trat er kritisch, skeptisch, ja vom Standpunkt der Gesammtheit ablehnend gegenüber. Das verletzte nicht selten locale Eigenart und Interessen. Vielfach hatte er bei der Kaufmannschaft und beim Senat allerdings lebhafteste Anerkennung und alle für den Hamburger Bürger in Gaben, Kundgebungen und Erlassen üblichen Ehrungen gefunden. Schon bei seinem 25jährigen Jubiläum aber hatte ihm der Göttinger Freund Wappäus geschrieben: „Die öffentliche Anerkennung, welche Deine Verdienste gefunden haben, hat mich um so inniger gefreut, als ich weiß, daß Du von gewissen Seiten in Hamburg so viel Undank erfahren, und hoffe ich, daß diese Anerkennung Dir nicht nur eine Entschädigung für den Undank gewesen, sondern auch für die wichtige Sache, die Du mit Deiner Persönlichkeit vertrittst, sehr förderlich sein wird.“

Seine Stellung war aber nicht seinen vergrößerten Leistungen entsprechend gewachsen. Was dem Dreißiger ein reicher, dem Vierziger ein ausreichender Wirkungskreis erschienen sein mochte, konnte dem Fünfziger auf die Dauer keine Befriedigung gewähren. Das Aufsteigen z. B., welches seine Vorgänger Mönckeberg und Kirchenpauer gefunden, blieb ihm versagt. Niemand vielleicht hatte mehr Anspruch auf den Eintritt in den Senat oder die Wahl zum Reichstagsabgeordneten als der unermüdliche Handelskammersecretär. Doch kam es hierzu nicht. Entscheidend sprach wohl in diesem Stadium neben seiner ablehnenden Stellung zur Frage der Erhaltung der Girobank und ihrer Währung mit, daß er – weiterschauend als seine engeren Landsleute – bereits damals die Nothwendigkeit für die Hansestädte erkannt hatte, ihre Stellung als wirthschaftlich völlig unabhängige Freihäfen aufzugeben. Er galt für einen Vertreter des ungeheuer unpopulären, ja für die öffentliche Stellung geradezu verhängnißvollen Standpunktes der Zollanschlußfreundschaft.

So entschloß sich der 58jährige zur Aufgabe der Thätigkeit in der Vaterstadt und zur Uebersiedlung an den Sitz seiner alten Alma mater, der hamburgischen Landesuniversität Göttingen. Er war durch das erhebliche Vermögen seiner Frau finanziell unabhängig und wohlversorgt und konnte hoffen, vom Zwange und den Mühen der Tagesarbeit befreit, in zweifacher Richtung einen gedeihlichen Wirkungkreis zu finden. Mit Freuden hatte ihm die [405] preußische Unterrichtsverwaltung an der von ihr neuübernommenen Universität Göttingen eine ordentliche Honorarprofessur übertragen. Der Titel Geheimer Regierungsrath kam hinzu. Andererseits bot die Mitarbeit in Wort und Schrift an der praktischen Verwirklichung der großen Wirthschaftsgesetzgebung, der deutschen Geld-, Münz- und Bankreform auf Jahre hinaus ein fruchtbares Bethätigungsfeld.

Als akademischer Lehrer hat S. es zu großen Erfolgen nicht gebracht, von seiner Lehrberechtigung nur bis zum Jahre 1884 und auch in dieser Zeit nur in sehr mäßigem Umfange Gebrauch gemacht. In 20 Semestern hat er Vorlesungen und Uebungen angekündigt, die in 10 zu Stande gekommen sind. Darunter befanden sich Vorlesungen einmal über die volkswirthschaftlichen Reformen in Großbritannien, drei Mal über die Lehre vom Geld und Credit, einmal über die Einleitung in die politische Oekonomie mit im ganzen 77 Belegern. Für die ersten beiden liegen Grundrisse vor. Im übrigen beschränkte er sich auf die Ankündigung von Uebungen, an denen im ganzen 38 Studirende betheiligt waren. Mancher andere Studirende und wissenschaftliche Arbeiter hat bei ihm außerdem freundliche Aufnahme und Berathung auf seinen Specialgebieten empfangen.

