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ADB:Werner, Abraham Gottlob

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Artikel „Werner, Abraham Gottlob“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 33–39, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werner,_Abraham_Gottlob&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 10:31 Uhr UTC)
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Werner: Abraham Gottlob W., der berühmteste Mineralog seiner Zeit und Begründer einer besonderen, von ihm als Geognosie bezeichneten Wissenschaft, entstammte einer Familie, welche seit langer Zeit im Eisenhüttenwesen thätig war. Geboren wurde W. am 25. September 1749 (nach Anderen 1750) zu Thomendorf-Wehrau in der Oberlausitz, wo sein Vater, Abraham David W., als Inspector des gräflichen Solms’schen Eisenhüttenwerks Dienste leistete. W. genoß nur den einfachen Schulunterricht der Waisenhausschule zu Bunzlau und trat nach seiner Confirmation im 15. Lebensalter zur Unterstützung seines Vaters als Hüttenschreiber in den praktischen Betrieb ein. Neben seinen dienstlichen Arbeiten beschäftigte er sich hier nebenbei eifrig mit dem Lesen technischer Schriften und gewann durch die Kenntniß der Mineralien einer kleinen Sammlung [34] seines Vaters ein ganz besonderes Interesse für dieselben. Da seine durch den angestrengten Dienst geschwächte Gesundheit den Besuch der Heilquellen von Karlsbad nöthig machte, kam er auf der Reise dahin nach Freiberg, wo der Anblick der großartigen Berg- und Hüttenwerke, sowie der prächtigen Mineraliensammlungen einen so mächtigen Eindruck auf den empfänglichen Geist des jungen Mannes ausübte, daß in ihm der lebhafte Wunsch entstand, sich weiter in der Bergwerkswissenschaft auszubilden. Sein Vater bewilligte ihm den Besuch der zwei Jahre vorher gegründeten Bergakademie in Freiberg, die er zu Ostern 1769 bezog. Hier lenkte bald der Fleiß und Eifer des jungen Akademikers sowie seine rasch gewonnenen außergewöhnlichen Kenntnisse die Aufmerksamkeit seiner Lehrer, namentlich des Berghauptmanns P. v. Ohain, auf ihn; der letztere gestattete W., seine reiche Mineraliensammlung zu besuchen, die W. rasch aufs gründlichste kennen lernte. W. fühlte bald das Bedürfniß, das Versäumte seiner Jugendbildung nachzuholen und besuchte zu diesem Zwecke und um sich auch noch weiter auszubilden 1771 die Universität Leipzig, wo er hauptsächlich sprachlichen, naturwissenschaftlichen und juristischen Studien oblag. Hier nahm er unter den älteren Schriften zunächst von Gehler’s „De characteribus fossilium externis“ nähere Kenntniß und versuchte diese Schrift, deren Inhalt mit seinen eigenen bisher gewonnenen Anschauungen am meisten übereinstimmte zu übersetzen. Doch fühlte er bald deren Unzulänglichkeit und unternahm in ähnlichem Sinne eine selbständige Ausarbeitung, die er auch als erste seiner ohnehin spärlichen Publicationen noch als Student unter dem Titel „Abhandlung über die äußeren Kennzeichen der Fossilien“ 1774 drucken ließ. In dieser Schrift legte W. den Grund zu seiner weiteren wissenschaftlichen Laufbahn und stellte darin das Princip fest, welches ihn in allen seinen späteren Forschungen leitete, das Lehrgebäude, das er nur weiter ausbaute, verbesserte und vervollständigte. Er bezeichnete es als Hauptaufgabe der Mineralogie, die sog. Fossilien (Mineralien) nur nach äußeren Kennzeichen so rasch als möglich sicher zu bestimmen und in die Reihe der übrigen Mineralien systematisch an einer ihrer Natur entsprechenden Stelle einzuordnen in dem Sinne, wie dies Linné für die Pflanzen und Thiere gelehrt hatte. Nach dem Besuch der Universität kehrte W. ins elterliche Haus zurück und bereitete sich zu einer größeren wissenschaftlichen Reise vor, als