Zum Inhalt springen

ADB:August (Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „August der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg“ von Ferdinand Spehr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 660–662, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:August_(Herzog_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg-Wolfenb%C3%BCttel)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 17:58 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
August Georg
Nächster>>>
August Friedrich
Band 1 (1875), S. 660–662 (Quelle).
August der Jüngere bei Wikisource
August II. (Braunschweig-Wolfenbüttel) in der Wikipedia
August II. in Wikidata
GND-Nummer 118505076
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|1|660|662|August der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg|Ferdinand Spehr|ADB:August (Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118505076}}    

August der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, von seinen Zeitgenossen ein Wunder unter den Fürsten seiner Zeit genannt, unter den frommen Fürsten der gelehrteste, unter den gelehrtesten der frömmste, wurde geb. 10. April 1579 zu Dannenberg, † 17. Sept. 1666. Sein Vater war Herzog Heinrich von Braunschweig, dritter Sohn Ernst des Bekenners. A. war das siebente und jüngste Kind seiner Ehe mit Ursula, Prinzessin von Sachsen-Engern. Er erhielt seinen Namen nach seinem Oheim, dem Kurfürsten August von Sachsen; bei seiner Geburt ahnte wol Niemand, daß er einst diesen verheißungsvollen Namen als Begründer der jüngeren wolfenbüttelschen Linie des braunschweigischen Hauses in der That führen sollte. Die Erziehung des jungen Prinzen war nach der Sitte seiner Zeit, mehr noch nach eigener Neigung, eine gelehrte. Seine noch erhaltenen Schulhefte bezeugen, wie er zu lernen und zu arbeiten bemüht war. An seinem sechszehnten Geburtstage konnte er 1594 die Universität zu Rostock beziehen und das ihm übertragene Rectorat am 30. April mit einer selbst gearbeiteten lateinischen Rede über Strenge und Milde antreten. Später bei Niederlegung des Rectorats hielt er eine Rede über die Frage: ob der Mensch aus freier Wahl böse sei? Von Rostock ging er nach Tübingen, woselbst er zwei Jahre studirte und ebenfalls zum Rector gewählt wurde. Nach dem Tode seines Vaters verließ er, zwanzig Jahre alt, die Universität und begab sich auf Reisen durch Italien und Sicilien bis nach Malta, durch Frankreich und England und kehrte dann nach seiner Heimath zurück, wo er zufolge eines mit seinem ältesten Bruder Julius Ernst abgeschlossenen Vergleiches seine Residenz in dem Städtchen Hitzacker (seinem Ithaka, wie er es nannte) aufschlug, um ganz seinen gelehrten Neigungen zu leben. Hier füllte er dreißig Jahre glücklicher Muße aus mit dem Studium der Wissenschaften, einem ausgebreiteten gelehrten und politischen Briefwechsel, der in mehr als 30 Foliobänden noch vorhanden ist, und mit größeren und kleineren Reisen, über welche er ein eigenhändiges genaues Tagebuch führte, welches auf der Wolfenbütteler Bibliothek aufbewahrt wird. Besonders beschäftigte ihn das Ansammeln seines Bücherschatzes, aus welchem die Wolfenbütteler Bibliothek hervorgegangen ist. Hier schrieb A. unter dem Namen Gustavus Selenus (d. h. Augustus von Lunaeburg) sein großes Werk über „Das Schach- oder Königsspiel“, diesem ist zu Ende angefügt ein sehr altes Spiel, genannt „Rythmomachia“, Leipzig 1616, Fol., welches länger als ein Jahrhundert hindurch als ein Hauptwerk in diesem Fache galt und Uebersetzungen in das Italienische und Französische erlebte; ferner: „Cryptomenyticae et Cryptographiae libri IX.“ Lunaeb. 