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ADB:Rochlitz, Johann Friedrich

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Artikel „Rochlitz, Johann Friedrich“ von Woldemar von Biedermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 85–91, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rochlitz,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 12. Dezember 2024, 15:15 Uhr UTC)
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Rochlitz **): Johann Friedrich R. ist geboren zu Leipzig am 12. Februar 1769, † ebenda am 16. December 1842. Sein Vater war Schneider daselbst, von dessen Söhnen einer 1813 als Postdirector zu Mitau starb, ein anderer beim väterlichen Handwerk verblieb, aber – nach seinen Töchtern zu schließen – in Betracht dieses seines Standes ein Mann von guter Bildung war. R. wurde seiner geistigen und besonders musikalischen Begabung wegen der, bekanntlich Musik vorzugsweise pflegenden Thomasschule seines Geburtsortes übergeben, wo er sich dann mit voller Seele dieser Kunst widmete und es darin soweit brachte, daß der damalige Cantor Doles kein Bedenken trug, eine ihm zufällig in die Hände gekommene Composition seines Schülers diesem unbewußt unter fremdem Namen durch das Thomanerchor am Himmelfahrtstage 1786 aufführen zu lassen. Trotzdem entschloß sich R. im 19. Jahre ernstlich für den gewählten Beruf als Theolog sich vorzubereiten und um darin durch seine Neigung für Musik nicht gestört zu werden, mit letzterer völlig zu brechen, sogar [86] sein Clavier zu verkaufen. Wenn man die Gründe dieser frühzeitigen Entschlußfestigkeit aus Rochlitz’ späterem Lebenslauf ableiten darf, so möchte man sie finden zwar einerseits in der Selbsterkenntniß, daß ihm die schöpferische Kraft eines großen Tonkünstlers versagt sei, andererseits aber in der Ueberzeugung, daß ihm ebendeshalb bei Erwählung der Musik als Berufsgegenstand die Befriedigung des ehrgeizigen Strebens, welches ihn antrieb, sich über die Verhältnisse, in denen er geboren war, zu erheben, nicht werde zu Theil werden. Indessen sah R. bald ein, daß wissenschaftlicher Fleiß mit Pflege musikalischer Genüsse nicht unvereinbar sei, und er gab seiner Lieblingsneigung sich wieder um so eifriger hin, als er der Musik mächtig sein mußte, wenn er Stellung als Hauslehrer suchte, was damals noch mehr als gegenwärtig der übliche Beginn der theologischen Laufbahn war. Nach nur zweijährigen Universitätsstudien fand nun auch R. 1791 Unterkommen als Hauslehrer bei einem Fabrikherrn in Crimmitschau, dem Landkammerrath Oehler. Er hoffte dort so viel ersparen zu können, daß er seine Studien zu beenden im Stande sei; doch sah er sich schon nach einem Jahre wegen Kränklichkeit genöthigt, seine Stelle wieder aufzugeben, und kehrte nach Leipzig zurück. Der Theologie wandte er sich jedoch nicht wieder zu: er fürchtete die Beschränktheit des Kreises, in den dann gebannt zu sein er sich gefaßt halten mußte, fühlte sich auch nicht so von Zweifeln frei, um als Geistlicher Pflicht und Ueberzeugung im Gleichgewicht zu erhalten. Er machte noch den Versuch, als Lehrer am Gymnasium zu Weimar durch Vermittlung des dortigen Oberconsistorialraths Böttiger angestellt zu werden; nachdem dies jedoch fehlgeschlagen, entschied er sich, als Schriftsteller sein Fortkommen zu suchen. Er trat nicht nur mit selbständigen wissenschaftlichen und erzählenden Schriften hervor, sondern bewarb sich auch um Mitarbeiterschaft bei Zeitschriften; er scheint darin so reichlichen Verdienst gefunden zu haben – er schrieb um diese Zeit einem Buchhändler, daß er nicht unter 10 Thalern für den Bogen arbeite – daß er im J. 1800 daran denken konnte, einem nicht begüterten, demungeachtet ziemlich verwöhnten Fräulein seine Hand anzutragen: der später als vielseitige Künstlerin bekannten Therese aus dem Winkel. Nachdem er ihre Zustimmung erlangt hatte, galt es, den Widerspruch ihres, damals als Major in Zeitz stehenden Vaters zu bekämpfen. Bei persönlicher Vorstellung gewann R. im Sturm das Herz desselben, nur verlangte der Edelmann von seinem künftigen Schwiegersohn die Erwerbung eines Ranges. Auf Böttiger’s Rath wandte sich R. deshalb an Goethe, dem er sich schon durch sein bereits in Weimar aufgeführtes Lustspiel „Es ist die rechte nicht!“ empfohlen hatte; durch Vermittlung desselben ward ihm denn auch der Rang eines herzoglich sächsischen Rathes verliehen. Zu dem beabsichtigten Zwecke konnte dies jedoch nicht mehr dienen. R. hatte von seiner Braut beansprucht, daß seine Mutter ihrer beiden künftigen Hausstand theile, die Mutter Theresens dagegen von demselben ausgeschlossen werde, da er einsah, daß das Zusammenleben mit den beiden Müttern dem häuslichen Frieden nicht zuträglich sein werde. Therese wollte jedoch ebenso wenig von ihrer Mutter lassen, und so brachten beide ihr gehofftes Glück der Kindesliebe zum Opfer.