Von großer Bedeutung dagegen war in den 70er Jahren Soetbeer’s Mitwirkung bei der deutschen Münz-, Währungs- und Bankreform. Jeden Schritt der Maßnahmen hat er, wie Bamberger bei seinem Tode in der „Nation“ schrieb, bei den Behörden und in den parlamentarischen Commissionen mit werthvollen Rathschlägen in Wort und Schrift begleitet. Zu Ende der 80er Jahre wirkte er nochmals in dieser Weise bei der Zurückziehung der österreichischen Thaler mit.

Im übrigen beschränkte sich die Thätigkeit des Gelehrten vor allem darauf, daß er sich zur ersten Autorität der Edelmetallproductionsverhältnisse ausbildete. Neben gründlichen Arbeiten über Einkommen-, Waaren- und Preisstatistik sind es vor allem Leistungen auf diesem Gebiet, die seit 1875 seinem Wirken den Stempel aufprägten. So lange er lebte, waren seine Nachweise über Edelmetalle, Münz- und Bankwesen im Gothaischen Almanach die Hauptquelle für dieses Gebiet. Seine „Materialien zur Erläuterung und Beurtheilung der wirthschaftlichen Edelmetallverhältnisse und der Währungsfrage“ (1885) wurden durch die Regierungen Englands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten amtlich übersetzt und nachgedruckt. In dem „Literaturnachweis über Geld- und Münzwesen“ (1892) hinterließ er der Wissenschaft ein Standardwerk.

Aber noch in weiteren Leistungen erwies er seine Qualifikation zum Universitätslehrer im höchsten Sinne. War er einer der Begründer der Goldwährung, ja vielleicht deren ältester praktischer Befürworter in Deutschland und bis ans Ende der 80er Jahre ihr eifriger Verfechter, so machte er sich doch nicht zu ihrem einseitig beschränkten Parteigänger, als er Anzeichen einer Wendung in der Entwicklung vor Augen zu sehen glaubte. Die Lage des Silbermarktes hatte sich allmählich umgestaltet und damals erschienen auch die Aussichten für die Zukunft des Goldes bedrohlich. Alsbald beschäftigte er sich mit großem Ernst und Eifer mit der Frage, auf welche Weise hier Abhülfe zu schaffen sei. Zunächst hoffte er, England würde etwas thun, in Indien den Rupienpreis zu stabilisiren; dann, die Amerikaner würden das Vorgehen in der Bland- und Sherman-Bill weiter ausdehnen und zur Silberprägung übergehen. „Eine wesentliche Vermehrung des monetären Goldvorraths steht nicht zu erwarten“, schrieb er am 15. August 1891 an Ludwig Bamberger, „weil die Goldverwendung zu Schmucksachen (Uhren, Ketten, Ringen, [406] Broschen u. s. w.) und sonst zu industriellen Zwecken mit dem Anwachsen der Bevölkerung und des Wohlstandes in den meisten Culturländern stark zunimmt und die Goldproduction zu absorbiren die Tendenz hat. Allein es gewährt die Ausbildung und Ausdehnung des Bankwesens und der Papiercirculation andererseits einen entsprechenden Ersatz für den Bedarf der Culturländer an effectivem Gold auf Basis der Goldwährung – für gewöhnliche Zeiten. Für kurze Perioden allgemeinen Mißtrauens und außerordentlicher Erschütterungen des Credits und des Handels ist es m. E. nicht von entscheidender Bedeutung, ob die jährliche Goldgewinnung um einige Tausend Kilogramm abnimmt oder steigt, denn in solchen Ernstfällen wird Sistirung der Baarzahlungen, und zwar thunlichst gleich beim Beginn der Stockung, das alleinige Auskunftsmittel sein, wie dies z. B. 1870 in Frankreich mit Erfolg geschah. Abgesehen von solchen ganz ausnahmsweisen Eventualitäten, die ein Capitel für sich bilden, genügt m. E. der Goldbestand der großen Banken, um wegen der befürchteten Goldknappheit sich keinen Befürchtungen hinzugeben, da für absehbare Zeit die Vereinigten Staaten für ihren Geldumlauf, der riesig wächst, Silber in Aussicht nehmen.“ Damit äußert er das Gefühl, es müsse für das weiße Metall etwas geschehen, wenn er auch besorgen muß, daß Bamberger ihn zunächst als Ketzer oder Abtrünnigen von der richtigen Lehre vom Gelde und von der Goldwährung ansieht. „Es hat hiermit nichts auf sich; was die Hauptsache, ich bleibe nach wie vor unbedingter Anhänger und Vorkämpfer der Goldwährung für Deutschland, die ich gerade dadurch noch mehr gesichert halte, wenn die Vereinigten Staaten zur thatsächlichen Silberwährung übergegangen sind.“ Von einer Freiprägung in den Vereinigten Staaten erhofft er Wiedersteigen des Silberpreises und Stabilisirung auf 1:16. Eine seiner letzten Arbeiten war ein Memorandum an die Internationale Münzconferenz von 1892 über die Möglichkeit, etwas für das Silber zu thun.

