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ADB:Springer, Robert

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Artikel „Springer, Robert“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 319–321, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Springer,_Robert&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 23:00 Uhr UTC)
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Springer: Robert Gustav Moritz S., Belletrist und Publicist, wurde am 23. November 1816 zu Berlin als der Sohn eines Juweliers geboren. Er durchlief die königliche Realschule daselbst und besuchte 1835–38 das Berliner Stadtschullehrerseminar, worauf er anderthalb Jahre als Lehrer an einer der besseren höheren Mädchenschulen seiner Vaterstadt thätig war. Dann aber ging er, einem lebhaften inneren Drange folgend, völlig zur Schriftstellerei über und hielt sich, ohne feste Anstellung, zugleich um Land und Leute kennen zu lernen, nach einander eine Reihe von Jahren in Paris, Rom, Wien, Leipzig auf, bis er 1853 Berlin zum endgiltigen und dauernden Wohnsitze wählte. Seitdem entwickelte [320] er im Feuilleton großer Tagesblätter und führender Zeitschriften eine ausgedehnte Thätigkeit auf den Gebieten der Kunst- und Litteraturgeschichte, der litterarischen Kritik und der cultur- und localgeschichtlichen Skizze. Er starb daselbst am 21. October 1885, mitten in rüstigem journalistischen und kritischen Schaffen. Man kann Springer’s schönwissenschaftliches Wirken als viertheilig ansehen, und dementsprechend gliedern sich auch seine Veröffentlichungen in Skizzen aus dem Berliner Leben, Jugendschriften, geschichtliche Romane und Beiträge zur Litteraturgeschichte der Weimarer classischen Epoche; nebenher geht gegen Ende des Lebens eine liebevolle Beschäftigung mit verschiedenen Fragen der Aesthetik und Ethik, doch ohne auffallend selbständige Züge. Auf dem erstgenannten Gebiete sind zu nennen die gleichsam localpsychologischen Studien „Berlin’s Straßen, Kneipen und Klubs im Jahre 1848“ (Berl. 1850), „Berlin wird Weltstadt. Ernste und heitere Culturbilder“ (Berl., ohne Jahr; 2. Aufl. ebd. 1868), „Berliner Prospekte und Physiognomien“ (Berl. 1870), sowie die wohl der Wirklichkeit nachgedichtete Novelle „Banquier und Schriftsteller. Ein Lebensbild aus der Berliner Gesellschaft“ (Berl. 1877), einer der ältesten Ansätze zu einem realistischen „Berliner Roman“. Die längere Reihe beliebter Jugendschriften, die S. meist unter dem Pseudonym A(dam) Stein herausgab, kann an diesem Orte nicht vorgeführt werden; doch möge hier nachdrücklich vor der oft begegnenden Verwechselung mit den dem gleichen Gebiete angehörigen Arbeiten des weit fruchtbareren Hallenser Pfarrers H(ermann Otto) Nietschmann gewarnt sein, der unter dem Decknamen A(rmin) Stein schreibt. Unter seinem bürgerlichen Namen erschien von S. „Das Buch des deutschen Knaben“ (Berl. 1857) mit 20 Kunstbeilagen und vielen Holzschnitten. Von Springer’s Romanen tragen historischen beziehentlich historisch-politischen Charakter: „Garibaldi, das Haupt des jungen Italiens; sein Leben, seine Abenteuer und Heldenthaten“ (3 Bde., Berl. 1861), „Gräfin Lichtenau“ (3 Bde., Berl. 1871), „Sidney Smith“ (3 Bde., Berl. 1875), denen sich etwa noch die Erzählung „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ (1885), Springer’s jüngstes Erzeugniß in dieser Gattung, anschließen läßt. Als „Künstler-Roman und romantisches Zeitbild“ hat der Verfasser mit Recht „Devrient und Hoffmann, oder Schauspieler und Serapionsbrüder“ (3 Bde., Berl. 1873) bezeichnet. Er trug mit diesem anziehenden Werke bereits seinen mehr und mehr hervortretenden litterargeschichtlichen Neigungen Rechnung, die in „Anna