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ADB:Tuckermann, Peter

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Artikel „Tuckermann, Peter“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 774–776, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tuckermann,_Peter&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 19:02 Uhr UTC)
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Tuckermann: Peter T., lutherischer Theologe, wurde am 21. October 1580 zu Lennep im Bergischen geboren, † 1651. Sein Vater, Jakob T., war wahrscheinlich Wollfabrikant und Bürgermeister; seine Mutter Katharina war eine geborene v. Marschet. Er besuchte die Schule in Lennep, bis ihn sein Bruder Eberhard Tuckermann, der 1593 Prediger zu Salzwedel wurde, mit dorthin nahm und etliche Jahre dort unterrichten ließ. Nachdem er dann noch das Pädagogium zu Stettin besucht hatte, bezog er am 18. October 1599 die Universität Helmstedt, um Theologie zu studiren. Am 17. März 1605 wurde er hier ordinirt und als Diakon an der Stadtkirche St. Stephani hier angestellt. Das Leben in der Universitätsstadt sagte ihm so zu, daß er 1606 eine weit günstigere Stellung, die ihm in Salzwedel angeboten wurde, ausschlug. Auch erfreute er sich wegen seiner Gelehrsamkeit einer solchen Achtung, daß seitens der Universität seine Ernennung zum Professor hebraicae linguae im Nov. 1606 vorgeschlagen wurde. Ging der Herzog hierauf auch nicht ein, so berief er ihn bald darauf (1608) doch als Kaplan an seine Schloßcapelle zu Wolfenbüttel. Hier gewann er die Gunst des Hofes und der hohen Geistlichkeit, insbesondere des damaligen Leiters der Landeskirche Basilius Sattler, in vollem Maaße. Die verwitwete Herzogin Elisabeth wollte ihn um das Jahr 1618 als Hofprediger nach Schöningen ziehen, aber er blieb in Wolfenbüttel, da ihn sich Sattler zu seinem Gehülfen und Nachfolger ausbat. T. theilte mit Sattler die streng lutherische Gesinnung, aber er war nachgiebig und milde, und es konnte deshalb zwischen ihm und dem starren und schroffen Manne ein gutes Einvernehmen stattfinden. Als Sattler am 9. November 1624 gestorben war, rückte T. in seine Stelle ein. Am 19. Januar 1625 wurde er als Oberhofprediger, Vorsitzender des Consistoriums und superintendens generalissimus in sein Amt eingeführt. Noch in demselben Jahre wurde er am 6. December in dem Kloster Riddagshausen, wo er schon seit 1623 Subprior gewesen war, zum Abte gewählt und vom Herzog unterm 20. d. M. als solcher bestätigt. Die Universität Helmstedt hatte ihm schon am 17. Juni 1623 die Würde eines Doctors der Theologie verliehen. So waren denn die höchsten kirchlichen Aemter und Würden in seiner [775] Person vereinigt. Aber nicht ohne große Bedenken hatte er die Nachfolge Sattler’s angetreten. Den humanistischen Theologen der Helmstedter Hochschule war er, ein Vertreter des strengen Lutherthums, keineswegs gewachsen. Seine körperliche Schwächlichkeit, die Noth der Zeit, die nach der unglücklichen Schlacht bei Lutter a./B. (27. August 1626) drückend auf dem Lande ruhte und ihm die Führung seines an sich schwierigen Amtes noch außerordentlich erschwerte, kamen hinzu. Bald fühlte er sich überbürdet und zu schwach für seine Aufgabe; er sehnte sich nach einem Gehülfen, der die Arbeitslast mit ihm theilen und ihm einen festeren Halt geben würde. Als solchen hatte er 1627 Michael Walther, einen alten Gegner Calixt’s, ins Auge gefaßt, mit dem er zusammen zum Doctor ernannt worden war; er war Hofprediger in Schöningen und Professor in Helmstedt gewesen, jetzt aber Hofprediger in Aurich und würde von dort gern