Auch auf einem andern Gebiet erwuchsen ihm noch zum Schluß besondere Erfahrungen. 1887 war er genöthigt, als Hypothekengläubiger einen großen Hof in der Nähe von Göttingen zu übernehmen, den er mit Hülfe des Verwalters bis zum Schluß bewirthschaftete. Hier lernte er praktisch mancherlei agrarpolitische Probleme anders beurtheilen, als der Berather der Hamburger Kaufmannschaft sie angesehen hatte. „Ich hatte wahrlich früher nie daran gedacht“, schrieb er 1888, „daß ich mich in meinem 74. Jahr noch um die täglichen Weizen-, Roggen- und Haferpreise kümmern würde. Sie können aber darum ruhig sein, daß ich deshalb den Grundsätzen des Free Trade nicht untreu werde.“ 1891 erklärte er, es sei auf alle Fälle ein eigen Ding mit der Landwirthschaft gegenüber den ständig sinkenden Getreidepreisen. Es ist kaum zu zweifeln, daß, wäre er als ein Jüngerer durch die Praxis oder für wissenschaftliche Zwecke zu einer grundsätzlichen Stellungnahme genöthigt worden, er gleich vielen Andern dem Umschwung der Zeiten auch politisch und theoretisch Rechnung getragen hätte.

Auf dem Gebiet der Socialpolitik dagegen haben sich seine Anschauungen und Empfindungen nicht wesentlich von alten Idealen abgewendet. Die Uebersetzung Mill’s war bestimmt gewesen „dazu beizutragen, daß der Oeffentlichkeit die geistigen Waffen geliefert würden, die Bestrebungen des Socialismus und Communismus erfolgreich zu bekämpfen. In der Darlegung der natürlichen Gesetze der politischen Oekonomie“ erwartete er „die Verkehrtheiten der Projecte nachzuweisen, das Wahre und Berechtigte darin, und sei es auch noch so unbedeutend und versteckt, zur Erkenntniß zu bringen.“ Er war und blieb ein Anhänger des Gehenlassens, das die natürlichen Gesetze zur Wirksamkeit bringen würde. Doch bethätigte er stets einen Geist des patriarchalischen Wohlwollens [407] für die arbeitenden Classen und hat in zahlreichen Aufsätzen des Böhmert’schen „Arbeiterfreund“ und der Conrad’schen Jahrbücher neben den Einkommenverhältnissen auch die wirthschaftliche Lage der Arbeiter behandelt. Als man in den 80er Jahren zur Socialreform überging, hatte er ernste Bedenken. „Bei dem zu erwartenden Gesetzentwurf wegen Alters- und Invalidenversicherung“, schreibt er am 11. Februar 1887, „wird mir sehr bedenklich zu Muth. Wohin soll das führen?“ Am 16. März 1888 schreibt er: „Gebe Gott, daß unser jetziger Kaiser noch einige Monate kräftig genug bleibt, um auf seinen Sohn inzwischen einen dauernden Einfluß zu gewinnen, um denselben in Rücksicht der großen wirthschaftlichen und socialen Fragen auf die richtigen Bahnen zu leiten.“