In früherer Jugend, als R. noch nicht an Verheirathung denken durfte, nährte er eine zwar stille, aber andrerseits erkannte und still erwiederte Liebe für die Tochter eines reichen Leipziger Handelsherrn, Henriette Hansen; das Mädchen wurde jedoch bestimmt, mit einem ebenfalls reichen Geschäftsinhaber, Daniel Winkler (Sohn des durch seine Kunstsammlungen berühmten Gottfried Winkler) sich zu vermählen. Nach einigen Jahren wurde sie indessen Wittwe, und um dieselbe Zeit starb auch Rochlitz’ Mutter, die vielleicht auch der Verbindung mit Henriette hinderlich gewesen wäre. R. näherte sich nunmehr wieder [87] der Jugendgeliebten, und am 12. Februar 1809 führte er sie zum Altar. Um seiner Gattin etwas ihrem ansehnlichen Vermögen entsprechendes zu bieten, suchte er durch Goethe’s Gefälligkeit um einen höheren Titel nach, der ihm auch im Juli desselben Jahres, und zwar der eines sachsen-weimarischen Hofrathes zu Theil wurde (später, 1832, ward er noch durch den Falkenorden ausgezeichnet). Jene Heirath sicherte R. eine unabhängige angesehene Stellung in der Gesellschaft und bewahrte seine Selbständigkeit in der litterarischen Welt. Doch blieben Schattenseiten der ungleichen Verhältnisse nicht aus, indem über die Verwaltung des Vermögens seiner Stiefkinder später Zerwürfnisse eintraten, die auch zeitweilig Mißstimmungen zwischen den Gatten zur Folge hatten, wodurch sich R. um so tiefer betroffen fühlte, als er besonders vom Gemüth beherrscht wurde.

In den einfachen Gang seines Lebens brachte R. schon früh freundliche Abwechselung durch fast alljährliche kleine Reisen – meist innerhalb Sachsens, zuweilen jedoch darüber hinaus nach Weimar, Berlin, dem Rhein und Wien. Er knüpfte allerwärts theils wissenschaftliche und schriftstellerische, theils freundschaftliche Verbindungen an und unterhielt sie durch fleißigen Briefwechsel. Von bekannten Namen unter seinen Brieffreunden finden sich u. a. Bertuch, Musikdirector Bierey, Böttiger, Deinhardstein, Fouqué, Goethe, E. T. A. Hoffmann, Jacobs, Kind, v. Kügelgen, Musikdirector Lecerf, Lobe, Merkel, Geheimrath v. Mieg, Obersthofmeister v. Miltitz, Adam Müller v. Nitterdorf, Kanzler v. Müller, Minister v. Nostitz und Jänkendorf, Raupach, Schiller, Capellmeister Schneider, Kammerherr v. Tengnagel, Tieck, Frhr. v. Truchseß, Minister v. Voigt, K. M. v. Weber, Wieland; von Frauen: Freifrau v. Bechtolsheim, Gräfin Tina Brühl, Wilhelmine v. Gersdorf, Caroline v. Pichler. Von Rochlitz’ Briefen sind vollständig – soweit vorhanden – nur die an Goethe gedruckt in „Goethe’s Briefwechsel mit F. Rochlitz“ (Leipzig 1887, F. W. v. Biedermann) und darin auch Bruchstücke aus seinen Briefen an seine Frau, an Frhr. v. Truchseß und an Kanzler v. Müller, Auszüge sind gegeben in: Friedrich Johann Rochlitz und Friedrich Schneider, Mittheilungen aus den Briefen von Rochlitz und Schneider, hrsg. von Hosäus (Dessau 1885). Sodann stehen: ein Brief an Schiller in Briefe an Schiller, hrsg. von Urlichs, ein Brief an C. v. Pichler in Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten, hrsg. von K. v. Holtei, ein Brief an eine ungenannte Dame in Neue Zeitschrift für Musik, XVII. Band, Bruchstücke aus Briefen an Böttiger im Goethe-Jahrbuch, I. Band und in Akademische Blätter, hrsg. von Sievers.

