ADB:Sonoy, Dietrich
[659] Sonoy geschrieben, unter welchem Namen er auch in der Geschichte bekannt ist. An den Kriegen Karl’s V. nahm er als Edelmann mit vier Pferden an einer Compaignie d’Ordonnance dauernd Antheil, und auch nachher blieb er, wenn auch kein Unterthan des Königs Philipp II., in den Niederlanden. Als die religiösen Wirren anfingen, unterzeichnete er den Compromiß des Nobles und schlug sich auf die Seite der Reformation. 1567 verließ er das Land und wurde, vor das Conseil des Troubles gerufen, wegen Nichterscheinens verbannt. Von jetzt an schloß er sich Oranien an und gehörte bald zu dessen eifrigsten Anhängern. Er war der erste, welcher eine Bestallung als Schiffscapitän in dessen Namen erhielt. So kann er der erste Wassergeuse heißen. Mit einer Anzahl Schiffen schlug er Juli 1568 eine königliche Flotte unter Boschuyzen auf der Ems und erleichterte dadurch den Einfall des Grafen Ludwig von Nassau. Als Letzterer bei Jemgum geschlagen war, versuchte er öfters auf anderen Punkten des Landes zu landen, ohne jedoch etwas auszurichten. Mehr Glück hatten seine oft sehr gefährlichen Reisen, um für die Sache der Emigranten Geld zu erhalten, wenn auch eine diplomatische Sendung nach den nordischen Höfen kein Resultat hatte. Schon damals erfreute er sich des Vertrauens Oranien’s derart, daß er ihn 1572, als die Revolution in Holland und Seeland ausgebrochen war, nach Nordholland, dem sogenannten Nordquartier, als Militärgouverneur mit ausgedehnten Befugnissen schickte. In diesem Winkel des Landes hat S. 15 Jahre lang eine fast selbständige Gewalt besessen, nur beschränkt durch den Ausschuß der Committirten Räthe, welche von den Städten des Quartiers gewählt wurden. Nur selten kam Oranien persönlich hinüber. Nach dem Falle Haarlems war er so gut wie abgeschnitten und eine Verbindung fand nur zur See statt. Mit Umsicht und Energie leitete S. die Vertheidigung des Ländchens gegen die spanischen Angriffe der nächsten Jahre. Dagegen war er weniger glücklich in seinen Versuchen, Haarlem zu entsetzen und Amsterdam den Spaniern zu entreißen. Mit eiserner Strenge hielt er die Disciplin des zuchtlosen Kriegsvolks aufrecht, und wenn er auch selber nicht selten der Härte und Grausamkeit gegen Katholiken schuldig war, erlaubte er diese nur auf gerichtlichem Wege. Letzteres war namentlich 1575 der Fall, als er von der Land- und Seeseite bedroht, einer Verschwörung der katholischen Landbevölkerung auf der Spur zu sein meinte. Er ernannte eine außerordentliche Commission zur Untersuchung und Bestrafung der vermeinten Verschwörer, und als dieselbe, allen Privilegien zum Trotz, ihre Befugniß benutzte, um mit der scheußlichsten Grausamkeit die reichen Katholiken zum Geständniß erdichteter Verbrechen zu zwingen, ließ er sie nicht allein gewähren, sondern deckte sie mit seiner Autorität, als die allgemeine Entrüstung gegen sie losbrach. Erst das persönliche Einschreiten Oranien’s veranlaßte ihn, dem Verfahren Einhalt zu thun, das seinem Namen einen unauslöschlichen Flecken angeheftet hat. Er wurde nicht bestraft, weil man ihn nicht entbehren konnte. Nach der Genter Pacification nahm S. öfters mit einem Theil seiner Truppen am Kriege in den Nordostprovinzen thätigen Antheil und schirmte die Küsten des Nordens gegen jeden Angriff. Damals, als Oranien meistens im Süden des Landes war, wurde er in seinem Quartier ganz und gar als Statthalter angesehen. So lange Oranien lebte, that dies keinen Schaden, allein nach dessen Tode, als die Provinz Holland einige Zeit ohne Statthalter war und der junge Moritz erst dazu ernannt wurde, als der Graf von Leicester, infolge des Vertrags von Westminster (1585), das Recht erhielt Gouverneure zu ernennen, wurde dies anders. Denn Leicester behandelte ihn nicht anders, als sei er selbständiger Statthalter und ertheilte ihm eine Bestätigung seiner Gewalt, so gut wie Moritz und Wilhelm Ludwig und dem Grafen von Neuenar. Ueberhaupt