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ADB:Vergerius, Peter Paul

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Artikel „Vergerius, Peter Paul“ von Ludwig Theodor Elze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 617–621, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vergerius,_Peter_Paul&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 07:53 Uhr UTC)
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Vergerius: Peter Paul V., Advocat, päpstlicher Nuntius, Bischof, dann Protestant, herzogl. württemberg. Rath. Aus guter alter Familie 1498 zu Capodistria geboren, studirte er die Rechte und doctorirte in Padua, ward Richter in Verona und in Padua und ließ sich 1524 als Advocat in Venedig nieder. Hier heirathete er 1526 Diana Contarini, welche aber schon 1527 starb. Im J. 1529 ging er nach Rom, wo sein Bruder Aurel päpstlicher Secretär war, und ward hier dem Papst Clemens VII. bekannt. Dieser schickte den talentvollen, kenntnißreichen und geschäftsthätigen Mann 1530 mit seinen anderen Gesandten zum Reichstag nach Augsburg, und beließ ihn dann als Nuntius bei König Ferdinand, der ihm außerordentlich gewogen ward. Von Papst Paul III. ward er 1534 nach Rom berufen und 1535 als Nuntius an die deutschen (katholischen und protestantischen) Fürsten gesendet, um sie zu dem (vorgeblich) beabsichtigten Concil einzuladen. Mit einem glänzenden Gefolge kam er nach Wien, reiste nach Salzburg, München, Heidelberg, Augsburg und Regensburg, dann nach Mainz, Köln, Trier, Berlin, Halle, Wittenberg (wo er am 6. November eine Besprechung mit Luther hatte), Dresden, Prag (wo er mit dem Kurfürsten von Sachsen zusammentraf) und zurück nach Wien. Dies war der Glanzpunkt im Leben des weltlich eiteln und ehrgeizigen, ruhelosen und vielgeschäftigen, die Bekanntschaft hochstehender und berühmter Persönlichkeiten suchenden Mannes. Im folgenden Jahre (1536) eiligst nach Rom zurückberufen, gab er seine Nuntiatur auf und ward (obschon noch nicht Priester) zum Bischof [618] von Modrus (Kroatien) und bald darauf zum Bischof von Capodistria, seiner Vaterstadt, ernannt. Seine eifrige bischöfliche Thätigkeit ward 1540–41 durch eine längere Reise nach Frankreich (Margarethe v. Navarra) unterbrochen, von wo zurückkehrend er am Religionsgespräch zu Worms und dessen Fortsetzung zu Regensburg (1541) Theil nahm. Nach seiner Rückkehr nach Capodistria (Justinopolis) erfuhr er bald, daß er in Rom der Hinneigung zum Protestantismus verdächtig geworden sei und beschloß, um sich von diesem Verdachte zu reinigen, ein Werk gegen denselben zu schreiben. Allein während noch eine Untersuchungs-Commission seinem reinen und eifrigen Katholicismus Lob ertheilte, führten die Vorarbeiten zu seinem Buche ihn immer mehr dem Evangelium zu, so daß er 1546 mit seinem ebenfalls evangelisch gesinnten Bruder Giovanni Battista Bischof von Pola (der bald darauf unter Verdacht einer Vergiftung in Italien starb) Istrien verließ und sich nach Mantua zum Cardinal Herkules von Gonzaga begab. Hier bemühte er sich um die Erlaubniß, sich vor dem Concil von Trient zu rechtfertigen; es ward ihm nicht gestattet. Einer Vorladung vor den päpstlichen Inquisitor in Venedig leistete er keine Folge. In sein Bisthum ließ man ihn nicht zurückkehren. Bei einem Besuche in Padua 1548 war er Zeuge des verzweifelnden Sterbens des evangelisch gewordenen und gegen seine Ueberzeugung in die katholische Kirche zurückgetretenen Advocaten Francesco Spiera. Dies entschied seinen eigenen völligen Uebertritt zum Protestantismus. Am 13. December 1548 richtete er eine Abschieds- und Vertheidigungsschrift an den Weihbischof von Padua und flüchtete dann sofort über Bergamo nach Graubünden, ins Veltlin nach Poschiavo. Hier betrieb er die Errichtung einer Buchdruckerei; hier und in der Umgegend predigte er das Evangelium, und ward (am 3. Juli 1549 vom Papst seines