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ADB:Trommsdorf, Johann Bartholomäus

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Artikel „Trommsdorff, Johann Bartholomäus“ von Bernhard Lepsius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 641–644, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Trommsdorf,_Johann_Bartholom%C3%A4us&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 11:34 Uhr UTC)
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Trommsdorff: Johann Bartholomäus T., bedeutender Pharmaceut und Chemiker, Begründer des Journals der Pharmacie, Professor an der Universität Erfurt, wurde daselbst am 8. Mai 1770 geboren, † am 8. März 1837. Der Name T. ist in Erfurt seit anderthalb Jahrhunderten mit der Pharmacie und Chemie eng verknüpft; im J. 1734 erwarb Hieronymus T. die dortige Schwanen-Ring-Apotheke und noch heute ist eine Erfurter Apotheke im Besitze der Familie. Hieronymus T. hinterließ die Apotheke 1768 seinem Sohne Wilhelm Bernhard, der Professor der Medicin an der dortigen kurmainzischen Universität war und Leibarzt des damaligen Statthalters von Erfurt, des Coadjutors Karl v. Dalberg. Er starb 1782 im Alter von 43 Jahren und da die Apotheke, welche er nicht selbst betrieben hatte, in verschuldeten Zustand gerathen war, so mußte sich seine Wittwe, eine überaus thatkräftige Frau, die Tochter eines mainzischen Beamten, Namens Schellhorn, entschließen, das Geschäft selbst zu übernehmen, um ihre neun Kinder, deren ältestes, Johann Bartholomäus, damals zwölf Jahre alt war, erhalten und erziehen zu können. Es war unter diesen Umständen natürlich, daß der Sohn den Beruf des Großvaters ergriff. Man ließ ihn noch zwei Jahre das Gymnasium besuchen und gab ihn dann zu dem weimarischen Leibarzt und Bergrath Bucholz in die Lehre, dessen Apotheke eines großen Rufes genoß. Obwohl T. hier vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit den groben und rein mechanischen Arbeiten eines damaligen „Gesellen“ und mit der persönlichen Bedienung seines Lehrherrn betraut war, so machte er sich in den Nachtstunden dessen reichhaltige Büchersammlung durch eifriges Studium und Anfertigung von Auszügen aus den wichtigsten chemischen Lehrbüchern [642] so gründlich zu Nutze, daß Professor Crell in Helmstedt eine Abhandlung des „Lehrjungen“ in seine Chemischen Annalen (1787) aufnehmen konnte. Nach drei Jahren kehrte T. in die Heimath zurück, wo sich seine Mutter inzwischen mit dem Professor der Medicin Planer, einem Freunde seines Vaters, verheirathet hatte, unter dessen Leitung er sich noch für ein halbes Jahr dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften widmete. Die nächsten anderthalb Jahre finden wir ihn als Defectarius bei dem Apotheker Zitelmann in Stettin, welcher mit seiner Apotheke ein großes Chemikalienlager und Drogengeschäft verband, wodurch T., dem der Versand der Waaren anvertraut war, seine Kenntnisse wesentlich bereichern konnte. Seine Studien ruhten dabei nicht; 1789 gab er eine „Allgemeine Uebersicht der Salze“ heraus, die in Gotha auf vier Foliotafeln erschien. Der plötzliche Tod seines Stiefvaters veranlaßte ihn, nach Hause zurückzukehren und die Apotheke selbst zu übernehmen, um der Mutter die Sorge für die Geschwister zu erleichtern. Planer war, wie der Vater Trommsdorff’s, Leibarzt bei Dalberg gewesen und so fand auch T. Gelegenheit, mit diesem wohlwollenden Manne in nähere, ja vertraute Beziehungen zu treten und dadurch zugleich mit einem Kreise bedeutender Persönlichkeiten, wie dem Präsidenten v. Dachröden, den beiden Humboldts, dem Astronomen Zach und den beiden Herzögen Ernst und August von Gotha.

Dem regen Trommsdorff’s genügte die Beschäftigung mit der handwerksmäßigen Apothekerkunst nicht, welche damals einer rohen Empirie und einer marktschreierischen Geheimnißkrämerei verfallen war. Das Wissen des Apothekers beschränkte sich auf wenige Handgriffe. Ohne Kritik waren die unglaublichsten „Heilmittel“ in den damaligen Arzneischatz aufgenommen und man staunt, wenn man beispielsweise in einer Pharmakopöe vom Jahre 1786 Medicamente findet wie: Mondmilch, Alabaster, Bergkrystall, gestoßenes Glas, Perlmutter, weißer Hundsdreck, getrocknete Kröten, Schweinszähne, Menschenhirnschale und ähnliche Dinge, oder wenn daselbst zur Bereitung eines heilsamen Oeles zwei junge Hunde, zwölf lebendige Frösche und acht Loth lebende Regenwürmer verwendet werden.