ihn unverhofft ein Ruf als Inspector bei der Bergakademie in Freiberg und Lehrer der Mineralogie überraschte. Er zögerte nicht diesem so ehrenvollen und aussichtsreichen Anerbieten Folge zu leisten und trat zu Ostern 1775 diese Stelle an. W. begann seine Lehrvorträge in der bisher üblichen Weise, in welcher Mineralogie, Gebirgslehre und Bergbaukunde ungetrennt und vermengt behandelt wurden. Indem er seinen Aufenthalt in Freiberg mit dem ihm eigenen Eifer zur genauen Erforschung der sächsischen Bergwerke und der Gebirgsverhältnisse des Landes benutzte und wie kaum ein Anderer sich darin die genauesten Kenntnisse erwarb, erkannte er bald die Unzulänglichkeit, in den Lehrvorträgen die bisher zusammengefaßten Stoffe der sog. Mineralogie weiterhin ungetrennt zu behandeln und versuchte zunächst Mineralogie und Bergwerkskunde gesondert vorzutragen. In bergbaulicher Richtung veröffentlichte er 1788 einen praktisch wichtigen Aufsatz „Von den verschiedenen Graden der Festigkeit der Gesteine als Hauptgrund von der Hauptverschiedenheit der Hauerarbeiten“ (Bergm. Journal 1788). Weiter schied er dann die Lehre von den Fossilien d. h. von den einfachen, sichtbar nicht gemengten Mineralien, die er Oryctognosie nannte, von der Betrachtung der Gebirgsarten als Mineralgemenge nach dem Vorgang des Schweden Cronstedt und hielt zum ersten Mal 1779 gesonderte Vorlesungen über die Gebirgslehre, die er später (1785) in erweiterter Form als eigene Wissenschaft „Geognosie“ nannte. Zunächst war es die [35] Förderung der Mineralogie, welche seinen über alle Länder verbreiteten Ruhm als größten Mineralogen begründete und von überall her Zuhörer nach Freiberg herbeizog. Es war nicht sowol das streng wissenschaftliche System in der Behandlung dieses Wissenszweiges, welches sich ja auch für die Dauer nicht zu halten vermochte, weil es zu wenig die von Berzelius eingeleiteten chemischen und die von Hauy meisterhaft behandelten krystallographischen Verhältnisse berücksichtigte, als die ganz außergewöhnliche Gabe eines begeisterten und Begeisterung erweckenden Lehrvortrags, welche ihm seinen großen Ruf verschaffte. Er bildete zuerst eine Schule der Mineralogie, zu welcher namentlich seitdem er auch besondere Vorträge über die neue Wissenschaft „Geognosie“ zu halten begonnen hatte, wie einst im Mittelalter nach Bologna und Paris jetzt nach Freiberg alle Lernbegierigen, selbst ältere Männer, herbeiströmten. W. schwebte als Vorbild der Altmeister der bergmännischen Wissenszweige Agricola und für Mineralogie insbesondere die Schriften Cronstedt’s vor, von welchen er auch eine Uebersetzung aus dem Schwedischen begann, aber nur bis zum ersten Theil 1780 zur Veröffentlichung brachte. Als einleitende Schrift war seine Abhandlung von den verschiedenen Mineralien-Sammlungen, aus denen ein vollständiges Cabinet bestehen soll (Samml. d. Phys. u. Naturw. I. Bd. 1781), erschienen. W. nahm die Cronstedt’sche Haupteintheilung der Mineralien in vier Classen, nämlich in die erdigen, salzigen, brennlichen und metallischen Stoffe nach ihren Grundbestandtheilen oder chemischen Zusammensetzung an, schied aber von denselben alle Erden und Steine, die Versteinerungen, die Naturspiele, Bildsteine, Atmosphärilien und Kunstproducte aus und vervollkommnete das System wesentlich nach seinem früher aufgestellten Grundsatze, die Mineralien nach bloß äußeren Kennzeichen unter Berücksichtigung der Gestalt der abgesonderten Stücke zu bestimmen, nach verschiedenen Richtungen. Hierbei legte er vorzüglich Gewicht auf die Farbe in ihren feinsten Abtonungen, auf die Beständigkeit der Krystallgrundformen, von denen er sechs kennen lehrte, und auf die Veränderung derselben durch Abstumpfung und Zuspitzung, ohne jedoch bis zum Erkennen