Bisthums entsetzt und excommunicirt) evangelischer Pfarrer zu Vicosoprano im Val Bregaglia. Das stille Leben in diesen Alpenthälern genügte jedoch seinem Wesen nicht. Er reiste daher 1550 in die Schweiz nach Zürich, Basel, Bern und Genf (bei Bullinger, Pellikan, Calvin u. A.), fand aber hier keine ihm passende Stellung. Er knüpfte zu diesem Zwecke Verhandlungen in England an, doch ohne Erfolg. Nach Graubünden zurückgekehrt, entwickelte er hier 1551–52, umherreisend, predigend, sich in die kirchliche Verwaltung mischend, eine unruhige kirchliche Thätigkeit, nicht weniger eine politische zu Gunsten Frankreichs. Er gewann acht Gemeinden für die Reformation und bestrebte sich, die italienischen evangelischen Gemeinden des Cantons in einer eigenen Synode zu constituiren; er selbst wollte zum Kirchenvisitator ernannt sein. Beides mißlang. Im April 1553 reiste er nach Württemberg, wo er sich die Gewogenheit des Herzogs Christoph und des Reformators Brenz dadurch erwarb, daß er deren Bekenntnißschriften ins Italienische übersetzte und so veröffentlichte. Als er aber, calvinistisch gesinnt, in Graubünden die dortige neue, zwinglisch geartete Confession zu unterzeichnen sich weigerte, mußte er aus dieser Kirche austreten. Angefeindet von der reformirten Geistlichkeit, verfolgt von der katholischen, bat er im September 1558 den Herzog Christoph von Württemberg um seiner Sicherheit willen um ein Asyl in seinem Lande, welches ihm gern gewährt wurde. So kam V. Anfang November d. J. nach Tübingen und ward am 16. November 1553 vom Herzog zu seinem Rath mit einer auskömmlichen, später noch erhöhten Besoldung ernannt. Hier setzte nun der bereits alternde Mann nicht nur seine äußerst fruchtbare Schriftstellerei zur Bekämpfung des Papstthums fort (selbst seine Lehrschriften entsprangen dieser polemischen Quelle), sondern auch seine ruhelose und in alles sich mischende Reisethätigkeit (wobei er unterwegs seine Schriften verbreitete). So besuchte er 1554 Sleidan in Straßburg und gab ihm Beiträge zu seinem berühmten kirchengeschichtlichen Werk. Im Januar 1555 traf er in Ulm mit Primus Truber, dem aus seinem [619] Vaterlande vertriebenen Reformator Krains und Begründer der slovenischen Litteratur, nun Pfarrer in Kempten, zusammen (s. A. D. B. XXXVIII, 669), und suchte sich mit einer von diesem zu verfertigenden, aber als von ihm selbst ausgehend erscheinenden slovenischen Uebersetzung der Bibel an die Spitze dieser neuen Litteratur zu stellen, trotz seiner Unkenntniß dieser Sprache. (Er ward jedoch von Truber schon 1557 wieder beseitigt). Im Frühling desselben Jahres (1555) durchreiste er die Schweiz. Im Juni 1556 unternahm er eine größere Reise über Frankfurt a. M., Jena und Wittenberg (bei Melanchthon und Flacius), wo er sich in den Adiaphoristen-Streit mischte, nach Königsberg zum Herzog Albrecht von Preußen, wo er mit dem Osiandrischen Streit sich zu thun machte, dann nach Polen zu Fürst Radzivil in Wilna (bei Hof, mit den Grafen Tarnow und Ostrorog), zum Reichstag nach Warschau, wo er gegen den päpstlichen Nuntius Lipomani und für das calvinistische Bekenntniß (dem er selbst noch angehörte) arbeitete; dann zurückreisend über Soldau, wo er die böhmischen Brüder kennen lernte, mit ihren Angelegenheiten sich beschäftigte, und sie unter seinen Schutz nahm, und über Leipzig, wo er den edeln, wegen seines evangelischen Glaubensbekenntnisses aus Oesterreich ausgewanderten Freiherrn Hans Ungnad (s. oben S. 308) antraf, kehrte er im Frühjahr 1557 nach Tübingen zurück. Aber bald darauf war er schon wieder unterwegs, traf in Göppingen mit Beza und Farel zusammen, ging nach Basel, Genf und Graubünden, und kehrte am 17. Juni 1557 heim. Nun wandte er sich dem Augsburgischen Bekenntniß zu, und im October beabsichtigte er nochmals, und zwar eine Zürcherin, zu heirathen; es ward nichts daraus. In den ersten Tagen des Jahres 1558 reiste