1624. – Am 11. Aug. 1634 war das mittlere Haus Braunschweig-Wolfenbüttel mit Herzog Friedrich Ulrich ausgestorben. Nach längeren Unterhandlungen fiel ihm aus der Erbschaft das Fürstenthum Wolfenbüttel zu, indem sein älterer Bruder Julius Ernst zu seinen Gunsten auf dasselbe verzichtet hatte. Im J. 1635 trat er die Regierung an, welche er, obschon damals bereits 55 Jahre alt, noch 32 Jahre hindurch mit kraftvoller Hand segensreich geführt hat. Die ersten acht Jahre mußte er in der Burg zu Braunschweig residiren, weil Wolfenbüttel erst im [661] J. 1643 von den Kaiserlichen geräumt wurde, auf welches Ereigniß er die bekannten Glockenthaler prägen ließ. Bei seinem Regierungsantritte befand sich das Land in einer so traurigen Verfassung und war durch die schwache Regierung seines Vorgängers so heruntergekommen, daß er am Tage des Vergleichsabschlusses an einen befreundeten Fürsten schrieb: „Gestern ist mir das Fürstenthum Wolfenbüttel zugefallen. – Gott stehe mir bei“! Mit kräftiger Hand, mit demselben Eifer, mit welchem er seinen Studien obgelegen, stellte er die Ordnung im Lande wieder her. Eingedenk des schon in seiner Antrittsrede zu Rostock ausgesprochenen Grundsatzes: „ein guter Fürst sei wenig oder gar nicht von einem guten Hausvater unterschieden“, hatte er, wie in seiner Bibliothek, die größte Freude daran, Alles selbst zu ordnen und zu registriren. Er setzte eigenhändig eine Ordnung der Frühpredigten für die Schloß- und Stadtkirche auf, ernannte den Helmstedter Professor Christoph Schrader zum Oberinspector aller Schulen des Landes, erließ 1651 eine vortreffliche Schulordnung, ordnete im Vereine mit den Landständen das Consistorium und schuf dasselbe eigentlich ganz neu, erließ 1655 die Klosterordnung und 1657 die Agenda oder Kirchenordnung, die Kanzlei- und Hofgerichtsordnung und mehrere das Rechtswesen betreffende Verordnungen, sorgte für Regulirung des Steuerwesens und für Besserung der Wege. Daneben gab er das wissenschaftliche Arbeiten nicht auf. Im J. 1640 erschien von ihm die „Geschichte des Herrn Jesu, des Gesalbten Leyden, Sterben und Begräbnisse, aus der Evangelisten Schriften von Neuem ordentlich zusammengetragen“ und zwar aus eigener Uebersetzung, nicht etwa nach der Lutherischen. Im J. 1644 folgte die „Evangelische Kirchen-Harmonie d. i. der Hochheiligen Schrift unterschiedene Texte und Worte“ u. s. w. ebenfalls nach eigener Uebersetzung des Bibeltextes mit vielen Kupfern. Der Herzog arbeitete ein Jahr an der Schrift und corrigirte auch selbst den Druck. Er hatte die Freude, daß das Buch sechs Auflagen erlebte. Regiren und studiren ging bei dem thätigen, rastlosen Fürsten Hand in Hand. Sein Briefwechsel mit den größten Gelehrten und Staatsmännern seiner Zeit über alle möglichen Gegenstände ist vollständig erhalten. Einst schrieb ihm ein Pastor aus der Heide, er habe mit einem Jesuiten Streit über die Reliquienverehrung; da habe der eine Stelle des Kirchenvaters Chrysostomus angeführt, aber anders als er, der Pastor, sie gelesen zu haben glaube; da er nun keinen Chrysostomus im Hause habe, so bitte er, „obgleich Sr. Fürstlichen Gnaden ganz unbekannt, Dieselben wollen auf Dero weltberühmten Bibliothek einmal nachsehen lassen“. Der Herzog schickte dem Pastor eine eigenhändige, zwei Folioseiten lange Antwort, deren Entwurf noch bei jenem Briefe liegt; darin theilt er ihm nicht allein die Stelle nach allen Ausgaben und Handschriften mit, sondern setzt auch seine eigene Ansicht in einer Weise auseinander, deren sich der gelehrteste Theologe nicht zu schämen brauchte. Staunenswerth ist, was Herzog A. in seinem langen Leben mit dem bereits in der Jugend angenommenen Wahlspruch: „Expende“ „Alles mit Bedacht“ ausgeführt hat. Bei allen seinen Studien fand er noch Zeit zu ausgedehnten Reisen, er