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ADB:Strudel, Peter

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Artikel „Strudel, Peter Freiherr v.“ von Karl Weiß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 641–643, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Strudel,_Peter&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:45 Uhr UTC)
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Strudel: Peter Freiherr v. St., Maler, geboren 1660 zu Cles im Nonnsberger-Thale Südtirols, † am 4. Oct. 1714 in Wien. St. war der Sohn des zu Cles in Südtirol ansässig gewesenen Bildhauers Johann St. und der jüngere Bruder des Bildhauers Paul Freiherrn v. St., von welchem S. 640 oben die Rede gewesen. Nachdem er sich als Maler bei dem in Venedig gebildeten Giovanni Carlo Lotto ausgebildet und wahrscheinlich im Hause seines Vaters auch als Bildhauer Kenntnisse erworben hatte, trat er zuerst in die Dienste des Johann Wilhelm, Pfalzgrafen am Rhein und Kurfürsten von Heidelberg, des Schwiegersohns Kaiser Leopold’s I., wo er die Stelle eines Hofmalers und wirklichen Kämmerers bekleidete. Wahrscheinlich auf Empfehlung seines Gönners kam er ungefähr um das Jahr 1685, nach Wien zu einer Zeit, in welcher bereits sein Bruder Paul in kaiserlichen Diensten stand und die Stadt die Schrecken und Verwüstungen der zweiten Türkenbelagerung noch nicht überwunden hatte. Zunächst finden wir ihn aber nicht allein damit beschäftigt, sich seiner Kunst zu widmen, sondern sein Augenmerk darauf gerichtet, zur Erhaltung seiner zahlreichen Familie in Gemeinschaft mit seinem dritten Bruder Dominik andere gewinnbringende Unternehmungen ins Leben zu rufen. Er zog mit den siegreichen kaiserlichen Truppen nach Ungarn und leistete bei der Belagerung Ofens so gute Dienste, daß er nach dem Entsatze der Festung im J. 1686 sich um ein Haus in Ofen und einige Grundstücke daselbst zur Errichtung einer Papierfabrik für Ungarn mit einem auf 30 Jahre dauernden Privilegium bewarb. Als letzteres fehlschlug, wollte er im J. 1687 einen Ziegel- und Kalkofen bei Wissegrad errichten und auch nach dem Fehlschlagen dieses Planes im J. 1688 den Branntweinpacht für Pest und Ofen unternehmen, jedoch gleichfalls ohne Erfolg. In demselben Jahre kehrte Peter St. nach Wien zurück und widmete sich nunmehr seinem eigentlichen Berufe. Er erwarb eine ausgedehnte Grundfläche in der heutigen Waisenhausgasse in der Alservorstadt und erbaute sich hier – nach Erweiterung der Grundstücke – mitten unter Weingärten ein schönes, reich ausgeschmücktes Wohnhaus mit einem kunstvoll angelegten Garten. Begünstigt von dem kunstliebenden Kaiser Leopold I., welcher im Wetteifer mit Ludwig XIV. alles daran setzte, den Aufschwung der einheimischen Industrie und des Handels zu fördern und durch Heranziehen fremder, meist italienischer Künstler ein reiches, prunkvolles Hofleben in seiner Residenzstadt zu entfalten, wurde Peter St. zum Hof- und Kammermaler ernannt und ihm die ungewöhnlich hohe Besoldung jährlicher 3000 Gulden unter der Bedingung gewährt, daß seine Thätigkeit jedes Jahr acht Monate dem Kaiser gewidmet sein solle. Doch die zahlreichen, am Hofe erhaltenen Aufträge genügten nicht seinem Ehrgeize. Er faßte im J. 1692 den Entschluß, eine Akademie für Malerei und Bildhauerei zu errichten, wozu er die Unterstützung des Kaisers in Anspruch nahm. Ursprünglich bestand seine Absicht, die Akademie in die innere Stadt zu verlegen, doch es scheint nicht dazu gekommen zu sein, sondern dieselbe blieb in den ausgedehnten Räumen des Strudelhofes, wie seine Besitzung in der Alservorstadt hieß. Der Kaiser unterstützte das Unternehmen nicht bloß mit Geld, sondern vertraute ihm auch die in Rom erworbenen kostbaren Antiken für den Unterricht zur Benutzung an. Da St. zur Errichtung und Erhaltung seiner Akademie ein Capital von 15 000 Gulden aufzunehmen genöthigt war, so gab ihm der Kaiser im J. 1700 zur Deckung dieser Schuld eine Summe von 12 000 Gulden. In Anerkennung seiner hervorragenden künstlerischen Leistungen und seiner großen Verdienste um die Gründung der Akademie erhob ihn der Kaiser mit Diplom vom 20. März 1701 in des heil. römischen Reiches Freiherrnstand mit dem Prädicate „Strudl de Strudenhoff“ und verlieh ihm zugleich die Würde eines kaiserlichen Truchseß. [642] In diesem Diplome, welches ihn im bombastischen Stile jener Zeit „Apelles“ gleichstellt, führt er auch zuerst den Titel: Präfect der Akademie. Trug diese Akademie bisher den Charakter eines subventionirten Privatinstitutes, so gab ihr Kaiser Josef I. im J. 1705 die Eigenschaft einer öffentlichen Anstalt, welcher auch fernerhin St. als Präfect vorstand. Außer seinen Bezügen als Hofmaler von 3000 Gulden wurden ihm in letzterer Eigenschaft 1000 Gulden angerechnet. Das Wiener Diarium vom 19. December 1705 erwähnt, daß die Akademie zwei Tage vorher unter großem Zulauf von ausländischen Künstlern und Schülern eröffnet wurde. Auch jetzt blieb die Akademie ohne besondere Dotation. Selbst von dem Freiquartiere in der Satlerischen Behausung am Stock-im-Eisenplatz, um welches sich St. im J. 1707 für die Akademie bewarb, scheint er keinen Gebrauch gemacht zu haben; vielmehr dürfte nach allen bisherigen Nachforschungen die Tradition berechtigt sein, daß St. die Akademie wie bisher im Strudelhofe bis zu seinem, im J. 1714 erfolgten Tode fortführte. Noch weniger ist bekannt, daß die Akademie eine bestimmte, den Lehrgang und die äußere Stellung berührende Organisation hatte. Es dürften ihn jedoch beim Unterrichte sein Bruder Paul und Dominik unterstützt haben. Thatsächlich wurde die Anstalt nach dem Tode des Künstlers aufgehoben, und sie feierte erst unter Kaiser Karl VI., im J. 1725, ihre Wiedergeburt. – Die Bedeutung Strudel’s kommt nach dem hier geschilderten Lebenslaufe nach doppelter Richtung hin in Betracht. Als Begründer der ersten Akademie hat er – wie Lützow in seiner Geschichte der Wiener Akademie hervorhebt – das große Verdienst, im Einklange mit den Anschauungen der Renaissance den Kunstjüngern gezeigt zu haben, daß das Wesen der Kunst auf einem Erfassen des Ganzen, auf einer allgemeinen theoretischen und praktischen Bildung beruhe. Er durchbrach die Schranken, mit welchen, wie an anderen Orten, auch in Wien die verknöcherten Zünfte die Künstler umgaben. In seinem Hause zahlreiche Schüler versammelnd, welche die handwerksmäßige Ausbildung verschmähten, wies er diese an der Hand der ihm zu Gebote gestandenen Werke auf das Studium der Antike hin und ermöglichte ihnen, durch Modelle den Unterricht nach der Natur zu pflegen, allerdings in der Auffassung des damals zur höchsten Blüthe, aber auch zur größten Verwilderung gelangten italienischen Barokstiles. – Ein Vertreter des italienischen Barokstils war St. auch als ausübender Künstler, was sich aus seinem ganzen Bildungsgange und seinem Verweilen am Wiener Hofe, welcher damals der Sammelpunkt zahlreicher italienischer Künstler war, erklären läßt. Als ein Meister der decorativen Malerei erwies sich St. in der Ausschmückung der Decken und Kuppeln, mit welchen er die Paläste des Prinzen Eugen (heute kaiserl. Belvedere) und des Fürsten Schwarzenberg am Rennweg, des königlich sächsischen Lustschlosses in Groß-Sedlitz u. a. m. schmückte; die Gemälde sind zwar in der Regel derb und breitgemalte Compositionen allegorischen und mythologischen Inhalts, Genien mit Blumen und Spruchbändern u. dgl., sie erinnern aber durch ihre lebendige Bewegung und ihr kräftiges Colorit an die guten Traditionen der älteren Zeit. Ein Theil dieser Decorationsbilder sind heute noch vorhanden. Höher an Werth sind seine eigentlichen Bilder, die theils aus historischen, theils as mythologischen Compositionen und aus Porträts bestehen und theils in einigen Kirchen Wiens, wie in der Hofkammercapelle und der Rochuskirche auf der Landstraße, theils in den verschiedensten Galerien, wie im Belvedere und in der fürstlich Liechtenstein’schen Galerie in Wien, in der Dresdener Galerie, im königlich bairischen Schlosse in Schleißheim u. s. w. anzutreffen sind (Nagler, Künstlerlexikon XVII, 496). Seine Berühmtheit, welche ihn vielfach beschäftigte und seiner Kunstschule einen weitverbreiteten Ruf verschaffte, machte ihn zu einem wohlhabenden Manne, welcher dafür die Neigung besaß, auf großem [643] Fuße zu leben. Bevor noch vor ungefähr 15 Jahren der alte Strudelhof umgebaut wurde, zeigte derselbe in den Innenräumen noch die Ueberreste der prachtvollen Ausstattung, welche die älteste Heimstätte der Wiener Akademie besaß. Er hinterließ bei seinem Tode einen einzigen Sohn mit Namen Johann Wilhelm Strudel Baron v. Strudendorff.

Karl v. Lützow, Geschichte der k. k. Akademie der bildenden Künste, Wien 1877. – J. G. Schlager, Georg Raphael Donner, Wien 1848.