Diesem mittelalterlichen Unfug konnte nur gesteuert werden, wenn der wissenschaftlichen Kritik Eingang in die Apothekerkunst verschafft wurde. Dazu aber war jetzt gerade der richtige und mögliche Zeitpunkt gekommen; die Chemie, bis dahin eine verachtete Dienerin der Goldmacherkunst und der Medicin, hatte eben ihr Haupt erhoben und für sich den ihrer würdigen ungeschmälerten Rang einer Wissenschaft in Anspruch genommen; noch wogte der Kampf um ihre Fundamente. Die Phlogistontheorie, auf deutschem Boden erstanden, fand auch hier ihre eifrigsten Vertheidiger. Auch T. gehörte noch zu den Anhängern der Stahl’schen Lehre, aber die Macht der Thatsachen und die eigene Beobachtung lassen ihn bald den Irrthum erkennen, aus dem die falsche Theorie erwachsen, und nicht ohne Erfolg ist er sogleich bemüht, einen ihrer letzten und scharfsinnigsten Vertheidiger, den Professor Gren in Halle, für die neue Anschauung zu gewinnen. Trommsdorff’s Verdienst ist es, diesen Zeitpunkt erkannt zu haben. Die kritische Methode auch in der Pharmacie zur Geltung zu bringen, die wissenschaftliche Chemie hier zur Gesetzgeberin zu machen, zugleich den Bildungsgrad und den ganzen Stand seiner Fachgenossen auf ein höheres Niveau zu erheben, das waren die Ziele, deren Erreichung und Erstrebung er sich zur Aufgabe seines Lebens gemacht und die er bis an sein Ende mit seltener Energie und unermüdlichem Fleiße verfolgt hat. Um auf die Fachgenossen einwirken zu können, bedurfte es zunächst eines geeigneten Organs. Er gründete daher 1794 das Journal der Pharmacie für Aerzte, Pharmaceuten und Chemiker. Diese erste pharmaceutische Zeitschrift der Welt wurde bald der Sammelplatz aller wissenschaftlichen [643] Bestrebungen auf dem Gebiete der pharmaceutischen Wissenschaften. Unter Trommsdorff’s Leitung erreichte sie in zwei Folgen die Anzahl von 53 Bänden und als er sich dann 1834 von der Redaction zurückzog, war es kein Geringerer als Justus Liebig, der dem Journal in seinen „Annalen der Pharmacie“ eine würdige Fortsetzung schuf, aus denen später die heutigen „Annalen der Chemie“ hervorgegangen sind. Es ist nicht möglich auf die zahlreichen Abhandlungen näher einzugehen, welche in dem Journal aus Trommsdorff’s Feder stammen; neben rein wissenschaftlichen Untersuchungen sind die Aufsätze von Interesse, in denen er sich über allgemeine Angelegenheiten an seine Fachgenossen wendet, ihr Standesbewußtsein zu stärken, Mißbräuchen zu begegnen, die Erziehung und Belehrung der Gehülfen zu discutiren und die Nothwendigkeit einer wissenschaftlichen Vorbildung des Apothekers klar zu machen.

Das zweite, noch wirksamere Mittel, den Bildungsstand der Fachgenossen zu heben, erkennt T. in der Beschaffung brauchbarer und auf der Höhe der Wissenschaft stehender Lehr- und Handbücher. Da es daran fast gänzlich mangelt, so vergeht fast kein Jahr, ohne daß ein solches oft vielbändiges Werk seiner nie rastenden Feder entfließt. Schon während seines Aufenthaltes in Stettin 1790 entstand ein „Kurzes Handbuch der Apothekerkunst“, bald darauf, 1792, ein „Systematisches Handbuch der Pharmacie“, das bis 1831 drei Auflagen erlebte und ins Schwedische übersetzt wurde. Zugleich erscheint eine „Uebersicht der wichtigsten Entdeckungen in der Chemie“, dann 1796 eine „Monatsschrift für den Bürger und Landmann“ und ein „Lehrbuch der pharmaceutischen Experimentalchemie“, wovon 1811 die dritte Auflage gedruckt wird. Sein „Taschenbuch für Aerzte“, 1797, wurde fünfmal und sein „Handbuch der Waarenkunde“ dreimal aufgelegt. 1800–1804 erscheint ein achtbändiges „Systematisches Handbuch der Chemie“ und bald darauf eine „Allgemeine chemische Bibliothek“ in fünf Bänden. „Das chemische Probircabinet“, 1801, wird in fünf Sprachen übersetzt und dreimal in Wien nachgedruckt. Bald folgt das „historische Taschenbuch für Chemiker“ und 1803 das „Gartenbuch für Apotheker“; dann „Die Apothekerkunst in ihrem ganzen Umfange“ in fünf Bänden, 1805–1813. Eine neue Pharmakopöe, die T. verfaßt hatte, wurde in Schwarzburg-Rudolstadt gesetzlich eingeführt. Erwähnen wir noch das fünfbändige „Handbuch der Färbekunst“, 1815–1820, den „Grundriß der Physik“, 1817, und sein „Taschenbuch für Chemiker und Pharmaceuten“, so ist die Reihe seiner Werke keineswegs erschöpft, denn daneben hat T. noch Zeit gefunden, seinen Fachgenossen Werke bedeutender Ausländer zugänglich zu machen. So übertrug er Lehr- und Handbücher von Socquet, van Man, Orfila, Branthom, Thenard und Chevreul aus dem Französischen, von Henry, Cavallo, Parke aus dem Englischen und die österreichische Pharmakopöe aus dem Lateinischen ins Deutsche. Bei verschiedenen Zeitschriften war er ständiger Mitarbeiter, wie bei der Hallischen und Jenaer Allgemeinen Litteraturzeitung und in vielen in- und ausländischen Journalen sind Abhandlungen von ihm zerstreut.