der eigentlichen Krystallgesetze durchzudringen. Gleichzeitig hielt er das specifische Gewicht für so wichtig, daß er sogar dessen Abwägung mit der Hand für ein gutes Hilfsmittel erklärte. Von chemischer Behandlung wollte er nur die einfache Anwendung von Scheidewasser benützt wissen. Darnach theilte er die vier erwähnten Classen der Mineralien weiter nach den Mischungsverhältnissen in Gattungen und diese, je nachdem die Fossilien in zwei oder drei speciellen Kennzeichen von einander Abweichungen zeigen, in Arten. Einen besonderen Vorzug verlieh W. seinem Mineralsystem durch eine Vereinigung der Nomenclatur, für die er den Grundsatz aufstellte, daß die Benennung der Art unterscheidend, fach- und sprachrichtig, bezeichnend, kurz, festgesetzt und einzig sein soll. Nebenbei führt er die Bezeichnung nach um die Wissenschaft verdienten Personen ein wie z. B. Prehnit, Scheelit u. s. w. Bedauerlicher Weise besorgte er selbst keine Veröffentlichung dieses seines Mineralsystems, sondern überließ dies zunächst einem mit seinen Lehren wohlvertrauten Schüler Hoffmann, der unter Werner’s Augen die Herausgabe zu besorgen begann, aber starb, ehe er das Werk 1811 beenden konnte; dasselbe wurde dann 1811–1818 von dem später berühmten Mineralogen Breithaupt zum Abschluß gebracht. Ohne sein Wissen und seinen Willen war auch 1816 im Prager Hesperus ein nicht ganz correcter Abdruck nach dem Collegienhefte erschienen. Nach Werner’s Ableben wurde auf Anordnung des Oberbergamtes in Freiberg von Bergrath Freiesleben „Werner’s letztes Mineralsystem“ 1818 in Druck gelegt. Die Literatur hat sonst nur kleinere von W. selbst besorgte Abhandlungen über einzelne Mineralien mit Ausnahme des zweibändigen, aber weniger wichtigen Werks „Ausführl. u. system. [36] Verzeichniß des Mineralcabinetts d. Bergh. v. Ohain“ 1795 aufzuweisen, wie: „Geschichte, Charakteristik und kurze chemische Beschreibung des Apatits“ (Bergm. Jour. 1788); „Aeußere Beschreibung des Cyanits“ (ebd. 1790); „Aeußere Beschreibung des Olivins, Krysoliths, Berils und Krysoberils“ (Bergm. Journ. 1790); „Beschreibung eines arsenikalischen Silbererzes“ (Leipz. Samml. z. Naturgesch. u. Phys. I. Bd. 1781); „Ueber Erzeugung von Gypskrystallen in alten Halden“ (das. II. Bd.); „Anmerkungen zu Wiedemann, Ue. einige ungarische Fossilien“ (Bergm. J. 1789, I. Bd.) und zu einem Schreiben des Cheval. Napion (das. 1789, II. Bd.). Nicht unerwähnt darf Werner’s Verdienst um die Förderung der mineralogischen Wissenschaft bleiben, das er sich darauf erwarb, daß er in Freiberg eine eigene Verkaufs- und Eintauschniederlage für Mineralien errichtete, um genau bestimmten Arten, welche ihm von dankbaren Schülern aus allen Ländern massenhaft zugeschickt wurden, eine möglichst große Verbreitung zu sichern.

Auch als Lehrer der Bergwerkskunde und des Hüttenwesens leistete W. theoretisch und praktisch Vorzügliches. Als Mitglied des sächsischen Oberbergamtes in Freiberg trug er Vieles zur Verbesserung im Berg- und Hüttenwesen bei, obgleich eine größere Wirksamkeit bei diesen Behörden durch ein gespanntes Verhältniß zu deren Vorstande v. Heynitz und dem ersten Rath v. Charpentier, der in wissenschaftlichen Dingen Werner’s Ansichten nicht theilte, sogar feindlich gegenüberstand und durch Werner’s unentschlossenes und zögerndes Verhalten im Geschäftlichen, stark beeinträchtigt wurde. Eine mineralogisch bergbauliche Kartirung Sachsens war schon früher begonnen worden. W. nahm dieselbe nunmehr in die Hand, vervollkommnete sie nach den neuen wissenschaftlichen Principien und war eifrigst bemüht, eine möglichst vollkommene geognostische Karte des Landes, auf welcher die verschiedenen Gebirgsglieder durch besondere Farben kenntlich gemacht wurden, herzustellen.

