ADB:Steibelt, Daniel

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Artikel „Steibelt, Daniel“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 567–572, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steibelt,_Daniel&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 11:31 Uhr UTC)
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Steibelt: Daniel St., Sohn eines geschickten Claviermachers, geboren in Berlin 1755 (1756, 1764, 1765 ?), † als kaiserl. Capellmeister in Petersburg am 20. September 1823. Es gab eine Zeit, wo man auf jedem Clavier neben den allgemein beliebten Werken I. Pleyel’s die eines andern Modecomponisten, D. St., fand. Seltener traf man die Compositionen Mozart’s, Haydn’s, Beethoven’s, mit welch letzterm St. sogar zu concurriren wagte, an. Ein gerechtes Schicksal ereilt aber alles oberflächliche und gehaltlose. Kaum wird man heute noch auf einem Piano Compositionen von Pleyel und St. finden. Und doch ist nicht schlechtweg alles verächtlich und unwürdig was sie schufen. St. war ein sehr fruchtbarer Tonsetzer und glänzender Virtuose. Wenn auch, wie alle diese, einseitig und nur mit gewissen Vorzügen und Aeußerlichkeiten brillirend, ward ihm doch die enthusiastische Bewunderung des Publicums aller großen Städte und namentlich die der höchsten Kreise der Gesellschaft, die leider selten dem besten, sondern meist nur dem oberflächlich bestechenden Gunst und Ermunterung zu theil werden lassen. Auffallend gleichmäßig beurtheilen zeitgenössische Berichte Steibelt’s Leistungen, rühmen sein Feuer, seine große Technik, seine Leichtigkeit und Eleganz, beklagen aber zugleich, daß er immer nur das nämliche und nie ein Adagio spielte, und tadeln gewisse Manieren (namentlich ein Tremolo der linken Hand), die er überall anbrachte. Aber wie bei kaum einem andern Künstler äußern sich auch alle ohne Rücksicht bezüglich der Schattenseiten seines Charakters, die ihn zu einem der unausstehlichsten Menschen machten. Er kam, nachdem er sich schon in Deutschland durch mehrfache Concertreisen einen Ruf als Pianist gegründet, frühzeitig nach Paris, und als er einige Zeit dort geweilt, schien es, als schäme er sich ein Deutscher zu sein. Obwohl er das Französische wie das Englische nur mangelhaft und lächerlich radebrechte, gab er sich den Anschein, Deutsch nicht mehr zu verstehen. Im Umgange war er unerträglich läppisch und arrogant; immer affectirt und launisch, lernte er sich in gebildeter Gesellschaft nie bewegen. Gegen Gönner und Beschützer bewies er sich oft undankbar, wortbrüchig und impertinent. Auf seine Virtuosität war er maßlos eitel. Für seine verschwenderische Lebensweise reichten die großen Einnahmen, die ihm Concerte, Lectionen und Compositionen verschafften, nicht hin; stets befand er sich in Noth und pecuniären Verlegenheiten. Was aber seinem Ruf besonders schadete, waren gewisse unredliche Vorkommnisse (so verkaufte er z. B. viele seiner Compositionen gleichzeitig verschiedenen Verlegern und dgl.), und auch sonst, besonders wenn ihn seine Gläubiger drängten, war er unreellem Handeln nicht abgeneigt. – Ueber die erste Jugend Steibelt’s sind nur wenige und unsichere Nachrichten auf uns gekommen. Die außerordentlichen musikalischen Talente des Knaben machten in Berlin solches Aufsehen, daß sich der kunstliebende [568] Kronprinz, seit 1786 König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, seiner annahm, und ihn durch den hochangesehenen Kirnberger auf dem Clavier und in der Theorie unterrichten ließ. Die sorgfältige Anleitung dieses Lehrers hatte aber leider nicht den gewünschten Erfolg, sie scheiterte an dem allem Zwange widerstrebenden, zügellosen Naturell des Knaben, das ein methodisches Studium und die Erreichung eines seiner Begabung entsprechenden Zieles unmöglich machte. 