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ADB:Steigleder, Hans Ulrich

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Artikel „Steigleder, Hans Ulrich“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 592–593, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steigleder,_Hans_Ulrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 11:07 Uhr UTC)
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Steigleder: Hans Ulrich St., ein tüchtiger Orgelspieler und Componist für sein Instrument. Das neuerdings erschienene Geschichtswerk von Josef Sittard über die Stuttgarter Hofcapelle setzt uns endlich in den Stand, die Steigleder’sche Familie als Organisten in einem Zeitraume von über 100 Jahren verfolgen zu können. Ein Utz St. ist um 1534 Organist an der Hofcapelle in Stuttgart, ein Ulrich St. wird von 1546 bis 1555 in den Acten angeführt. Ein Zeitgenosse Hans Ulrich’s, mit Vornamen Adam, vielleicht ein Bruder desselben, war um 1617 Organist in Ulm. Von ihm finden sich in Woltz’ Tabulaturbuch von 1617 zwei Orgelsätze. Der Bedeutendste der Familie war jedenfalls Hans Ulrich. Ritter in seiner Geschichte des Orgelspiels (Lpz. 1884, S. 151) gibt seine Geburt um 1590 an. Diese Jahreszahl ist wol nur eine [593] muthmaßliche Annahme. Da wir aber nun durch Sittard’s Untersuchungen wissen, daß er am 9. October 1635 in Stuttgart starb, so kann man wol seine Geburt um 20 Jahre zurücklegen. Er soll nach Ritter zuerst Organist in Lindau am Bodensee gewesen sein, bis er von da aus als Stiftsorganist nach Stuttgart berufen wurde. Sittard schwankt in der Jahreszahl seiner Berufung; Bd. I, S. 34 führt er ihn schon im J. 1605 als Stiftsorganist an und S. 297 nennt er 1617 das Jahr seiner Berufung. Nach einer Verfügung vom 30. Mai 1627 hatte er auch bei der Kammermusik, Capell- und Hofmusik aufzuwarten. Sein Gehalt betrug 122 Gulden an Geld, 2 Scheffel Roggen, 24 Scheffel Dinkel, 3 Eimer und 4 Imi Wein und 40 Pfd. Lichte. Welchen Meister er zum Lehrer hatte, darüber sind wir nicht unterrichtet. Merkwürdig ist die Uebereinstimmung in Form und Inhalt mit Sweelinck; es läßt sich nur etwa der Schluß daraus ziehen, daß sich Sweelinck’s Werke sehr schnell verbreitet und überall Nachahmung gefunden haben. Die Bibliothek des Gymnasiums zum grauen Kloster in Berlin besitzt einen Band mit Orgelcompositionen von Sweelinck, Scheidt und einen Satz von St. Letzterer ist mit „Phantasie in D“ überschrieben und hat die Form einer Doppelfuge oder eigentlich zweier Themas, die von vornherein gegen einander contrapunktiren. Der Satz enthält neben manchem Vortrefflichen viel ungenießbare Stellen, die zwar nicht ungeschickt gemacht sind, aber durch ihre Langweiligkeit den rechten Fluß hemmen. Auch der plötzliche Wechsel von beweglich figurirten Stellen zu sich langsam hinschleppender Bewegung stört das Ebenmaaß. Man sieht so recht, daß sich die reine Instrumentalmusik noch in den Kinderschuhen befindet. Sie ist wol auf dem richtigen Wege, weiß aber die Lücken zwischen den verschiedenen Einsätzen des Themas noch nicht mit Geschmack und Geschick auszufüllen. Erst ein Seb. Bach lehrte die Kunst, die Zwischenspiele aus einem Motive des Themas zu bilden und durch Modulation und Steigerung das Interesse wach zu erhalten. St. gab 1627 in Straßburg bei Marx ein „Tabulatur-Buch“, d. h. Orgelbuch, heraus, welches den Choral Vater unser in der alten lutherischen Weise vierzig Mal variirt. Ritter druckt daraus zwei Variationen ab, Nr. 87 und 88 seiner Beispielsammlung. Die erstere der mitgetheilten Variationen beruht auf einem chromatisch herabgehenden Thema und klingt oft ganz barbarisch für unsere an Wohlklang gewöhnten Ohren. Die zweite Variation dagegen, Nr. 88, beruht auf einem figurirten Thema, welches wohlklingend und geschickt gehandhabt ist. Trotz aller Härten und Ungeschicklichkeiten tritt doch überall das Bestreben hervor, ein Thema oder Motiv nach allen Seiten hin auszunützen, und dies gibt seinen Werken einen gewissen historischen Werth, denn nur durch das Festhalten an diesem Grundsatze gelangte die Kunst endlich zu einer geschlossenen Form mit werthvollem Inhalte, der nicht nur den Verstand ergötzte, sondern auch dem Gefühl Rechnung trug. Das oben erwähnte Druckwerk von 1627 ist in den Monatsheft. f. Musikgesch. XIX, 13 ausführlich mit Auszügen beschrieben.