fand ganz besonderes Vergnügen an der Jagd, am Fechten und Ritterspiel; im Armbrustschießen hatte er es zu einer ganz besonderen Fertigkeit gebracht, kein Pferd bestieg er, was er nicht selbst zugeritten hatte. Nur das Kriegswesen gewährte ihm keine Lust. Sein liebster Aufenthalt war die Bibliothek, zu der er von Jugend auf gesammelt hatte und die bei seinem Tode bereits über 180000 Bände, nebst einem Schatze der werthvollsten Handschriften, enthielt und den Ruhm hatte, eine der bedeutendsten Büchersammlungen der Welt zu sein. Alle Arbeiten auf der Bibliothek, Correspondenz, Ankauf der Bücher, Anordnung und Aufstellung derselben besorgte er selbst. Mit eigener Hand verfaßte er den Katalog in vier starken Bänden im größten Folio, jeder über [662] tausend Seiten, in großen Zügen, sauber und gleichmäßig, wie aus einem Gusse, geschrieben, obgleich er eine Arbeit von mehr als dreißig Jahren ist. Dazu kommt noch ein fünfter Band, der den alphabetischen Katalog bildet. „Das Ganze ist ein Werk von staunenswerther Geduld und wahrhaft ehrwürdig, wenn man bedenkt, daß es die Frucht der Mußestunden eines regierenden Fürsten ist, der darüber nie die Regentenpflicht verletzt hat.“ In der von Fürst Ludwig von Anhalt gestifteten „Fruchtbringenden Gesellschaft“ führte er den Namen: der Befreiende. – Mit besonderer Vorliebe sorgte A. für seine Residenzstadt Wolfenbüttel. Die von ihm angelegte Vorstadt führt nach ihm den Namen Auguststadt. Er starb, nachdem er in fünfzig Jahren keine Krankheit gehabt hatte, 87 Jahre alt. Winkelmann, der Verfasser des braunschweigischen Regentenbaumes, rühmt von ihm, daß er „ein gottseliger, friedfertiger, kluger und gelehrter und bei diesen gefährlichen Zeiten ein hocherwünschter Regent war. Mit dem Geistlichen redete er andächtig, mit dem Juristen rechtskräftig, mit den Aerzten heilsamlich, mit den Weltweisen klug und vernünftig, mit den Künstlern kunstmäßig und wußte sich in allerlei Discurse zu finden“. Dreimal war Herzog A. verheirathet; zuerst 1607 mit Clara Marie, Tochter des Herzogs Bogislav von Pommern, Wittwe des Herzogs Sigismund August von Mecklenburg, geb. 10. Juli 1574, † 16. Febr. 1623, dann im J. 1623 mit Dorothea, Tochter des Herzogs Rudolf von Anhalt-Zerbst, geb. 1607, † 26. Sept. 1634 und zuletzt am 13. Juli 1635 mit Sophia Elisabeth, Tochter des Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg, geb. 20. Aug. 1613, † 12. Juli 1676 auf ihrem Wittwensitze zu Lüchow. Diese eiferte ihrem Gemahl nach in der Liebe zur Kunst und Wissenschaft, war erfahren in vielen Sprachen und ist als Componistin von Kirchenmusiken, wie als Verfasserin verschiedener „Sing- und Freudenspiele“ z. B. der „Minervä-Banquett“, „Ballet der Zeit“ u. s. w. nicht unbekannt. Die geistlichen Lieder ihres Stiefsohnes Anton Ulrich versah sie mit zum Theil gelungenen, tief empfundenen Melodieen. – Aus den beiden letzten Ehen hinterließ Herzog A. drei Söhne, Rudolf August, Anton Ulrich, welche ihm in der Regierung folgten, und Ferdinand Albrecht, so wie drei Töchter, Sibylle Ursula, vermählt mit Herzog Christian von Holstein-Glücksburg, Clara Augusta, Gemahlin des Herzogs Friedrich von Würtemberg, und Maria Elisabeth, vermählt mit Herzog Adolf Wilhelm von Sachsen-Eisenach und darauf, nach dessen Tode mit Herzog Albrecht von Sachsen-Coburg. Es existirt von Herzog A. eine große Zahl, zum Theil guter Portraits und Abbildungen.

Vgl. Martin Gosky: Vita et fama Divi Augusti. Fol. – Apfel, Herz. August der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg als Rector der Universitäten zu Rostock und Tübingen. Wolfenbüttel 1854. 4. – Bethmann, Herzog August der Jüngere, der Gründer der Wolfenbütteler Bibliothek. Wolfenbüttel 1863. 8.