scheint derselbe gesonnen gewesen zu [660] sein Holland zu schwächen durch Abtrennung des Nordquartiers. So hatte er in Hoorn eine besondere Admiralität errichtet und S. befohlen, die Geistlichkeit zum Abhalten einer Synode zusammen zu rufen. Kein Wunder, daß S. von jetzt an sich ganz und gar an seiner Seite hielt mit einer Treue und Beharrlichkeit, welche einer besseren Sache würdig war und Holland in die äußerste Gefahr gebracht hat. Die religiösen Sympathien Sonoy’s scheinen dazu ganz und gar dem strengen Calvinismus zugewandt gewesen zu sein und nicht weniger ärgerte er sich an der staatischen Handelspolitik, welche Verkehr mit dem Feind, wenn es Gewinnst versprach, zuließ. Und die dem Vater erwiesene Treue meinte er Moritz nicht schuldig zu sein, sodaß alles ihn veranlaßte, die Autorität des Generalgouverneurs aufs schroffste der der provinziellen Staaten gegenüber aufrecht zu halten. So weigerte er sich 1587 bestimmt, den neuen Eid zu schwören, welchen die Staaten allen Officieren und Beamten ihrer Provinz abforderten, als der Verrath der englischen Commandanten die Yssellinie den Spaniern überliefert hatte. Er erklärte diesen erst schwören zu können, wenn Leicester ihn des ihm geleisteten entbunden hätte. Zwei Städte des Quartiers, Hoorn und Medemblik, stimmten ihm bei, die Soldaten hielten treu zu ihm. Als Moritz und der Graf von Hohenlohe (s. A. D. B. XII, 693) persönlich erschienen, weigerte er sich, sie zu empfangen und als ein Handstreich gegen sein Hauptquartier Medemblik versucht wurde, drohte er mit Gewalt, doch versprach er sich zu fügen, sobald Leicester ihn seines Eides entbinden sollte. Wahrscheinlich bestimmte ihn zu diesem Einlenken die zweideutige Haltung der damals mächtigsten Stadt Nordhollands, Enkhuizen, und des politischen Führers der dortigen Particularisten, des Pensionärs Maelson (s. A. D. B. XX, 39). Da auch die Staaten die Sache nicht auf die Spitze zu treiben wünschten, ließ man ihn vorläufig unbehelligt. Als aber Leicester im folgenden Winter zum zweiten Male das Land verlassen hatte und man die Gewißheit erlangte, er werde nie wieder kommen, wurde er aufs neue aufgefordert, den Eid zu schwören. Doch er blieb fest und traf Anstalten zur Abwehr von Gewalt. Er zog die ihm unterstellten Truppen, soweit sie in Friesland lagerten, nach Nordholland zurück und verstärkte die Besatzung von Medemblik eigenmächtig, als ob es keine Civil- und Militärgewalt im Lande gäbe außer ihm. Die Situation ward jetzt äußerst gefährlich. Denn überall empörten sich die bei der Leicester’schen Mißregierung unbezahlt gebliebenen Soldaten und namentlich kündigten die englischen in staatischem Sold stehenden Truppen den Gehorsam. Einen Augenblick hoffte man eben, dies würde ihn lahm legen, denn auch seine Soldaten meuterten. Doch es gelang ihm, sie zum Versprechen zu veranlassen, Niemand außer ihm zu gehorchen und keine Auflösung zu gestatten, bevor der Sold völlig gezahlt sei. Zugleich verstärkte er Medemblik und entwaffnete daselbst die Bürgerschaft. Vergebens waren alle Versuche, ihn zum Einlenken zu bewegen, auch als Moritz und Hohenlohe persönlich mit Truppen erschienen, weigerte er entschieden den Gehorsam. Da befahlen die Staaten von Holland, Gewalt zu gebrauchen. Der Feldmarschall Villiers belagerte S. in seiner Festung Medemblik, doch ohne viel Fortschritte zu machen. Zwar gelang es Moritz, die übrigen Gouverneure zur Botmäßigkeit zu bewegen, doch jetzt kamen Briefe von der Königin Elisabeth, welche in drohendem Tone abgefaßt waren, zum Schutz des Getreuen ihres Lieblings. Es schien alles drunter und drüber gehen zu sollen, die Engländer drohten das Land zu verlassen, die calvinistischen Anhänger Leicester’s, die Staaten von Utrecht an der Spitze, protestirten; den meuternden Garnisonen an der Südgrenze der Provinz schwoll der Kamm. Wenn jetzt die Spanier angriffen, war es mit der niederländischen Freiheit aus.