War Werner’s Verdienst um die Förderung der mineralogischen Wissenschaft, hauptsächlich durch Bildung einer eigenen Schule schon wohlbegründet und sein Ruf als unübertrefflicher Lehrer durch begeisterte Schüler überallhin verbreitet worden, so steigerte sich dieser Ruhm in noch höherem Maße dadurch, daß er durch Begründung einer neuen Wissenschaft „Geognosie“ als erster Lehrer auftrat und daß es ihm gelang, diesen jugendlichen Wissenszweig durch die selten erreichte Meisterschaft des mündlichen Vortrags in bezauberndem Glanze aus früherem Dunkel hervorleuchten zu lassen. Auswärtige Gelehrte des Fachs lernten die deutsche Sprache, um der gleichsam neu entdeckten Lehre des Freiberger Professors folgen zu können. Die später berühmtesten Gelehrten des Fachs saßen als Lernende zu Füßen des hochverehrten Mannes, ein Alex. v. Humboldt, Leop. v. Buch, Weißbach, Mohs, Raumer, v. Schlotheim, Steffens, Reuß, Karsten, Flurl, Baader, d’Aubisson, de Villefosse, Pusch, Hawkins, Jameson, Del Rio, Esmark, Ramondini und hunderte von Gelehrten und Praktikern des montanistischen Fachs. Zwar bestanden schon im hohen Alterthume gewisse Meinungen über die Entstehung der Erde und der nach und nach erfolgten Veränderungen auf derselben. Es waren aber nur philosophische Speculationen, selten auf nur einzelne beobachtete Naturerscheinungen gegründete Theorien. Auch bekämpften sich schon von Alters her die Ansichten über die Wirkung des Feuers und des Wassers bei der Bildung des Erdkörpers als Plutonismus und Neptunismus. Es gab schon lange vor W. einzelne hervorragende scharfe und nüchterne Beobachter über die Beschaffenheit des Bodens und der Steine, welche diesen zusammensetzen, wie der Däne Steno in Italien, Palissy, der Töpfer, in Paris, Bergleute wie Füchsel und Lehmann in Deutschland, Saussure in der Schweiz, Hutton in Großbritannien, Pallas in Rußland und Andere, welche aus den gemachten Wahrnehmungen folgerichtige Schlüsse [37] zogen, die Gesetzmäßigkeit und die regelmäßige Aufeinanderfolge der Gesteinslager erkannten, ihre Zusammengruppirungen richtig beurtheilten und die Bedeutung der Versteinerungen würdigten. Aber das Alles war zerstreut und ohne inneren Zusammenhang da oder dort ausgesprochen worden. Indem nun W. die bis dahin mit der Mineralogie und Bergbaukunde verquickte Materie über den Bau des Erdkörpers und seine Gesteinszusammensetzung aus ersteren Wissenszweigen herausschälte und von eigenen vielfältigen Beobachtungen geleitet ein zusammenhängendes und systematisch geordnetes Ganzes als Lehre der Erdkunde oder Geognosie besonders seit 1785 zum Vortrag brachte, gründete er auch in dieser Richtung eine glänzende Schule, deren Lehre in erstaunlich rascher Weise fast allgemeine Anerkennung und die weiteste Verbreitung selbst bis in die fernsten Gegenden der Erde fand. Die Gründung dieser Schule und das Leben, welches W. dieser jungen Wissenschaft einzuhauchen verstand, bleibt Werner’s großes unsterbliches Verdienst, wenn auch Mehreres seiner von ihm mit eigenwilliger Zähigkeit festgehaltenen und von seinen dankbaren Schülern ohne kritische Prüfung übernommenen und, solange W. lebte, vertheidigten Ansichten sich später als nicht haltbar erwiesen hat, vielfach sogar dem rascheren Fortschritt der Wissenschaft hemmend entgegenstand. Ueberdies besaß W. einen nur engen, auf ein kleines Gebiet eigener Erfahrungen