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ADB:Stauffacher

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Artikel „Stauffacher“ von Wilhelm Oechsli in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 523–527, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stauffacher&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:39 Uhr UTC)
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Stauffacher, eine in der Entstehungsgeschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft bedeutsam hervortretende, dem freien Bauernstand angehörige Schwyzerfamilie, die den Namen von dem Hofe Stauffach in Steinen, dessen Stelle durch die jetzige Stauffachercapelle bezeichnet ist, erhielt, weshalb sie bald „von Stauffach“, bald „Stauffacher“ heißt. Der erste des Geschlechtes ist Werner von St. der Aeltere, der 1267 als Zeuge bei einem Güterverkauf in Steinen genannt wird. Wichtiger ist Rudolf v. St., vermuthlich ein Sohn oder Bruder Werner’s, der uns im J. 1275 als der erste urkundlich genannte Ammann des Landes Schwyz entgegentritt. Als echter Repräsentant der damaligen Schwyzer, denen das Umsichgreifen des geistlichen Besitzes und das damit verbundene Zusammenschwinden des freien bäuerlichen Eigens ein Dorn im Auge war, gerieth [524] Rudolf St. mit dem Nonnenkloster Steinen in Streit, indem er dessen Anspruch auf Steuerfreiheit nicht anerkennen wollte und demselben trotz der Warnung des königlichen Landvogtes Hartmann von Baldegg ein Pferd als Pfand für die hartnäckig verweigerte Steuer wegnahm, worauf die Nonnen die Intervention der auf Kiburg weilenden Königin Anna, der Gemahlin Rudolf’s von Habsburg, anriefen. 1281 erscheint Rudolf v. St. wieder als Ammann an der Spitze der Schwyzer; hernach finden wir ihn längere Zeit ohne Amt, aber immer unter den einflußreichsten Männern des Landes. So war er ohne Zweifel beim Abschluß des ewigen Bundes der drei Waldstätte am 1. August 1291 in hervorragender Weise betheiligt. Zwar nennt die noch erhaltene Bundesurkunde ihre Urheber nicht; aber wir erfahren die Namen der damaligen Lenker von Uri und Schwyz aus einem Bündniß, das die beiden Länder nur zehn Wochen später mit Zürich eingingen und das sich politisch in derselben antiösterreichischen Richtung bewegte. Wir dürfen daher ohne weiteres annehmen, daß die Männer, welche am 16. October 1291 Zürich gegenüber als die officiellen Vertreter der Waldstätte erscheinen, auch am 1. August des Jahres die Grundlagen ihres engeren Bundes festgestellt haben und deshalb als die historischen Begründer der Eidgenossenschaft zu betrachten sind.

