ADB:Weidler, Johann Friedrich
[454] Gottfried W., war ein unterrichteter Geistlicher und legte in dem Sohne den Grund zu dem äußerst umfassenden Wissen, welches diesen später auszeichnete. Erst fünfzehnjährig, bezog er die Universität Jena, wo er unter Hamberger studirte und 1710 (?), mit einer Dissertation über die Speise- und Kleidergesetze der Pythagoreer die philosophische Magisterwürde erwarb. Hamberger (Georg Albrecht, der Stammvater der bekannten Gelehrtenfamilie) bestellte den jungen Mann in Fällen der Verhinderung als Stellvertreter; daß W. auch das durch den Tod des Lehrers unterbrochene Colleg zu Ende gelesen habe, wie Wolf erzählt, ist nicht richtig, denn Hamberger starb erst 1716, und damals war W. bereits wohlbestallter Professor einer anderen Hochschule. Der letztere ging nämlich später nach Wittenberg, disputirte dort 1711 „de minimis“ und wurde 1712 Assessor (eine Art besoldeten Privatdocententhums) an der philosophischen Facultät. In Wittenberg bestand seit Melanchthon’s Universitätsreform eine mathematische Doppelprofessur; der Professor Mathematum inferiorum hatte über Arithmetik und Geometrie, der Professor Mathematum superiorum hatte über Sternkunde vorzutragen. Diesen zweiten Lehrstuhl bekam W. im J. 1715. Nach 11jähriger Thätigkeit machte er 1726 eine größere Reise ins Ausland, trat in Paris mit den Größen Frankreichs (Fontenelle, Jacques Cassini u. s. w.) in persönliche Beziehung und ließ sich (im Jahre darauf) in Basel auch noch zum Doctor beider Rechte machen, wobei er eine Schrift: „De juribus mathematicorum“ vorlegte und vertheidigte. Dies hatte zur Folge, daß er nach seiner Heimkunft formell der Juristenfacultät zugetheilt wurde, ohne daß jedoch die Verpflichtung, rechtswissenschaftliche Vorlesungen zu halten, von ihm anscheinend gefordert wurde. Vielmehr wirkte er bis zu seinem Tode als geschätzter Lehrer und unermüdlicher Schriftsteller in seinen ursprünglichen Fächern. Mit fast allen bedeutenden Astronomen seiner Zeit unterhielt er einen lebhaften Briefwechsel; der damals berühmte Delisle besuchte ihn 1747 in Wittenberg. Auch fand sein redliches Streben öffentliche Anerkennung durch die Aufnahme in viele gelehrte Gesellschaften, unter denen hier nur die Royal Society und die Berliner Akademie der Wissenschaften genannt seien.
Weidler: Johann Friedrich W., Astronom und Physiker, geboren (nach Lalande) am 23. April 1691 (nach Anderen erst im Jahr darauf) zu Neuhausen (Thüringen), † am 30. November 1755 zu Wittenberg. Sein Vater,Um seinem Lehrberufe zu genügen, schrieb W. mathematische Lehrbücher, welche seine Zeit hoch achtete, so die „Institutiones mathematicae“ (Wittenberg 1718; 5. Aufl., ebd. 1750) und die „Institutiones geometriae subterraneae“ (ebd. 1726; 2. Aufl., ebd. 1751; ins Deutsche übertragen von Fuxtaller, Wien 1765; das erste systematische Compendium der bergmännischen Markscheidekunst). Auf eine stark hervortretende Neigung für geschichtlich-mathematische Studien weisen andere Schriften hin („Dissertatio de characteribus numerorum vulgaribus et eorum aetatibus“, Wittenberg 1717; „Dissertatio de suspectis mathematum originibus“, ebd. 1727; „Programma exhibens spicilegium observationum ad historiam notarum numeralium pertinentium“, ebd. 1755). Auch über Apollonius Pergaeus hat W. geschrieben (ebd. 1715).