In seiner schriftstellerischen Thätigkeit entwickelte R. große Mannichfaltigkeit: dichterisch, lehrhaft, wissenschaftlich. Diese verschiedenen Richtungen hielt er aber in den einzelnen Erzeugnissen nicht scharf auseinander; denn seine Erzählungen verfolgen gewöhnlich durchsichtig den Zweck, darin Lebenserfahrungen lehrhaft niederzulegen und in seinen geschichtlichen Darstellungen legt er größeren Werth auf die unterhaltende Wirkung hübscher Anekdoten als auf wissenschaftliche Feststellung strenger Wahrheit, oder er erzählt geradezu geschichtliche Begebenheiten in novellistischer Ausschmückung. Seine erste Schrift ließ R. 1794 erscheinen: „Zeichnungen von Menschen nach Geschichte und Erfahrung“. Dem Schreiber dieses ist es nicht gelungen, dieselbe zu Gesicht zu bekommen; sie war vermuthlich eine ähnliche Sammlung wie die zweibändigen „Erfahrungen aus dem Tagebuch eines unbemerkten Mannes, gesammelt für Jünglinge und Mädchen“ (1796 und 1797). Im zweiten Bande derselben befand sich die Erzählung „Karl’s Aufenthalt in Norden“, welche nachmals umgearbeitet unter dem Titel „Victor’s Reise, um Menschen kennen zu lernen“, im zweiten Theile [88] der „Charaktere interessanter Menschen in moralischen Erzählungen dargestellt zur Unterhaltung in einsamen ruhigen Stunden“ (1800), dann wieder als vierter Band der „Neuen Bibliothek für Freunde einer erheiternden und geistreichen Lectüre“ (1807) und endlich im dritten Bande der „Auswahl des Besten aus Friedrich Rochlitz’ sämmtlichen Schriften“ (1821) erschien. Es ist die Geschichte eines Hofmeisters (Hauslehrers), der sich in die Tochter seines vornehmen Principals verliebt und im Streben sich emporzubringen, endlich traurig zu Grunde geht. Man möchte glauben, daß eigene Erfahrungen und Bestrebungen diese Erzählung veranlaßt haben, zumal R. das Mißliche von Verbindungen zwischen Personen ungleicher Lebensstellungen noch in anderen Erzählungen, wie in den „Verwandten“ (1802 und 1803) darstellt. Neben vielen auf Erziehung zum Leben abzielenden Erzählungen schrieb R. mehrere „Skizzen“ genannte Schilderungen kleiner Begebnisse und beschränkter Zustände, oder Betrachtungen über Lebensverhältnisse. Rochlitz’ Productionen nennt daher Goethe „Blüthen einer wirklichen Welt“. Ebenfalls früh dichtete R. für die Bühne und übergab 1795 Früchte dieser seiner Thätigkeit der Oeffentlichkeit in den „Lustspielen für Privattheater“, vielleicht nur durch den Titel verschieden vom „Taschenbuch für Freunde des Privattheaters“ von