Amalia von Weimar und ihre poetische Tafelrunde“ (2 Theile, Berl. 1875) vollkommen durchbrachen, wo freilich immer noch der Zusatz „Romantisches Zeitbild“ erscheint. Wie gern er sich auf diesem Boden bewegte, hatten schon „Weimar’s klassische Stätten. Beitrag zum Studium Goethe’s und unserer klassischen Literatur-Epochen“ (Berl. 1868; mit Titelbild: Goethe’s Gartenhaus in Weimar) und „Die klassischen Stätten von Jena und Ilmenau. Beitrag zur Goethe-Literatur“ (Berl. 1869) bezeugt. Die weiteren Ergebnisse seiner späteren gediegeneren Studien wurden erst unmittelbar vor und nach seinem Tode bekannt; sie sind mit enthalten in „Essays zur Kritik und Philosophie und zur Goethe-Literatur“ (Minden i. W. 1885) und „Charakterbilder und Scenerien. Darstellungen aus der Literatur- und Kunstgeschichte“ (Minden i. W. 1886). Die erstere dieser beiden Sammlungen umfaßt in 22 Aufsätzen – der Titel „Essays“ schraubt die Ansprüche doch zu hoch – eine Fülle von Lese- und Denkfrüchten, die allerdings nur selten in ein wirklich passendes und geschmackvolles Gewand gekleidet sind, wie sich überhaupt Springer’s Darstellungsvermögen nirgends zu künstlerischer Höhe aufschwingt. Da dieses Buch als Springer’s bedeutendste litterarische Leistung angesehen werden darf, so sei der Inhalt näher erörtert, der sich im einzelnen ergab „durch die jeweiligen Fragen, die im socialen Leben oder in der litterarischen Welt gerade auf der [321] Tagesordnung standen, sich auch wohl in der Entwickelung der Staats- und Menschenkunde geltend machten, oder theils durch meine litterarische Beschäftigung, theils durch irgend ein neu erschienenes litterarisches Werk wieder geweckt wurden“. Die an der Spitze stehenden Artikel erstrecken sich auf moderne Sociologie, wozu „Englands neueste Staatsökonomie und Soziologie“, „Herbert Spencer“, die Charakteristik W. E. Gladstone’s zählen. Aus den übrigen Nummern der ersten Abtheilung seien herausgehoben: „Sturm und Drang“, Maximilian Klinger behandelnd, „Lessing’s Kritik der französischen Tragödie, in Frankreich erörtert“, eine an Crouslé’s „Lessing et le goût français en Allemagne“ (Paris 1863) angelehnte vorurtheilslose Zurückweisung einzelner Punkte in Lessing’s dramaturgischen Ansichten, die Abrisse von Auguste Comte’s und Emile Littré’s, des umsichtigen Lexikographen, Verfechtung der positivistischen Philosophie, „Arthur Schopenhauer vor der französischen Kritik“. „Aufklärung über Lord Byron(s Ehe),“ endlich „Georg Forster und S. Th. Sömmering“. Letzterer bildet gleichsam den Uebergang zu den (inclusive „Goethe und Spinoza“ vier) Aufsätzen über Goethe’s naturwissenschaftliche Studien. Die Abhandlungen über Goethe’s Verhältniß zu Natur und Naturgelehrsamkeit sind fachlich die verdienstlichsten, zugleich die anschaulichsten und lesbarsten. Ferner gebührt von den 11 Beiträgen zur Goethe-Philologie besondere Erwähnung „Ist Goethe ein Plagiarius Lorenz Sterne’s?“ wo nachgewiesen wird, daß die vier Seiten aus Sterne’s „Koran“, die sich Goethe für seine „Reflexionen und Maximen“ notirt haben soll (wie Alfred Hédouin behauptet), versehentlich in die Goethe-Ausgaben aufgenommen wurden. Förderlich sind auch die Blicke auf Goethe’s Verbindung mit Sulpiz Boisserée (an die Vollendung des Kölner Dombaues anknüpfend), seine Stellung zu Byron und seinen „Einfluß auf die Tonkunst“. Dem Verfolg der auch in diesem reichhaltigen Bande bekundeten culturgeschichtlichen und social-philosophischen Studien war auch ein eigenartiges Werk entsprungen: „Enkarpa. Kulturgeschichte der Menschheit im Lichte der pythagoreischen Lehre“ (Hannover 1884). Hier spricht sich eine selbständig erworbene Weltanschauung in historischem Rahmen aus.