An der Spitze der Vertreter von Uri steht der Landammann Arnold der Meier von Silenen, Ritter, ein Angehöriger des 1243 auftauchenden Ministerialengeschlechtes derer von Silenen, deren Stammsitz vermuthlich der noch erhaltene Ritterthurm in Obersilenen an der alten Gotthardstraße ist. Neben ihm erscheint als Siegelbewahrer des Landes Wernher II. von Attinghusen, der von Schiller verherrlichte Freiherr. Die Attinghusen waren die einzige freiherrliche Familie, die in den Waldstätten selber ihren Sitz hatte. Den Namen trugen sie von der Burg Attinghusen, deren malerische Ruine sich auf einem Hügel am linken Ufer der Reuß gegenüber Altorf erhebt. Außer den Gütern in Uri besaßen sie aber auch die Burg Schweinsberg im bernischen Emmenthal, nach der sie ebenfalls zuweilen den Namen führten. Der Stammvater des Geschlechtes ist Ulrich, der von 1240–1253 bald als Herr von Attinghusen, bald als Edler von Schweinsberg erscheint. Sein Sohn Werner I. scheint seinen regelmäßigen Sitz in Uri gehabt zu haben, da fast alle über ihn erhaltenen urkundlichen Notizen (1248 bis 1288) auf Uri Bezug haben. Er hatte zwei ihn überlebende Söhne, Wernher II. (1264–1321) und Diethelm, zwischen denen um 1299 eine Erbtheilung stattfand, vermöge welcher Wernher Burg und Güter in Uri, Diethelm aber Schweinsberg und die Emmenthaler Besitzungen erhielt. Der letztere wurde der Begründer der Freien von Schweinsberg im Emmenthal, die bis ins 15. Jahrhundert hinein bestanden. Wernher II. aber verwuchs aufs innigste mit dem Lande Uri, als dessen Siegelbewahrer er seit 1290 erscheint und dem er von 1294 an, wie es scheint, ununterbrochen bis zu seinem um 1321 erfolgten Tode als Landammann vorstand. Ein dritter Vertreter von Uri bei den Bündnissen von 1291 ist der Altlandammann Burkhard Schüpfer, ein Gotteshausmann der Abtei Zürich, der schon 1243 als Zeuge auftritt und in den Jahren 1273–84 als der erste mit Namen bekannte Landammann in Uri waltete; ein vierter Konrad der Meier von Erstfelden, ein Eigenmann des Klosters Wettingen, der aber, ohne dem eigentlichen Ministerialenstande anzugehören, durch den Besitz eines Meieramtes der Aebtissin von Zürich, der größten Grundherrin im Thale, einer der angesehensten Männer des Landes wurde und seit 1275 öfters in Urkunden als Zeuge genannt wird. Als ersten Vertreter von Schwyz finden wir den Landammann Konrad ab Iberg, einen altfreien Landmann gleich der Mehrzahl seiner Volksgenossen, der seit 1281 unter den Vorstehern des Landes erscheint und 1291 an die erste Stelle unter denselben gerückt war, dann neben [525] ihm den Altammann Rudolf St. und einen Konrad Hunn, der 1281 seinen Landsleuten als Gesandter, unbekannt, bei wem, wesentliche Dienste erwiesen hatte. Leider ist es unmöglich, in ähnlicher Weise für Unterwalden die leitenden Persönlichkeiten des Jahres 1291 anzugeben, da es sich nicht direct an dem Bündnisse mit Zürich betheiligte und keine anderweitigen Documente in die Lücke treten.

Welche Rolle Rudolf St. bei den auf das Bündniß von 1291 folgenden zähen Bemühungen der Schwyzer, die ihnen von Kaiser Friedrich II. 1240 verliehene Reichsunmittelbarkeit gegenüber den landesherrlichen Ansprüchen der Habsburger zur Geltung zu bringen, gespielt hat, läßt sich im einzelnen nicht mehr erkennen; jedenfalls war er mit Konrad ab Iberg und Wernher von Attinghusen der eigentliche Führer der Freiheitsbewegung. In ihm darf man wohl auch den Urheber der merkwürdigen Beschlüsse erblicken, durch welche die schwyzerische Landsgemeinde 1294 den freien Bauernstand gegen das Ueberwuchern des geistlichen Besitzes zu schützen suchte, zumal er um dieselbe Zeit sich an einem Processe betheiligte, durch welchen einige Landleute ein Gütervermächtniß an das Kloster Steinen rückgängig zu machen suchten. Nach jenen Beschlüssen durfte niemand mehr bei schwerer Buße einem Kloster in dem Lande liegendes Gut verkaufen oder vermachen; wenn einer seinen Leib oder sein Gut einem Kloster schenkte, so fiel das Gut den nächsten Erben oder, wenn diese es ausschlugen, dem Lande zu. Und wenn die Klöster nicht zu den Lasten des Landes das Ihrige beitragen wollten, so sollten sie auch „meiden Feld, Wasser, Holz, Wunne und Weide des Landes“, d. h. vom Genuß der Gemeinmark ausgeschlossen sein. Daß diese Beschlüsse nicht auf dem Papier blieben, zeigt ein Schreiben der Königin Elisabeth, der Gemahlin Albrecht’s, vom 13. Januar 1299, worin dieselbe von Nürnberg aus den Landammann von Schwyz aufforderte, die Steuerfreiheit der Nonnen zu Steinen zu achten und ihnen eine durch Pfändung weggenommene Geldsumme unverzüglich zurückzuerstatten. Der Name des Landammanns wird nicht genannt; aber die Vermuthung liegt nahe, daß der rücksichtslose Steuereintreiber kein anderer war, als Rudolf St., der, wie auch aus einem anderen Document hervorgeht, unter König Albrecht wieder das Landammannamt bekleidete. Gegen Ende der Regierung Albrecht’s scheint ihn Konrad ab Iberg wieder darin abgelöst zu haben, der 1309–1311 als Landammann bezeugt ist; aber noch immer nahm St. an den politischen Geschäften seines Landes den lebhaftesten Antheil. Unmittelbar nach Albrecht’s Ermordung hatten die Schwyzer eine heftige Fehde gegen das Kloster Einsiedeln begonnen, weil dasselbe ihnen den Besitz gewisser Weiden und Wälder streitig machte. Als das Stift von dem bischöflich konstanzischen Gericht ein für die Schwyzer ungünstiges Urtheil erwirkte, appellirten diese an Papst Clemens V, und als sie hierauf vom konstanzischen Official in Bann und Interdict gethan wurden, legten sie auch dagegen beim Stuhl in Avignon Verwahrung ein. Die Berufung an den Papst wurde von 10 Männern unterzeichnet, welche im Bannurtheil mit Namen genannt worden waren; an ihrer Spitze finden wir Konrad ab Iberg mit seinen Söhnen Konrad und Ulrich und Rudolf St. mit seinen Söhnen Heinrich und Werner (Urk. v. 12. September 1309). In der That erging von Avignon aus an die Aebte von Weingarten und Engelberg der Befehl, zu untersuchen, ob der Bann vor oder nach der Appellation verhängt worden sei, und ihn in letzterem Fall für ungültig zu erklären, was auch geschah.