demselben Jahre. Auf öffentlichen Bühnen aufgeführt ist aber wohl – nachdem ein auf der Privatbühne der Herzogin von Kurland in Sagan gegebenes Stück von dem Hoftheater in Weimar 1799 abgelehnt worden war – keines vor dem Lustspiel „Es ist die rechte nicht“, welches unter Goethe’s Bühnenleitung in Weimar zuerst am 12. Februar 1800 und dann bis 1803 noch siebenmal, überdies auch 1807 durch die weimarischen Hofschauspieler in Leipzig über die Bretter ging. Außerdem kamen von Rochlitz’ Lustspielen in Weimar auf die Bühne: 1801 „Jedem das Seine“; 1804: „Revanche“; 1805 „So geht’s!“ (gedruckt in Goethe’s Briefwechsel mit Rochlitz). Das gleichfalls eingereichte Lustspiel „Liebhabereien, oder die neue Zauberflöte“, erbat sich R. in richtiger Erkenntniß des geringen Werthes desselben zurück, während er auf Darstellung des unter Schiller’s Vermittelung gleichfalls vorgelegten Märchenspiels „Parisade und Brahman“ (nebst Vorspiel „Khosru Schah von Persien“) wegen Kostspieligkeit der orientalischen Ausstattung verzichten mußte. Nach 1820 wurde noch durch Goethe’s Vermittelung Rochlitz’ Lustspiel „Die Freunde“ in Weimar vorgeführt. Auch musikalische Bühnenstücke schrieb R.; er bearbeitete da Ponte’s „Don Juan“ zu Mozart’s Tonschöpfung. sowie die von Paer componirte Oper „Lenore, oder Spaniens Gefängniß bei Sevilla“ für die deutsche Bühne, und sein Singspiel „Das Blumenmädchen“ wurde mit Benda’s Musik 1806 in Berlin gespielt, in Weimar kam es nicht dazu. R. bemühte sich auch die altgriechische Tragödie mit ihrer musikalischen Begleitung wieder zu beleben und trat schon 1802 mit Goethe deshalb in Vernehmen; da dieser Rochlitz’ Ansichten über die Beschaffenheit der dramatischen Musik der Griechen wahrscheinlich fand, bearbeitete letzterer „Antigone“ von Sophokles, und sie kam am 30. Januar 1809 – zum Geburtstage der Herzogin Louise – zur Aufführung, auch später noch dreimal, aber außerhalb Weimars wohl nirgends. Dem ungünstigen Urtheile von Philologen, z. B. Passow’s, über diese Bearbeitung ist wenig Gewicht beizulegen, da R. Anpassung an deutsche Bühnenverhältnisse vorzugsweise beabsichtigt hatte; ob sein Verfahren bei Anwendung der Musik dem griechischen entsprach, mag zweifelhaft sein. Rochlitz’ lyrische und epigrammatische Gedichte geben zu keiner Bemerkung Anlaß. Von seinen geistlichen Liedern hat er einige in das 1831 von ihm zusammengestellte Leipziger Gesangbuch aufgenommen, in das Gesangbuch für das Königreich Sachsen sind jedoch keine davon übergegangen.