1789 trat er als Concertspieler vor die Oeffentlichkeit, damit jene vielen Kunstreisen und unstäte Lebensführung beginnend, in deren Verlaufe er die Kunstkreise Europas vielfach in höchste Begeisterung versetzte. Kurz vorher waren bei André in Offenbach seine ersten Compositionen gestochen worden (Claviersonaten mit Violine, 1788), die, obwohl in ihrer Einfachheit noch nicht den Reichthum seiner Phantasie ahnen lassend, doch einen Beweis ebenso von seinem durch gediegene Schulung entwickelten Geschmack, wie von seinen ungewöhnlichen Kunsttalenten gaben. 1790 besuchte er London und Paris. Hier gewann er in dem sehr rührigen Verleger Boyer einen eifrigen Beschützer, der ihn in sein Haus aufnahm, sein Auftreten bei Hofe veranlaßte und ihn in jeder Weise förderte. Zum Dank dafür verkaufte er ihm seine bereits anderwärts gedruckten Violinsonaten als Trios (nachdem er eine dem Clavierbasse folgende Violoncellstimme beigefügt hatte). Als Boyer daraufhin mit einem Proceß drohte, mußte St. froh sein, ihn durch das Verlagsrecht seiner zwei ersten Clavierconcerte beruhigen zu können. Durch die Protection seines Verlegers und den Ruf glänzender Virtuosität gestaltete sich sein Pariser Aufenthalt bald sehr befriedigend. In Paris lebte damals ein anderer deutscher Pianist, Joh. Dav. Hermann, Lehrer und Schützling der Königin Marie Antoinette; er stand in hohem Ansehen, obwohl er nur ein wenig bedeutender Musiker und oberflächlicher Vielschreiber war; trotzdem zuletzt zu großem Vermögen gelangt, konnte er leider die Musik zum Vergnügen treiben und das Publicum mit faden Machwerken überschütten. Diesen vollständig zu besiegen, war St. ein leichtes, aber als Mann von Bildung fügte sich Hermann dieser Ueberlegenheit und kam seinem hochmüthigen Rivalen sogar mit Wohlwollen entgegen, um bei ihm dieselben trüben Erfahrungen zu machen, wie vorher Boyer. Steibelt’s Ruf wuchs mit jedem Tage. Der melodische Reichthum seiner Compositionen täuschte das Publicum über ihre innern Schwächen. Wie in ihnen größte Ungleichheit herrschte, indem sie bald überraschende Höhe der Inspiration, bald größte Mittelmäßigkeit darlegten, so war er auch als Virtuose unzuverlässig, einmal durch das Feuer seines Vortrags und die ihm geläufigen Effecte hinreißend, dann wieder durch Stillosigkeit, Manierirtheit und reizlosen, schlotterigen Anschlag verletzend. Trotzdem vergrößerte sich die Zahl seiner Verehrer. Die elegante Welt, der neugebackene Adel des Kaiserreichs drängten sich zu seinem Unterricht. Aber um eine glänzende, sorgenfreie Zukunft brachte ihn sein excentrisches, alles Zartgefühls ermangelndes Wesen. Er sah sich endlich genöthigt Paris zu verlassen und wieder seine Concerttournees aufzunehmen. Nachdem er Holland und England bereist, kam er, Oct. 1799, nach Hamburg, besuchte dann Dresden und Prag (wo er nur dem hohen Adel eine Akademie gab, die bei einem Entree von 1 Ducaten, ihm über 1800 fl. abwarf) und reiste von da, die Börse mit Goldstücken gefüllt, nach Wien. Hier hatte er aber das gleiche Schicksal, das er seinem Nebenbuhler in Paris bereitet hatte. Er beging in seinem Uebermuthe die Unbesonnenheit, sich mit Beethoven in einen Wettstreit einzulassen, in welchem er von demselben vollständig aufs Haupt geschlagen wurde. Man erzählte, daß er in einem seiner Concerte sehr mittelmäßige Variationen über ein Thema des Meisters improvisirt habe und daß auf diese Herausforderung sein Gegner ihm einige Tage später antwortete mit Variationen über einen armseligen Baß eines Steibelt’schen Trio, einem contrapunktischen [569] Wunderwerk. Das Publicum, völlig urtheilslos damals wie heute über den Werthunterschied beider Künstler applaudirte vorläufig dem einen wie dem andern. Ob diese Anecdote auf Wahrheit beruht, wird dadurch zweifelhaft, daß unter Beethoven’s Variationenwerken keines auf ein Steibelt’sches Thema sich befindet. Letzterer mag aber jedenfalls gefühlt haben, daß mit solchem Gegner nicht zu spaßen war. Er verließ Wien plötzlich, um über Berlin, wo er ebenfalls concertirte, wieder nach Paris zurückzukehren. Ueberall