ADB:Stubenberg, Joseph Graf von

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Artikel „Stubenberg, Joseph Graf von“ von Alois Knöpfler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 705–708, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stubenberg,_Joseph_Graf_von&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 05:27 Uhr UTC)
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Stubenberg: Joseph Graf St., Bischof von Eichstätt und Erzbischof von Bamberg, stammte aus dem gräflichen Geschlechte der von Stubenberg-Stubegg-Gattenberg. Geboren am 8. November 1740, wurde er, da sein Oheim, Graf Anton Strassoldo, Bischof von Eichstätt war, mit seinem Bruder Felix für den geistlichen Stand bestimmt und kam mit Letzterem schon frühzeitig in das Domcapitel zu Eichstätt. Er sollte bestimmt sein, in überaus schwerer Zeit, 1790–1824, den Hirtenstab des hl. Willibald zu führen. Nach dem Tode des Fürstbischofs Anton von Zehmen, 23. Juni 1790, einigte sich das in sich gespaltene Domcapitel endlich am 21. September j. J. in einer geringen Majorität von Stimmen auf Jos. v. St., ohne zu ahnen, daß es nun sein Wahlrecht zum letzten Mal ausgeübt. Wenn der Gewählte auch keine hervorragenden Geistesgaben besaß, so hatte er doch all jene Eigenschaften, die einem katholischen Bischof in Zeiten ernster Prüfung vor allem nothwendig sind: heroische Standhaftigkeit, unverzagtes Gottvertrauen und treues Pflichtgefühl. Als bei der Consecrations- und Inthronisationsfeier des neuen Fürstbischofs, 13. bis 25. November 1790, all der Pomp entfaltet wurde, wie er damals an kleinen und kleinsten Höfen Deutschlands [706] in gedankenloser Nachahmung Versailler Etiquette im Schwange war, dachte wol keiner der Festgäste daran, daß die Tage solch kleinlicher Großmannssucht bereits gezählt seien. Während man am fürstbischöflichen Hofe zu Eichstätt als wichtigste Tagesfragen die neue Galalivrée, die Uniform der Hofräthe (rother, goldgestickter Frack mit apfelgrüner Weste) und den Rangstreit der Collegial-, Hof-, Kammer-, Regierungs- und Dikasterialräthe, sowie der Officiere verhandelte, ballten sich im fernen Westen bereits die Wolken zu einem verheerenden Gewittersturm zusammen, und während dort das Blut der glaubenstreuen Priester bereits in Strömen floß, stritt man sich in Eichstätt noch, ob der Emigré, Fürstabt von Andlaw, mit „Euer Liebden“ oder „Hochfürstliche Gnaden“ anzureden und ob bei seiner Auffahrt „das Spiel zu rühren sei“. Doch gab es bald ein ernstes Erwachen aus dem kindlichen Traum; von 1792 an drängten sich die Ereignisse von folgenschwerster Bedeutung. Im Januar 1792 wurden die Neujahrsfestlichkeiten in unliebsamer Weise durch die Nachricht unterbrochen, Preußen sei durch die Erwerbung der Fürstenthümer Ansbach und Baireuth (Vertrag mit Markgraf Alexander vom 2. Dec. 1791) Eichstätts unmittelbarer Nachbar geworden. Anfänglich freilich war die Nachbarschaft noch eine leidliche, von 1796 an aber erhob ersteres verschiedene Besitz- und Rechtsansprüche, die Eichstätt als der kleinere und schwächere Theil in den wirren Zeiten erfolgreich nicht abzuweisen vermochte. Weit schrecklicher jedoch wurde Bisthum und Bischof in den von 1792–1802 mit geringen Unterbrechungen sich hinziehenden Kriegsjahren gebrandschatzt und zwar von Feind und Freund. Immer hatte Eichstätt das Mißgeschick, auf Seite der Unglückspartei zu stehen. Die Kriegsjahre 1792–94, 1796 und 1800 hatten dem Fürstbisthum über eine Million Gulden baares Geld gekostet, abgesehen von ungeschätzten Verlusten an Besitz und Eigenthum durch die verschiedenen durchziehenden Heere. Während der schweren Tage solch bitterer Heimsuchung blieb Fürstbischof St. helfend und tröstend inmitten seiner Heerde; nur vor den Horden der Jakobiner flüchtete er sich zweimal nach Einsetzung einer Statthalterschaft, Juli 1796 nach Graz in Steiermark und Juni 1800 in preußisch-ansbachisches Gebiet. Als er aus diesem zweiten Exil am 19. April 1801 zurückkehrte, fand er sein Land durch Requisitionen aller Art vollständig ausgesaugt und mit einer Schuldenlast von fast zwei Millionen Gulden belastet; außerdem hatte der Friede von Luneville am 9. Februar 1801 factisch seinen Fürstenthron bereits zusammengeschlagen. Noch ehe der Reichsdeputationshauptschluß die Säcularisation sanctionirte, waren bereits am 30. August 1802 bairische Truppen in Eichstätt eingerückt, um einen längst gehegten Wunsch endlich zu verwirklichen und vom Bisthum angeblich „provisorisch“ Besitz zu ergreifen. Nachdem der Fürstbischof seinen Unterthanen noch gegen 800 Schaff Korn um mäßigen Preis abgegeben, entband er sie durch Patent vom 27. November 1802 ihrer staatsbürgerlichen Pflichten gegen ihn. Hierin zeigte St. seine wahre Geistesgröße, daß er die weltliche Fürstenkrone neidlos von sich legte, um nur mehr den Hirtenstab zu führen, und dadurch zeichnete er sich auch vortheilhaft vor den meisten anderen deutschen Bischöfen aus, die, ärgerlich über die gewaltsame Deposition, mit dem Fürstenhut auch die Insul von sich warfen und ihre Heerden treulos verließen. St. aber hielt treulich Wacht am Dome des hl. Willibald, rettete, was zu retten war und ermöglichte so einen regelrechten Fortgang der bischöflichen Regierung und allmählichen Uebergang in die neu zu regulirenden Verhältnisse.

