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ADB:Walter, Piers

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Artikel „Walter, Piers“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 26–28, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walter,_Piers&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:11 Uhr UTC)
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Band 41 (1896), S. 26–28 (Quelle).
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Walter: Piers Uso Friedrich W., Arzt und Geburtshelfer, wurde am 7. October 1795 in Wolmar (Livland) geboren. Sein Vater Johann Herm. W., der Sohn eines aus Deutschland nach Riga eingewanderten Kaufmanns Wilhelm W., hatte in Straßburg i. E. und in Königsberg i. Pr. Medicin studirt und war zuerst in Riga, dann in Wolmar als praktischer Arzt thätig gewesen; aus der kinderreichen Ehe Joh. Herm. Walter’s waren bei dessen Tode noch 10 Kinder am Leben, 6 Söhne und 4 Töchter. Von den 6 Söhnen studirte einer Philologie, zwei Theologie und drei Medicin: Johann Wilhelm W., geboren am 30. Juli 1781, starb als junger Arzt am 13. April 1807, Hermann [27] Alfred W., geboren am 12. Mai 1797, starb ebenfalls noch jung als Arzt am 22. Januar 1823. Piers W. wurde zuerst, nachdem der Vater früh gestorben war, im Hause der Mutter in Wolmar erzogen, kam dann nach Dorpat aufs Gymnasium, das er im Januar 1813 mit dem Zeugniß der Reife verließ, um in Dorpat sich dem Studium der Medicin zu widmen. Nachdem er im J. 1817 das Studium absolvirt und das Schlußexamen bestanden, zog er in Begleitung seines jüngeren Bruders Hermann nach Deutschland und setzte seine Studien zuerst in Würzburg fort, wo er namentlich bei Textor, d’Outrepont und Friedreich Vorlesungen hörte. Im Herbst machte er eine Rheinreise, begab sich zum Winter nach Berlin, besuchte mit großem Eifer die Kliniken und arbeitete daneben an seiner Dissertation. Im Frühjahr 1819 kehrte er in die Heimath zurück, wandte sich zunächst nach Dorpat, wurde nach Vertheidigung seiner Dissertation „de versione foetus in caput“ 1822 zum Doctor der Medicin ernannt und ließ sich alsbald in seiner Vaterstadt Wolmar als Arzt nieder. Hier im Kreise seiner Familie lebend, umgeben von treuen Freunden und Bekannten gewann er bald eine ausgedehnte Praxis. Er hatte sich während seiner Studienzeit vortreffliche Kenntnisse erworben und besaß ausgezeichnete Eigenschaften, die ihn zur Ausübung des ärztlichen Berufs befähigten. Abgesehen von guten Kenntnissen, war er gleich tüchtig im Erkennen der Krankheiten, und ebenso tüchtig im Operiren. – Damals gab es noch nicht so viel Specialitäten. – W. war ein vortrefflicher Operateur – als Geburtshelfer wie als Augenarzt. Dabei hatte er eine sehr ernste Auffassung des ärztlichen Berufs, war überaus menschenfreundlich und liebevoll gegen Arme wie Reiche, unablässig bemüht, Hülfe zu spenden. Trotz seiner großen und angestrengten Praxis fand er Gelegenheit zu schriftstellerischer Thätigkeit. Er veröffentlichte: „Chirurgisch-klinische Beobachtungen“ (Berlin 1832, 206 Seiten mit einer Tafel in Steindruck, aus Graefe’s und v. Walther’s Journal für Chirurgie und Augenheilkunde Bd. XV–XVIII besonders abgedruckt) und „Von der Wendung auf die Füße bei vorgefallenem Arm. Eine geburtshülfliche Abhandlung“ (Riga und Dorpat 1834, IV und 96 Seiten). Walter’s ärztliches Kennen und Wissen, seine bedeutende ärztliche Thätigkeit waren allmählich auch außerhalb des kleinen Landstädtchens bekannt geworden und als im J. 1833 in Dorpat der Lehrstuhl der Geburtshülfe frei geworden war, berief man W., der freudig dem Rufe Folge leistete. Im Frühling 1834 siedelte er nach Dorpat über und begann seine Lehrthätigkeit, die er 25 Jahre lang mit großem Erfolg ausübte. W. war ein vortrefflicher, eifriger und außerordentlich fleißiger Lehrer: infolge dieser seiner vollen Hingabe an sein Lehramt und der sich daran schließenden ausgebreiteten ärztlichen Praxis, fand W. keine Zeit zu schriftstellerischen Arbeiten; vielleicht, wenn er früher in die akademische Laufbahn eingetreten wäre, hätte er auch als Schriftsteller Erfolge erzielt. So ist sein Name über die Grenzen der Universitätsstadt und der engen Heimathsprovinz hinaus nicht bekannt geworden; aber als Lehrer und Arzt hat er sich außerordentlich verdient gemacht. Seine nach Hunderten zählenden Schüler lernten von ihm nicht allein das Erkennen und Heilen der Krankheit, sondern sie lernten auch menschenfreundlich am Bett der Kranken sein. Segensreich wirkte er auch als Arzt; in der ersten Zeit seines Dorpater Aufenthalts beschäftigte er sich neben seiner ausgedehnten geburtshülflichen Praxis viel mit Augenoperationen: er führte mit großem Geschick und sicherer Hand Staaroperationen aus. In den Jahren 1845 und 1846 wurde er nach St. Petersburg gerufen, um die Gattin des Großfürsten Michael[WS 1] ärztlich zu behandeln. Man versuchte ihn in Petersburg zu fesseln; er sollte Leibarzt des Großfürsten werden, aber er lehnte alle verlockenden Aufforderungen ab und kehrte wieder zu seinem aufopfernden Beruf zurück: er gab dem stillen Leben im damaligen Dorpat vor dem geräuschvollen [28] der Residenz den unbedingten Vorzug. Er hatte in Dorpat sein eigenes Haus und Garten, seine ihm lieb gewordenen Thätigkeit – auf die äußerlichen Ehren, Titel und Orden die ihm zu Theil geworden, legte er keinen Werth. Im J. 1859 gab er nach 25jähriger Lehrthätigkeit seine Professur auf – er spürte den Einfluß des Alters und fühlte sich der Verantwortlichkeit des Lehrberufs nicht mehr gewachsen. Seine ärztliche Praxis aber übte er noch 10 Jahre bis zum Jahre 1869 aus. – Am 10. Juni 1869 beging er die Feier seines 50jährigen Doctorjubilläums. Einer seiner Söhne war unterdessen allmählich der Nachfolger des Vaters in der ärztlichen Praxis geworden. – Still und friedlich verbrachte der „alte Piers“, wie man ihn in Dorpat schon lange nannte, die letzten Lebensjahre inmitten seiner Familie – bis ihn am 27. Juli 1874 der Tod ereilte. An seinem Grabe rief ihm Ernst Bergmann[WS 2] im Namen der Schüler und Collegen ernste Dankesworte nach. Das Andenken an ihn wird in der Erinnerung seiner zahlreichen Schüler nicht erlöschen!

Recke-Napiersky, Schriftsteller- u. Gelehrten-Lexikon IV, 468. – Napiersky u. Beise[WS 3], Nachträge, Mitau 1859 II, S. 268.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Michael Pawlowitsch Romanow (1798–1849), russischer Großfürst.
  2. Ernst von Bergmann (1836–1907), Chirurg.
  3. Theodor Heinrich Beise (1818–1878), Syndikus.