Man sollte denken, daß mit einer so ausgebreiteten litterarischen Thätigkeit die Lebensarbeit eines Menschen erschöpft wäre; keineswegs! T. stand zugleich der Apotheke vor, die unter seiner Leitung bald von Schulden befreit war, und als er mit Martha Hoyer, der ältesten Tochter des Pfarrers zu Wandersleben, einen glücklichen Hausstand gegründet hatte, in welchem bald vier Söhne und fünf Töchter heranwuchsen, errichtete er in seinem Hause aus eigenen Mitteln eine pharmaceutische Bildungsanstalt, aus der im Laufe von 33 Jahren nicht weniger als 300 tüchtige Schüler, spätere Apotheker, Aerzte, Professoren und Fabrikanten hervorgegangen sind. An dieser Schule wirkten neben T., welcher Chemie und Pharmacie, zuerst auch Physik und Logik selbst vortrug, tüchtige [644] Kräfte, unter denen die Namen Naumburg (Medicin), Siegling und der spätere Schwiegersohn Trommsdorff’s, Mensing (Mathematik), der gelehrte Apotheker Biltz (Botanik) und der Mineraloge und Arzt Bernhardi genannt werden mögen.

Daß einer so reichen Wirksamkeit auch die äußere Anerkennung nicht gefehlt hat, braucht kaum gesagt zu werden. Mit 25 Jahren wurde T. zum Universitätsprofessor, im J. 1823 zum Director der Erfurter (späteren königlich preußischen) Akademie der Wissenschaften erwählt. 47 Akademien, gelehrte Gesellschaften und wissenschaftliche Vereine schätzten ihn als ihr Mitglied oder Ehrenmitglied. Nachdem 1816 die Erfurter Universität aufgehoben worden, wurde T. mehrfach an andere Universitäten berufen, darunter nach St. Petersburg und später an Klaproth’s Stelle nach Berlin, allein die Liebe zu seiner Vaterstadt hieß ihn diese ehrenvollen Anerbietungen ablehnen. In Kriegs- und Friedenszeiten war Trommsdorff seinen Mitbürgern ein stets hülfsbereiter Freund und Berather gewesen; kein Wunder, daß der Ehrentag, an dem er den Höhepunkt seines Lebens erreichte, unter allgemeiner froher Betheiligung gefeiert wurde. Umgeben von seiner Familie, im Kreise von 21 Enkeln, von zahlreichen dankbaren Schülern und Freunden von Nah und Fern, feierte er am 1. October 1834 sein 50jähriges Pharmaceutenjubiläum. Der König hatte ihm schon früher den rothen Adlerorden 3. Classe verliehen, jetzt erhielt T. den Titel eines Geheimen Hofrathes, seine Verehrer hatten zum Gedächtniß des Tages eine Denkmünze mit seinem Bildniß schlagen lassen und Freunde und Fachgenossen ehrten ihn durch die Errichtung einer Trommsdorffstiftung, deren Erträgnisse dem von ihm gegründeten Gehülfen-Unterstützungsfonds zu Gute zu kommen bestimmt waren. In den ihm noch bleibenden Jahren hatte T. die Freude, seinen jüngsten Sohn um sich zu haben, der den Beruf des Vaters ergriffen und die vielen von diesem begonnenen Unternehmungen ganz im Sinne desselben fortzuführen bestrebt war. In der frohen Ueberzeugung, sein geistiges Erbe in guten Händen zu wissen, verschied T. am 8. März 1837.

Es muß schließlich noch erwähnt werden, daß T. der Begründer einer der ersten chemischen Fabriken gewesen. In dem Laboratorium der Apotheke, sowie (1813) in einer kleinen Fabrikanlage in Teuditz wandte er sich der Herstellung von seltenen Alkaloiden, namentlich von Morphium zu. Aus diesen Anfängen ist später (1842) unter der Hand des ihn einzig überlebenden Sohnes Christ. Wilh. Hermann (geb. 24. Sept. 1811, † 3. Juli 1884) die weltberühmte Trommsdorff’sche Fabrik in Erfurt entstanden, welche sich mit der Darstellung von in Form und Reinheit vollendeten pharmaceut. und chem. Präparaten befaßt.

J. G. W. Mensing, Joh. B. Trommsdorff’s Lebensbeschreibung. Erfurt 1839. – L. F. Bley, Das Leben J. B. Trommsdorff’s. Archiv der Pharmacie 1839, 2. Reihe, Bd. 18, S. 1, 113, 225. – A. Tschirch, Entwicklungsgeschichte der pharm. Universitätsinstitute. Wien 1894. – E. Biltz, Christ. Wilh. Herm. Trommsdorff. Halle 1884.