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ADB:Steiger, Wilhelm

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Artikel „Steiger, Wilhelm“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 591–592, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steiger,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:13 Uhr UTC)
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Steiger: Wilhelm St., reformirter Theologe, † 1836. St. war der Sohn des im Kanton Aargau in der Schweiz angestellten Geistlichen Johannes St. und wurde am 9. Februar 1809 geboren[1]. Theils im elterlichen Hause, theils in Schaffhausen vorgebildet, bezog der begabte Jüngling, erst 17 Jahre alt, die Universität Tübingen, wo damals Steudel und der jüngere Bengel lehrten. Nach des Letzteren Tode wandte er sich nach Halle, wo er den Rationalismus noch in größter Blüthe antraf, aber, von ihm abgestoßen, sich Tholuck zuwandte und in ihm seinen geistlichen Vater fand. 1827 kehrte er in die Heimath zurück, erhielt 1828 in Aarau die Ordination und lebte dann ein Jahr in der französischen Schweiz. Hier erwärmte er sich ganz besonders für die gläubigen Separatisten und vertrat ihre Sache in Wort und Schrift. Das brachte ihn in Beziehungen zur Hengstenbergischen Kirchenzeitung, an welcher er von da an eifrig mitarbeitete. Das hatte wieder zur Folge, daß er 1829 selbst nach Berlin übersiedelte und drittehalb Jahre dort zubrachte; doch lebte er hier hauptsächlich seiner eigenen Fortbildung und litterarischen Arbeiten. Diese waren seiner Grundstimmung nach damals polemisch gehalten. So erschienen mit Bezug auf den Halleschen Streit, als dort die Professoren Wegscheider und Gesenius wegen häretischer Vorlesungen denuncirt worden waren, Steiger’s „Bemerkungen über die Hallesche Streitsache und die Frage, ob die evangelischen Regierungen gegen den Rationalismus einzuschreiten haben“ (Leipzig 1830, anonym), hauptsächlich gegen Bretschneider gerichtet, und sein erstes unter seinem Namen herausgegebenes Buch „Kritik des Rationalismus in Wegscheider’s Dogmatik“ (Berlin 1830), in [592] welchem er mit unverhohlenem jugendlichen Unmuthe den Rationalismus durch Anwendung seiner eigenen Principien zu schlagen suchte. Wichtiger als seine Polemik wurden seine positiv bauenden Werke, zu denen er bald darauf sich wandte. 1832 erschien „Der erste Brief Petri, mit Berücksichtigung des ganzen biblischen Lehrbegriffs“ (Berlin). In den Bahnen Tholuck’s wandelnd, welcher in seinem Commentar zum Römerbriefe zum ersten Male die Auslegungen der Kirchenväter herangezogen hatte, um das Verständniß der früheren Jahrhunderte zumal der ältesten Zeit für die Gegenwart nutzbar zu machen, brachte auch St. in seiner Auslegung die Auffassungen der alten Interpreten reichlich herbei, doch lag ihm noch mehr daran, den Text des Briefes selbst in seinem ganzen Gehalte hervortreten zu lassen. Er widmete dieses Buch dem theologischen Comité der (methodistisch-) evangelischen Gesellschaft in Genf, welche eine theologische Schule zur Bildung gläubiger Geistlicher gestiftet und gerade jetzt St. zum Professor der neutestamentlichen Exegese berufen hatte. Von Ostern 1832 an wirkte er in dieser Stellung, und seinen Vorlesungen wurde nachgerühmt, daß sie in seltener Weise deutschen Gedanken die rechte französische Form zu geben verstanden. Seine Schüler hingen mit großer Liebe an ihm und nach seinem Tode hat einer derselben nach Collegienheften Steiger’s „Introduction générale aux livres du N. T.“ (Genève, Lausanne et Paris 1837) herausgegeben. 1833 und 1834 erschienen von St. und Hävernick edirt „Mélanges de théologie réformée“ (Heft 1 und 2, Genève et Paris), die Anfänge einer Zeitschrift, die indeß nicht fortgeführt wurde. Darauf lieferte der fleißige Autor einen Commentar zum Briefe an die Kolosser („Der Brief Pauli an die Kolosser. Uebersetzung, Erklärung, einleitende und epikritische Abhandlungen.“ Erlangen, Heyder 1835); er sollte der erste Theil eines Commentars über die kleinen paulinischen Briefe werden. Neu war an diesem Werke, daß er Einleitung und Interpretation reinlich schied; in der Einleitung gab er das, was der Interpret anders woher als aus dem Briefe selbst erfährt; was sich dagegen durch die Interpretation ergibt, wurde in einer Schlußbetrachtung vor Augen gestellt. Eine Uebersetzung, im Ausdruck und in der Satzbildung dem Texte möglichst conform, wurde hinzugefügt, um ein Gesammtbild des Auszulegenden und Ausgelegten zugleich zu geben. Bei diesem ersten Theile ist es verblieben; denn die Fortsetzung des geplanten Werkes hinderte der Tod. Die angestrengten Arbeiten machten den ohnehin durch körperliche Leiden gedrückten unermüdlichen Arbeiter frühzeitig erlahmen; noch nicht 27 Jahre alt, erlag er am 9. Januar 1836 einem Nervenfieber unter Hinterlassung einer Wittwe und eines Söhnchens. Wie sein Aeußeres, so hat auch sein Charakter Manche an Calvin erinnert.

Vgl. (Schmidt’s) Neuer Nekrolog der Deutschen. Vierzehnter Jahrg. 1836. Zweiter Theil (Weimar 1838) S. 986 und den Artikel St. von K. F. Steiger in Herzog-Plitt-Hauck, Real-Encyclopädie für prot. Theol. und Kirche XIV (1884), 658–59.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 591. Z. 20 v. u. l.: 1809 zu Gontenschwyl (Aargau) geboren. [Bd. 45, S. 673]