Mehr und mehr aber zog er sich von allen Problemen zurück, die außer seinem speciellen Interessenkreise lagen. „Abgesehen von der Silberfrage, unserem Münz- und Bankwesen u.m.dgl., für welche Dinge ich bis ans Ende meiner Tage praktisches Interesse und litterarische Thätigkeit zu bewahren gedenke, habe ich mich entschlossen, im übrigen auf publicistische Thätigkeit und selbst Fortsetzung aufmerksamen Studiums zu verzichten.“ Zufrieden blickte er am Ende seiner Tage auf sein Leben zurück. „Ich gehöre zu den Wenigen, die mit ihrem Lebensweg durchaus zufrieden sind und es nicht anders haben möchten, als es gekommen ist.“ Gern weilte sein Geist im Kreise der Seinen in der alten Vaterstadt, an deren Gedeihen er lebhaften Antheil nahm. „Du glaubst gar nicht, wie die durch die leidige Cholera für meine alte liebe Vaterstadt herbeigeführte Lage mich beunruhigt und mit Besorgniß für die Zukunft erfüllt“, schreibt er am 16. September 1892. „Es sind jetzt 52 Jahre her, als ich in meiner Hamburger Handelsstatistik den Aufschwung des dortigen Handels- und Schiffahrtsverkehrs besprach und seither ist die Entwicklung stets großartiger geworden. Sollte jetzt eine Reaction drohen? Die Hamburger werden aber den Muth nicht verlieren und dann ist für die Zukunft auch gute Aussicht!“ – Als er 1840 in den Dienst der Hamburger Handelsinteressen trat, waren im Hamburger Hafen 2937 Schiffe mit 337 000 Registertonnen angekommen. Bei seinem Ausscheiden 1872 hatten sich diese Zahlen auf 5913 Schiffe mit 2 081 000 Registertonnen gehoben. 1891 verzeichnete 8673 Schiffe mit 5 762 000 Registertonnen, 1892 gingen die Zahlen auf 8569 mit 5 637 000 Registertonnen zurück. Es war ihm nicht mehr vergönnt, seine Hoffnungen schon im nächsten Jahre, wo die Störung bereits wieder überwunden war, verwirklicht und das gewaltige Schauspiel vor Augen zu sehen, das seither diese Zahlen sich auf 10 000 Schiffe mit 11 Millionen Tonnen gehoben haben.

Eine erhebliche Rolle spielten in der verhältnißmäßigen Muße des Lebensabends philologische Interessen, und gegen sein Ende hin las er, absichtlich an den Anfang anknüpfend, den Virgil. Der Tod selbst kam ihm unerwartet, während sein Geist mit den Problemen der schwebenden Währungsconferenz rege beschäftigt war, und er eine Berliner Reise im Zusammenhang damit ins Auge faßte. Am 23. October 1892 starb er in voller Rüstigkeit und Geistesfrische. „Der Tag ist für ihn ohne Feierabend zu Ende geführt. In einer einzigen Stunde that der Tod sein Werk.“

Neben den erwähnten Arbeiten hat Adolf S. mannichfache größere und kleinere Werke und Aufsätze, im ganzen 124, veröffentlicht, die sich im wesentlichen an die bereits genannten Gebiete anschließen, daneben auch allerlei Specialfragen behandeln. Ferner hat er zahlreiche ausgezeichnete Beiträge als Mitarbeiter der „Hamburgischen Börsenhalle“, des „Hamburgischen Correspondenten“ und als langjähriger Hamburger Berichterstatter der „Kölnischen [408] Zeitung“ geliefert. Von theoretischem Werth waren auch seine Betrachtungen über das Staatsschuldenwesen (1865), über die Milliardenzahlung (1874), über die deutsche Handelsbilanz (1875), während seine Edelmetall- und Golduntersuchungen theilweise historisch weit zurückgreifen. Er begann eine Untersuchung über die Geschichte des deutschen Geld- und Münzwesens, die er bis auf die Karolinger fortgesetzt hat (1862); eine andere (1880) beschäftigte sich mit dem Goldland Ophir.

Eine historisch-statistische Untersuchungsmethode, die sich hinsichtlich der Theorien gern mit dem begnügte, was die Lehre der englischen Schule als ewig geltende Wahrheiten ein für alle Mal aufgestellt hatte, eine äußerst gewissenhafte Arbeitsweise, wurde bei Soetbeer durch einen klaren durchsichtigen Stil ergänzt, der sich aufs beste für die Ausarbeitung von Denkschriften, Memoranden, Gutachten u. dgl. eignete, dem aber, wie er selbst betonte, die litterarische Grazie durchaus fehlte. Ein Kenner der Praxis und ihrer Bedürfnisse, hatte er ein Menschenalter am Webstuhl einer gewaltigen Zeit mitgewirkt und konnte dann noch vier weitere Lustren seinem Lande, den internationalen Verkehrsbeziehungen und der Wissenschaft werthvolle Dienste leisten. Zahlreiche von ihm aufgebaute Institutionen und Methoden legen aber noch in praktischer Fortentwicklung durch Nachfolger auf verschiedenen Gebieten für den Werth der geschaffenen Grundlagen Zeugniß ab.