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ADB:Sophie (Äbtissin von Quedlinburg)

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Artikel „Sophie, Aebtissin von Quedlinburg“ von Karl Janicke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 686–689, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sophie_(%C3%84btissin_von_Quedlinburg)&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 21:01 Uhr UTC)
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Sophie, Aebtissin von Quedlinburg, Tochter des Grafen Friedrich v. Brene, war die Nachfolgerin der am 22. Januar 1203 gestorbenen Aebtissin Agnes. Ihr Bruder war Graf Friedrich, der das von seinen Vorfahren gegründete Kloster Brene dem Stifte Quedlinburg übereignete. In die Zeit, welche sie dem Reichsstifte Quedlinburg vorstand, fallen die Kämpfe zwischen den Hohenstaufen Philipp und Friedrich II. einer- und dem Welfen Otto andererseits um die Thronfolge in Deutschland, unter denen ihr kleines Gebiet zu wiederholten Malen schwer zu leiden hatte, dazu kamen langwierige Streitigkeiten mit dem benachbarten Bischof von Halberstadt, ferner Zerwürfnisse mit ihrem Capitel, Vasallen und Ministerialen und den Bürgern der Stadt Quedlinburg. Papst Innocenz III. [687] bestätigte ihr am 5. März 1207 ihren Territorialbesitz, Münzrecht, Zoll- und Marktgerechtigkeit, sowie die Befreiung von allen päpstlichen und königlichen Abgaben und Lasten; zwei Tage später nahm er das Stift in seinen Schutz und bestätigte dessen frühere Privilegien, namentlich, daß dasselbe nur dem päpstlichen Stuhle unterworfen sein solle. In demselben Jahre fanden in Quedlinburg im August zwischen Philipp und Otto Verhandlungen über ein Freundschaftsbündniß statt. Zweimal hatten beide Thronbewerber hier persönliche Zusammenkünfte, ein Friede kam zwar nicht zu Stande, wohl aber ein Waffenstillstand, der bis zum 24. Juni des nächsten Jahres dauern sollte. Philipp verweilte in Quedlinburg bis Anfang October. Gegen Ablauf des Waffenstillstandes rüsteten beide Heere von neuem. Die Fürsten des Nordostens waren nach Quedlinburg bestellt und warteten dort auf die Vereinigung mit König Philipp, der aber am 21. Juni 1208 in Bamberg von Otto v. Wittelsbach ermordet wurde. Die in Quedlinburg versammelten Heeresmassen gingen nach dem Tode Philipp’s auseinander.

Wenige Zeit nachher erhoben sich Zwistigkeiten zwischen der Aebtissin S. und dem Bischofe von Halberstadt. Der Grund des Streites war folgender: der Bischof beanspruchte auf Grund eines alten Herkommens das Recht, mit seinem Gefolge den Palmensonntag in Quedlinburg auf Kosten der Aebtissin zu feiern. Die Aebtissin, welcher durch diese Anwesenheit und andere Forderungen des Bischofs sehr erhebliche Kosten erwuchsen, machte dagegen geltend, daß ihr Stift durch die päpstlichen Privilegien von allen derartigen Lasten befreit sei und der Bischof kein Recht habe, das zu fordern, was ihm bisher von den früheren Aebtissinnen aus Freundschaft gewährt sei. Der Papst beauftragte darauf den Bischof von Brandenburg, den Abt von Merseburg und den Propst vom Kloster auf dem Lauterberge, den Bischof von Halberstadt zu veranlassen, von seinem Verfahren abzustehen und der Aebtissin Genugthuung zu leisten. Das Halberstadter Domcapitel wandte sich jetzt an den Bischof von Hildesheim, der sich zu Gunsten des Bischofs erklärte. Als die Aebtissin schließlich excommunicirt