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ADB:Waagen, Adalbert

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Artikel „Waagen, Adalbert“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 778–780, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Waagen,_Adalbert&oldid=- (Version vom 10. Dezember 2024, 05:38 Uhr UTC)
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Waagen: Adalbert W., Landschaftsmaler, geboren am 30. März 1834 zu München, † am 15. April 1898 in Berchtesgaden, ging, aus einer alten Künstlerfamilie stammend, reichveranlagt, nach Absolvirung des Gymnasiums, zur Landschaftsmalerei über, die er, erst bei dem tüchtigen Aquarellisten Fritz Zeiß, übte, dann als Schüler von Albert Zimmermann, welchem W. 1858 auch nach Mailand folgte. Als der Krieg 1859 die junge, durch Erzherzog Maximilian (den nachmaligen Kaiser von Mexiko) begründete Akademie gefährdete, erhielt W. von dem jungen Erbprinzen Georg von Sachsen-Meiningen den Auftrag, einen Saal in der am Comersee erbauten Villa Carlotta (wo Heinrich Lossow Bilder aus der Gudrun ausführte) mit idealen Landschaften in Fresko zu schmücken. Nach deren Vollendung begründete W. zu München (1860) im Hause seines Freundes Karl Millner (1825–1895) ein eigenes Atelier und unternahm mit Hermann Krüger und anderen Schülern regelmäßige Studienfahrten in die Bergwelt Altbaierns und Tirols, welchen ein längerer Wanderzug über Köln, nach Antwerpen und Brüssel folgte. Bei dem Bestreben, die täglichen Eindrücke rasch festzuhalten, gewann W. die Fähigkeit einer breiteren, realistischen Richtung; infolge dessen trat er aus dem „historischen“ Rahmen der bisherigen Bestrebungen heraus, um sich mit objectiver Freiheit die Natur anzuschauen und ihre Schönheit in Stimmung und Farbe treu wiederzugeben. Doch verließ ihn nie seine echt dichterische Empfindung, welche mit feinem Takt vor Einseitigkeiten bewahrte. So schuf er sich seinen Stil, welchen die Gunst des Publicums erfaßte, sein Name gewann guten Klang. Damals trat W. auch in den Mittelpunkt der fröhlichen Künstlergesellschaft „Jung-München“, welche durch heitere Fasching- und Maifeste dem früheren, altgewordenen Regiment den Vorrang ablief. Nächst dem unermüdlichen Otto Stöger (Jahrbuch 1903, V, 270), dem immer bereitwilligen Theodor Pixis (geb. 1. Juli 1831 in Kaiserslautern, † 17. Juli 1907 in Oberpöcking) und dem begabten Componisten Georg Kremplsetzer (s. A. D. B. XVII, 122) stellte W. mit August Spieß, Friedrich und Heinrich Lossow (ebenda XIX, 221 ff. und LIII, 85), Christian Jank (geb. 14. Juli 1833, † 25. November 1888 in München) und vielen Anderen seine geselligen Fähigkeiten als Sänger und Acteur zur Verfügung.

Nach dem Tode seines Oheims, des Magnetiseurs Schechner, übernahm W. dessen in Berchtesgaden prachtvoll gelegene Villa und übersiedelte bleibend mit seiner jungen Frau 1869 in das unmittelbar mit der Fernsicht auf den [779] Watzmann erbaute Atelier: der schönste Punkt weit umher, ein wirklicher „Stand“ für jeden Landschafter in dem unerschöpflichen Schauspiel der Natur, wo jeder Blick neue Ueberraschung und köstliche Ausbeute gewährt. Das hielt er alles fest und bannte die Eindrücke auf seine Leinwand, wie ein wahrer Poet seine Lieder mit dem besten Herzblut dichtet. Die Bilder gingen flink von der Staffelei, freilich nie ohne die letzte, immer gleich tüchtige Ausführung und Vollendung. Zahlreiche Aufträge fanden sich ein aus England, Amerika, Rußland, hier auf dem Stapelplatz, wo die ganze Welt sich ein Stelldichein gibt. In der stilleren Saison ging W. immer auf neue Wanderungen, um sich zu erfrischen und zu verjüngen, um neue Ausbeute einzuheimsen. So durchzog er in weiten Fahrten ganz Italien, ebenso die Donaugelände oder den Schwarzwald: ein Material zusammentragend, welches zur Verarbeitung wohl für eine doppelte Lebenszeit ausgereicht hätte. Zeitweilig gruppirte W. eine eigene Ausstellung, beispielsweise im August 1879, eine wahre Galerie von anderthalbhundert „Erinnerungen aus dem Berchtesgadener Land“, welche willkommene Aufnahme fanden. Längere Zeit beschäftigte ihn das Project, nach dem Vorgang von Preller’s Odyssee-Bildern einen Cyklus von „Nibelungen-Landschaften“ für König Ludwig II. zu entwerfen, welche dann im Schlosse Schwanstein als Fresken ausgeführt werden sollten, wozu Reisen nach dem hohen Norden, an den Rhein, die Donau und nach Ungarn, theils begonnen wurden oder in Aussicht standen. Auch plante der König die leider nicht verwirklichte Idee, im unteren Schloßgang zu „Schwanstein“ die noch von keinem Maler behandelte epische Dichtung „Gudrun“ in einem 33 Meter langen Fries durch Theodor Pixis malen zu lassen; ebenso war für eine Reihenfolge von Darstellungen aus dem Leben der Landgräfin Elisabeth Eduard v. Steinle in Aussicht genommen. W. hatte vorläufig einige Kohlencartons entworfen, aber die überhastende Baulust für Herrenchiemsee, die Krankheit und der Tod des hohen Mäcens vereitelte auch diese schönen Pläne.