in eine Stellung, wie sie T. vorschwebte, zurückgekehrt sein. Als aber der Herzog nun auch von Calixt ein Gutachten forderte, und dieser sich zu dem Posten für einen Mann seiner Richtung aussprach, blieb das auf den Fürsten nicht ganz ohne Eindruck. T. wollte lieber gar keinen Gehülfen als einen Anhänger Calixt’s haben, und so ist denn schließlich aus der ganzen Sache nichts geworden. Mit dem Herzoge Friedrich Ulrich, der sich aufs innigste an T. anschloß, stand dieser sonst auf dem besten Fuße. In beider Charakter lag es, daß die Haltung des Kirchenregiments, zumal in politischen Fragen, eine schwankende und schwächliche war. Als nach Erlaß des Restitutionsedicts der Bischof von Hildesheim 1629 in das von dem Herzog in Besitz genommene Stift zurückkehrte und deshalb die inzwischen eingesetzten evangelischen Geistlichen von den Kanzeln eine Danksagung verlesen sollten, überließ es T., als er darob von seinen früheren Untergebenen um Rath gefragt wurde, den Gewissen der Einzelnen, wie sie sich in der Frage verhalten wollten. Die Feier eines Jubelfestes des Augsburger Bekenntnisses, die leicht als eine Demonstration gegen den katholischen Kaiser aufgefaßt werden konnte, lehnte man 1630 ab. Als 1631 der Herzog der Kriegsgefahr halber von Wolfenbüttel nach Braunschweig übersiedelte, folgte ihm T. und hat ihm auch in seiner Todesstunde (11. August 1634) treulich zur Seite gestanden. Bald nachher erging von Herzog Georg, Friedrich Ulrich’s Vetter, der in der für Letzteren eroberten Stadt Hildesheim seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte, die Aufforderung an ihn, als Hofprediger und generalissimus superintendens dorthin zu kommen. Aber er lehnte das Anerbieten ab und blieb in seiner alten Stellung, in der ihn Friedrich Ulrich’s Nachfolger, Herzog August, bestätigte. Unter dessen Regierung hat sich Tuckermann’s Einfluß noch bedeutend verringert. Der gelehrte Herzog neigte sich mehr der Richtung Calixt’s zu und hat, als sich T. gegen seine Bibelübersetzung aussprach, dies „gar ungnädig empfunden“. Da auch die körperliche Schwäche Tuckermann’s sich immer fühlbarer machte, so kam er 1647 um seine Entlassung ein, die ihm sogleich gewährt wurde. Er ist dann am 27. Mai 1651 in Braunschweig gestorben und in der Katharinenkirche beigesetzt, wo ihm ein marmornes Epitaphium errichtet wurde. Ein zweites Denkmal erinnert an ihn in der Riddagshäuser Klosterkirche. – Verheirathet hat sich T. zweimal; zuerst 1607 mit Anna Matthias, der Tochter eines Brauers und Kaufhändlers in Salzwedel, Jochim Matthias. Sie gebar ihm vier Söhne und eine Tochter und starb am 20. Januar 1635. Von den Söhnen hat nur Julius August, der Hofgerichtsassessor und Kanonikus von St. Blasien wurde und 1673 starb, den Vater überlebt. Am 2. Juni 1637 ging T. mit Anna Hildebrand, einer Tochter des Cellischen Kanzlers Dr. Joh. Hildebrand eine zweite Ehe ein. Da diese kinderlos blieb, so setzte die Wittwe, die ihren Mann bis zum 30. Juni 1678 überlebte und einen Bruder und eine Schwester beerbte, den größten Theil [776] ihres ansehnlichen Vermögens für eine Stiftung zur Erziehung armer Mädchen aus. Es entstand so das Waisenhaus St. Annen, meist das Tuckermann’sche Waisenhaus genannt, das ihren Namen in der Stadt Braunschweig bis auf den heutigen Tag in dankbarem Gedächtnisse erhält.

Vgl. die Leichenpredigt auf T. von Brandan Dätrius (Braunschweig 1651). – Henke, Georg Calixt u. seine Zeit. – Beste, Gesch. der Braunschw. Landeskirche. – Mittheilungen eines Nachkommen Tuckermann’s, J. Tuckermann in Heidelberg. – Herzogl. Landeshauptarchiv in Wolfenbüttel.