und Beobachtungen beschränkten Gesichtskreis, weil er niemals größere wissenschaftliche Untersuchungsreisen außerhalb Sachsens und seiner nächsten Umgebung unternahm und keine außersächsischen Verhältnisse kennen lernte. Daß es jedoch überhaupt eine geognostische Wissenschaft und eifriges Forschen auf ihrem Gebiete gab, das verdankt man einzig und allein W. Ueber seine geognostische Lehre besitzen wir leider ebenso wenig wie über sein mineralogisches System eine von W. selbst verfaßte und veröffentlichte Schrift. Er konnte zu einer solchen Publication nicht veranlaßt werden theils aus einer ihm eigenthümlichen Scheu vor Veröffentlichungen, theils aus Ueberhäufung mit Arbeit, theils auch, wie es scheinen möchte, weil er der Meinung war, daß bei dem stetigen Fortschreiten dieses Wissenszweiges das, was geboten werden konnte, noch nicht völlig reif und abgeschlossen sei. Die Kenntniß seiner Lehre besitzen wir nur aus einzelnen kleineren Aufsätzen, welche W. verfaßte und aus meist gegen seinen Willen veranstalteten Vervielfältigungen seiner Vorlesungshefte. Am vollständigsten macht uns vielleicht ein nach seinem Tode durch Druck bekannt gemachter Vortrag, welchen er im März 1817 in der Gesellschaft für Mineralogie in Dresden gehalten hatte (Schrift. d. Gesellsch. für Min. in Dresden I, 1813) „Allgemeine Betrachtung über den festen Erdkörper“ mit den letzten geognostischen Anschauungen Werner’s bekannt. Unter Beseitigung aller speculativen Hypothesen stellt er hier zunächst den Begriff von Stein- und Erdarten als Mineralgemenge fest und lehrt sie ihrer Natur nach unterscheiden. Dann weist er auf die Ordnung hin, in welcher die verschiedenen Gebirgsgesteine meist in Schichten auftreten, folgert aus deren lagermäßigen Ausbildung und dem Vorkommen von Versteinerungen ihre ausschließliche Entstehung aus Wasser und zwar in wagerechter Lage und an der Stelle, wo sie sich jetzt noch vorfinden. Alle Veränderungen, welche an der Erdoberfläche wahrzunehmen sind, faßt er als durch Wasserfluthen bewirkte Umbildungen und Zerstörungen mit Ausnahme nur örtlicher Aenderungen infolge von Einstürzen auf, ohne daß hierbei irgend einem aus der Tiefe der Erde wirkenden Einfluß eine Betheiligung zugestanden wird entgegen der Behauptung Anderer, daß viele Gesteine von unterirdischem Feuer erzeugt seien. Die wenigen wirklich von Feuer beeinflußten Gesteine, wie z. B. die Lava und die Vulkane, erklärte W. als Erzeugnisse beschränkter unterirdischer Steinkohlenbrände (Versuch e. Erklärung d. Entstehung d. Vulkane durch die Entzünd. mächt. Steinkohlenschichten [38] in Höpfner’s Magazin 1789, IV. Bd., S. 240). Damit ist Werner’s Standpunkt als der eines Neptunisten in ausgedehntestem Sinne des Wortes gekennzeichnet, welcher selbst die vulkanische Entstehung des Basaltes und ähnlicher Gesteinsarten läugnet. Die ausgebildete Werner’sche Schule unterschied sechs Classen mit ungefähr 36 Formationen von Gesteinsbildungen, nämlich 1. Uranfängliche Gebirgsarten, bei deren Bildung hauptsächlich Krystallkräfte wirksam waren, mit den Formationen Granit, Gneiß, Glimmerschiefer, Urkalk, Syenit, Serpentin, Thonschiefer, Porphyr und Quarz; dann 2. Uebergangsgebirge, welches zuerst nicht unterschieden, später von W. zwischen älteres und jüngeres Gebirge eingeschaltet wurde, weil es zwar eine gewisse geognostische Aehnlichkeit mit ersterem