Ueber dieser Localfehde verloren aber die thatkräftigen Männer, die an der Spitze der schwyzerischen Bauerngemeinde standen, die für ihre höchsten Ziele so günstige Umgestaltung, welche die Verhältnisse des ganzen Reiches durch den Tod Albrecht’s erfuhren, nicht aus den Augen. Unter der Führung der ab Iberg, [526] Rudolf St. und Attinghusen erwirkten die Waldstätte am 3. Juni 1309 von König Heinrich VII. ihre gleichmäßige Befreiung von der österreichischen Jurisdiction und ihre Verschmelzung in eine einheitliche Reichsvogtei, womit das Ziel, dem sie seit den Tagen Friedrich’s II. nachgestrebt hatten, endlich erreicht war. Ende Juni 1309 versammelten sich die Stifter des ewigen Bundes von 1291, Landammann Konrad ab Iberg, Rudolf St. und Konrad Hunn von Schwyz, Landammann Wernher von Attinghusen und Ritter Arnold der Meier von Silenen von Uri mit den angesehensten Unterwaldnern zu Stans um den Reichsvogt Graf Wernher von Homberg zu einer Art Tagsatzung, sowol um einen Grenzstreit zwischen Uri und dem Stift Engelberg zu schlichten, als auch um die Maßregeln zu berathen, welche die neue Lage der Länder angesichts der Feindseligkeit der österreichischen Umgebung erforderte. Kurz nachher scheint St. gestorben zu sein, wie überhaupt die Generation, welcher die Waldstätte den Bund von 1291 und die Erwerbung der Reichsfreiheit im Jahre 1309 verdankte, ihrem Ende zueilte. Von Burkhard Schüpfer vernehmen wir seit 1291, von Konrad von Erstfelden seit 1294 nichts mehr. Wie Rudolf St., so verschwinden auch Konrad Hunn und Arnold von Silenen seit 1309 aus den Urkunden. Konrad ab Iberg tritt uns zum letzten Mal im April 1311 entgegen; einzig der Freiherr v. Attinghusen überlebte die Schlacht am Morgarten. Sonst war es ein neues Geschlecht, dem nunmehr die Leitung der Dinge zufiel; theils waren es die Söhne der bisherigen Führer, welche das Erbe der Väter antraten, theils rücken neue Namen in den Vordergrund.