er nach Wien zu König Maximilian, um von diesem Zustimmung zu einer Gesandtschaft nach Polen in Religionsangelegenheiten zu erhalten, was er jedoch nicht erreichte. Er verließ Wien mit dem Abenteurer Paul Skalich (s. A. D. B. XXXIV, 443); allein anstatt sofort heimzukehren, machte er ohne Genehmigung und Vorwissen seines Fürsten heimlich, in persönlichen, mit Religionsinteressen verknüpften Angelegenheiten eine Reise durch Steiermark, Krain, Istrien, Görz, Gradisca und Kärnten, und kam erst am 19. April 1558 nach Tübingen zurück. Dann begab er sich nach Wildbad, im December nach Heidelberg, um vom Kurfürsten Ottheinrich von der Pfalz einen Geldbeitrag zur slovenischen Bibelübersetzung (mit der er jedoch nichts mehr direct zu thun hatte) zu erbitten, mehr wol noch, um mit den dort weilenden englischen Diplomaten Verbindung anzuknüpfen. Infolge dieser schrieb er an die eben erst zum Thron gelangte Königin Elisabeth, bot ihr seine Dienste an, und wagte es sogar ihr Rath ertheilen zu wollen, allein Lord Cecil wies den Mann gänzlich ab, so wie Herzog Christoph seinen Vorschlag, ihn nach England zu senden, ablehnte. Mit solcher ruhelosen Vielgeschäftigkeit verbrachte V. die letzten Jahre seines Lebens. In 1559 ging er nach Lauingen, wo er mit einem englischen, französischen und polnischen Gesandten verkehrte; im Winter 1559–60 war er wieder in Preußen und Polen, wo er sich zugleich mit fürstlichen Heirathsverhandlungen beschäftigte, wie früher (1553–57) mit solchen in Ferrara; – 1561 wollte er gern zum Concil nach Trient reisen, auch zum Religionsgespräch nach Poissy gesendet werden, woraus jedoch nichts ward; hingegen war er in Graubünden; – 1562 war er wiederum, und zwar unter mancherlei Fährlichkeiten, in Graubünden, dann in Wildbad; – 1563 reiste er über Zürich nach Graubünden, ins Veltlin, nach Sondrio und in die Bäder von Bormio; im December ging er nach Straßburg, Basel, Solothurn, Zürich, um sich wieder nach Graubünden zu begeben, kehrte aber wegen der Pest, vor der er sich (nach seinem eigenen Geständniß) nicht wenig fürchtete, im Januar 1564 von Zürich nach Hause zurück; – 1564 im April reiste er dennoch nach Graubünden, wo er in Chur [620] einen unangenehmen Auftritt mit dem spanischen Gesandten hatte, kehrte aber schon am 6. Mai nach Tübingen zurück; am 13. September begab er sich nach Schaffhausen, um einen durchreisenden französischen Gesandten zu sprechen; obgleich er seitdem bis Ende dieses Monats an Podagra litt, bereitete er doch noch eine größere Reise vor, als deren Ziel er zuerst Villach (Kärnten), dann Villach und Laibach (Krain), zuletzt Triest, nahe bei Laibach und bei seiner Heimath Capodistria, als deren Zweck er die Verheirathung einer Nichte und Religionsangelegenheiten angegeben hatte. Ungern ertheilte ihm Herzog Christoph die Erlaubniß zu dieser Reise, die aber wol nicht mehr ausgeführt wurde, da V. zögerte, um erst noch sichere Nachrichten über den Stand der Pest in den zu durchreisenden Gegenden abzuwarten, und dann ein außerordentlich kalter Winter eintrat. Im folgenden Jahre ward der reiselustige Mann kränker und starb am 4. October 1565, umgeben von seinem Neffen Ludwig V., seinem Arzt Professor Gabler (der später katholisch wurde) und seinem halben Landsmann Primus Truber, der ihm bis zum letzten Athemzug mit geistlichem Trost beistand. Jakob Andreä hielt ihm die Leichenpredigt. Herzog Christoph ließ ihn in der Stiftskirche zu Tübingen neben Herrn Hans Ungnad bestatten und ihm ein Grabmonument errichten (das jetzt nicht mehr vorhanden ist). Crusius schrieb ihm eine schöne Grabschrift in lateinischen Distichen. – V. war ein hochgewachsener, schöner Mann, dessen kräftiger Körper jedoch später häufig rheumatischen Leiden unterworfen war; auch das Podagra quälte ihn; 1560 war er von Rheumatismen so gelähmt, daß er sein Testament dictirte, und dann genesend von seinen