hatte seine außerordentliche Fertigkeit, Präcision, „Galanterie und Artigkeit“ (wie man in Dresden rühmte) vielen Beifall gefunden. In seinen Concerten begleitete ihn gewöhnlich seine junge, schöne Frau, eine Engländerin, selbst eine brave Pianistin, sehr niedlich auf dem Tambourin; ihr gesellte sich vielmals noch eine andere reizende Dame, die Triangel spielte. Solche Beigaben zogen stets massenhaftes Publicum an. St. gab derartigen Stücken den Namen „Bacchanale“. Dieser sein zweiter Aufenthalt in der Hauptstadt der Moden, wo er bereits in schlechtem Rufe stand und ihm die von ihm begangenen Verstöße gegen die Regeln guter Sitte den Zutritt in die Häuser und Gesellschaften angesehener Kunstfreunde unmöglich machten, hatte nicht den erhofften Erfolg. Auch der Umstand konnte ihm nicht helfen, daß er als Theilnehmer in das große Erard’sche Musikgeschäft eingetreten war. Er wandte sich daher bald nach London, wo er viele glänzende und einträgliche Concerte gab und eine Masse wenig bedeutender Clavierstücke veröffentlichte. Trotzdem mußte er bald erkennen, daß er auch hier feste Stellung nicht erringen könne; denn die gerade im Punkte der äußern Lebensführung und conventionellen Sitte und Haltung so empfindlichen aristokratischen Kreise Londons fühlten sich durch seine Persönlichkeit und sein Benehmen in gleichem Grade zurückgestoßen wie die Pariser. Dennoch entschloß er sich 1805 in Paris wieder sein Glück zu versuchen. In dem Wahne, daß man dort, wo er glaubte wie in Deutschland den stolzen Engländer und anmaßenden Franzosen spielen zu können, daß man in der großen Stadt seine Verstöße gegen Bescheidenheit und Genügsamkeit, überhaupt sein unerträgliches Verhalten und die beleidigende Art, die er gegen Collegen, gegen die Capellen, die ihn in seinen Concerten unterstützten, vielfach auch gegen höchste und fürstliche Personen anzunehmen pflegte, weniger bemerken und ahnden würde, sah er sich grausam enttäuscht. Allmählich war man auch da zur Einsicht gekommen, daß er durch seine Leistungen nur unterhalten und in Bewunderung setzen wollte; daß sein Spiel mehr Sache der Finger als der Seele war und daß er nur darauf ausging, Aufsehen zu erregen, Beifall und Einnahmen einzuheimsen. Aus diesem Grunde trug er nur solche Stücke vor, in denen er seine Vorzüge ins beste Licht stellen und in seinem festen Taktes ermangelnden Spiel willkürlich schalten konnte. Man erkannte allmählich, daß seine Compositionen nicht groß und originell, sondern vorwiegend nur brillant waren, nicht tief gearbeitet, aber effectvoll und angenehm. Trotzdem er es nur darauf absah, durch die Schnelligkeit und Elasticität seiner Finger zu brilliren, waren seine Passagen doch nicht gerade schwer; gründliche Arbeit und innerer Gehalt mangelten den meisten seiner Tonsätze, aber sie waren den Instrumenten angemessen, gefällig und wohlklingend. Uebrigens wenn es ihm darum zu thun war, vermochte er immer auch den Schüler des berühmten Kirnberger herauszukehren. Rochlitz empfiehlt z. B. seine 4-händigen Sonaten, in denen alles geleistet ist, was man von einem tüchtigen Tonsetzer erwarten kann, dem Publicum sehr. „Sie besitzen Reichthum der Harmonie ohne Ueberladung, Gedankenfülle im Rosengewand der Grazien, contrapunktische Kunst in lichtvoller Darstellung und eine dem Ohre wohlthuende Popularität im Ausdruck.“ Ebenso anerkennend wird seine der Mad. Bonaparte dedicirte große Sonate, in der er sich vom Gewöhnlichen und Flachen abwendet, [570] aber Erkünsteltes und Bizarres doch nicht ganz zu vermeiden mag, beurtheilt. Seine sehr vielen, meist schön gestochenen und fast nur höchsten Persönlichkeiten gewidmeten Clavierwerke vermochten ihn nicht vor Noth zu schützen und zuletzt (1808) sah er bei gänzlichem Mangel aller Subsistenzmittel sich genöthigt, sich seinen Gläubigern schnellstens durch die Flucht zu entziehen. Er wandte sich nun nach Petersburg und hatte das Glück, dort vom Kaiser an Stelle des