[89] In späteren Jahren wandte R. der Theologie seine Neigung wieder zu und ihr gehört außer der gedachten Gesangbuchsbearbeitung seine Schrift an: „Heilige Schriften des neuen Testaments. Das Evangelium Matthäi. Nach M. Luther’s deutscher Uebersetzung. Mit nöthigen Nachhülfen zur häuslichen Erbauung christlich gesinnter Leser und Leserinnen unserer Zeit“ (1835). Rochlitz’ geschichtliche Arbeiten sind hauptsächlich Lebensbeschreibungen, wie die von Marcus Junius Brutus; die meisten haben Künstler zum Gegenstand, und überhaupt war die bedeutendste und folgenreichste Wirksamkeit Rochlitz’ auf die Kunst, theils auf die bildenden Künste, vor allem aber auf die Tonkunst gerichtet. Ueber einen Gegenstand der ersteren sich zu äußern, gab gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die durch den Baudirector Dauthe und Professor Oeser ausgeführte Erneuerung des Innern der Nicolaikirche Anlaß; er besprach dieselbe 1797 in der Schrift: „Einige Ideen über die Anwendung des guten Geschmacks auf die religiösen Versammlungshäuser der Christen“. Da R. vom künstlerischen Standpunkte aus einigen, wenn auch gelind gefaßten Tadel über diese Herstellung ausgesprochen hatte, so fand darin der Bürgermeister Müller – der sich umso mehr persönlich getroffen fühlen mochte, als das allgemeine Urtheil R. Recht gab – eine Verletzung der der leitenden Obrigkeit schuldigen Rücksichten und veranlaßte Einziehung und Vernichtung der Schrift. – Noch schrieb R. in dieser Richtung im Octoberheft des Teutschen Merkur von 1799 über Oeser’s Gemälde in der Hauptkirche zu Chemnitz. Seiner Freude an Kunsterzeugnissen gab der Erwerb eines Theiles der Sammlungen Gottfried Winkler’s von Gemälden, Handzeichnungen und Kupferstichen Nahrung; er selbst fuhr fort zu sammeln, insbesondere Handzeichnungen und vermachte nachmals diese Schätze dem Großherzog und der Großherzogin von Sachsen. R. veranstaltetete öfters Vereinigungen von Kunstfreunden in seinem Hause, um mit ihnen bei gemeinschaftlichen Betrachtungen von Werken der zeichnenden Künste deren Genuß zu erhöhen. Schriftstellerisch äußerte er sich in dieser Richtung vornehmlich durch die Lebensbeschreibung Joachim von Sandrart’s, in Briefen unterhielt er Verbindung mit Künstlern wie Gerhard v. Kügelgen und Julius Schnorr v. Carolsfeld. Als letzterer in Rom lebte, sprach er sich gegen ihn unterm 9. Januar 1818 mit voller Entschiedenheit gegen das damals blühende Nazarenerthum aus, nicht des – ihm vielmehr zusagenden – Gegenstandes wegen, sondern weil ihm das im Sinne dieser Schule Dargestellte als geistlose Nachahmung der Vergangenheit erscheine, daher nicht aus dem Innern des Künstlers hervorgegangen und dem Genius der Zeit aufgedrungen sei.

Diejenige Kunst indessen, die schon auf der Thomasschule den Knaben fesselte, begleitete auch den Mann vorherrschend sein ganzes Leben hindurch. R. zuerst wandte die Lehren der Kantischen Philosophie auf die Tonkunst an in der 1797 herausgekommenen Schrift: „Blicke in das Gebiet der Künste und der praktischen Philosophie“. Berufsmäßigen Anhalt zu fortdauernder Beschäftigung mit Musik gab ihm aber die Allgemeine Musikalische Zeitung, die zu Michaeli 1798 von R. als – ungenanntem – Herausgeber und dem musikverständigen Buchhändler Gottfried Christoph Härtel als Verleger gegründet wurde. Sie entwickelte sich bald in einer Weise, daß sie sowohl inner- als außerhalb Deutschlands als die bedeutendste aller musikalischen Zeitschriften anerkannt war und einen Einfluß in der musikalischen Welt erlangte, wie dies wohl auch späterhin keine wieder erreichte. R. konnte nach den von allen Seiten an ihn gelangenden Zuschriften und Nachrichten trotz seiner Bescheidenheit (gegen Böttiger am 8. März 1824) von sich sagen, daß er als Musikkenner ohne Nebenbuhler sei. Er führte die Leitung der Zeitung bis 1818, entzog ihr aber auch später seine Mitwirkung [90] nicht. Er sorgte