wurde, beauftragte der Papst unter Aufhebung der Excommunication am 21. Juli 1210 zuerst den Bischof Sigebodo von Havelberg nebst den Aebten von Michaelstein und Walkenried, und später den Bischof Bruno von Meißen und die Aebte von Pforta und Celle, die fragliche Streitsache zu untersuchen und behielt sich die Entscheidung vor. Ueber den Ausgang des Processes liegen keine weiteren Nachrichten vor. Aber der Inhalt der päpstlichen Schreiben, auch das der Aebtissin unter dem 15. Februar 1212 ertheilte Privileg, wonach sie von jedem Bischof in Sachen Weihe von Kirchen und Altären und andere kirchliche Handlungen in ihrem Stifte vornehmen lassen konnte, beweist, daß Innocenz III. sie nicht für unbedingt schuldigen Theil hielt. Bald darauf wurde Quedlinburg wieder zu seinem großen Nachtheile in die allgemeinen Reichsangelegenheiten gezogen. Als der Kampf um den deutschen Thron 1212 zwischen Kaiser Otto IV. und dem jungen König Friedrich von neuem entbrannte, zog das staufische Heer im October 1213 gegen Quedlinburg, das von dem kaiserlichen Hauptmann Cäsarius, der die Stiftsgebäude zu einer Burg umgewandelt hatte, mit Erfolg vertheidgt wurde. Friedrich mußte, da das Land ringsherum verwüstet war und frühzeitig der Winter eintrat, die Belagerung von Quedlinburg aufgeben und den Rückzug antreten. Vier Jahre später erschien Friedrich noch einmal vor Quedlinburg, das Cäsarius wieder vertheidigte; aber dieses Mal hielt er sich bei dessen Belagerung nicht lange auf, sondern zog in Verbindung mit dem Erzbischof von Magdeburg gegen Braunschweig. Im folgenden Jahre (1218 19. Mai) starb Otto, fast von allen Anhängern verlassen. In seinem [688] Tags vorher verfaßten Testamente bestimmte er, daß die Burg in Quedlinburg zerstört und erst dann der Platz der Aebtissin eingeräumt werden sollte.

Diese politischen und kriegerischen Vorgänge bei den Kämpfen um die deutsche Königswürde werden auf der einen Seite die Macht der, wie es scheint, mehr die welfische Partei begünstigenden Aebtissin geschmälert und andererseits den Einfluß des Capitels, der Ministerialen und der Stadt Quedlinburg gehoben haben. Dazu kamen Streitigkeiten mit dem mächtigen Grafen Hoyer von Falkenstein wegen der Vogtei über Quedlinburg. Man erhob gegen die Aebtissin allerhand Beschuldigungen: Verschwendung, Unsittlichkeit, Nichtachtung der Religion wurden ihr schuld gegeben, mit welchem Rechte, darüber lassen die Quellen kein entscheidendes Urtheil zu. Alle diese oppositionellen Elemente waren stark genug, bei König Heinrich VII., der während der Abwesenheit seines Vaters des Kaisers Friedrich II. in Deutschland die Reichsgeschäfte führte, die Absetzung der Aebtissin S. auf dem Reichstage zu Eger (10. November 1223) durchzusetzen. Auch seitens der römischen Curie wurde, wie der Chronist des Klosters auf dem Lauterberge erzählt – Urkunden aber darüber gibt es nicht – eine Untersuchung gegen sie angestellt, die damit endete, daß ihr auch die Befähigung, in einem anderen Stifte zur Aebtissin gewählt zu werden, abgesprochen wurde. Das Quedlinburger Capitel wählte an ihrer Stelle Bertradis von Krosigk, die Schwester des Bischofs von Halberstadt. Aebtissin S. scheint aber dieser Gegnerin den Platz nicht ohne weiteres geräumt zu haben, denn am 11. November 1224 stellt sie in ihrer Eigenschaft als Aebtissin noch ein Urkunde für den Abt von St. Michaelis in Hildesheim aus. Auch