Dienern in einem kleinen Handwagen umhergefahren werden mußte; von 1554–64 gebrauchte er wenigstens acht Badecuren, vier Mal in Baden-Baden, zwei Mal in Wildbad, ein Mal in Göppingen, ein Mal in Bormio. Als ihn deshalb der Herzog einmal freundlich von einer Reise abmahnte, erwiderte er: das Reisen sage seiner Natur zu und bekomme ihm besser als die Muße. Außerdem aber pflegte er dem Herzog gegenüber seine vielfältigen Reisepläne und sonstigen Einfälle und Gedanken häufig als Eingebungen Gottes oder des heiligen Geistes zu bezeichnen. Mit dem Gelde verstand er nicht umzugehen. Schon in Italien und der Schweiz hatte man ihm nachgesagt, daß er stets nach Geld strebe, – er brauchte eben viel. Das großartige Auftreten, an das er sich gewöhnt hatte (er hatte in Tübingen ein Mal sieben Pferde und fast ebensoviele Diener), seine vielen Reisen und Badecuren, die Verlagskosten seiner Bücher, die Unterstützung seiner Neffen, u. A. standen mit seinen Einkünften in schlechtem Verhältniß, und daher bat er oft und immer öfter den Herzog Christoph um Unterstützung, so daß er diesem endlich überlästig ward. Selbst den ihm sehr wohlwollenden Herzog von Preußen bettelte er an. Bullinger nannte ihn einen schlechten Haushalter und Schuldenmacher. Vielgeschäftig suchte er sich in alles zu mischen. Der venetianische Gesandte in Wien sagte 1585 ihm, dem päpstlichen Nuntius, geradezu ins Gesicht: er solle sich nicht in Dinge mischen, die ihn nichts angehen. Calvin schrieb 1550 (10. November) von ihm an Farel: ich fürchte nur, er macht sich gar zu viel zu schaffen; du kennst ja das unruhige Wesen dieses Volkes. Bullinger sagte ihm 1560: er solle sich nicht weiter mit Dingen abgeben, zu denen er keinen Auftrag habe. Fast mit allen bedeutenden, durch Rang oder Ruf hervorragenden Persönlichkeiten suchte und stand er in Verkehr, außer den Genannten auch mit dem Herzog von Mecklenburg, der Herzogin Renata von Ferrara und ihrem Gemahl, mit Vittoria Colonna, Tizian, Pietro Aretino, und vielen andern mehr. V. war talentvoll, kenntnißreich und witzig, eifrig und stets seiner eigenen Ueberzeugung folgend, dienstfertig und gastfrei, in Leiden geduldig und gottergeben, dabei aber auch sich selbst überschätzend, eitel und ehrgeizig, auch nicht immer lauter und offen der Wahrheit treu. – [621] Die erste Hälfte seines Lebens gehörte dem Dienste des Papstes, die andere dem Kampfe gegen den Papst. Auch als Schriftsteller hat er seine Bedeutung nicht gerade als Theolog, sondern als kirchlicher Polemiker. Charakteristisch dabei ist seine Liebe zur Pseudonymität; er selbst nannte sich 1549 Don Giovanni da Cremona, 1552 Valerius Philargus, 1553 Lodovico Rasoro, auch: Gieronymo da Pola, 1553, 54, 56, 59 Atanasio, 1555 Anton Segnianin (von Segnia), 1560 Hilarius, auch: Fortuna; bei acht seiner Schriften sind falsche oder fingirte Druckereien angegeben.

Gian Rinaldo Conte Carli, Opere, Milano 1796; Tom. XV p. 7–184: Notizie compendiose intorno P. P. Vergerio. – C. H. Sixt, P. P. Vergerius, Braunschweig 1855; N. (Titel-)Ausg. 1872 (voll Vorliebe, daher mitunter unrichtig; bezüglich des slov. Bücherdruckes confus und vielfach irrig). – Ed. v. Kausler und Th. Schott, Briefwechsel zwischen Christoph Herzog von Württemberg und P. P. Vergerius, Litter. Ver. in Stuttgart 1875 (mit einer kurzen, aber guten Biographie Vergerius’ von Th. Schott als Einleitung); – Vgl. auch Ottmar Schönhuth, P. P. Vergerius (in Studien der evang. Geistlichkeit Württembergs, Stuttgart 1842, S. 3–79;). – Schnurer, Slav. Bücherdruck in Württemberg, Tüb. 1799, S. 9 ff., 40, 42 u. s. w. Daraus in Hanka-Dobrowsky’s Slavin, Prag 1834, S. 189 ff. – Th. Elze, Die slov. prot. Bibelbücher (in Jahrbuch der Gesellsch. f. d. Gesch. des Protestantism. in Oesterreich, Wien und Leipzig 1894). – Das bisher vollständigste Verzeichniß der Schriften Vergerius’ gibt Weller im Serapeum, Jahrg. 19.