Schon vor der Säcularisation des Bisthums war dem Bischof eine andere schmerzliche Kränkung widerfahren. Im J. 1800 war durch Kurbaiern die Universität Ingolstadt nach Landshut verlegt worden, ohne irgend welche Rücksichtnahme auf die seit Gründung derselben im J. 1472 stets gewahrten Diöcesan- [707] und Cancellariatsgerechtsame des Eichstätter Bischofs. Ja, Letzterer erhielt auf sein unter dem 12. Mai 1800 an den Kurfürsten Max Josef gerichtetes diesbezügliches Schreiben nicht einmal eine Antwort und am 24. Mai j. J. verließen Senat und Professoren Ingolstadt, ohne sich beim Fürstbischof-Kanzler zu verabschieden.

Auch während der politisch so sturmbewegten Zeiten verabsäumte der Bischof seine Hirtenpflichten nicht. In den Jahren 1794 und 1795 nahm er die Visitation der Pfarreien und Klöster persönlich vor, später ließ er sie durch seinen Bruder, den Weihbischof Felix v. St., abhalten. Das Lyceum academicum in Eichstätt, sowie das Seminar setzte er in einen tadellosen Stand. Regelmäßig wohnte er den Disputationen, Preisvertheilungen u. s. w. mit seinem Domcapitel und Hofstaat an. Die theatralischen Auswüchse bei den Charfreitagsprocessionen, Ueberreste der alten Passionsspiele, suchte er auszumerzen. 1798 versandte er ein neues Diöcesanrituale und schärfte dem Clerus dessen Einhaltung genau ein. 1795 erbat er sich vom Papste für seine Diöcese einen Jubelablaß zur Besserung der schlimmen, gefahrvollen Zeiten. Den zahlreichen Welt- und Klostergeistlichen, die, vor den Jakobinern flüchtend, aus allen Theilen Frankreichs nach Eichstätt kamen, gewährte der Bischof nach Kräften gastliche Aufnahme.