besitzt, jedoch bereits wenn auch weniger zahlreiche organische Ueberreste umschließt, besteht als vermittelndes Glied aus Uebergangsthonschiefer, Grünstein, Kieselschiefer, Kalkstein und Grauwacke. An dasselbe reiht sich 3. das Flötzgebirge an, wozu Thonschiefer, älterer Sandstein, Rothliegendes, Alpenkalk (hauptsächlich Zechstein), Steinsalz, älter und jüngerer Gyps, Jurakalkstein, jüngerer Sandstein, jüngerer Kalkstein (Muschelkalk) und Kreide gerechnet werden. Die 4. Classe, das Trappgebirge, besteht aus Basalt, Mandelstein, Kohle, Porphyrschiefer, Grünstein und Basalttuff. 5. Aufgeschwemmtes Gebirge, als jüngste Wasserablagerung umfaßt Nagelfluh, Kalktuff, Seifenbänke, niedriges Land und endlich schließt die Reihe mit 6. den vulkanischen Gebirgsarten, von welchen angenommen wird, daß sie aus Kohlenbränden entstanden seien. Anfänglich ging W. von der genaueren Feststellung des Begriffs einer Gebirgsformation nach dem Vorgange von Füchsel aus, hob die Bedeutung und Wichtigkeit der Schichtung, des Verhaltens derselben im Streichen und Fallen hervor und lehrte die gleichmäßige und ungleichmäßige Lagerung kennen. Dabei legte er mehr Gewicht auf die mineralische Beschaffenheit der Gesteine, als auf die Lagerungsfolge, wie aus einer ohne sein Wissen veröffentlichten Abhandlung: „Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gebirgsarten“, 1787 hervorgeht. Sehr eingehend befaßte er sich mit der Schilderung der Urgebirgsgesteine, die er am besten aus eigener Anschauung im Erzgebirge kennen gelernt hatte, weniger mit dem sog. Flötzgebirge. Auch legte er nach seinen persönlichen Erfahrungen in Sachsen weniger Werth auf das Vorkommen von Versteinerungen, auf welche doch schon Füchsel in zutreffender Weise zur Unterscheidung der verschiedenen Lagen die Aufmerksamkeit gelenkt hatte, die aber erst durch Smith’s eingehende Beobachtungen in England in ihrer wahren Bedeutung erkannt wurden. Mit großer Gründlichkeit behandelte W. die auch praktisch für den Bergbaubetrieb wichtige Frage über die Entstehung der Gänge: „Neue Theorie vom Entstehen der Gänge“ 1781, welche er durch Bildung von Gebirgsspalten und deren Ausfüllung mit von den umgebenden Gesteinsmassen verschiedenen Mineralsubstanzen von oben her erklärte und deren relative Altersverschiedenheit und Unterscheidung nach Gangformationen erkennen lehrte. Wie bei allen Gesteinen mit Ausnahme der eigentlichen Vulkane nahm er auch für den Basalt auf Grund von dessen petrographischer Aehnlichkeit mit dem sog. Flötztrapp, der ihm ganz unzweifelhaft als ein Absatz aus Wasser galt („Ueber d. Trapp der Schweden“ im Bergm. Journ. II, 1793) eine neptunische Entstehung an und glaubte dies als ganz unzweideutig richtig durch seine Beobachtungen an dem Basaltvorkommen des Scheibenbergs nachweisen zu können („Bekanntmachung e. am Scheibenberger Hügel über die Entstehung des Basalts gemachten Entdeckung“ im Intelligenzblatt d. allg. Litt. Zeit. 1788 u. im Bergm. Journ. II. Bd., 1788). Weil hier Basalt, Wacke, Thon und Sand alle in einander verliefen, müsse auch der Basalt wie der Sand und Thon wässrigen Ursprungs sein. Die auffallend kegelförmig gestalteten Kuppen der Basaltberge erklärte er für ausgenagte Ueberbleibsel uranfänglich mächtiger [39] Flötzlager („Ü. d. Vorkommen des Basalts auf Kuppen“ u. s. w. im Bergm. Journ. I, 1789 mit Vorbemerk. u. Anmerk. zu