soeben nach Paris zurückgekehrten Boieldieu erst zum Musikdirector der französischen Oper ernannt, dann als Capellmeister angestellt zu werden. Die letzte Periode seines französischen Aufenthaltes findet strenge Kritik: „Das Clavier ist gerade das Instrument, dessen höhere Ausbildung am wenigsten in Frankreich zu suchen ist. St. hat eine verwünschte Spielart eingeführt, – nachgeahmt und bereichert mit eigenen Fehlern von allen Clavierlehrern. – die das Instrument entstellt und wenn sie auch Dilettanten anzieht, doch dem Kenner abstoßend erscheinen muß. Ihre Hauptschwäche besteht in einem Mißbrauch der Pedale. Die Pianisten haben alle Werke berühmter Tonsetzer bei Seite gelegt und sich mit Leib und Seele dem Charlatanismus und kleinlichem Geschmack verschrieben, der in Steibelt’s meisten Arbeiten herrscht. Man kann sich kaum einen Begriff von der widrigen Manier machen, mit der man jetzt in Paris Clavier spielt.“ In Frankfurt a. M. und Leipzig, wo er auf der Durchreise concertirte, tadelte man, daß er keinen wahrhaft schönen Triller habe und die linke Hand auffallend gegen die rechte zurückstehe, daß er von Musik als einer Seelensprache nichts verstehe, weßhalb er vermied, Adagios, überhaupt Stücke in langsamem Zeitmaß vorzutragen, daß ein großer Mangel an Takt sein Ensemblespiel verkümmere, und daß, wer ihn einmal gehört, kein Verlangen trage, ihn öfter zu hören. – St. war aber nicht nur ein berühmter Pianist und Componist für sein Instrument, auch auf dem Gebiete der dramatischen Musik hat er sich hervorgethan, ja man kann behaupten, daß er hier bedeutenderes leistete, wie als Claviercomponist. Er schrieb die vom Baron de Ségur für ihn gedichtete 3actige Oper „Romeo et Juliette“, die, nachdem sie von der großen Oper zurückgewiesen worden, im Theater Feydeau in Paris 1793 mit durchschlagendem, ja sensationellem Erfolge und ebenso in Petersburg und Stockholm kurz vor seinem Tode zur Aufführung kam. St. erklärte dies Werk selbst für sein bestes (Andere halten die Oper „Cendrillon“ dafür) und widmete deren Partitur noch auf seinem Sterbebette dem König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, zum Dank für die von dessen Vorgänger empfangenen Wohlthaten. Eine Oper „Albert et Adelaide“, die auf Romeo gefolgt sein soll, ist weiter nicht bekannt geworden. Noch schrieb er das Ballet: „Le retour de Zephire“, 1802 gegeben.

Im Jahre 1800 führte er dem Pariser Publicum erstmalig die von ihm übrigens arg verballhornisirte „Schöpfung“ Haydn’s vor. Vicomte von Ségur hatte eine unglückliche Textübersetzung dazu geliefert. Trotzdem die Aufführung an dem Tage stattfand (3. Nivôse an IX), an dem bei der Fahrt des ersten Consuls ins Theater eine Höllenmaschine explodirte, was die Empfänglichkeit des Publicums nicht wenig beeinträchtigte, überstieg der Erfolg des herrlichen Werkes doch alle Erwartungen. Entgegen der begeisterten Stimme der Hörer, erklärt die Kritik dasselbe für „sehr ennuyant“. In London entstanden dann die beiden Ballets „La belle laitière“ und „Le jugement de Paris“. Nach der Rückkehr nach Paris die Cantate „La fête de Mars“, 1805 zur Feier des Sieges bei Austerlitz aufgeführt, und die Oper „La princesse de Babylone“, 1805. In Petersburg schrieb er noch „La fête de l’Empereur“, „Cendrillon“, 1809 und „Sargines ou L’élève de l'amour“ (der blöde Ritter?) 1810 und arbeitete zum zweiten Male „Romeo et Juliette“, auch „La princesse de Babylone“ um. Ueber der Composition der Oper „Le jugement de Midas“ starb er. Von der [571] Natur für Melodie förmlich prädestinirt, zeigt St. als Gesangscomponist neben manchem Ungenügenden bezüglich des reinen Satzes, solche Fülle der Erfindung, so richtigen Instinct für das dramatisch Wirkende, daß Mängel in der Stimmführung und Ungeschick in der Orchestrirung vor dem zu Rühmenden verschwanden und ihm stets der laute Beifall der Hörer sicher war. Auch 5 Hefte Romances und 5 Airs d’Estelle, sowie eine Sammlung