Der Physik und Meteorologie gehören mehrere Arbeiten Weidler’s an, und er darf fraglos als einer der ersten Beförderer einer exacteren Witterungs- und Klimakunde auf deutschem Boden gerühmt werden. Hellmann citirt 20 einschlägige Abhandlungen, die theils selbständig erschienen (akademische Gelegenheitsschriften), theils auch in den „Philosophical Transactions“ und in den „Miscellanea“ von Berlin und Leipzig abgedruckt sind. Nordlichter, Meteore und Nebensonnen werden beschrieben; Wittenberger Regenmessungen mitgetheilt; auch ein Versuch, die Menge des gefallenen Thaues durch ein „Drososkop“ zu ermitteln, liegt vor. Mehr der Experimentalphysik sind zuzurechnen eine molekularphysikalische Betrachtung über das „leuchtende“ Barometer, welches vor hundert bis zweihundert Jahren die naturwissenschaftlichen Kreise gar lebhaft beschäftigte („Exercitatio [455] de phosphoro mercuriali, praecipue eo, qui in barometris lucet, et ejus rationibus“, Wittenberg 1715), und Angaben über eine vervollkommnete Luftpumpe („Novae antliae Guerickianae descriptio“, Miscell. Lips. I, 1716). Als Leitfaden seiner Vorträge bearbeitete W. „Institutiones mathematico-physicae, experimentis confirmatae“ (Leipzig 1738).
Im Bereiche der Astronomie sind zahlreiche kleinere Aufsätze und Notizen in den schon erwähnten periodischen Schriften, sowie in den „Acta Eruditorum“ anzuführen. Astronomische Monographien von W. sind: „Dissertatio de specularum astronomicarum statu praesenti“, Wittenberg 1727 (sehr brauchbar und nachmals von Johann Bernoulli III. fortgeführt); „Dissertatio de coloribus macularum solarium“, ebd. 1729 (für die Geschichte der Sonnenphysik nicht ohne Wichtigkeit); zwei Beschreibungen der Merkurdurchgänge durch die Sonnenscheibe (ebd. 1736 und 1747). Wie eifrig er sich mit der Bestimmung der geographischen Lage seines Wohnortes beschäftigte, erhellt daraus, daß ihn der Tod über dem Abschluß der bezüglichen Berechnungen ereilte (Weidler, Dissertatio de latitudine et longitudine Vitebergae et de Calaegia Ptolemaei, Wittenberg 1755; „hanc, mortuo praeside, solus defendet Resp. M. Justinus Elias Wüstemann“). Auch ein für die Entstehungszeit sehr gutes Lehrbuch seines Hauptfaches („Institutiones astronomicae, observationibus et calculis illustratae“, Wittenberg 1754) rührt von W. her.
Alle diese nach Zahl und Inhalt achtbaren Leistungen werden jedoch in den Schatten gestellt durch das verdienstvolle astronomische Geschichtswerk, zu dessen Abfassung sich W. durch seine französischen Freunde Delisle und Godin hatte anregen lassen. Wenn auch dasselbe („Historia Astronomiae, sive de ortu et progressu Astronomiae liber singularis“, Wittenberg 1741) etwas trocken gehalten und mehr eine Geschichte der Astronomen als eine solche der Wissenschaft selbst ist, so kennzeichnet es seiner Treue, Zuverlässigkeit und Fülle halber doch einen Markstein in der Geschichte der exacten Disciplinen und ist noch heutzutage schlechthin unentbehrlich für jeden, der auf verwandtem Arbeitsfelde thätig sein will. Mit Fug zollte ihm dafür Lalande warme Lobsprüche, indem er darthat, daß Bailly sein elegantes aber ungründliches Werk ohne Weidler’s Vorarbeit überhaupt nicht hätte verfassen können. Als ein nicht weniger nützlicher Nachtrag ist die „Bibliographia Astronomica“ (Wittenberg 1755, mit Ergänzungen zur eigentlichen Geschichtsdarstellung) anzusehen.
- Lalande, Bibliographie Astronomique, avec l’histoire de l’astronomie depuis 1781 jusqu’à 1802, S. IV. Paris 1803. – Mädler, Geschichte der Himmelskunde von der ältesten bis auf die neueste Zeit, S. 30 ff., 96, 121, 131, 273, 290. Braunschweig 1873. – R. Wolf, Geschichte der Astronomie, S. 773 ff. München 1877. – Hellmann, Repertorium der deutschen Meteorologie, Sp. 521 ff. Leipzig 1883.[1]
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ Weidler, Joh. Frdr. XLI 455 Z. 13 v. u. füge hinzu: Wilh. Weidler, die thüring.-sächsische Familie Weidler; ein Beitrag zur Stamm- u. Bücherkunde. Halle a./S. 1910. [Bd. 56, S. 398]