Kaum hatte Baiern vom Fürstenthum Besitz ergriffen, als dasselbe sofort wieder unter anderes Scepter, des Großherzogs von Toscana, kam, 1803–1806, in welch letzterem Jahre es erst definitiv mit Baiern vereinigt wurde. In dieser Zwischenzeit, von der Säcularisation bis zur definitiven Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse im J. 1817, suchte der Bischof sowol kirchlichen Besitz wie kirchliche Rechte nach Thunlichkeit zu schützen und zu vertheidigen, sowol unter toskanischer wie unter bairischer Herrschaft, freilich mit nur geringem Erfolg. Der Versuch, durch baldigen Abschluß eines Concordats zu geregelten Verhältnissen zu kommen und an kirchlichen Gerechtsamen und Besitzungen noch zu retten, was zu retten wäre, scheiterte an der Einsprache Napoleon’s, des Protectors des Rheinbundes. So wurden auch in Eichstätt wie im übrigen Baiern die jura circa sacra nach Montgelas’schem System durchgeführt, die Diöcese verlor ihre Klöster, das einst blühende Lyceum, alle Studien- und Wohlthätigkeitsanstalten, nur das Seminar verblieb noch dem Bischof, der gegen all diese Verordnungen nur machtlose Proteste erheben konnte. Doch vermochte er die Errichtung eines geplanten sog. Generalseminars in Eichstätt, sowie auf dem Wiener Congreß 1815 die Pläne Dalberg’s und Wessenberg’s auf Errichtung einer deutschen Nationalkirche hauptsächlich durch den in Eichstätt 1812 errichteten sog. „litterarischen Verein“ zu hintertreiben.

Endlich sollten nach langen, verheerenden Wirren die Verhältnisse Eichstätts durch das zwischen Baiern und Rom am 5. Juni 1817 abgeschlossene Concordat eine neue Regelung finden. Die Circumscriptionsbulle „Dei ac Domini“ vom 1. April 1818 bestätigte die Diöcese Eichstätt in ihrem früheren Umfang und Josef I. als Inhaber des Stuhles des hl. Willibald. Es wird als Anerkennung des loyalen Verhaltens und der pflichttreuen Ausdauer des Bischofs v. St. angesehen werden dürfen, daß ihm neben Eichstätt zugleich auch der erzbischöfliche Stuhl von Bamberg angeboten und am 18. Februar 1818 auch übertragen wurde. Neue Prüfung kam für den greisen Bischof durch das dem Concordat angehängte Religionsedict vom 26. Mai 1818, wegen dessen er den ihm abverlangten Verfassungseid verweigern zu müssen erklärte. Nach wiederholter Aufforderung leistete er denselben nur mit der vom Erzbischof von München-Freising aufgestellten Clausel, „daß er ihn zu nichts verpflichte, was gegen die Lehren und Gesetze der katholischen Kirche sei“. Nun erhielt er am 14. Nov. 1821 durch den päpstlichen Nuntius Franz Serra de Cassano als Erzbischof [708] von Bamberg und Administrator des Bisthums Eichstätt das Pallium. Die Erzdiöcese Bamberg hat freilich der bereits mehr als 80jährige Erzbischof persönlich nie betreten, wol aber hat dieselbe seine väterliche Fürsorge erfahren. Am 11. November 1821 wurde in seinem Namen das Metropolitancapitel durch den Bischof von Würzburg, Freiherrn v. Groß, als Generalvicar und päpstlichen Vicar feierlich installirt und am 3. December j. J. erfolgte durch denselben die feierliche Inthronisation des Erzbischofs. Von da an suchte St. durch väterliche Pastoralschreiben wie durch Errichtung der nöthigen erzbischöflichen Stellen und Aemter für geordnete Verwaltung, Erweckung und Stärkung des christlichen Geistes in der Erzdiöcese nach besten Kräften zu sorgen. Am 29. Januar 1824 verkündete die große Domglocke zu Eichstätt den Tod des letzten Fürstbischofs und ersten Erzbischofs von Bamberg. In dem Condolationsschreiben an das Metropolitancapitel vom 1. Februar 1824 nennt der päpstliche Nuntius den verstorbenen Erzbischof „praesulem generis, animi ingeniique nobilitate, doctrina, consilio, pietate vitaeque sanctitate omnium spectatissimum, patrem pauperum, cleri lumen atque praesidium et maximum episopalis ordinis ornamentum“.

Jul. Sax, Die Bischöfe u. Reichsfürsten von Eichstätt 745–1806, Landshut 1884. – Schematismus v. Bamberg f. d. Jahr 1827; sowie schriftliche Mittheilungen aus dem Bamberger Metropolitan-Archiv.