An der Spitze dieser jüngeren Generation stand für Schwyz Werner (II.) St., der zweite Sohn Rudolf’s, welcher Konrad ab Iberg in der höchsten Würde des Landes nachfolgte. Neben ihm treten auch sein Bruder Heinrich St. und der junge Konrad ab Iberg hervor. In Uri finden wir eine jüngere Kraft in Walter Fürst, der einem schon 1257 erwähnten Geschlecht im Schächenthal angehörig, 1303 zum ersten Mal als Zeuge genannt wird und seit 1313 neben dem Freiherrn v. Attinghusen bei allen wichtigen Acten des Landes in erster Linie thätig erscheint. Werner St. und Walter Fürst sind also nicht bloß Helden der Sage oder der Fabel, es sind historische Gestalten, deren Rolle jedoch von der Tradition verschoben worden ist. Ihr Verdienst besteht nicht in der Stiftung, wol aber in der Erhaltung der Eidgenossenschaft in einer Zeit, wo die junge Bildung von den schwersten Gefahren bedroht war. Der Streit zwischen Schwyz und Einsiedeln nahm immer größere Proportionen an. Da die Schwyzer einem Schiedsspruch von Zürcher Bürgern keine Folge leisteten, geriethen sie in ein Zerwürfniß mit der Stadt Zürich, das sie mit dieser und den mit ihr verbündeten Städten Konstanz, St. Gallen und Schaffhausen in Krieg zu stürzen drohte. Am 24. April 1313 wurde dieser Zwist mit Zürich durch einen Spruch des kaiserlichen Landvogtes im Thur- und Zürichgau, Eberhard von Bürgeln, ausgeglichen, ohne daß indeß dabei die Streitigkeiten mit Einsiedeln ihre Erledigung gefunden hätten. Für die Einhaltung des Vergleichs verbürgten sich acht Schwyzer, an ihrer Spitze der Landammann Werner St. und Konrad ab Iberg der Junge, ferner vier Urner, darunter Walter Fürst und Werner, des Ritters Arnold v. Silenen Sohn, sowie zwei Unterwaldner. Der Abt von Einsiedeln aber verfolgte seine Sache neuerdings vor den geistlichen Gerichten und erwirkte abermals Bann und Interdict gegen die Schwyzer. Als Antwort setzten diese einen Preis auf den Kopf des Abtes und suchten in der Dreikönigsnacht vom 6./7. Januar 1314 unter der persönlichen Führung des Landammanns Werner St. das Kloster selber durch einen Ueberfall heim, den einer der betroffenen Insassen des Stifts, der Schulmeister Rudolf von Radegg in einem lateinischen Epos anschaulich geschildert hat. Der Name des Schwyzer [527] Landammanns vom Jahre 1315 ist nicht überliefert, aber es ist wahrscheinlich, daß Werner St. damals das Amt ebenfalls bekleidete, da er auch in den nächstfolgenden Jahren noch an der Spitze des Landes erscheint. Wir werden daher in ihm den Anführer der Schwyzer in der Schlacht am Morgarten zu erblicken haben, wenn er auch nicht ausdrücklich als solcher genannt wird.

1319 und 1320 bekleidete Heinrich St. die Landammannwürde; dann erfahren wir nichts mehr über dieselbe bis 1338, wo Werner St. noch einmal im Besitz des Amtes erscheint, um hierauf aus den Urkunden, soweit sie bis jetzt bekannt sind, völlig zu verschwinden. Nach dem Jahrzeitbuch Steinen hieß seine Gattin Margaretha. Ein Sohn Werner’s (II.) ist wohl Werner III., der 1348, 1359 und 1368 in angesehener Stellung erscheint, ohne zur höchsten Würde des Landes gelangt zu sein. Dagegen wurde diese Ulrich St., einem Sohne Heinrich’s zu Theil, der dieselbe 1378–83 bekleidete. Mit Ulrich verschwindet der Name der Stauffacher aus den Reihen der Vorsteher des Landes; im 15. Jahrhundert scheint die Familie gänzlich erloschen zu sein, falls nicht die jetzt noch lebenden St. zu Matt in Glarus ein Zweig derselben sind.

Meyer v. Knonau, Aus mittleren und neueren Jahrhunderten S. 33 ff. – Derselbe im Anzeiger für schweiz. Gesch. II, 295. – v. Liebenau, im Anzeiger für schweiz. Gesch. III, 110. – Kälin, die Landammänner des Landes Schwyz, im Geschichtsfreund XXXII, 107. – Oechsli, Die historischen Gründer der Eidgenossenschaft, in den Bausteinen zur Schweizergeschichte S. 1 bis 43. – Derselbe, Die Anfänge der schweizerischen Eidgenossenschaft S. 179 ff., S. 295 ff.