ADB:Voerda, Nicasius von (2. Artikel)
[WS 1], Rechtsgelehrter. Zu den Pflanzstätten der Wissenschaft, an welchen die Jurisprudenz im 15. Jahrhunderte zu besonderer Blüthe gelangte, gehört neben Erfurt und Leipzig die 1388 gestiftete Hochschule Köln, und namentlich waren es Heinrich von dem Birnbaum (s. A. D. B. II, 664), Haryngus Sifridus Sinnama (XXXIV, 394) und Nicasius v. Voerda, die den Ruf der rheinischen Juristenfacultät begründeten. Letzterer um [92] 1440 in dem Dorfe Heyst op dem Berge unweit Mecheln geboren (daher in der Regel „Mechlinensis“ genannt), erblindete in Folge einer Pockenkrankheit im 4. Jahre, studirte in Löwen die artes, erwarb daselbst den Grad eines magister in artibus und leitete dann einige Zeit die gelehrten Schulen in Mecheln. Nach Löwen zurückgekehrt widmete er sich dem Studium der Theologie, wurde licentiatus Theologiae, und mit päpstlicher Dispens zum Priester geweiht. In Löwen soll er die „Libri sententiarum“ erklärt und über sie „Quaestiones“ verfaßt haben. Später wandte er sich nach Köln, wo sein Bruder Johann die Stelle eines Universitätspedelles bekleidete; dortselbst am 20. September 1486 in die Artistenfacultät aufgenommen, ging er jedoch alsbald zum Rechtsstudium über, und wurde mit Zustimmung sämmtlicher Doctoren zum Doctor juris canonici erwählt. V. hielt nun als Professor juris canonici Vorlesungen, welche sich eines außergewöhnlichen Zuspruches erfreuten. Leider war seine Lehrthätigkeit von kurzer Dauer, da er schon am 16. August 1492 – also in einem Alter von etwas über 50 Jahren – starb, und wurde er in der Kirche des heil. Columban (?) begraben. V. wechselte mit Trithemius einige Briefe, und wird von Letzterem als ein Wunder von Gelehrsamkeit, Geistesschärfe und Gedächtniß gerühmt, der erblindet, die ihm vorgelesenen Materien sofort mit überraschender Genauigkeit behielt. Als Laienpriester saß er Beicht, hielt Predigten, wobei er die einschlägigen Evangelien frei aus dem Kopfe vortrug, und fungirte am Altare als Ministrant, ohne jedoch selbst das Meßopfer darzubringen. Kurz nach seinem Tode erschienen seine Institutionenvorlesungen, ein umfangreiches Werk, im Druck unter dem Titel: „Lectura Institutionum“ (Col. 1493), auch „Enarrationes Nic. d. V. in quatuor libros Institut.“ (Lugd. 1549, 50, 58 und 80). Auf dem Titelblatte ist er: „Artium liberalium et pontificii juris professor nec non in sacra theologia Licentiatus“ genannt. Einen Bestandtheil dieser Publication bildet die „Arborum trium consanguinitatis – – lectura“, die als eigenes Buch erschien; sie ist somit eine Arbeit unsres Gelehrten, dem der arbor des Joh. Andreas als Vorbild gedient haben mag. Sebastian Brant versah die Schrift mit einem empfehlenden Epigramme, und dieselbe fand eine äußerst rasche Verbreitung, da sie innerhalb sieben Jahren – von 1502 bis 1508 – fünf zu Köln erschienene Auflagen erlebte. Als Anhang ist dem vorerwähnten Institutionencommentar der „arbor actionum“ des Italieners Johann Bassanius aus Cremona beigefügt, wozu V. einen eingehenden Commentar abfaßte.
Voerda: Nicasius von V. (de Voerda)- Jos. Hartzheim, bibl. Colon. p. 254, woselbst auch die ältere Litteratur erschöpfend aufgeführt. – Trithemius, Catalogus, p. 167. – Savigny Bd. 6, S. 490. – Bianco, Die alte Univers. Köln, S. 766. – Stintzing, Gesch. der popul. Litteratur, S. 184. – Muther, Zur Gesch. der RW., S. 100.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Über diese Person existiert in Band 23 ein weiterer Artikel.