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ADB:Wadzeck, Friedrich

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Artikel „Wadzeck, Friedrich“ von Ernst Friedländer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 465–467, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wadzeck,_Friedrich&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 10:20 Uhr UTC)
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Wadzeck: Friedrich W. Am 10. August 1762 ward dem Küster an der böhmischen Kirche und Inspector der Armencasse zu Berlin Johann W. ein Sohn geboren, der Franz Daniel Friedrich genannt wurde. Erst zehnjährig verlor der Knabe den Vater und wurde nun, da er gute Anlagen zeigte, im J. 1774 in die Hallische Waisenanstalt aufgenommen, wo er dann am 16. April 1776 als deren 2708ter männlicher Zögling förmlich in die Matrikel eingetragen und bereits am 5. October desselben Jahres in die Latina versetzt wurde. Nach fünfjähriger Schulzeit daselbst und zwei auf dem Gymnasium Lutheranum zugebrachten Jahren bezog er die Hallische Universität als Studirender der Theologie und ward am 8. März 1781 vom Decan der philosophischen Facultät E. C. Trapp inscribirt und am 10. April von dem Prorector Phil. Jak. Heisler förmlich immatriculirt. [466] Nachdem er 3 Jahre hindurch theologische, philosophische und historische Vorlesungen gehört hatte, kehrte er im Februar 1784 nach Berlin zurück, bestand die Candidatenprüfung und machte sich schnell als Kanzelredner bekannt; auch empfahlen ihn später die im J. 1791 „im Kabinet Ihrer Maj. der regierenden Königin“ gehaltenen Predigten. Schon 1788 erhielt er eine Stelle als Professor der deutschen Litteratur und des Stils, später der Physik und Naturgeschichte am K. Cadettencorps, bald ward er auch Bibliothekar dieser Anstalt; doch war sein Gehalt nur mäßig, es begann mit 180 Thalern und stieg bis zum Jahre 1806 auf 560 Thaler. Er verfaßte um diese Zeit eine Naturlehre, die ihm den Dank und die Anerkennung des Königs einbrachte (Allerh. Kab. O. v. 25. März 1806), und war auch sonst schriftstellerisch thätig. Dabei war er eifriges Mitglied der Loge zum flammenden Stern. Als solches hielt er in der großen Nationalmutterloge zu den 3 Weltkugeln am 24. Juni 1794 eine neuerdings veröffentlichte Rede „Ueber Menschenvernunft“, die damals ein gewisses Aufsehen erregte, da sie sich offen über die Empfindungen der Brüder aussprach, auf denen der Druck Wöllner’s lastete. Schon früher (1789) hatte W. einen Beitrag zur Geschichte des Rosenordens und der Mystik im 18. Jahrhundert geliefert in seinem Buche: „Leben und Schicksale des berüchtigten Frz. Rud. v. Großing, eigentl. Frz. Matthäus Grossinger genannt, nebst der Geschichte und Bekanntmachung des Rosen-Ordens. Frankfurt und Leipzig 1789.“ Nachdem W. mehrere Jahre hindurch Hauptverfasser des „Gemeinnützigen Anzeigers“ zum Berliner Intelligenzblatte gewesen war, gründete er im J. 1809 das „Berlinische Wochenblatt für den Bürger und Landmann“, das er 14 Jahre fast allein geschrieben hat und dessen Ertrag vom Verfasser hauptsächlich wohlthätigen Zwecken bestimmt war. Es stellte sich die Aufgabe Religiosität und Patriotismus, überhaupt alles Gute und Nützliche zu fördern; „es war kein Gelehrtenblatt, kein Konversationsblatt, aber eine echte Volksschrift, fromm und gut“. W. verhielt sich als streng königlich gesinnt in seinem Blatte durchaus ablehnend gegen jede liberale Bewegung, namentlich gegen Jahn und das Turnen und trat so heftig dagegen auf, daß es ihm seine Stelle kostete. Was