Neben allen diesen ehrenden Erfolgen hatte unser Maler mit allerlei argem Mißgeschick zu kämpfen. Die Folgen eines bösartigen Vipernbisses machten sich jahrelang fühlbar. Bei einer Kieferentzündung verschwand ein innen applicirter Blutegel in den Magen des Patienten; um diesem verhängnißvollen Unfall zu begegnen, wurden energische Mittel in Anwendung gebracht, welche den armen Dulder beinahe an den Rand des Verderbens brachten. In Mailand zermarterte ein unvernünftiger Geisterspuk seine Nächte, ein somnambuler Fall, den Richard Voß in seiner „Die Camaldolenserin“ betitelten Novelle zu einer Schilderung à la Callot-Hoffmann gestaltete. Ebendaselbst wurde W. 1859 vor dem Dolchstoß eines deutschwüthigen Italianissimo nur durch die Geistesgegenwart und Riesenkraft des Tiroler Bildhauers Gottfried Flora geschützt. Ein herziges Mädchen entriß der Tod den trostlosen Eltern; ein Sohn trat gegen Erwartung nicht in die Fußtapfen des Malers, sondern erwählte nach längerem Tasten zum eigenen Heil die Pharmakopöe. In Genua schlugen die Häscher unseren Maler in Bande wegen Ausgabe falschen Papiergeldes, welches ein Veroneser Bankier bei Flüssigmachung eines Wechsels dem ahnungslosen Maler gegeben; glücklicher Weise wußte W. sich genau auszuweisen über Tag und Stunde der Zahlung, über Firma und Person des Cassiers, dessen Conterfey er mit photographischer Treue aus dem Gedächtniß zeichnete, wodurch der Betrüger in die Hände der Nemesis fiel und der inzwischen in schwerer Haft eingekerkerte Maler endlich die Freiheit erhielt. Hierbei und in späterer Erkrankung kam ihm die selbst dialektmäßig meisterliche Handhabung der italienischen [780] Sprache zu statten. Auf der Rückkehr aus Sicilien – der im Auftrag eines Kunstfreundes geplante halbjährige Aufenthalt in Griechenland unterblieb – lauerte in einem calabresischen Neste die Cholera auf den ganz vereinsamten, hülflosen Maler; kaum genesen, streifte ihn zu München ein nicht unbedenklicher Schlaganfall. Das Jahr 1880 schuf neue, schwere, fast arbeitsunfähig machende Nervenleiden, gegen die ein Winteraufenthalt in Wiesbaden Besserung brachte. Dann schien sein Augenlicht bedroht. Rührend war es, wie der durch wunderbare Energie und Liebe zur Kunst gestählte Maler sich immer wieder siegreich emporrang, bis seine Natur endlich doch einem krebsartigen Magenleiden unterlag.

Vielfache Anerkennung und Auszeichnungen (u. a. der Professortitel) waren ihm zu Theil geworden; Berchtesgaden hatte ihm in Anerkennung seiner, auch als Feuerwehrcommandant, um die Gemeinde erworbenen Verdienste das Ehrenbürgerrecht zuerkannt. – Zwei aus beiläufig 300 Nummern bestehende Ausstellungen von Waagen’s Landschaften (Ende 1898) im Münchener Kunstverein fanden in kurzer Zeit bereitwillige Käufer; ein großes, die „Ruine Kühbach“ bei Bozen darstellendes Oelbild mit effectvoll gestimmter Abendlandschaft wurde 1898 vom bairischen Staat für die Neue Pinakothek erworben.

Vgl. Abendblatt 108 der Allg. Zeitung, 20. April 1898. – Kunstvereins-Bericht f. 1898, S. 68.