nicht allein für vorzügliche Mitarbeiter, sondern lieferte selbst ausgezeichnete Aufsätze: theoretische, geschichtliche, biographische, kritische, novellistische. In den ersten Jahren schrieb er das Blatt fast allein. Goethe sagt von Rochlitz’ musikwissenschaftlichen Arbeiten: „Wie viel ihm die gebildete Welt hierin schuldig geworden, ist kaum mehr zu sondern; denn seine Wirkungen sind schon in die Masse der Nation übergegangen, woran er sich dann in einem höheren Alter uneigennützig mit allgemeiner Beistimmung vergnügen kann“. Seiner Wirksamkeit kam sehr zu statten, daß die trefflichen Leipziger Gewandhausconcerte Hand in Hand mit ihm gingen; als später seine Stimme im Vorstande derselben zu bedeutender Geltung gelangt war, betrieb er die Berufung Felix Mendelssohn-Bartholdy’s zum Director der Concerte, durch welchen sie zu einem europäischen Rufe sich erhoben und das Musikleben Leipzigs überhaupt auf einer ansehnlichen Höhe erhielten. Seine Beiträge hat R. in der Allgemeinen musikalischen Zeitung gewöhnlich mit Namen, oder doch mit dessen Anfangsbuchstaben gezeichnet, in späteren Zeiten jedoch nicht mehr; so sind z. B. ohne Unterschrift: in der Nummer vom 14. Januar 1885: „Das ähnlichste Bild Beethoven’s“ und in den Nummern vom 9. und 16. September 1835: „Einige kleine historisch-kritische Bedenklichkeiten über den berühmten Herrn Capellmeister Cherubini, wohnhaft in Paris“. Die werthvollsten seiner, für die genannte Zeitung geschriebenen Aufsätze sammelte R. in dem Werke „Für Freunde der Tonkunst“, zuerst 1824 und 1825 in zwei Bänden, 1830 bis 1832 auf vier vermehrt. Seine letzte wichtige musikgeschichtliche Veröffentlichung war „Sammlung vorzüglicher Gesangstücke der anerkannt größten, zugleich für die Geschichte der Tonkunst wichtigsten, die eigene Ausbildung für diese Kunst und den würdigsten Genuß an derselben förderndsten Meister der für Musik entscheidenden Nationen, gewählt, nach der Zeitfolge geordnet und mit den nöthigsten historischen und anderen Nachweisungen herausgegeben von F. Rochlitz“ (1838 bis 1840). Auch als Tonsetzer war R. noch in männlichen Jahren thätig; seine Compositionen von Liedern und kirchlichen Dichtungen sind in Fink’s Deutsche Liedertafel aufgenommen. Obwohl einige davon häufiger gesungen worden sind, kann doch diesen Compositionen kein Werth beigelegt werden. Von verschiedenen belletristischen periodischen Schriften finden wir R. als Herausgeber, und zwar 1805 und 1806 vom „Journal für deutsche Frauen von deutschen Frauen geschrieben. Besorgt von Wieland, Schiller *), Rochlitz und Seume“. Dieses Journal wurde 1807 und 1808 abgelöst durch: „Selene. Zugleich als Fortsetzung des Journals für deutsche Frauen herausgegeben von F. Rochlitz“. Nach längerer Unterbrechung gab er wieder heraus: „Frauenzimmer-Almanach zum Nutzen und Vergnügen“ für die Jahre 1817–1820, endlich 1824–1827: „Mittheilungen in Verbindung mit Böttiger d. j., Bührlen, v. Fouqué, v. Houwald, Jacobs, v. Miltitz, Raupach, Suabedissen und Wellentreter **) herausgegeben von F. Rochlitz“. Ferner war R. Mitarbeiter bei mehreren Zeitschriften und Taschenbüchern, so bei dem Teutschen Merkur, Bouterwek’s Neuer Vesta, dem Frankfurter Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet, Becker’s Taschenbuch des geselligen Vergnügens, dem Berliner Damenkalender, der Wiener musikalischen Zeitung, den Wiener Jahrbüchern der Litteratur, dem Leipziger Allgemeinen Repertorium der neuesten in- und ausländischen Litteratur, der Allgemeinen Encyclopädie u. a. Von Rochlitz’ anonym erschienenen Aufsätzen sind hervorzuheben: [91] „Wilhelm Meisters Wanderjahre von Goethe“ im Allgemeinen Repertorium von 1821, „Aus meinem Leben von Goethe“, 5. Theil, ebenda 1823; „Goethe’s neueste, in der letzten Ausgabe seiner Werke zuerst bekannt gemachte Schriften“ in den Jahrbüchern der Litteratur, 50. Band ; endlich „Ueber Goethe“, ebd. 60. Band.