Eversmann, Ü. e. an d. Basaltberge König Arthur’s Sitz gemachte Beobachtung das. I, 1789). In seiner Auffassung bestärkte ihn auch das Vorkommen von Holzstämmen in den Wacken von Joachimsthal („V. d. Butzen-Wacken zu Joachimsthal“ in Crell’s Chem. Ann. 1789; „Vorbemerkungen und Anmerkungen zu Faust’s Nachricht von d. auf d. Meißner in Hessen über Steinkohlen und bituminösem Holze liegenden Basalt“ im Bergm. Journ. I, 1789). Ueber diese neptunistische Theorie der Entstehung des Basaltes entbrannte nun ein heftiger, lang andauernder Streit zwischen Neptunisten und Vulkanisten. Vorbereitet durch Hutton’s Annahme, daß Basalt, Porphyr, Granit u. s. w. feuerflüssigen Ursprungs sei (Plutonismus) und in Uebereinstimmung mit der in Frankreich durchwegs herrschenden vulkanischen Theorie war in Deutschland zuerst von Bergrath Voigt in Ilmenau, einem Schüler Werner’s, auf Grund zahlreicher Beobachtungen in basaltischen Gebirgen der Kampf gegen den inzwischen fast zur Alleinherrschaft durchgedrungenen Werner’schen Neptunismus begonnen worden. In dem zwischen W. und Voigt mit großer Heftigkeit und selbst Leidenschaft geführten Streite beharrte W. in einer letzten Erklärung („Schlußbemerkungen gegen Voigt“ im Bergm. Journ.) trotz der überzeugenden Darstellung Voigt’s bei seiner Ansicht. Fortgeführt wurde dieser Kampf zuerst zwischen Voigt und Wiedemann und Anderen bis über Werner’s Tod hinaus, wobei viele der Schüler Werner’s aus Anhänglichkeit an den geliebten und hochverehrten Lehrer, oft gegen bessere Ueberzeugung, wenigstens solange W. lebte, den Neptunismus vertheidigten. W. selbst blieb wenigstens gegen außen seiner Annahme treu, selbst als einer seiner ergebensten Schüler, Weiß, von einer Reise in die Auvergne zurückgekehrt, ihn durch gewichtige Gründe von der Unhaltbarkeit derselben zu überzeugen versucht hatte. Erst L. v. Buch’s umfassende Untersuchungen verhalfen dem Vulkanismus zum Siege, der nun in überschwänglicher Weise ausgebeutet wurde. Werner’s Verdienste um die Förderung der mineralogischen und geognostischen Wissenschaft fanden reichliche Anerkennung durch seine Ernennung zum Mitgliede der meisten Akademien und vom Institut de France. In seiner dienstlichen Stellung war er 1792 zum Bergcommissionsrath und 1799 zum Bergrath ernannt und 1816 mit dem Ritterkreuz des sächsischen Ordens für Verdienst und Treue ausgezeichnet worden. Sein stets schwächlicher Gesundheitszustand nöthigte ihn fast jährlich zu einem Besuch der Karlsbader Heilquellen; ein erneuertes Unwohlsein veranlaßte ihn 1817 behufs ärzlicher Consultation zu einer Reise nach Dresden, wo er heftig erkrankte und am 30. Juni verschied. In der Domkirche in Freiberg fand er eine durch eine einfache Gedenktafel bezeichnete Ruhestätte. W. war unverheirathet und hinterließ eine reiche Mineraliensammlung und Bibliothek, die theils als Geschenk, theilts durch Kauf in den Besitz der Bergakademie in Freiberg übergingen.

Blöde, Werner’s Nekrolog in Schrift. d. mineral. Gesellsch. in Dresden 1819. – Böttiger, Vorlesung am Erinnerungstage von Werner’s Tod in Schrift. der mineral. Gesellsch. in Dresden 1820. – S. G. Frisch, Lebensbeschreibung A. G. Werner’s, Leipzig 1825. – T. L. Hasse, Denkschrift z. Erinnerung an die Verdienste des Bergrath Werner, Dresden 1848. – Die Geschichte u. jetzigen Verhältnisse d. k. s. Bergakademie in Freiberg 1866.