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ADB:Vetter, Alois Rudolf

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Artikel „Vetter, Alois Rudolf“ von Georg Korn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 659–660, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vetter,_Alois_Rudolf&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 19:25 Uhr UTC)
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Vetter: Alois Rudolf V., Anatom, geboren am 28. August 1765 zu Karlsberg in Kärnten, † am 10. October 1806 in Wien, begann seine medicinischen Studien in Laibach und vollendete sie in Wien, wo er sich auch die Doctorwürde erwarb. An den Schriften von de Haen und Störk, unter der persönlichen Anleitung des Professors Reinlein, der dem jungen Anatomen bei einer schweren Krankheit, die er sich durch Eröffnung faulender Leichname zuzog, das Leben rettete, bildete sich V. zuerst aus. Später wirkten Stoll, Quarin, namentlich aber Peter Frank als Lehrer ungemein fördernd auf seine Studien ein. Auf Frank’s Initiative ist die Begründung eines anatomisch-pathologischen Museums in Wien zurückzuführen, die vorher an dem Mangel einer mit den nöthigen Kenntnissen zur Anlegung einer solchen Sammlung versehenen Persönlichkeit scheiterte. V. erbot sich mit Verzicht auf alle persönlichen Vortheile, ohne Gehalt, bloß „zum Besten der Kunst“ die mannigfachen zur Einrichtung des Museums erforderlichen Arbeiten zu übernehmen. So wirkte er von 1797 bis 1803 als Conservator des pathologischen Museums und als Prosector des Wiener Allgemeinen Krankenhauses; von seinem Eifer zeugt seine Mittheilung, daß er im Alter von 36 Jahren schon einige tausend Leichname pathologisch untersucht hatte, eine Leistung, die vor ihm vielleicht kein Anatom in Europa zu verzeichnen hatte; die Sammlung von Präparaten brachte er in fünf Jahren von vier auf 400. So konnte er sich ganz der pathologischen Anatomie, die sonst in Deutschland damals wenig gepflegt wurde, zuwenden. „Frühzeitig hatte ich den ganzen Vorrath meiner Liebe zu den Wissenschaften“, so erzählt er selbst (Aphorismen, S. 10), „diesem einzelnen Zweige der Arzneikunde zugewendet. Selbst noch ein lehrbedürftiger Jüngling von dreiundzwanzig Jahren fand ich mich schon von Schülern umgeben, die mich gleichsam nöthigten, ein Handbuch der Anatomie zu schreiben“. Dieses Lehrbuch erschien zuerst 1788; die dritte Auflage erschien 1802 in Wien unter dem Titel: „Lehrbuch der Anatomie des gesunden Menschenkörpers“. Auf dem Gebiete der pathologischen Anatomie war sein erster Versuch eine Beschreibung der krankhaften Veränderungen, welche durch das venerische Gift in den Zeugungstheilen erfolgen: „Neue Curart aller venerischen Krankheiten nach Hunter, Girtanner und Hahnemann. Mit anatomischen Erklärungen“ (1793). Ferner schrieb er eine „Erklärung der Physiologie“ (1794) und in Krakau, wohin er 1803 als Professor der Anatomie und Physiologie berufen wurde, in lateinischer Sprache den Bericht über eine wichtige anatomische Entdeckung „De plica semilunari in cordis humani atrio sinistro nuperrime detecta oratio“ (Krakau 1804). Sein hervorragendstes und bedeutungsvollstes Werk sind jedoch die „Aphorismen aus der Pathologischen Anatomie“ (1803). Ueber ihre Entstehung heißt es in der Vorrede: „Ohne Vorgänger, ohne andere Unterstützung, als die mir das unausgesetzte Vergleichen des Gelesenen mit dem, was ich täglich sah, gewährte, suchte ich den mühsamen Weg eines Erfinders zu wandeln, und wirklich hat mancher der hier vorgetragenen Paragraphe, die jeder Neuling der Kunst jetzt auffassen kann, mir Jahre langes Nachdenken gekostet, da aber jede neue Entdeckung, ja sogar jede neue Ansicht für die Kunst Gewinn ist, so fing ich bald darauf an, die mühsam erworbenen [660] Kenntnisse zum Gemeingebrauche zu ordnen; ich theilte dieselben in meinen Demonstrationen einer großen Anzahl junger Aerzte mit, und ihr Beifall lieh mir den Muth, diesen Umriß eines neuen wissenschaftlichen Systems vorzuzeichnen“. Seine „Unbefangenheit von Autoritäten und stete Selbstbetrachtung der Natur“, die er, ohne jede Unterstützung als Autodidakt mit seinem Thema beschäftigt, hervorhebt, kam ihm bei der Ausarbeitung seines Werkes zu statten. Es ist die erste in deutscher Sprache geschriebene, selbständige und methodische Bearbeitung der pathologischen Anatomie; die bedeutendsten nachlebenden Forscher auf demselben Arbeitsgebiete, Rokitansky und Virchow, erklären es für das beste pathologisch-anatomische Werk seit des Schotten Matthew Baillie Lehrbuch der pathologischen Anatomie, an klarer Methodik und in der Aufstellung allgemeiner Gesichtspunkte übertrifft V. noch seinen schottischen Vorgänger. V. begnügt sich nicht mit der Aufzählung der krankhaften Veränderungen an den einzelnen Organen, sondern tritt zum ersten Mal mit einer durchdachten systematischen Eintheilung der krankhaften Veränderungen und Neubildungen, einer kurzen allgemeinen pathologischen Anatomie hervor, der sich dann erst die klare Schilderung der einzelnen pathologisch-anatomischen Verhältnisse der erkrankten Organe anschließt. Auch die Entwicklungsgeschichte wird bereits von V. mehrfach für die Erklärung der Krankheitsvorgänge herangezogen. Vetter’s Wirken in Wien war für die weitere Pflege der pathologischen Anatomie dort maßgebend; während sonst Deutschland auf diesem Gebiete im ersten Drittel unseres Jahrhunderts hinter Frankreich weit zurückblieb, wurde in Wien durch Vetter’s Nachfolger Johann Wagner, den ersten Professor der pathologischen Anatomie in Wien und dessen Neffen und Assistenten Karl Rokitansky die pathologische Anatomie auf das eifrigste gepflegt und gefördert.

Vgl. Hirsch, Biogr. Lex. ber. Aerzte VI, 101. – Wurzbach, L, 230. Dort und bei Häser, Gesch. d. Med. (3. Bearb.) II, 884 weitere Quellen.