Sonoy: Dietrich S. wurde um 1529 aus einem alten clevischen Geschlecht, das eigentlich Snoy hieß und mit vielen in Utrecht und Cleve angesessenen Adelsfamilien verwandt war, geboren. Er selber hat sich fast immer[661] Glücklicherweise kam jetzt die Abdankungsurkunde Leicester’s aus England und es legte sich außer dem Staatsrath auch der General des englischen Hilfscorps Lord Willoughby in das Mittel. Am 25. April 1588 wurde zwischen S. und den Staaten ein Vertrag geschlossen, wobei ersterer in seinem Amt belassen, doch die Autorität der Staaten und des Statthalters von ihm anerkannt wurde. Doch jetzt war es vorbei mit Sonoy’s Autorität in Nordholland. Die Bürger von Medemblik verziehen ihm die Anmaßung einer Militärgewalt, den Bruch ihrer Privilegien nicht. Es entstanden aller Art Reibungen zwischen ihm und den Civilgewalten, und S. besaß nicht mehr die Mittel, denen gegenüber seine Stellung zu wahren. Er ersah, daß Niemand ihm mehr traute und bat um seine Entlassung. Er erhielt sie in schonender Form und mit einer Pension. Natürlich wandte er sich nach England, doch dort hatte er kein Glück. Er bat um Erlaubniß, einige Striche Wiesen in Norfolk trocken zu legen, doch ohne Erfolg. Dann zog er nach Ostfriesland und von dort nach den Gröninger Ommelanden, wo die Familie seiner zweiten Frau zu Hause war. Dort ist er am 2. Juni 1597 gestorben, eine merkwürdige Persönlichkeit, ein treuer Patriot, dem die Sache der Unabhängigkeit viel verdankte, doch einer von denen, die sich in geordneten Zuständen nicht mehr zurecht finden, nachdem sie so lange in revolutionären gelebt haben. Ueber seinen Charakter wird sehr verschieden geurtheilt. Was die einen den Einflüsterungen einer ungemessenen Herrschsucht und Habgier zuschrieben, gilt den anderen als Thaten eines etwas übertriebenen Eifers für die Sache der Freiheit und der Religion. Nur Härte und rücksichtslose Aufrechterhaltung der ihm anvertrauten Gewalt haben ihm die meisten, die ihn gekannt haben, nicht absprechen können.
- Vgl. Bor, van Meteren, Hooft und J. W. te Water, Verbond der Edelen. – Die Archives de la Maison d’Orange. – Motley, Rise of the Dutch Republic und History of the United Netherlands. – Nuyens, Geschiedenis der Nederlandsche Beroerten. – Fruin, Tien Jaren uit den Tachtigjarigen oorlog. – Mein Staat der Vereenigde Nederlanden. – van Groningen, Geschiedenis der Watergeuzen.