Die letztgedachten Arbeiten geben Anlaß, einiges über Rochlitz’ Verhältniß zu Goethe überhaupt zu sagen. Die persönliche Bekanntschaft beider schreibt sich aus dem Jahre 1800 her, von da an haben sie in ziemlich regem Briefwechsel gestanden, wovon die Mehrzahl – 156 Briefe – noch erhalten sind, die der Verfasser gegenwärtiger Biographie in der erlangbaren Vollständigkeit herausgegeben hat in „Goethe’s Briefwechsel mit Friedrich Rochlitz“. R. bemüht sich in seinen Briefen den oft säumigen Goethe zu öfterem Schreiben zu bewegen und ist glücklich, wenn Goethe ihm Freundlichkeiten erweist, aber wie seine Eitelkeit ihn antreibt, die Verbindung mit dem Allgefeierten zu beleben, so verletzt es wiederum seine Eitelkeit, daß jener seine Hingebung nicht mit wärmsten Freundschaftsbezeugungen erwiedert; daher einerseits seine ausgesuchte Schönrednerei gegen Goethe, aber andererseits Mäkeleien über diesen gegen Dritte, so daß selbst der, mit Goethe nicht auf gutem Fuß stehende K. A. Böttiger den Krittler zurechtzuweisen in die Lage kam. Im allgemeinen hielt Goethe aber gute Stücke auf R. und schätzte in ihm einen der wenigen, die für seine Dichtungen feines Verständniß hatten, obschon dies nicht immer tief ging, so daß er z. B. (in Brief an Böttiger vom 5. October 1799) „Luise“ von Voß über Goethe’s „Hermann und Dorothea“ stellte. In den Tag- und Jahresheften nennt Goethe öfters R. und seine Werke.

In seinen Briefen, nicht bloß in denen an Goethe, ist R. recht weitläuftig; er war mittheilungsbedürftig und schüttete gern sein Herz aus. Ebenso ist er in den zur Veröffentlichung bestimmten Schriften ziemlich breit, aber trotzdem nicht klar; nicht als ob er sich des Auszusprechenden nicht bewußt wäre oder die Sprache mangelhaft beherrschte, vielmehr will er nicht mit der Sprache heraus; er ist gewissermaßen zu ängstlich, um deutlich zu sein. Sein Stil hat einen Anflug von rührendem Humor und milder Satire, was seine Quelle in der zum Ausdruck kommenden unbefangenen Betrachtung des Lebens hat. Seine Schilderungen lesen sich gut, regen zum Nachdenken an und hinterlassen angenehme Stimmung. R. verlebte ein ruhiges Alter; er schrieb 1835 an Propst Stieglitz: „Wenn sonst nicht eben vieles, so kommt doch uns beiden zu Haus und Hofe: Wohl dem im Alter, der in der Jugend etwas Tüchtiges tüchtig gelernt hat.“

R. starb am 16. December 1842. Lebensschilderungen desselben unter selbständiger Benutzung ungedruckter Quellen finden sich in Gerber’s Neuem Lexikon der Tonkünstler (von 1802) und im 45. Bande der Allgemeinen Musikalischen Zeitung – beide von R. selbst; dann im Leipziger Tageblatt, 1843, Nr. 18, wieder abgedruckt in Nr. 7 vorgenannter Zeitung desselben Jahres; im Neuen Nekrolog der Deutschen, 20. Jahrgang, im II. Theil von „Goethe und Leipzig. Von W. Frh. v. Biedermann“, sowie im IV. Band „Für Freunde der Tonkunst.“ Von F. Rochlitz, 3. Auflage. Auch in vorstehendem Aufsatz sind mehrere Thatsachen handschriftlichen Quellen entnommen. Bildnisse von R. sind veröffentlicht in einem Stich nach Veit Schnorr v. Carolsfeld’s Gemälde im I. Band der „Auswahl des Besten aus F. Rochlitz’ sämmtlichen Schriften“ (1821) und darnach in Goethe’s Briefwechsel mit Rochlitz, sowie in einem, R. als Greis darstellenden Steindruck im 44. Jahrgang der Allgemeinen Musikalischen Zeitung.


[85] **) Zu Bd. XXVIII, S. 727.

[90] *) Der Name des inzwischen verstorbenen Schiller blieb vom 6. Hefte an weg. Schiller war aber nicht, wie Goedeke sagt, nur „nominell“ aufgeführt.

[90] **) Heinroth.