eigentlich der Grund für seine Pensionirung gewesen, ist nicht mehr zu ermitteln. Aus den Acten ergibt sich nur, daß eine Streitsache mit 3 Officieren des Cadettencorps vorgefallen war. Die Officiere wurden zwar von der Anschuldigung W. wörtlich beleidigt zu haben, freigesprochen, aber zu ihren Truppentheilen zurückversetzt (12. Mai 1818), während W. mit einer Pension von nur 300 Thalern am 1. Juni desselben Jahres in den Ruhestand treten mußte. Er selbst schreibt im October 1820 an den Justizminister, er sei pensionirt, „da er pflichtmäßig sich wenn auch mit schwacher Kraft dem großen Unfuge des Turngeistes und seinem Verderben unserer Jünglinge entgegensetzte“. – Die letzten Jahre seines dem Wohle seiner Mitmenschen gewidmeten Lebens erfüllte eine mit reichem Segen gekrönte Liebesthätigkeit, die seinen Namen auch späteren Geschlechtern ehrwürdig machen wird. Nachdem er bereits lange Jahre hindurch sich der armen Kinder der im Arbeitshause sitzenden Eltern werkthätig angenommen hatte, gründete W. am Geburtstage des Königs, dem 3. August 1819, eine Bewahranstalt für 12 arme Kinder unter 4 Jahren in der Mudrichgasse (der jetzigen Wadzeckstraße) in Berlin. Schon am 16. August hatte er auch 24 Bettelknaben gesammelt, denen er am 4. April des folgenden Jahres 24 Mädchen zugesellte, und so entriß er, von seinen Mitbürgern hoch und niedrig mit Geldmitteln unterstützt, binnen wenig Jahren hunderte von elenden Kindern der Straße dem Verderben, indem er ihnen Aufenthalt, Pflege, Wartung, Nahrung, Kleidung und Unterricht gewährte. 1822 konnte er sagen: seit zwei Jahren bettelt in der Königstraße kein Kind und Straßenunfug ist unbekannt. Bald vergrößerten sich die Räumlichkeiten und boten 240 Kindern Pflege und [467] Unterricht und später sogar nahe an 400 Kindern. Nach Wadzeck’s Tode erhielt die seit dem 1. September 1821 vom Könige „Wadzeck-Anstalt“ genannte Stiftung einen etwas anderen Charakter: sie gewährt jetzt etwa 100 Kindern ohne Vater oder Mutter von ihrer Aufnahme bis zur Einsegnung freie Wohnung, Kost, Kleidung und Schulunterricht und erzieht sie in der Regel zu tüchtigen Lehrlingen oder Dienstmädchen. So blüht die Wadzeckanstalt, zur Zeit unter dem Protectorat der Kaiserin Friedrich, auch heute noch und erhält das Andenken an ihren Stifter in Segen. W. starb am 2. März 1823. Auf seinem Sarge, den alle Anstaltskinder und Hunderte von Mitbürgern nach dem Marienkirchhof geleiteten, stand geschrieben: „Der Vater der Armen“. Von Wadzeck’s Schriften sind noch zu nennen: „Gesch. der Erbhuldigungen der Preuß. Brandenb. Regenten“, zus. mit W. Wippel, Professoren am adligen Cadettencorps. Berlin 1798; „Naturwissenschaftl. Unterhaltungen“. Berlin 1819; „Reisen im Vaterlande. 1. Rügen. 2. Harz,“ 1821, 1822; „Beiträge zur Kenntniß der Mennoniten-Gemeinden in Europa und Amerika“, 1821. Das Wochenblatt bestand bis ungefähr 1850.

Akten der Wadzeck-Anstalt, des K. Kadettenkorps, des Geh. Staats-Archivs. – Schmidt, Neuer Nekrolog der Deutschen 1823, I. Hierin auch ein Bildniß Wadzeck’s. – v. Crousaz, Gesch. des K. Preuß. Kadettenkorps. Berl. 1857. – (Gottlieb Friedlaender) Gesch. der Wadzeck-Anstalt zu Berlin während der ersten 50 Jahre ihres Bestehens, 1869. – W. Pierson, Friedrich Wadzeck (Zeitschrift für Preuß. Gesch. u. Landeskunde v. Konst. Rößler). Berl. 1883, S. 359 ff. – Bundesblatt 1893, Heft 18. – W. Bonnell, Friedrich Wadzeck und sein Berlinisches Wochenblatt (Der Bär, 1895, Nr. 16–19). – Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Spenersche Zeitung) 1823, Nr. 27–30.