beim Papste muß sie ihre Wiedereinsetzung betrieben haben. Denn derselbe Chronist meldet zum Jahre 1225, der Dompropst Otto von Magdeburg – vielleicht ein Verwandter von ihr – habe es beim päpstlichen Stuhle durchgesetzt, daß der Erzbischof von Magdeburg und die Bischöfe von Hildesheim und Merseburg zu Richtern in ihrer Angelegenheit ernannt würden, um sie wieder einzusetzen. Als der Bischof Konrad von Hildesheim von dem päpstlichen Legaten Cardinal Konrad, Bischof von Porto zum Mitvisitator des Petersklosters auf dem Lauterberg ernannt war, veranlaßte der Dompropst Otto den ersteren, zunächst von diesem Auftrage Abstand zu nehmen, damit die Wiedereinsetzung der Aebtissin S. keinen Aufschub erleide. Die Aebtissin wurde wieder eingesetzt und der Dompropst folgte ihr, die sich damals wol in Magdeburg aufhielt, nach Quedlinburg (Ende August). Noch ehe aber der Vertrag zwischen der Aebtissin und ihren Gegnern abgeschlossen wurde, starb der Dompropst, an dessen Stelle der Bruder des Erzbischofs, Wilbrand, gewählt wurde. Der darauf vom päpstlichen Legaten Bischof Konrad von Porto am 27. September 1225 in Magdeburg zwischen der Aebtissin S. einer- und der Electa Bertradis, dem Capitel, den Vasallen, Ministerialen und Bürgern andererseits vereinbarte Vergleich war im wesentlichen eine Bestätigung der factisch bestehenden Zustände, enthielt also mehrere der Aebtissin ungünstige Bestimmungen. Zunächst verlangt der Vergleich Aussöhnung zwischen den Parteien hinsichtlich der aus der Errichtung und Zerstörung der Burg entstandenen Kränkungen. Die Aebtissin soll auf allen Schadensersatz verzichten, die von der Electa und dem Capitel gemachten Schulden bezahlen; der Graf von Anhalt, die anderen Vasallen, auch die Electa, die Stiftsfrauen und Ministerialien ihre früheren Lehen Zurückerhalten. Dagegen sollten die Electa, die Stiftsfrauen und die Geistlichen der Aebtissin die nöthige Ehrerbietung erweisen. Der Graf Hoyer soll die Vogtei wieder bekommen. Die von der Electa vorgenommenen Verpfändungen von Gütern werden als rechtsgültig anerkannt, ebenso die von derselben vorgenommenen Belehnungen. Ohne Zustimmung des Capitels darf die Aebtissin Niemand mit Gütern und Gehältern belehnen oder diese dem Stifte entfremden. Die Feste [689] Quedlinburg soll sie nicht wieder herstellen lassen, auch die Bürger von Quedlinburg an der Befestigung ihrer Stadt nicht hindern. Der Propst von St. Marien und der Dompropst Wilbrand in Magdeburg, der Propst Meinhard von Halberstadt und der Scholasticus Arnold von Magdeburg sollen die Ausführung dieser Bestimmungen überwachen. Falls sich die Aebtissin gegen einen dieser Punkte verginge, sollte sie ihre Würde verlieren und das Capitel berechtigt sein, eine andere Wahl vorzunehmen. Was die Irrungen mit dem Bischofe von Halberstadt betraf, so sollte es so bleiben, wie es vor der Zeit der Aebtissin war, aber der Bischof dürfe am Palmsonntage nur mit 60 Pferden in Quedlinburg erscheinen, für deren Unterhaltung die Aebtissin zu sorgen habe. Dieser Vergleich wurde von der Aebtissin beschworen. Ueber die Ausführung des Vergleichs ist nichts überliefert. Aebtissin S. starb am 9. Mai 1226.

v. Erath, Cod. Diplom. Quedlinburgensis, S. 123–145. – Chronicon Montis sereni bei Pertz, Monum. Germ. Hist. SS. XXIII, S. 211. – Fritsch, Gesch. von Quedlinburg I, S. 124 ff. – Zeitschrift des Harzvereins, Jahrg. 1870, S. 186 f.