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ADB:Theudis

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Artikel „Theudis“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 736–737, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Theudis&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 19:58 Uhr UTC)
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Theudis, König der Westgothen (a. 531–549), war Ostgothe und Waffenträger, richtiger wohl Gefolge Theoderich’s des Großen, der seinen Enkel Amalarich, den waffenunreifen Sohn Alarich’s II. und der Theodegotho, vor den Angriffen Chlodovech’s und der Anmaßung eines Bastards Alarich’s II., siegreich gerettet hatte (s. Theoderich den Großen) und nun als Muntwalt des Knaben die Regentschaft im Westgothenreiche führte. Zu seinem Stellvertreter hierbei bestellte er seinen Feldherrn Th. Aber dieser gewann schon bei Lebzeiten Theoderich’s durch Heirath mit einer reichen Spanierin solche Machtstellung in dem Lande, daß er eine starke Leibwache (Gefolgschaft?) und eine Schaar von 2000 anderen ihm ganz ergebenen Truppen um sich versammelte, und nun dem Namen nach zwar als Vertreter und Statthalter Theoderich’s, in Wahrheit aber als unabhängiger Herrscher im Westgothenreich gebot. Der König konnte wohl aus Furcht vor den Franken oder vor völliger Losreißung der Westgothen nicht wagen, mit Gewalt Th. abzusetzen: er gewährte dem Anmaßer lieber ausdrücklich, was er ihm nicht entreißen konnte, die lebenslängliche Heerführerschaft des Heeres in Spanien, und begnügte sich mit der Jahresschatzung, die Th. seinerseits willig zahlte, auch sonst den Befehlen Theoderich’s willfahrend: nur aus Spanien und nach Ravenna ließ er sich nicht locken. Gleichwohl war Th. nicht mächtig genug zu hindern, daß nach Theoderich’s Tod (526) der nun waffenreife Amalarich gemäß früherer Anordnung des großen Königs den Westgothenthron bestieg: [737] nun hörte jede Abhängigkeit vom Ostgothenreich, auch die Jahresschatzung auf, der westgothische Königsschatz, der, aus Carcassonne vor Chlodovech’s gierigen Händen gerettet, nach Ravenna geflüchtet worden, ward jetzt nach Spanien zurückgebracht. Erst als Amalarich im Kampfe mit den Merovingen untergegangen war (531), trat Th. wieder hervor, vermuthlich durch Hülfe des vielleicht von ihm gegen Amalarich empörten Heeres. Nachträglich scheint eine Volksversammlung die Erhebung bekräftigt zu haben. Da er den Schwerpunkt seiner Macht – das Grundeigen seiner Gattin – in Spanien fühlte, überließ er die Verwaltung des gothischen Besitzes in Gallien einem Statthalter in Narbonne: er selbst weilte meist zu Barcelona, die unermüdlichen Versuche der Merovingen, Gallien seine „natürliche Grenze“, – die Pyrenäen – zu gewinnen, abzuwehren. Schon 531/532 vertrieben sie die Gothen aus dem Gebiet von Beziers, 542 drangen sie in Spanien ein, nahmen Pampelona und bestürmten Saragossa, das aber durch den auf den Mauern in feierlichem Umzug unter Psallirung umher getragenen Rock seines Schutzheiligen, des hl. Vincentius, gerettet ward. Nachdem sie das Flachland der tarraconischen Provinz verwüstet hatten, wurden sie auf dem Rückzug in den Schluchten der Pyrenäen von dem verfolgenden Th. so hart bedrängt, daß sie vernichtet worden wären, hätten sie nicht einen Theil ihrer Raubbeute Sanct Avitus zu Orléans gelobt und andrerseits, das Reale mit dem Idealen verbindend, den gothischen Feldherrn Theodigisel (ob. S. 708) bestochen, ihnen einen Tag und eine Nacht freien Abzug mit jener Beute zu gönnen; ihre Nachhut aber ward – wahrscheinlich von Th. selbst – ereilt und aufgerieben.

Wichtiger als diese Abwehr der fränkischen Einfälle wurden Theudis’ Beziehungen zu Nordafrika, diesem für Spanien so lockenden, aber auch gefährlichen Gegenüber. Zwar hatte er den Vandalen die angerufene Hülfe versagt, da Gelimer’s Gesandte von der Siegesbotschaft Belisar’s überholt worden waren: allein als nun Justinian das Vandalenreich in Afrika vernichtet hatte (534), und im vollen Zuge war, das Ostgothenreich in Italien zu vernichten, da war es wohl nicht nur vetterschaftliche Freundschaft, daß Th. dem Hülferuf seines Gesippen, des Ostgothenkönigs Ildibad (544), entsprach: zu klar leuchtete ein, daß alsbald nach Vernichtung des zweiten Germanenreiches Justinian durch Belisar und Narses dem dritten auf der pyrenäischen Halbinsel das gleiche Schicksal zu bereiten versuchen würden: – wie er es denn ja auch wenige Jahre später, wie von Vandalen und Ostgothen, auch von Westgothen in Thronstreitigkeiten ins Land gerufen, mit anfänglich viel verheißendem Erfolg unternahm. So suchte denn Th. seinem Vetter in Italien Luft zu machen, indem er, zugleich zu eignem Vortheil, die Byzantiner in Afrika beschäftigte: er rüstete Heer und Flotte und entriß in glücklichem Handstreich den Kaiserlichen Ceuta, jenen für jeden Angriff aus Nordafrika auf Spanien wichtigen Brückenkopf. Solchen Werth legte er auf diesen Besitz, daß er, als Ceuta nach seiner Rückkehr verloren ging, nochmals ein Heer gegen die Stadt sandte. Das ließ sich aber – wie weiland die Vorfahren unter Alarich I. bei Pollentia – in der frommen Feier eines Sonntags durch den Doppelangriff der minder frommen kaiserlichen Schiffe und der ausfallenden Belagerten überfallen und vernichten: nun gab Th. jenen Plan zunächst auf: vier Jahre darauf ward er zu Sevilla ermordet.

Quellen und Litteratur: s. Dahn, Die Könige der Germanen II, 1862, S. 151 f.; V, 1870, S. 116–121.