patriotischer Gesänge hat St. hinterlassen. Er liebte es, in seinen Clavierstücken Tongemälde zu geben, so in den der Königin von Holland dedicirten Bacchanalen, in seinen Schlachtstücken, in seinen Concerten, Sonaten und Phantasien: „Le départ“; „Les adieux de Bayard à sa dame“; „Le départ de Paris pour St. Pétersbourg“; „Die Zerstörung von Moskau“; „Le retour de Cavallerie russe à Pétersbourg“ etc. Sonst gehören zu seinen besten Werken die Sonate Op. 64, der Mad. Clem. d’Epremesnil dedicirt; die Sonate Op. 69; das der Herzogin von Curland gewidmete Es-dur Concert; sein drittes Concert: „L’orage sur mer“, Op. 35; sein sechstes in g-mo11 „Voyage sur le mont Bernard“ und sein siebentes in e-mo11 „Conc. militaire“ mit Begleitung von 2 Orchestern. Als besonders werthvoll wird die auch ins Deutsche und Spanische übersetzte „Große Pianoforteschule mit 6 Sonaten und großen Uebungsstücken“ (Paris, Janet 1805) gerühmt (daraus 12 Exercices bei Breitkopf & Härtel). Weiter erschienen im gleichen Verlage, in dem wohl die meisten Werke Steibelt’s edirt sind, Op. 78 „50 Exercices de différents genres“. Ein möglichst vollständiges Verzeichniß seiner Compositionen bis zum Jahre 1813 gibt Gerber in seinem Neuen Tonkünstlerlexikon Bd. IV. Ein alles umfassender Katalog dürfte sich kaum herstellen lassen, da vieles in verschiedenen Ländern, mehrfachen Arrangements, mit doppelten Opuszahlen u. s. w. erschienen und das Meiste wohl bereits auch längst vergriffen ist. Die Unzahl der Steibelt’schen Compositionen, den man nicht mit Unrecht den Vanhall seiner Zeit genannt hat, der aber trotzdem hinter den Musikfabrikanten der Neuzeit zurücksteht, dürfte sich also classificiren lassen: 1 Ouverture in Form einer Sinfonie; die Schlacht bei Ulm f. Harmonie; 6 Streichquartette; 7 Clavier-, 1 Harfenconcert; 2 Clavierquintette; 1 Clavierquartett; türkische Ouvertüre f. Cl., V. und C.; 26 Clavier- und 6 Harfentrios; 115 Duos f. Cl. u. V.; 3 Duos f. Harfe u. Cl.; 6 Duos f. 2 Cl. oder Harfe u. Cl.; 12 vierhändige Sonaten; 77 Solosonaten f. Cl.; 45 Clavierrondos; 32 Fantasien; 21 Divertissements; 11 Hefte Studien; 12 Capricen; 20 Potpourris; 12 Bacchanales (mit Tambourin und Triangel); 2 Hefte Serenaden; 25 Partien Variationen; 6 Sonaten für Harfe; verschiedene Triumph-, Sieges- und Trauermärsche, Walzer und andere Tänze, petits Pièces u. s. w. Der letzte Abschnitt von Steibelt’s Leben, den er ruhig in Petersburg in gesicherter Anstellung verbrachte, war verhältnißmäßig ein freundlicher. Er konnte zwar weder an musikalischer Autorität noch an persönlicher Würde an seinen Vorgänger, Boieldieu, hinanreichen, doch bewährte er sich als gewandter, immer noch hohen Aufschwungs fähiger Musiker. Aber aus seinen Geldnöthen kam er bis zur letzten Stunde nicht. Er starb nach schmerzlicher langwieriger Krankheit im ungefähren Alter von 68 Jahren. Collegen und theilnehmende Freunde mußten zusammenlegen, um ein ehrenvoll-würdiges Begräbniß zu ermöglichen. Seine Familie hinterließ er in Noth; seines Sohnes einziges Erbtheil waren die vorhandenen Opernpartituren. Einer seiner Verehrer, der Graf Miloradowitsch, Kriegsgouverneur von Petersburg, übernahm die erste Sorge für die Hinterbliebenen und veranstaltete zu ihrem Besten ein Concert, dessen Programm aus Steibelt’schen Compositionen zusammengesetzt war. Einem Bericht der Leipz. mus. Zeitung zufolge fiel dasselbe sehr ungenügend aus, andrerseits liest man, daß es die Summe von 40,000 Rubeln ertragen habe. Alles [572] in Allem genommen war er, wenn auch nicht der größte Künstler s. Z. für den er sich selbst hielt, doch ein tüchtiger, über unerschöpflichen Ideenreichthum verfügender Musiker: er hat der Tonkunst keine neuen Bahnen erschlossen und ihre Grenzen nicht erweitert, aber er hat ihren Anbau fleißig gefördert, ihr bei unzähligen Liebhabern Eingang verschafft und Viele durch seine besseren Arbeiten erfreut. Auch das ist dankbaren Andenkens werth.